seine silbern funkelnden Zähne zur Schau. »Aber du bist keine schlechte Person – in meinen Augen legst du dich tatsächlich manchmal sogar zu sehr ins Zeug, um in den Heiligenstand aufgenommen zu werden. Wenn die Dinge anders gelaufen wären, würde ich dir raten, etwas lockerer zu werden. Worauf ich hinauswill, ist Folgendes: Es wird schnell gehen, und ich werde dich gebührend ehren – nach deinem Tod. Du wirst gewiss wunderbar schmecken.«
Lucas spielte mit dem Messer in seiner Hand und kam auf mich zu, griff nach meinem Haar, um meine Kehle freizulegen.
»Nicht schon wieder …«, grollte ich. Meine Gedanken waren langsam und träge; zähflüssig wie Öl, das aus einem Leck auf den Wüstenboden tropft.
»Ich verspreche dir, du wirst es nicht mal merken«, wisperte er. »Ich bin ein guter Jäger und weiß, wie man ein gestraucheltes Tier schnell und schmerzlos tötet. Deine Sunny wird gewiss einen Schock bekommen und eine Therapie brauchen, aber auch das gibt sich wieder.« Er begann zu lachen. Es war zwar nur ein kleines Lachen, nicht unähnlich einem Kichern, aber gehässig genug, um Wut in mir zu entfachen – eine große, unbändige Wut.
»Der Mistkerl genießt das Ganze!«, schoss es mir durch den Kopf.
Vorsichtig tastete ich an meinen blutüberströmten Beinen entlang und bekam ein Stück Glas zu fassen, das von dem zerbrochenen Fenster in der Wand stammte, gegen die mich Lucas geschleudert hatte. Geduldig wartete ich, bis er sich weit genug zu mir heruntergebeugt hatte. Mit einer geringschätzigen Geste ließ er das Messer durch seine Finger wandern. Ehe er aber die Klinge ansetzen konnte, holte ich aus und rammte ihm die Glasscherbe in den Wanst. Mit einem kräftigen Ruck riss ich eine Wunde in seinen Bauch, die mit der meinen durchaus vergleichbar war.
Lucas presste einen Schmerzlaut hervor, der zur Hälfte von einem Menschen, zur Hälfte von einem Wendigo zu stammen schien, und taumelte rückwärts von mir weg. Als er am Boden lag, fuhr seine rechte Hand zu der Glasscherbe in seinem Bauch. Zwischen seinen Fingern quoll rötlich-schwarzes Blut hervor und bildete kleine Lachen in seinem Nabel und auf seinen flachen Hüften. »Unfassbar! Ihr gottverdammten Köter wisst einfach nicht, wann es an der Zeit ist aufzugeben, was?«
»Ich weiß noch nicht mal, wie man ›aufgeben‹ schreibt!«, knurrte ich. Aus irgendeiner nebligen Ecke in meinem Hirn drang eine vernünftig klingende Stimme zu mir vor und teilte mir mit, dass die panikhafte Euphorie, die mich gerade überkam, kein Anlass zur Freude war, sondern eher dem Umstand zugeschrieben werden musste, dass ich kurz davor war, in einen Schockzustand abzugleiten, aber ich gab mich dem Gefühl dennoch hin, damit es meine Augen offen und meinen Geist – oder das, was davon noch übrig war – wach hielt.
»Ich nehme zurück, was ich gesagt habe«, blaffte mich Lucas an, als er sich aufgerappelt hatte und erneut mit dem Messer auf mich zukam. »Du bist es nicht wert, gefressen zu werden.«
»Du siehst mich enttäuscht«, fauchte ich, und dann krachte etwas auf Lucas’ Hinterkopf. Nach einem seltsamen Knacken begann er zu schwanken – allerdings nicht von der Wucht des Schlages. Winzige Zuckungen huschten über seine Züge und kündigten seine Verwandlung an.
»Lass sie in Ruhe, du Möchtegernvampir!«, rief Sunny.
Lucas drehte sich um und ließ das Messer von einer Hand in die andere wandern. »Mhm, lecker … ein Mensch. Magie. Ich würde fast sagen, du bist eine Sünde wert, Hexe.«
Sunny hielt das Radkreuz ihres Cabrios wie eine Waffe vor sich. »Bleib mir vom Leib!«
»Wenn du ihr auch nur ein Haar krümmst, wird es keinen Ort auf dieser Welt geben, an dem du dich vor mir verstecken kannst, du haarloser Schleimklumpen!«, schrie ich und versuchte, mich an der Wand abzustützen, um mich aufzurichten.
»Luna, du bist im Augenblick nicht mal stark genug, um eine Ameisenstraße von deinem Körper zu wischen«, erwiderte er und deutete mit dem Messer auf mich. »Bleib liegen!« Seine Nüstern bebten, als Sunny näher kam und dabei das Radkreuz mit wuchtigen Hieben vor sich hin- und herschwang. »Sie ist es nicht wert, für sie zu sterben, Sunshine.«
»Ich heiße Sunflower!«, brüllte sie ihn an. »Und ich werde in nächster Zeit auch nicht sterben, du … du Giftpilz.«
Als sich Lucas von mir abwandte, konnte ich ein klaffendes dunkles Loch an der Stelle sehen, wo Sunny seinen Hinterkopf getroffen hatte. Ich zog meine Waffe und zielte auf die Wunde. »He, Lucas, du Knalltüte!«, rief ich. »Willst du wirklich, dass ich meine Schießkünste noch mal unter Beweis stelle? Diesmal bleibt es aber ganz bestimmt nicht bei einem Schulterschuss.«
Er steckte das Messer zurück ins Halfter und zwinkerte mir zu. »Du immer mit deinem Revolver … wird dir das nicht auch langsam langweilig?« Im nächsten Augenblick huschte er einer Rauchwolke gleich an Sunny vorbei und warf sie dabei um. Erst an der Straßenecke nahm er wieder Gestalt an und drehte sich zu uns um. »Wir sehen uns wieder. Hat Spaß gemacht.«
Lucas verschwand mit Warpgeschwindigkeit. Sunny stand auf und klopfte sich ab.
»Du hast ganz schön lange gebraucht!«, sagte ich, als sie ihre Jacke auf meine Stichwunde presste.
»Halt die Klappe! Erst musste ich den ganzen Weg zum Wagen zurückrennen, um das Radkreuz zu holen, mich dann von hinten an diesen Verrückten heranschleichen, und jetzt meckerst du auch noch.«
Ich sah zu der Stelle, an der Lucas verschwunden war. Eine kleine Blutlache war alles, was zurückgeblieben war. »Ich glaube nicht, dass er verrückt ist«, sagte ich zerstreut. Die Obdachlosen begannen, aus ihren Verstecken zu kriechen, und musterten uns. Selbst der alte Wendigo kam aus seiner dunklen Gasse gehumpelt.
»Ach nein?«, fragte Sunny ungläubig und blickte auf meine Wunde. »Das hier muss genäht werden!«
»Nein«, murmelte ich, ohne meine Augen von Lucas’ Blut abzuwenden. »Ich denke, er ist besessen.«