Das diffuse Sonnenlicht der gerade aufgehenden Sonne scheint mir ins Gesicht. Ich spüre die Wärme eines anderen Körpers an meinem Rücken und einen von Jadens Armen, der um meine Taille geschlungen ist und mich festnagelt, als wollte er selbst im Schlaf verhindern, dass ich weglaufe.

Will ich das? Ich habe mit Jaden geschlafen, den ich noch vor ein paar Tagen für einen Angeberarsch hielt, den ich auf den Tod nicht ausstehen konnte. Doch nun liege ich hier und habe schon wieder Lust auf ihn. Verdammt, wie hat er es nur geschafft, dass sich mein Körper nach ihm verzehrt und mein Kopf keinen anderen Gedanken mehr zulässt, als an ihn zu denken? Soweit habe ich es eigentlich nicht kommen lassen wollen, doch nun liege ich hier in seinen Armen und bin glücklich. Ja, ich muss bei diesem Gedanken sogar lächeln. Ich bin GLÜCKLICH! Nicht weil es der beste Sex meines Lebens war, auch nicht weil es drei Mal der beste Sex meines Lebens war, sondern weil ich das Gefühl habe, endlich jemanden gefunden zu haben, dessen Herz wie meines schlägt. Jaden hat mir ein vollkommen anderes Ich von sich gezeigt. Ein zärtliches, wildes und gleichzeitig verletzliches Ich. Ich konnte hinter seine coole Maske blicken, durfte den echten Jaden sehen, nicht dieses Abziehbild eines reichen Tennisstar-Sohnes. Und der Mensch hinter der Maske ist jemand, den es sich lohnt zu lieben. Oh Gott, das L-Wort. Nur nicht dieses L-Wort denken. Dafür ist einfach viel zu früh. Daran habe ich bisher noch nie gedacht, bei keinem Typen, mit dem ich geschlafen habe und ich weiß einfach nicht, warum es mir jetzt in den Sinn kommt. Mist, das ist gar nicht gut.

Leise versuche ich mich aus dem Bett zu stehlen, doch in dem Moment, in dem ich mich bewege, wird der Griff um meine Taille fester.

»Wo willst du hin? Es ist gerade mal halb sechs«, stöhnt Jaden mit verschlafener Stimme.

»Ich möchte nach Hause, duschen und mich umziehen.«

»Du kannst hier duschen, mit mir«, grinst er und küsst sich an meinem Hals fest. »Guten Morgen, Sugar Baby.«

So gut es geht, drehe ich mich in seinem Arm. »Guten Morgen.«

»Ich will nicht, dass du gehst. Können wir nicht hier bleiben und uns nie mehr aus dem Bett bewegen

Ich muss lachen. »Nein, Jaden, das können wir nicht. Stell dir vor, dein Vater sieht mich so.«

»Mein Vater bewohnt einen völlig anderen Teil des Hauses, ich sehe ihn manchmal Tage lang nicht. Also komm, lass uns duschen, dann fahre ich dich nach Hause, damit du dich umziehen kannst. Aber vorher müssen wir frühstücken, sonst wird Linda sauer.«

Jaden setzt mich zu Hause ab und fährt dann weiter zum College. Mein Unterricht beginnt heute erst zur zweiten Stunde und ich bin froh über den Abstand, den ich dringend brauche.

Ich schleiche mich wie eine Diebin ins Haus, doch Mom ist bereits wach und wartet in der Küche auf mich.

»Hi, mein Schatz«, begrüßt sie mich gut gelaunt.

»Hi, Mom, alles klar bei dir?« Ich setze mich zu ihr an den Küchentisch.

»Alles bestens.«

»Wie war es bei der Physiotherapie

»Gut, ich mache Fortschritte. Harry hat mich übrigens hingefahren und dort auf mich gewartet.« Sie grinst verlegen.

»Lass mich raten, er hatte einen Auflauf dabei

»Woher weißt du das

»Ich habe so meine Quellen

»Du hast also bei Jaden übernachtet?« Ihre großen Augen blicken neugierig und ich habe das Gefühl, dass es ihr weniger ausmacht, als es sollte.

»Ja«, nicke ich, es abzustreiten ist ohnehin sinnlos, »ich war bei Jaden, die ganze Nacht

»Du magst ihn

»Ja, obwohl ich es nicht wollte, aber ich mag ihn, sehr sogar

Mom legt mir die Hand auf den Arm. »Schatz, ich freue mich für dich, dass es nun jemanden gibt, der dir etwas bedeutet.«

»Du bedeutest mir etwas«, sage ich und drücke ihre Hand.

»Du weißt, was ich meine. Ich muss dir etwas sagen.« Mom setzt sich aufrecht hin und wirkt total aufgeregt. Oh Gott, hoffentlich gesteht sie mir jetzt nicht, dass Harry hier übernachtet hat. Ich halte gespannt den Atem an.

»Harry hat mir einen Job angeboten.« Ihre Augen leuchten.

»Einen Job?«, frage ich überrascht, »als was?«

»Nun, nicht als neue Tennispartnerin«, lacht sie. »Er eröffnet ein Tenniscamp und möchte, dass ich für ihn die Büroarbeit erledige. Es ist eine sitzende Tätigkeit und er hat mir angeboten, mich abzuholen und auch wieder nach Hause zu bringen. Was sagst du dazu? Ich würde ein gutes Gehalt bekommen. Du könntest dann deinen Job im Firework aufgeben und dich ganz aufs College konzentrieren.«

Ihre Wangen sind rosig und ihre Augen leuchten wie Edelsteine. Ich bringe es nicht übers Herz, ihr zu sagen, dass ich das ganz und gar nicht für eine gute Idee halte.

»Wird das nicht zu anstrengend für dich?«, frage ich stattdessen.

»Nein, es wäre für drei Tage in der Woche. Ich fühle mich so nutzlos und möchte die Chance gerne ergreifen

Ich nicke. Natürlich kann ich sie gut verstehen, aber mir ist nicht wohl bei dieser Geschichte. Ich frage mich, was dahinterstecken mag. Harry könnte ohne Probleme jemanden finden, warum versteift er sich ausgerechnet auf meine Mom?

In der Pause sitze ich mit Hope in der Cafeteria zusammen. Wir essen zu Mittag und ich muss mich nicht ihren bohrenden Fragen stellen, da Kate mit am Tisch sitzt. Ich sehe aber, dass Hope ihre Ungeduld kaum noch im Zaum halten kann. Als sich auch noch Brooklyn und Jaden zu uns gesellen, beäugt sie mich misstrauisch.

»Hi, Jaden«, sagt Kate und stellt sich ihm in den Weg, als er sich an unseren Tisch setzen will. »Ich wollte dir nur sagen, wie toll ich deinen Tanz am Freitag im Firework fand. Wenn du jemanden suchst, der mit dir picknickt, brauchst du nur Bescheid zu sagen«, säuselt sie.

Jaden hebt abwehrend die Hände. »Tut mir leid, Kate, aber das Picknick hat gestern schon mit meiner Freundin stattgefunden.«

Das freundliche Lächeln auf Kates Gesicht erlischt. »Du hast eine Freundin? Das sind ja ganz neue Töne.« Sie scheint Jaden nicht zu glauben. »Seit wann denn?«

»Seit dem Picknick«, antwortet er ihr gelassen und lächelt mich an. »Kommst du, Sugar Baby?«, fragt er, greift nach meiner Hand und zieht mich mit sich fort.

»Ich fasse es nicht«, höre ich Hope noch murmeln, dann sind wir auch schon aus der Cafeteria verschwunden.

»Na, wenn das mal nicht ein Auftritt war«, stöhne ich und lasse mich widerstandslos von Jaden zu seinem Auto ziehen. Ich denke mir, dass Hope stinksauer auf mich sein wird, weil ich ihr nichts gesagt habe. Aber was hätte ich ihr auch sagen sollen? Überraschung! Ich habe mit Jaden geschlafen? Oder: Hey, ich habe mich in den Typen verliebt, den ich eigentlich gar nicht leiden kann? Mist, sie wird mir den Hals umdrehen.

Jaden startet den Motor, als ich protestiere: »Ich habe noch drei Stunden Unterricht.«

»Jetzt nicht mehr, ich muss mit dir sprechen

Auf meinem Handy geht eine SMS ein, doch ich ignoriere es. Sicherlich Hope, die mir den Kopf waschen will, oder mir die Freundschaft kündigt. Erst jetzt registriere ich, dass wir auf die I-95 in südwestlicher Richtung fahren.

»Wo willst du mit mir hin?«, frage ich etwas unsicher.

»Ich will dir etwas zeigen«, ist seine knappe Antwort.

Da Jaden nicht bester Laune ist, halte ich lieber die Klappe und warte einfach ab, wohin er mich bringt. Wir passieren Ortsschilder wie Bridgeport, Stamford und irgendwann taucht die nächste große Stadt auf. New York.

»Was wollen wir denn in New York?«, frage ich, als wir die erste Brücke überqueren.

»Wir sind gleich da

»Das ist jetzt aber keine Antwort auf meine Frage

»Ava!« Seine Stimme ist gepresst, also halte ich lieber wieder den Mund.

Wir fahren den Hudson River entlang, biegen dann links ab und landen am Columbus Circle. Hier wollte ich doch schon immer mal hin, denke ich zynisch und verziehe leicht den Mund. Vor einem Gebäude mit verspiegelter Fassade hält Jaden direkt am Straßenrand und steigt aus. Während er um den Wagen läuft, um mir die Tür aufzuhalten, kommt ein Portier und nimmt seinen Autoschlüssel in Empfang.

»Danke, Ralph«, bedankt er sich höflich und lässt den Portier mit dem Wagen davonfahren.

»Komm mit.« Jaden nimmt meine Hand und wir betreten die hochfeine Lobby des Time Warner Center.

»Was wollen wir hier?«, frage ich ehrfürchtig und komme mir ziemlich deplatziert vor.

»Hier wohne ich, wenn ich in New York bin

»Hier?«

Jaden steuert mit mir auf eine Reihe von Aufzügen zu und wir fahren in den 52. Stock. Direkt gegenüber dem Fahrstuhl öffnet er eine Tür und wir betreten eine andere Welt.

»Wow«, murmele ich. Die Wohnung ist einem riesigen Loft nachempfunden. Alles offen, mit Wänden aus Backstein und Stahlträgern, so scheint es auf den ersten Blick. Ich laufe zum Fenster und drücke mir die Nase platt. Die Menschen und Autos auf der Straße sehen aus wie Miniaturen.

»Dies ist eine der wenigen Wohnungen in diesem Gebäude mit freier Aussicht auf den Park. Vielen der übrigen Appartements wird die Sicht durch den Trump Tower versperrt.«

»Wahnsinn!« Ich kann es nicht glauben. »Warum wohnst du in New Haven, wenn du mit Harry diese Wohnung hast?«

Jaden schüttelt den Kopf. »Dies hier ist meine Wohnung. Ich habe sie von dem Geld gekauft, dass mir meine Mutter gegeben hat. Harry war noch nie hier. Er weiß nicht einmal, dass es diese Wohnung gibt. Das ist mein ganz privater Rückzugsort, den nur ich kenne ... und jetzt du.«

Er zieht mich an der Hand von der Fensterfront weg. »Komm, ich zeige dir den Rest

Nach einer ausführlichen Wohnungsbesichtigung machen wir es uns auf dem riesigen Sofa bequem. Jaden zieht mich auf seinen Schoß und wir teilen uns eine Coke, die wir im Kühlschrank gefunden haben.

»Wieso hat deine Mutter dir so viel Geld überlassen, dass du dir solch eine Wohnung kaufen konntest? Sie muss doch mehrere Millionen gekostet haben.« Ich will gar nicht über die genaue Summe nachdenken, sonst wird mir noch ganz schlecht.

»Vier.«

»Was vier?«

»Die Wohnung hat vier Millionen gekostet

Nun ist mir schlecht.

»Meine Mutter hat mir dieses Geld geschenkt, weil sie ihr schlechtes Gewissen beruhigen wollte. Erst wollte ich es zurücküberweisen, dann verjubeln, zum guten Schluss habe ich mich für etwas entschieden, was nur mir gehört. Etwas, womit ich mich unsichtbar machen kann. Hier findet mich niemand, hier kann ich der Jaden Jon Styles sein, den niemand kennt.«

Ich schaue ihn aufmerksam an und sein Blick ist konzentriert auf die gegenüberliegende Wand gerichtet. »Das ist dir wichtig, nicht wahr, unbekannt zu bleiben

Er nickt. »Ja, du weißt nicht, wie es ist, immer in der Öffentlichkeit zu stehen. Ständig von Paparazzi verfolgt zu werden, auch wenn man nur der Sohn des Ex-Tennisstars ist. Jetzt, wo wir wieder in New Haven wohnen und er seinen Traum von einem Tenniscamp verwirklicht, bin ich froh, bei ihm zu leben. Aber ich bin auch froh, diese Wohnung zu haben.«

»Hasst du deine Mutter dafür, dass sie dich abgeschoben hat?« Ich streiche ihm eine wirre Haarsträhne aus der Stirn.

Jaden muss einen Augenblick über meine Frage nachdenken, dann schüttelt er den Kopf. »Nein, ich hasse sie nicht. Aber ich liebe sie dafür auch nicht. Eigentlich ist sie mir inzwischen vollkommen egal. Ich brauche sie nicht mehr.«

»Aber du vermisst sie

»Vermissen kann man nur Menschen, an denen einem etwas liegt oder die man liebt. Dich würde ich vermissen, wenn du nicht bei mir wärst. Ich vermisse dich jede Sekunde, die du nicht bei mir bist

Er sagt das mit so einer Dringlichkeit, dass ich ihn einfach küssen muss. Ich fasse es nicht, wie wichtig Jaden mir in den wenigen Tagen geworden ist, seit wir uns kennen. Zärtlich streiche ich mit den Fingern durch sein Haar und küsse ihn.

»Warte«, unterbricht er unseren Kuss, »ich habe noch etwas für dich. Ich möchte dir etwas schenken, das uns verbindet

Er rutscht tiefer auf das Sofa und zieht etwas aus seiner Hosentasche. Ein kleines Päckchen, ungeschickt eingewickelt in Geschenkpapier. Mit zitternden Fingern packe ich es aus. Es ist eine Schlüsselkarte.

»Dies ist der Schlüssel zu diesem Appartement und ich möchte, dass du ihn bekommst. Wann immer du der Meinung bist, dass du untertauchen musst, um für dich allein zu sein, kannst du hierherkommen. Ich möchte, dass dies unser Geheimnis bleibt. Nur du und ich wissen davon.« Er drückt mir die Karte in die Hand und schließt meine Finger darum.

Erstarrt blicke ich auf meine Hand, bin fassungslos über seinen Vertrauensbeweis. Nur langsam kommt wieder Leben in mich und ich schüttele den Kopf.

»Nein Jaden, das kann ich nicht ...« Der Rest meines Einwands geht in dem hinreißenden Kuss unter, den er mir auf die Lippen drückt.