* 12 *

Wird er hingerichtet.

Die Worte wurden immer und immer wieder ausgesprochen, von Hunderten Stimmen aufgenommen und durch die Reihen der Schatten weitergegeben.

Hoole blieb reglos wie ein Stein.

Tash und Zak fühlten, wie schattengleiche Hände nach ihnen griffen. Sie wurden von hinten gestoßen, von vorne gezogen und von Hoole fortgezerrt. Sekunden später teilten sich die Schatten, und die Kinder fanden sich nicht weit von der Stelle, an der der Millennium Falke gelandet war, unter dem grauen Licht von Kiva stehen.

Als sie herumfuhren, entdeckten sie in der Mitte des Tales eine riesige bebende, aus Schatten gebildete Kuppel, die jener glich, die sie eben erst von innen gesehen hatten.

Einen Augenblick lang standen die Arranda-Kinder nur benommen da, ohne daß eines von ihnen gewußt hätte, was es empfinden sollte. Hoole hatte sie aufgenommen, sich um sie gekümmert. Er war sogar mehr als einmal ihr Lebensretter gewesen. Aber er hatte ihnen auch ein entsetzliches Geheimnis vorenthalten.

Zak fand als erster Worte. „Ich kann es nicht glauben."

„Er hat uns angelogen", sagte Tash.

„Er... er ist ein Mörder."

„Schlimmer als ein Mörder", stellte Tash fest. „Ein Planetenkiller." Sie schwieg einen Augenblick. „Aber er ist trotzdem unser Onkel."

Zak nickte. „Er hat so viel für uns getan. Und er ist immer noch dort drin. Sie werden ihn umbringen. Was sollen wir tun?"

Tash wiegte den Kopf. „Es sah nicht so aus, als wollte er gerettet werden. Und ich bin auch gar nicht sicher, ob wir ihn retten könnten. Vielleicht sollten wir zu den Schiffen zurückkehren, uns auf die Suche nach Deevee und Eppon begeben und dann überlegen, was wir machen können."

Zak fühlte sich wie betäubt. „Wir können ihn doch nicht einfach da drin zurücklassen."

„Haben wir denn eine Wahl?" erwiderte seine Schwester.

Zak wußte darauf keine Antwort.

Gemeinsam machten sie sich auf den Weg zurück zum Millennium Falken. Keiner von ihnen sagte etwas. Keiner von ihnen wollte der furchtbaren Wahrheit ins Auge blicken, die ihnen beiden im Kopf herumspukte: Sie waren sich nicht sicher, ob sie Hoole überhaupt retten wollten.

Sie erreichten den Falken und das Frachtschiff. Als sie näher kamen, eilten zwei Gestalten auf sie zu, deren eine im grauen Licht silbrig schimmerte. Die andere sah aus wie Eppon, bis auf...

„Er ist noch größer geworden!" stöhnte Zak.

„Es sieht ganz so aus", stimmte ihm Deevee zu. „Ich habe den Jungen wiedergefunden, kurz nachdem ihr verschwunden seid. Da war er bereits so groß wie jetzt. Glücklicherweise konnte ich in dem Frachter einen herrenlosen Overall finden, der ihm recht gut paßt."

Zak stand dem geheimnisvollen Jungen am nächsten. „Kann man wohl sagen. Er ist größer als ich."

Es stimmte: Eppon war zu einem Burschen im Teenageralter herangewachsen. Das Haar fiel ihm ein gutes Stück über die Schultern. Das Gesicht wies keine Spur Babyspeck mehr auf, und an den Armen entwickelte sich eine starke Muskulatur. Sogar seine Stimme hatte sich verändert.

„Eppon", sprach er mit tiefer, rauher Stimme.

„Die Wunde ist auch größer geworden", bemerkte Tash. Der purpurfarbene Bluterguß am Kopf hatte sich ausgebreitet. Er bedeckte jetzt den größten Teil seiner Stirn und sah aus, als wolle er sich nach unten über das gesamte Gesicht ausbreiten. „Das sieht übel aus. Was, denkst du, ist das, Deevee?"

Deevee schüttelte den Kopf. „Meine biologischen Kenntnisse sind begrenzt. Und aufgrund des rapiden Wachstums würde ich sagen, der Junge ist nicht ganz menschlich, daher vermag ich nicht sicher zu bestimmen, an welcher Krankheit er leidet."

Das einzige, was sich an Eppon nicht verändert hatte, war das Funkeln, das in seine Augen trat, wenn er Zak oder Tash ansah. Er lächelte sie an und sagte noch einmal: „Eppon!"

Deevee war nicht weniger erfreut, die beiden zu sehen. „Ich dachte schon, ich begegne euch niemals wieder! Was ist passiert?"

Während Tash und Zak berichteten, wie die Gespenster sie gefangen hatten, gingen sie rasch an Bord des Falken. Als sie zu Hooles Geständnis kamen, schien Deevee darüber nicht überrascht. „Ich muß bekennen, daß ich einigen Verdacht hegte", sagte der Droide.

Zaks machte große Augen. „Was? Wie lange hast du denn schon...?"

„Noch nicht lange", erklärte der Droide. „Um die Wahrheit zu sagen, hatte ich bis vor einer Stunde noch keine Ahnung. Der Droide R2-D2 hat es mir mitgeteilt. Erinnert ihr euch daran, wie er sich an den Computer der Festung angekoppelt hat?"

„Klar", erwiderte Tash. „Aber er sagte, er könne keine Aufzeichnungen über das Projekt Sternenschrei finden."

Deevee nickte. „Das stimmte auch. Aber er fand alte Aufzeichnungen aus der Zeit vor zwanzig Jahren, die enthüllten, daß zwei Shi'ido die Experimente geleitet haben, durch die Kiva verwüstet wurde. Daraufhin strengte ich mein hocheffizientes Computerhirn an. Allerdings war ich mir nicht vollkommen sicher, bis ihr mir eure Geschichte erzählt habt."

Tash schüttelte den Kopf. „Die ganze Zeit. Wir waren die ganze Zeit mit ihm zusammen und hatten keine Ahnung, daß er etwas so Schreckliches getan hat."

Deevees Photorezeptoren wandten sich in ihre Richtung. „Du solltest wissen, daß die Geschichte damit noch nicht vollständig erzählt ist. Genaugenommen hat Master Hoole..."

Deevee wurde von einem ohrenbetäubenden statischen Rauschen unterbrochen. Das Komsystem des Falken hatte sich unvermittelt aktiviert. Nach einigen Sekunden elektronischen Kratzens drang eine Stimme aus den Lautsprechern.

„Jemand zu Hause? Irgendwer bitte melden! Kann mich jemand hören?"

Zak erkannte die Stimme. „Das ist Han Solo!" Er eilte zur Kontrollkonsole und legte einen Schalter um.

„Wir empfangen Sie, Han."

Es gab eine Pause. „Bist du das, Junge? Laß mich mit einem der Soldaten sprechen."

„Die sind alle weg!" rief Tash über die Schulter ihres Bruders hinweg. „Wir sind als einzige noch übrig."

Sie hörten Han am anderen Ende der Verbindung fluchen. Dann sagte er: „Hört mal, ihr müßt sehen, daß ihr da raus kommt. Die Imperialen sind auf dem Weg zu euch!"

„Wieso das?" wunderte sich Deevee. „Ich dachte, sie hätten es auf Luke Skywalker abgesehen."

„Das dachten wir auch", kam Hans Stimme aus den Lautsprechern. „Wir haben versucht, sie in die Irre zu führen, doch im gleichen Augenblick, in dem Vader mitkriegte, daß ihr nicht mehr bei uns wart, brach er den Angriff ab und marschierte auf die Schiffe zu. Sieht ganz so aus, als wäre er hinter euch her!"

Kalte Angst ergriff Zak und Tash. Darth Vader hatte sich an ihre Fersen geheftet.

„Was sollen wir Ihrer Meinung nach unternehmen?" fragte Tash mit heiserer Stimme.

„Eure einzige Chance besteht darin, so schnell wie möglich zu starten", antwortete Han.

„Alles klar!" jubilierte Zak und studierte mit Feuereifer die Kontrollen des Falken.

„Aber nicht mit dem Falken", fügte Han hinzu. „Du würdest es niemals schaffen, das alte Mädchen zu fliegen. Geht rüber an Bord des Frachters. Ich nehme Kontakt mit euch auf und erkläre euch, wie ihr die Triebwerke zündet."

„Blasterblitz!" stieß Zak hervor. „Und ich könnte sie doch fliegen!"

„Verstanden. Falke Ende", bestätigte Tash.

Sie dirigierte ihren Bruder, Deevee und Eppon von Bord des Falken und zu dem anderen Schiff. In Erinnerung an Meex, der im Innern des Schiffs verschollen und niemals wieder aufgetaucht war, bewegten sie sich mit äußerster Vorsicht. Doch sie fanden nichts. Das Schiff war verlassen. Sie liefen ins Cockpit, wo Han Solos Stimme bereits aus den Lautsprechern sprudelte.

„Wir sind da, Han", meldete sich Tash.

Die Lautsprecher knisterten. „Prima. Ihr müßt folgendes tun..."

Die Anweisungen kamen jedoch nie bei ihnen an. Ein Blasterblitz zuckte über ihre Schultern, schlug in die Kontrollen ein und ließ einen Funkenregen durch die Luft wirbeln.

In der Erwartung, Sturmtruppen zu sehen, fuhren Tash, Zak und Deevee herum.

Doch statt dessen blickten sie in ein Gesicht aus dem Reich der Toten.

In das Gesicht eines Shi'ido.

In das Gesicht von Borborygmus Gog.