Anhang 2: Nachwort für die Kunstrichter

Die Sittenrichter meinen den Autor, die Kunstrichter meinen das Buch.

Dieses Buch nun hat keine Handlung. Außer einer, mit zweihundertsiebzig Mark im Monat dotierten Anstellung geht nichts verloren. Keine Brieftasche, kein Perlenkollier, kein Gedächtnis, oder was sonst im Anfang von Geschichten verloren geht und im letzten Kapitel, zur allgemeinen Befriedigung, wiedergefunden wird. Es wird nichts wiedergefunden. Der Autor hält den Roman keineswegs für eine amorphe Kunstgattung, und trotzdem hat er hier und dieses Mal, die Steine nicht zum Bauen verwandt.

Man könnte beinahe vermuten, es handle sich um eine Absicht.

Es treten wichtige Personen auf und verschwinden vor der Zeit. Es kommen unwichtige Leute daher und kehren mit einer Heftigkeit, die ihnen gar nicht zukommt, immer wieder. Ein junger Mann erschießt sich. Ein anderer junger Mann ertrinkt. Und beide Todesfälle sind äußerlich so wenig gerechtfertigt, beide Herren kommen derartig aus Versehen ums Leben, daß man fragen könnte: Gab es denn keine zwingenderen Anlässe? Warum versagte der Autor ihrem Tod die Notwendigkeit?

Man könnte beinahe vermuten, es handle sich um eine Absicht.

Die Zahl der Dachziegel, die dem Menschen aufs Barhaupt fallen können, wächst von Tag zu Tag. Die Dummheit dessen, was geschieht, nimmt, vom zunehmenden Tempo des Geschehens angeregt, imposante Ausmaße an. Der Zufall regiert, daß sämtliche verfügbaren Balken knistern. Das Leben ist interessant, das ist das einzig gute Haar in der Suppe, die wir auszulöffeln die Ehre haben.

Der Zustand lebt mehr denn je vom Zufall. Wovon, so fragte sich der Autor, soll die Darstellung des Zustands leben? Jeder Tag ist für den, der ihn erlebt, eine Reise im verkehrten Zug ans falsche Ziel. Weil es viele Möglichkeiten gibt, und nur eine davon kann Tatsache werden, verwirklicht sich das Unwahrscheinliche. Die Vernunft ging ins Exil. Der verworrene Zustand und der ratlose Mensch blieben übrig. Wie ließ sich beides am treffendsten auf den Leser übertragen? Wie konnte es, wenn überhaupt, gelingen, den Leser so zu mobilisieren, daß er nach der Lektüre womöglich aufsprang und auf den Tisch schlug und ausrief: Dieser Zustand muß anders werden!

Das Buch hat keine Handlung und keinen architektonischen Aufbau und keine sinngemäß verteilten Akzente und keinen befriedigenden Schluß.

Man vermutet richtig, ob man es nun für richtig hält oder nicht: Es war so die Absicht!