* 6 *
Zak und Hoole rissen die Arme hoch, um ihre Gesichter zu schützen. Tash drückte Eppon fester an die Brust.
Von der gesprengten Tür stiegen Rauchwolken auf. Sekunden darauf setzte ein Trupp Soldaten durch den offenen Eingang; die Energieblitze aus ihren Blastern verbrannten die Luft. Das Imperium hatte sie gefunden!
Dann entdeckte Zak einen Soldaten, der viel größer war als die übrigen. Die hochgewachsene Gestalt brüllte und schüttelte den zottigen Kopf. Ein Wookiee.
„Chewbacca!" rief Zak.
Der Wookiee brüllte abermals.
„Feuer einstellen!" befahl eine weibliche Stimme, und die Schießerei brach sofort ab.
Hinter dem Wookiee traten drei weitere Gestalten aus dem Rauch. Ein blonder Mann, ein dunkelhaariger Mann, der sich selbstsicher und prahlerisch bewegte, und eine schöne junge Frau, die den klaren Blick und das stolze Gebaren einer geborenen Anführerin an den Tag legte.
„Prinzessin Leia", rief Tash aufgeregt. „Luke, Han! Was macht ihr denn hier?"
Han Solo stieß seinen Blaster ins Holster zurück. „Wir könnten euch dasselbe fragen, Kleine. Wir haben nichts von euch gesehen, seit wir von D'vouran abgehauen sind."
Leia musterte die ganze Gruppe, sogar Deevee, mit einem spöttischen Gesichtsausdruck. „Ihr vier habt die Angewohnheit, an den seltsamsten Orten aufzutauchen. Ich muß davon ausgehen, das unsere Begegnung hier kein Zufall ist."
„Wie Han Solo schon sagte", erwiderte Hoole, „wir könnten dasselbe von Ihnen sagen."
Die Rebellenführer waren in Begleitung von zehn Soldaten erschienen, und Zak bemerkte jetzt die Abzeichen an ihren Uniformen. Er identifizierte das Symbol der Rebellion, das er aus geschmuggelten Nachrichten kannte, die er im HoloNet gesehen hatte. „Das kenne ich!" platzte er heraus. „Ihr seid Rebellen. Ich habe es gleich gesagt, als wir uns trafen."
Hooles dunkle Augen erwiderten Leias unverwandten Blick. „Darf ich annehmen, daß Sie hergekommen sind, um mehr über das Projekt Sternenschrei in Erfahrung zu bringen?"
Leia war überrascht, doch nur für einen Augenblick. „Genaugenommen sind wir hier, um das Projekt Sternenschrei zu vernichten. Nachdem wir D'vouran verlassen hatten, haben wir das imperiale Wissenschafts-Gouvernement unter die Lupe genommen; wir haben herausgefunden, daß das Imperium wie üblich etwas im Schilde führte. Schließlich stießen wir auf den Namen Projekt Sternenschrei und sind der Spur bis hierher gefolgt..."
„... und müssen nun erfahren, daß ihr vor uns angekommen seid", warf Luke Skywalker ein. Er zwinkerte Tash zu, und sie spürte, wie bereits bei ihrer ersten Begegnung, wie die Macht zwischen ihnen hin- und herfloß. Ein warmes, elektrisches Prickeln, als hänge sie an einem Ende einer Verbindung und Luke am anderen. Und gemeinsam bildeten sie eine Einheit. „Ich wußte, daß es mit dir eine besondere Bewandtnis hat", sagte er und betrachtete Tash.
Zaks Augen strahlten. „Hey, es ist echt klasse, daß ihr hier seid. Ihr könnt uns von diesem Planeten mitnehmen. Unser Schiff wurde von einer Ionenkanone getroffen, und wir haben eine Bruchlandung hingelegt."
Han wies lässig mit dem Daumen über die Schulter. „Ja-ah, wir sind von denselben Waffen beschossen worden. Unsere Schiffe haben ungefähr fünfzig Kilometer von hier ziemlich hart Bekanntschaft mit dem Boden gemacht, aber der Millennium Falke hat dank meiner Flugkünste nicht allzuviel abgekriegt."
Chewbacca belferte eine sarkastische Bemerkung. „Ja-ah, und natürlich dank Chewie", übersetzte Han. „Wir haben ein paar Techniker auf das Problem angesetzt. Das Schiff wird bis zu unserer Rückkehr startbereit sein."
„Wir starten, sobald wir uns vergewissert haben, daß das Projekt Sternenschrei zerstört wurde", erklärte Leia. „Und wenn möglich, würden wir dem Individuum, das hinter dem Projekt steht, gerne ein paar Fragen stellen. Laut unseren Quellen..."
„Ein Shi'ido namens Borborygmus Gog", unterbrach Hoole sie. „Wir wissen Bescheid."
Leia machte große Augen. Sie war offensichtlich beeindruckt.
Hoole fuhr fort: „Ich fürchte bloß, Sie werden ihm keine Fragen mehr stellen können. Er starb vor einigen Tagen. Und ich bin sicher, daß alle maßgeblichen Kenntnisse mit ihm gestorben sind."
„Hört sich an, als hättet ihr uns eine Menge zu erzählen", meinte Han mit einem Kopf schütteln.
„Später", wandte Leia ein. „Zuerst sollten wir uns mal davon überzeugen, daß Gog tot ist. Dreipeo! Erzwo!"
Ein menschenähnlicher goldener Droide, der Deevee äußerlich sehr ähnelte, kam angewackelt, gefolgt von einem gedrungenen, faßförmigen Gefährten. Tash und Zak erkannten C-3PO und R2-D2 sofort.
„Da sind wir, Hoheit!" verkündete der goldene Droide, Dreipeo. „Wir bilden die, äh, Nachhut."
Erzwo gab darauf eine Reihe von Pfeif- und Piepstönen von sich.
„Sei still, Erzwo", erwiderte Dreipeo. „Du könntest nicht einmal deine Servos vor Rost schützen."
Leia ignorierte sie. „Erzwo, klink dich in den Zentralrechner ein. Ich will alles wissen, was es über das Projekt Sternenschrei zu erfahren gibt."
Erzwo rollte mir einem unternehmungslustigen Piepsen auf die Computerkonsole zu und koppelte seinen Verbindungsstecker mit einer unbelegten Buchse.
„Ich habe aus einer anderen Richtung meine eigenen Nachforschungen angestellt", erklärte Hoole derweil. „Wir begegneten Gog, bevor ich wußte, daß sein Hauptquartier sich hier auf Kiva befindet. Und als wir herkamen, war diese Anlage verlassen, wir fanden keine Spur mehr von dem Projekt."
„Außer ihm hier!" lachte Tash und hob den kleinen Jungen auf die Schulter. Er hielt ihren adretten blonden Zopf fest im Griff und zog daran. „Wir haben ihn in dieser Eikammer gefunden."
„Und wer bist du, Kleiner?" fragte Leia und nahm das pausbäckige Gesicht des Babys in beide Hände.
„Eppon!" kreischte der Kleine.
„Wir glauben, das ist sein Name", erklärte Tash. „Es ist das einzige Wort, das er kennt."
Leia fuhr mit dem Finger durch die dicke Staubschicht, die sich auf der Computerkonsole abgelagert hatte. „Dieser Ort scheint schon eine ganze Weile verlassen zu sein. Wie ist es dem Baby gelungen, hier zu überleben?"
Hoole deutete auf die eiförmige Kammer. „Ich denke, genau das ist der Zweck dieser Kammer. Sie sollte das Kind während Gogs Abwesenheit am Leben erhalten."
„Dann hat dieser Gog wohl vorgehabt, irgendwelche Experimente mit dem Baby durchzuführen", warf Han verächtlich ein. „Diese Imperialen sind widerwärtigere Schleimer als Jabba der Hutt."
„So wie es aussieht, hat ihn sein Schicksal ereilt, ehe er dem Kleinen etwas antun konnte", sagte Luke und kitzelte das Baby unterm Kinn. Eppon kicherte.
Da ließ Erzwo ein aufgeregtes Zwitschern hören.
„Euer Hoheit", erläuterte Dreipeo, „Erzwo sagt, daß er die Dateien aus diesem Rechner in seinen Gedächtnisspeicher übertragen hat. Wenn es jemals irgendwelche Aufzeichnungen über das Projekt Sternenschrei gegeben hat, so sind sie vernichtet."
„Ich wußte", sagte Hoole, „daß Gog zu vorsichtig war, um Dateien offen herumliegen zu lassen. Was immer er plante, hat er in sein Grab mitgenommen."
„Nun, sorgen wir dafür, das wir es ihm nicht gleichtun", sagte Luke. „Ich würde gern von diesem Planeten verschwinden, ehe uns der Ärger einholt."
„Entspann dich", erwiderte Han gähnend. „Welcher Ärger sollte uns denn schon bis zu diesem ausgestorbenen Ort folgen?"
Ein paar Stunden später durchwanderten Zak und Tash ein zweites Mal die Felslandschaft von Kiva. Sie hatten die Rebellen vor den seltsamen Schattenwesen gewarnt, so daß die Gruppe während des Fußmarsches die Augen offenhielt. Hinter den Arranda-Kindern ging der aus zehn Mann bestehende Trupp von Rebellen-Soldaten. Luke Skywalker hatte sich zu Zak und Tash gesellt, während Hoole vorwegmarschierte und sich mit leiser Stimme mit Prinzessin Leia und Han Solo unterhielt. Der mächtige Chewbacca schritt allen voran und prüfte mit seinen scharfen Wookiee-Sinnen die Umgebung auf mögliche Gefahren.
Zak, Tash und Luke Skywalker wechselten sich darin ab, das Baby zu tragen, und Eppon zupfte an ihren Haaren und fuhr ihnen mit den Händchen durch die Gesichter, während er munter kicherte und gurrte.
„Wenn ich wüßte, wie wir uns um dieses Kind kümmern sollen", überlegte Hoole laut. „Wir können den Kleinen nicht füttern, es sei denn, er ißt die Lebensmittelrationen, die wir vom Schiff mitgebracht haben."
„Es besteht zur Zeit kein Grund, sich darüber den Kopf zu zerbrechen", erwiderte Luke. „Er giert lediglich nach Aufmerksamkeit. Anscheinend hat ihn nie zuvor irgend jemand herumgetragen oder mit ihm geschmust."
„Das ist traurig", bemerkte Tash. „Vielleicht ist er ein Waisenkind."
„In dem Fall weiß ich genau, wie er sich fühlt", sagte Zak.
„Ich auch", fügte Luke Skywalker leise hinzu.
„Na, jetzt ist er jedenfalls kein Waisenkind mehr!" verkündete Tash gutgelaunt. „Er hat uns." Sie hob das Baby hoch in die Luft. „Eppon, von heute an sind Zak und ich deine Geschwister, und du bist ab jetzt ein offizielles Mitglied der Arranda-Familie."
„Eppon!" quietschte das Baby glücklich.
Eppon zappelte so sehr, daß Tash den Kleinen beinahe fallen ließ.
„Puh, er wird mir langsam zu schwer. Bereit zur Übernahme, Zak?"
Zak schlenkerte die Arme, als seien sie weichgekochte Nudeln. „Nicht ich. Mir fallen gleich die Arme ab. Luke?"
Der blonde Rebell zuckte die Schultern. „Tut mir leid, Kinder, ich muß mich Chewie an der Spitze anschließen. Vielleicht erklärt sich einer aus dem Kommando bereit. Hey, Rax!"
Einer der Rebellen-Soldaten drängelte sich nach vorne. „Ja, Sir?"
„Haben sie was dagegen, den Babysitter zu spielen?"
Der Soldat seufzte. Man konnte sehen, daß ihm die Vorstellung nicht gefiel, aber Luke war ein Held der Rebellion, also hängte Rax sich das Blastergewehr über die Schulter und wuchtete den kleinen Eppon in seine Arme. Eppon barg sofort den Kopf in der Halsbeuge des Kämpfers. „Eppon!"
„Er kann Sie leiden", lachte Tash.
„Hurra", brummte der Soldat.
Sie setzten ihren Marsch fort.
Bald gelangten sie zu einer von Felsen bestandenen Ebene, die einem kleinen steinernen Wäldchen glich. Es gab hohe, dünne Felsnadeln, die Hoole bis über den Kopf ragten, sowie kürzere, dickere Brocken, die nur Tashs Hüfte erreichten. Wenngleich Felsen wie diese den ganzen Planeten bedeckten, so standen sie hier doch so dicht, daß ein einzelner Wanderer kaum zwischen ihnen hindurchzugehen vermochte.
Han Solo hieß die anderen anhalten. „Da können wir nicht durch und uns gegenseitig im Auge behalten", erklärte er.
„Wir müssen uns aufteilen und einzeln sehen, wie wir zurechtkommen."
„Vielleicht sollten wir außen herum gehen", schlug Leia vor.
„Da würden wir eine Menge Zeit verlieren", entgegnete Han. „Außerdem bezweifele ich, daß wir uns über irgendwas Sorgen machen müssen."
„Ich werde mich lieber vergewissern", sagte Hoole.
Er schloß die Augen. Zuerst sah es so aus, als würde er vor Kälte zittern. Dann bewegte sich die Haut über die Knochen, und im nächsten Augenblick hatte er die Gestalt geändert... und war zu einer langen, dünnen Schlange geworden – eine nahezu durchsichtige Schlange, die in Kivas grauem Licht nur schwer auszumachen war.
Erzwo piepste.
„Ganz richtig", erwiderte Dreipeo. „Master Hoole wird als Kristallschlange keine Mühe haben, diese Felsen zu erkunden." Dreipeo senkte die Stimme. „Ich bin nur froh, daß er in die andere Richtung will und nicht in meine."
Die Kristallschlange glitt in das Gesteinsfeld und wand sich behende durch die Lücken. Kurz darauf entdeckten sie auf der anderen Seite ein lichtes Glitzern, eine verwischte Bewegung, und die Schlange verwandelte sich wieder in Hoole. Der hochgewachsene Shi'ido winkte. Der Weg war sicher.
Leia erwiderte das Winken. „Okay. Formation auflösen. Beeilen wir uns!"
Die Rebellen-Soldaten traten aus dem Glied und verschwanden, jeder auf sich allein gestellt, in dem Steinwäldchen. Da sie die kleinsten waren, bewegten Zak und Tash sich ohne Schwierigkeiten durch das Felslabyrinth und erreichten rasch die andere Seite, wo sie von Hoole erwartet wurden. Dann sahen sie zu, wie die Rebellen, einer nach dem anderen, auf ihre Seite des Feldes gelangten. Kurz darauf waren alle da, bis auf...
„Wo ist Rax?" wollte Han wissen.
„Wo ist Eppon?" fragte Tash.
„Er war direkt hinter mir", sagte einer der Soldaten. „Ich dachte, er..."
Der Rebell brachte seinen Satz nicht zu Ende. Ein entsetzlicher Schrei zerriß die Stille.
Sie stürzten alle zurück in den Felswald und rannten in die Richtung, aus der der Schrei gekommen war. Zak und Tash kamen als erste an, Hoole, Han Solo und Luke Skywalker waren ihnen dicht auf den Fersen. Was sie sahen, ließ ihren Atem stocken.
Eppon lag, zu einer Kugel zusammengerollt, auf dem Boden und schluchzte. Es schien, als wäre er einfach fallen gelassen worden. Neben ihm lag das Blastergewehr des Soldaten Rax, seine Uniform, das Gepäck, sogar die Stiefel.
Der Soldat selbst jedoch war verschwunden.