Mal Kallin

36. Heimat

r träumte davon, einen besonders dicken Aal aus einem Schlammloch zu ziehen und ihn seiner Mutter zu präsentieren. Doch seine Mutter stand mit dem Rücken zu ihm und wollte sich nicht umdrehen. Stattdessen ging sie fort, in die Stadt. An'luin schaute sich den Aal an, der sich in wilden Zuckungen um seinen Arm schlängelte. Er konnte sich nicht von ihm befreien, obwohl er beide Arme in wilden Bewegungen von sich warf. Dann war der Aal auf einmal weg und er legte sich auf den schlammigen Boden und sog den Geruch des würzigen Lösses in sich auf.

Als er die Augen öffnete, bemerkte An'luin, dass der Geruch nicht weggegangen war, wie die Bilder aus seinem Traum. Er schaute nach oben und sah einen großen, silbernen Vollmond, der sich vom Rest des schwarzen Himmels abhob. Er schob Nieda vorsichtig von seiner Brust und stand auf, um nach vorne zu schauen. Noch war nichts sichtbar, doch er wusste, dass vor ihnen die Küste von Ankilan im Dunkeln liegen musste. Leise schlich er sich über die Schlafenden hinweg und ging zu Eyvind, der hinten am Ruder stand. Er wollte dem Skalden mitteilen, dass sie in der Nähe des Ufers waren, doch Eyvind nickte ihm nur stumm zu, wie um zu sagen, dass er Bescheid wisse. Pater Balain stand weiter hinten im Schatten und schien genau auf die Wellen zu sehen, als ob er versuche die Gegend einzuordnen. An'luin hatte bisher nur von den besonderen Navigationskünsten der Norr gehört, die in der Lage sein sollten sich ihren Weg durch die Gewässer zu bahnen, indem sie die Wellen studierten. Aber Balain war zuzutrauen, dass er auch das beherrschte.

Dann endlich sah er einen dunklen Umriss vor sich – die Küste. Eyvind winkte ihm mit der Hand zu und An'luin brauchte nicht lange zu überlegen, um zu wissen was er tun musste. Leise schlich er von Mann zu Mann, von Frau zu Frau, damit die Besatzung wach war, wenn sie vor Ankilan lagen. Cath weckte er mit einem festen Druck auf die Schultern, sie war über einer Tonne eingeschlafen und Ketill schnarchte neben ihr. Als sie ihre Augen öffnete, dachte er daran, wie er auf der Hinfahrt neben ihr gelegen hatte. Sie lächelte ihn an und stand wortlos auf und beide gingen wieder aufs Hinterdeck.

Balain sagte: „Ich weiß nicht genau wo wir sind, aber ich vermute, wir sind irgendwo nördlich von Mal Kallin. Ich würde sagen wir legen irgendwo an und dann gehen An'luin und ich los und finden heraus wo wir sind. Wir sollten uns einen abgelegenen Ort suchen.“

Eyvind steuerte auf das größer werdende Land vor ihnen zu und lautlos folgte ihnen die Spjöt. An'luin war fast außer sich vor Freude seine Heimat wiederzusehen, auch wenn er noch weit weg war von dem Ort, an dem er sich 16 Jahre seines Lebens aufgehalten hatte. Dennoch roch die Luft hier so wie er sie von früher kannte und es war deutlich wärmer als im eisigen Dreischafetal.

Die Schiffe waren nach einer halben Stunde nur noch wenige hundert Meter vom Land entfernt und Töft deutete auf eine Wasserzunge, die südlich vor ihnen lag. „Ein Fluss.“ murmelte Balain und drehte sich zu Eyvind um. „Erkennt ihr diesen Fluss vom letzten Jahr?“ Eyvind und Töft schauten sich an, dann nickte Eyvind langsam. „Es ist noch eine Tagesreise von hier nach Mal Kallin.“ Balain zog die Stirn in Falten und brummelte vor sich hin: „Dann muss dies der Coch'ran sein. Staffrae liegt zwei Kilometer südlich. Wir sollten den Flusslauf ein Stück hinauffahren. Geht das mit der Spjöt?“

Eyvind schaute Balain mit gespielter Entrüstung an: „Dies sind Wolfingerschiffe. Die fahren durch jede Pfütze.“

Sie legten an einer kleinen Sandbucht hinter einer Ansammlung von Buschwerk und Bäumen an. Nachdem die meisten Norr die Schiffe verlassen hatten, ging An'luin mit Balain den Erdrutsch, der die Schiffe vor den Blicken von Einheimischen schützte, hinauf. Sie stapften durch Wildnis, bis sie nach einer Viertelstunde auf einen Feldweg kamen. Dieser führte sie einen Hügel hinauf, von dem aus sie einen guten Überblick über die Gegend hatten. Südöstlich sahen sie eine Ansammlung von Häusern und Hütten, in der Mitte des Ortes lag ein rundes Gebäude, das von einem Kreis gekrönt wurde – eine Kirche. Balain verzog das Gesicht zu einem Lächeln. „Bruder Laurentius. Alles wird gut.“

Sie gingen zurück zu den Schiffen und berichteten den anderen, dass sie das Dorf gefunden hatten. An'luin räusperte sich, und wurde mit anfänglichen Schwierigkeiten seiner Rolle als Berater der Prinzessin gerecht: „Am besten Cathyll, Balain, Eirik, Thorbjörn und ich gehen jetzt in den Ort und suchen die Freunde von Cathylls Familie auf. Dann werden wir das Wort verbreiten, dass die Prinzessin zurück ist und dass die hier liegenden Norr zu ihrem Schutz da sind. Dann sollten wir uns nach ein paar Tagen auf den Weg nach Mal Kallin machen. Vielleicht ist es besser zu Fuß zu gehen.“

Sörun Fischauge meldete sich zu Wort. „Wir sind Norr, wir gehen doch nicht zu Fuß.“ Die anderen stimmten zu. Doch Cathyll fuhr dazwischen: „An'luin hat Recht. Es ist zu gefährlich mit den Schiffen zu fahren. Wenn Rabec Wind von unserem Kommen bekommt, dann wird er Schiffe ausschicken, um uns zu stoppen. Und ich weiß nicht, wie groß seine Flotte mittlerweile ist.“

Sörun zog seine Augenbrauen zusammen. Er nickte. Die drei Ankil und die zwei Norr machten sich auf den Weg nach Staffrae. Sie gingen denselben schmalen Weg wie vorher, doch diesmal trafen sie direkt auf der Anhöhe einen Bauern, der sie misstrauisch beäugte, besonders, als Eiriks massive Gestalt sich über dem Hügel erhob. Dennoch blieb er stehen und umfasste mit seiner rechten Hand die Forke, die er mit sich getragen hatte.

„Keine Angst, guter Mann“, sagte Balain, „wir sind Ankil. Wir suchen den Edelmann Hrolf.“ Der Bauer schaute immer noch misstrauisch, allerdings löste sich sein Griff um den Holzschaft. Er blaffte: „Pah, in den heutigen Zeiten ist „Ankil“ kein beruhigendes Wort mehr. Was wollt ihr von Hrolf?“ Nun trat Cathyll vor und sagte: „Er ist ein Freund, den wir jetzt dringend brauchen. Ich bin Cathyll von Marc, Thronerbin von Ankilan.“ Sichtlich überrascht hob der Bauer die Augenbrauen. „Ihr seid Cathyll von Marc? Ich sah Euch bei der Sonnenprozession vor vier Jahren, aber...bei meinem Barte – Ihr seid es wohl wirklich. Ich führe Euch zu meinem Lehnsherren.“

Nach all den Strapazen und Unwägbarkeiten war An'luin dankbar, dass sich die Angelegenheit bisher als unproblematisch erwies. Es stellte sich heraus, dass das Gut von Hrolf nördlich von Staffrae lag, in einem schönen, grünen Tal gelegen. Als sie neben dem Bauern, der Pol hieß, zum Gut gingen, fragte Balain: „Was meintet Ihr damit, als Ihr sagtet, dass Ankil kein beruhigendes Wort sei?“

Der Mann spuckte aus und fluchte: „Seitdem Königin Eleanor und ihr verfluchter Gatte Rabec an der Macht sind, geschieht viel Unrecht und die alte Ordnung scheint sich aufgelöst zu haben. Es wird eine neue Armee aufgebaut und jeder Mann musste seinen ältesten Sohn für die „Garde Ankilans“ hergeben. Dafür lässt uns Eleanor bluten und unsere Erträge reichen kaum für uns selbst. Die Königin sagt, dass sei für die Sicherheit des Landes unabdinglich, doch ich glaube kaum, dass es ihr um Sicherheit geht, sondern vielmehr darum, die Scicth im Norden anzugreifen, oder sogar die Sath im Süden. Aber was ist mit Euch, Prinzessin? Seid Ihr nicht von Norr entführt worden?“ Der Mann war mittlerweile leutselig geworden, da er offensichtlich keine Angst mehr vor den Unbekannten hatte.

„Sagen wir mal so: Ich bin von diesen Norr hier gerettet worden. Rabec hatte vor mich töten zu lassen. So wie er meine Eltern hat umbringen lassen.“

„Tatsächlich? Oh..“ Dem Bauer fiel nicht ein, was er zu diesen Neuigkeiten sagen könnte.

Als sie um eine Biegung gegangen waren, tauchte vor Ihnen das Gut von Hrolf auf. Ein Herrenhaus prangte in der Mitte, welches von Stallungen und einem Haus für die Bediensteten umgeben war. Ein Hund bellte und ein Hahn krähte. An'luin schaute auf Cathyll, deren Gesicht eine rosa Farbe angenommen hatte. Er lächelte. Er war wieder daheim.

37. Unverhofftes Wiedersehen

athyll hätte noch ewig Zeit bei Hrolf und Gerdha verbringen können. Sie hatte es genossen, ihre Sprache zu sprechen, den Geruch der Erde um sich zu haben und dabei so liebevoll umsorgt und gepflegt zu werden wie bei Hofe. Hrolf und besonders Gerdha hatten alles Erdenkliche getan, um ihr die Zeit bei ihnen so angenehm wie möglich zu machen. Gleichzeitig hatte man durch Spielleute und Gesandte das Wort verbreiten lassen, dass die Prinzessin am Leben und im Lande sei und von einer Horde Wolfinger beschützt werde und nun nach Mal Kallin gehen würde, um ihren Thron einzunehmen. Balain hoffte, dass die Soldaten Rabecs dadurch schon auf ihre Seite gezogen werden könnten, so dass sie sich den Thron nicht würde erkämpfen müssen.

Nun aber ritt sie auf Eiswind, Eyvind hatte ihr die Zügel des Pferdes wortlos überreicht, umgeben von 35 erfahrenen Kämpfern in den Süden, hoffend, dass alles so verlaufen würde, wie Balain es vorausgesagt hatte. Die Frauen und Kinder hatten sie bei Hrolfs Hof gelassen, um sie später nachzuholen. Zu deren Schutz waren Syggtrygg und Haldor ebenfalls zurückgeblieben.

Sie blickte nervös auf die umliegenden Hügel, denn Balain hatte gesagt, dass, wenn etwas passieren würde, es auf dem Weg nach Mal Kallin passieren würde. Rabec konnte es sich kaum leisten, Cathyll offen anzugreifen. Er müsste einen Angriff von dritter Seite vortäuschen. Die Frage war nur, ob er es tun würde. Sie würden zwei Tage bis nach Mal Kallin brauchen und die Wahrscheinlichkeit eines Angriffs war in der Nacht größer.

Als Cathyll ihre Weggefährten anschaute, war sie überrascht wie fröhlich und gut gelaunt diese Norr waren. Sie schienen sich keiner Gefahr bewusst, und falls sie sich ihrer bewusst waren, so schien sie die Tatsache eines bevorstehenden Kampfes in keinster Weise zu beunruhigen. Töft stimmte immer wieder anzügliche Lieder an und selbst An'luin ließ sich von der guten Laune der anderen anstecken und sang mit. Sie dagegen konnte die Angst einfach nicht abschütteln. Sie gingen durch eine hügelige Gegend, in der sich Felder und Wälder abwechselten, so dass man nie weiter als einen Kilometer schauen konnte. In jedem Waldstück und hinter jedem Hügel vermutete sie eine vermummte Bande von Meuchelmördern. Ketill tauchte neben ihr auf: „Keine Sorge, Cathyll. Gröd und Sigvald sind voraus gegangen, um die Gegend auszukundschaften. Wenn es Gefahr gäbe, dann würden wir es früh genug merken.“ Er nahm ihre Hand und drückte sie, wofür sie dankbarer war als sie zeigen wollte. Sie wollte vor Ketill nicht schwach sein, denn sie musste zumindest vor ihm noch den Anschein einer zukünftigen Herrscherin wahren, sonst hatte sie seiner Größe gar nichts entgegenzusetzen.

„Schon morgen Abend sitzt du in deinem Alten Thronsaal und trinkst in aller Ruhe einen Met.“ Sie lachte: „Ich trinke kein Met.“ Er schaute sie etwas verunsichert an. „Aber Du hast doch zur Sonnenwende Met getrunken.“ „Wenn es keinen Wein gibt und ich etwas Mut brauche, um Dir in die Augen zu schauen, dann tut es auch Met.“ Er lachte daraufhin und drückte wieder ihre Hand.

Das war eine andere Sorge, die sie sich machte. Was würde mit ihr und Ketill geschehen, wenn sie ihren Thron zurück gewonnen hatte. Ketill würde irgendwann wieder zurück an Olafs Hof müssen und irgendein politisches Amt als Neffe des Königs übernehmen müssen. Sie hatte sich nie getraut ihn danach zu fragen, denn sie hatte Angst vor seiner Antwort und Angst davor, dass ihm eine Trennung weniger ausmachen würde als ihr. Auch wenn sie sich schon königlich geben konnte und versuchte ihre Machtposition auszuüben, kam sie sich in Ketills Gegenwart immer vor wie ein kleines, verunsichertes Mädchen.

Gröd, ein junger Norr, nicht älter als sie selber, kam über den vor ihnen liegendem Hügel gelaufen, direkt auf sie zu. Für einen kurzen Moment kam Panik in ihr hoch, doch an Gröds Gesichtsausdruck konnte sie erkennen, dass es keinen Grund zur Beunruhigung gab. Das Laufen war nur ein normaler Teil seiner Aufgabe als Kundschafter.

„Vor uns liegt eine Anhöhe“, berichtete er, „die geeignet scheint, um ein Nachtlager aufzuschlagen. Sie ist durch große Steine geschützt und nur schwer angreifbar.“ Cathyll nickte und stieg von ihrem Schimmel.

Nach ihrem Sonnengebet war Pater Balain äußerst guter Dinge. Cathyll, die ihre Anspannung nicht ablegen hatte können, war von seiner guten Laune fast ein wenig irritiert.

„Warum die gute Laune, Pater?“

Er schaute sie milde an. „Die Sonne hat mit mir geredet. Es wird alles gut. Morgen sitzt Ihr auf Eurem Thron.“ Cathyll hatte im Laufe der Zeit in Norrland eine neue Beziehung zum Glauben ihrer Eltern erlangt, aber dass jemand ernsthaft mit der Sonne reden konnte, das schien ihr abwegig. Während sie Balain von der kleinen Stelle unter einem Apfelbaum zur Mitte des Lagers folgte, überlegte sie, ob sie sich vom Optimismus des Priesters anstecken lassen sollte. Hjete, die als einzige Frau außer ihr mitgekommen war, unterbrach ihre Überlegungen: „Dein Schlaflager ist hier, Kleines, direkt neben meinem. Ich habe uns etwas Abstand von diesen stinkenden Schweinen bewahrt.“ Dabei deutete sie auf die Männer um sie herum. Cathyll musste lachen, in Mal Kallin würde es niemand wagen, so mit ihr zu sprechen, was sie äußerst schade fand. Sie hatte den derben Humor der Norr lieb gewonnen. Um sie herum war jeder damit beschäftigt entweder seinen eigenen Schlafplatz zu richten oder nach Feuerholz zu suchen oder in einem Radius um das Lager herum Äste auszulegen, die eventuelle Eindringlinge verraten sollten. Cathyll wusste schon jetzt, dass sie nicht würde schlafen können. Sie war kurz davor ihr altes Leben zurückzugewinnen. Die Tage bei Hrolf waren die schönsten in einer langen Zeit gewesen und sie sehnte sich nach dem Frieden des ankilanischen Lebens.

Ein riesiges Feuer wurde geschürt, über dem mitgebrachtes Wild von Hrolf gebraten wurde. Die Gruppe gab sich keine Mühe ihre Spuren zu verwischen. Man würde ihre Gegenwart sowieso bemerken.

Die Norr hatten gefallen am hochprozentigen Whay gefunden, der auf Hrolfs Gut gebrannt wurde und so sang man bald Lieder von vergangenen Heldentaten. Erst als Gröd Eyvind aufforderte etwas zum Besten zu geben, wurde die Stimmung ruhiger. Der Skalde verstand es die Atmosphäre von einem auf den anderen Moment zu verändern. Er nahm seine Harfe und hob zu einem traurigen Gesang an:

Männer, die nichts fürchten,

Frauen, die nichts meiden,

sie lebten im Dreischafetal.

Brönn kann keine kühneren Kämpfer künden,

Weya keine wackreren Weiber wähnen,

als im Dreischafetal.

Doch das Tal ist verlassen,

zur Vergessenheit verdammt,

nur Widma waltet wacker weiter.

Wann weist der Weg zurück

zu Weyas Wiege wohl?

Vergib meine wenig wonnevollen

Weisen mir, Wanderer.

Ich will weinen nicht weiter,

wissend, dass Weyas Nachkommen

weiter werken werden und

Ruhm und Ruf vermehren.

Mit der letzten Strophe war die gute Laune wieder hergestellt und die Männer lachten und jubelten wieder. Gerade wollte Haldor ein weiteres Lied anstimmen, als ein lauter Ruf die Feier durchbrach: „Alarm“.

Sofort trat Eirik, der zu Cathylls Leibwache ernannt worden war, neben diese, um sie gegebenenfalls zu schützen. Orm, ein alter Kämpfer, eilte zum Lagerfeuer und stammelte: „Ein Mann, ein Mann kommt auf unser Lager zu.“ Die anderen entspannten sich und lachten. Dass von einem einzigen Mann Gefahr ausgehen sollte, schien ihnen abwegig. Doch im nächsten Moment drehten sie sich schon angespannt um. Sie hörten eine Stimme rufen: „Cathyll, Cathyll, seid Ihr es?“ Cathyll musste einen Moment nachdenken, dann lief sie auf den großen Fremden zu, der verunsichert am Rande des Lagers wartete, wo er von zwei Norr mühsam festgehalten wurde. „Bran, oh, Bran, du bist es.“ Die Norr ließen ihn durch, so dass Bran auf Cathyll zugehen konnte und kurz vor ihr verunsichert stehenblieb. Sie sprang ihm in die Arme und er grinste. „Bran, Bran, wie gut, dich zu sehen. Was machst du hier?“ Ketill trat neben die beiden, mit einem eher grimmigen Ausdruck im Gesicht. Bran stellte Cath wieder auf dem Boden ab und drehte sich um. „Bringt ihm einen Becher Whay.“ Bran japste: „Ich will Euch warnen, Cath. Die Schergen Rabecs, sie werden bald hier sein.“

Wie viele?“, fragte Ketill.

„Es ist seine Leibwache, ungefähr 40 Mann, aber es sind erfahrene und äußerst gefährliche Männer, alles Söldner aus dem Norden, viele Scicth dabei.“

Gjuki hob an, um zu prahlen: „Pah, 40 Blösker, mit denen werden wir spielend fertig...“, doch Balain fuhr dazwischen: „Wir sollten kein Risiko eingehen. Wenn es seine Leibgarde ist, dann sind es äußerst gefährliche Männer. Und Cathyll braucht nur von einem verirrten Pfeil getroffen zu werden.“

„So ist es“, bestätigte Bran, „sie wollen euch nicht direkt angreifen, sondern einen nach dem anderen Pfeilhagel auf euch niedergehen lassen. Viele von ihnen sind gelernte Bogenschützen.“ Ketill spuckte aus, um seine Verachtung gegenüber den Bogenschützen auszudrücken, die nicht Mann gegen Mann kämpften, sondern aus sicherer Entfernung andere Männer in den Tod schickten.

Ceszan'ian, ein Mann von Hrolfs Hof, erhob die Stimme: „Wir könnten den Weg in Richtung Westen verlassen. Dort ist ein Wald, den wir durchqueren können. Das wird uns allerdings einen halben Tag kosten.“

„Lieber ein halber Tag als ein ganzes Leben“, erwiderte Balain und beendete damit das Grummeln der Wolfinger, die es lieber gehabt hätten, den Gegner offen anzugreifen. Cathyll vermutete allerdings, dass sie sich so selbstbewusst gaben, weil sie wussten, dass sie nicht angreifen würden. Sie fragte sich, inwieweit diese Männer wirklich schreckliche Norr waren und inwieweit sie nur davon profitierten, dass die Menschen dachten, dass sie schreckliche Norr waren.

Während die Männer eilig alles zusammenpackten – Bran hatte von einer Stunde Vorsprung gesprochen, die er gegenüber den Verfolgern hatte – fragte Cathyll ihn nach dem Befinden ihrer Freunde und Bekannten aus: „Wie geht es Ma'an? Und Fathlaed?“ Bran machte ein trauriges Gesicht. „Fathlaed ist tot, Mylady. Er ist aus Gram gestorben, da er Euch in den Händen von Unholden sah. Ma'an wurde zur Putzfrau degradiert. Sie hat Glück gehabt, ich konnte sie davon abhalten, offen auf Rabec mit dem Messer zuzulaufen. Ich selber habe in der Küche ausgeholfen. Aber ich bin froh, dass ich überhaupt lebe.“

„Wie hast du gewusst, wo ich bin, Bran?“

Bran grinste sie an. In Mal Kallin geht überall die Kunde, dass Ihr wieder da seid mit Euren neuen Beschützern, diesen...Menschen hier.“

„Bran, das sind die Leute aus dem Dreischafetal. Sie sind mir teuer geworden.“

„Naja, jedenfalls waren wir alle sehr aufgeregt, Ma'an und die anderen. Ich habe die Ohren gespitzt und gehört, wie etwas geplant wurde von Rabec und seinen Schergen. So bin ich gestern Mittag losgegangen und habe mich in Richtung Staffrae abgesetzt und gewartet. Tatsächlich sah ich dann diese Bande von Meuchelmördern gegen Abend die Festung verlassen. Und dann bin ich losgerannt, immer Richtung Norden, falls Ihr unterwegs gewesen wäret. Und Ihr wart es.“

„Und ich freue mich, Bran. Jetzt aber in den Wald.“

Unter Ceszan'ian begab sich die Gruppe in Windeseile die Anhöhe hinab auf einen dunklen Tannenwald zu.

Eine halbe Stunde später steckte eine dunkle Gestalt ihren Finger in die noch warme Asche und blickte nach Westen.

38. Pfeilregen

twa zwei Stunden nachdem sie das Lager fluchtartig verlassen hatten, fiel der erste Pfeilregen auf sie hinab. Zwei Männer wurden verletzt und Gall, ein alter, wackerer Kämpfer, der viele Beutefahrten gemacht hatte, fiel tot um, den Hals von einem der Pfeile der Söldner durchbohrt. An'luin hörte, wie Sörun einen Fluch zischte. Eirik blickte nach oben und stellte die Frage, die alle interessierte: „Woher wissen die, wo wir sind?“ Ceszan'ian konnte die Frage beantworten: „Wenn sie Scicth in ihren Reihen haben, dann wissen sie zu jeder Zeit genau wo wir sind. Die Scicth sind Kinder der Nacht. Man kann sie nicht hören oder sehen. Sie sind schnell und tödlich. Wir sollten schnellstens weiter.“
Balain trieb die anderen zur Eile an, doch Sörun blieb stehen: „Wenn sie wissen wo wir sind, macht es keinen Sinn zu fliehen. Ich sage wir sollten kämpfen. Eingeholt haben sie uns sowieso.“ Die anderen murrten ihre Zustimmung. Balain nickte. „Gut. Das stimmt wohl. Wir sollten aber wenigstens einen geeigneten Ort finden.“ In diesem Moment kam ein erneuter Pfeilregen durch das Laub. Die Männer hoben diesmal beim Geräusch der herabfallenden Pfeile die Schilder in die Höhe, so dass niemand verletzt wurde. „Verdammte Schweine“; kommentierte Gjuki. Balain fragte Ceszan'ian: „Gibt es eine gute Stelle in der Nähe, seitlich geschützt?“ Der Angesprochene nickte. „In Richtung Norden gibt es eine Erhöhung. Kein Schutz, aber die Stelle ist steil, so dass ihre Pfeile wirkungslos werden.“ Sörun machte ein entschlossenes Gesicht. „Unsere Leiber werden Euch beschützen, Cathyll. Diese Verräter werden ihre Untreue bezahlen.“ An'luin sah, wie Cathyll sich mühsam ein Lächeln abrang. Es war offensichtlich, dass sie sich fürchtete und gleichzeitig Dankbarkeit für den erhaltenen Zuspruch empfand.

Als sie weiterliefen, ging ein erneuter Pfeilhagel nieder, auf die Stelle, die sie eben verlassen hatten. Noch im Laufen fragte Eyvind: „Wie weit ist es zu dieser Anhöhe?“ Balain übersetzte für Ceszan'ian und dieser antwortete: „Etwa 20 Minuten.“ Eyvind nahm sich Haldor, Gröd und Thorbjorn und brachte sie zum Halten. An'luin drehte sich um und sah ihnen im Mondlicht nach. Sie versteckten sich in den Bäumen. Er schaute hinüber zu Balain, der neben Cathylls Schimmel lief und sah, dass der Pater ihm zunickte. Die drei wollten offensichtlich den Bogenschützen auflauern. An'luin war klar, was das bedeuten würde. Die drei würden die Männer vielleicht für eine gewisse Zeit beschäftigen können, allerdings würde es die Norr das Leben kosten. Er schluckte im Laufen und ihm wurde flau im Magen. Er hatte noch die Melodie vom Lagerfeuer im Ohr: „... doch das Tal ist verlassen, zur Vergessenheit verdammt.“
Er hoffte, dass Cathyll nicht bemerkt hatte, dass die drei sich abgesetzt hatten.

An'luin wusste, dass keine Zeit war nachzudenken. Er lief mit den anderen weiter. Die Sicht war erstaunlich gut. Die Gruppe konnte sich relativ schnell über den Waldboden fortbewegen, ohne über Wurzelwerk oder Geäst zu stolpern. Ceszan'ian lief vorneweg und Sörun lief am Ende der Gruppe, die zielstrebig das Unterholz durchquerte. An'luin verlor jedes Zeitgefühl, als sie über den weichen Waldboden liefen. Er versuchte sich in der Nähe von Cathyll zu halten, die ihrerseits in der Mitte der Gruppe von Eirik und Nod flankiert wurde. Er wagte es nicht, sich umzudrehen, da er befürchtete die blau bemalten Gesichter der Scicth hinter sich zu sehen.

Ihm fiel auf, dass nun schon länger keine Pfeile mehr vom Himmel gefallen waren. Offensichtlich hatten Eyvind und die anderen mit ihrer Mission Erfolg gehabt und sie konnten die Bogenschützen zumindest temporär aufhalten. Die Waldluft schmeckte auf einmal würziger und jeder Moment schien länger zu dauern als sonst. An'luin fragte sich, ob man sich so fühlte, bevor man starb. Aber er schüttelte seine dunklen Gedanken ab, als er vor sich die Stelle sah, von der Ceszan'ian offensichtlich gesprochen hatte. Der Wald öffnete sich ein wenig und durch die knapper werdende Bewaldung konnte er einen Hügel sehen, groß genug, um sie alle zu halten. Allerdings gab es keinerlei Schutz auf diesem Hügel.

Ceszan'ian hatte angehalten, damit alle gemeinsam den Hügel erklimmen konnten, als etwas Unerwartetes passierte: Mehrere Gestalten tauchten auf eben jenem Hügel auf, den die Norr soeben zu erklimmen gedachten und kamen lautlos, jedoch schnellen Schrittes, auf sie zu. Ceszan'ian stieß einen Ca'el-Fluch aus und Eirik fing an bedrohlich zu knurren. Bevor die ersten Männer auf die Gestalten zu rennen konnte, rief Sörun: „Bleibt zusammen, Männer. Das ist eine Falle. Bildet einen Kreis.“ An'luin rutschte das Herz in die Hose. Er hatte Angst gehabt bei seinem Duell mit Steinn, aber diese Situation war aus irgendeinem Grund noch bedrohlicher für ihn. Alles ging so furchtbar schnell.

Er drehte sich um und sah, wie aus der Richtung, aus der sie eben gekommen waren, weitere Gestalten auf sie zukamen. Das war der Moment, in dem er in Panik verfiel.

Während die anderen einen Kreis bildeten und die Schilder erhoben, rannte An'luin in den Wald hinein. Obwohl sie vorher schon gelaufen waren, setzte er ungeahnte Kräfte frei und lief, wie er noch nie gelaufen war. Er drehte sich erneut um, um zu sehen, ob er verfolgt wurde, als er für einen kurzen Moment verspürte, wie sein Kopf von einem Blitz getroffen wurde. Dann war seine Angst verschwunden – er schwebte auf einer weißen Wolke und fühlte sich leicht und sicher.

39. Ein Kreis schließt sich

n'luin lag in einem Bett. Es war mindestens genauso schön bequem, wie das Bett, in dem er in Solbaek erwacht war, nur kam es ihm noch etwas weicher und flauschiger vor. Als er die Augen öffnete sah er seine Mutter vor sich stehen. Obwohl sie älter aussah, als zu jenem Zeitpunkt, als er sie verlassen hatte, freute er sich riesig sie wiederzusehen. Er öffnete gerade den Mund, um sie zu begrüßen, als sie ihren Zeigefinger an ihre Lippen hob. Er hielt einen Moment inne, blinzelte und sah, dass er sich auf einmal irgendwo anders befand, immer noch weich gebettet, aber es war dunkel und sein ganzer Körper tat ihm weh. Vor lauter Schmerzen wollte er aufstöhnen, doch er hatte immer noch das Bild seiner Mutter vor sich, die ihm lächelnd bedeutet hatte zu schweigen. Nicht nur sein Kopf tat weh, er verspürte ein Beißen und Kribbeln im Gesicht und an den Händen und Beinen. Als er ein wenig aufblickte, sah er weshalb: Er befand sich in einem Brennesselfeld, verdeckt von den hüfthoch stehenden Pflanzen.

Auf einmal nahm er vor sich eine Bewegung und ein Rascheln wahr. Vor ihm, direkt vor ihm, befand sich jemand. Sachte hob er den Kopf, um etwas erkennen zu können. Im Mondlichtschatten des Baumes stand ein Scicth, einer jener unheimlichen Krieger aus dem Norden, mit denen ihn seine Mutter immer Angst eingejagt hatte. „Wenn du nicht artig bist, kommen dich die Scicth holen“, hieß es oder „Nachts kommen die Scicth und holen Jungs, die sich verirrt haben.“ Damit hatte seine Mutter versucht, seinen nächtlichen Ausflugsdrang einzudämmen – mit wenig Erfolg.

Nun aber fröstelte An'luin und er verstand, warum die Norr alle Ankil „Blösker“ nannten. Der Scicth hatte ein blaues Muster in seinem Gesicht, das in der Dunkelheit noch bedrohlicher aussah. Sein Blick war fest auf einen entfernten Punkt gerichtet und er schien auf etwas zu lauschen.

Jetzt erst erinnerte An'luin sich wo er war und in welcher Gefahr er sich befand. Er musste nur für einen kurzen Moment bewusstlos gewesen sein, als er wohl an diesen Baum geprallt war, der sich vor ihm auftat, neben dem der Scicth stand und lauschte. Nun hörte auch An'luin Stimmen, der trotz zunehmender Schmerzen und dem Brennen auf seiner Haut alles dafür tat, keinen Laut von sich zu geben und sich nicht zu bewegen. Er wagte es kaum zu atmen.

„...werden Euch reich entlohnen und lassen Euch in Freiheit ziehen, wohin immer es Euch gelüstet. Dies ist nicht Euer Kampf, verschont Euer Leben und das Leben anderer Unschuldiger.“ An'luin hörte laute Schmährufe der Norr, die offensichtlich hatten überredet werden sollen, Cath auszuliefern. Die Stimme von eben redete weiter:

„Diese Gefangene, die behauptet Fürstin der Provinz von Marc zu sein, wird sich vor Königin Eleanor verantworten müssen.“

„Ist das also die Schlange, deren Ruf Ihr folgt, Captain Wath.“ Die Stimme klang laut und klar durch die Nacht. Es war Cathyll direkt, die den Anführer der Mörderbande offenbar kannte. Erst nach einer kurzen Weile antwortete der Angesprochene: „Beleidigt unsere rechtmäßige Königin nicht. Sie hat schwere Anschuldigungen gegen Euch erhoben.“

Cathyll lachte, todesmutig, wie An'luin bewundernd anerkannte. „Und was sollen das für Anschuldigungen sein? Dass ich mich meiner Ermordung nicht anständig gestellt habe?“ Der Captain war offensichtlich leicht aus der Fassung gebracht, dachte An'luin, auch wenn er ihn nicht sehen konnte. Die Antwort ließ wieder auf sich warten.

„Ihr seid nicht Cathyll von Marc. Diese ist tot, bei dem grausamen Überfall der Drakinger ums Leben gekommen. Ich sah ihre Leiche.“

„Wolfinger“, keifte eine wütende Stimme. An'luin meinte Sörun zu erkennen.

„So, Captain Wath, Ihr habt also meine Leiche gesehen. Habt Ihr denn genau hingesehen? Habt Ihr mein Gesicht gesehen? Oder mit welcher Dreistigkeit ereifert Ihr Euch einer solch schändlichen Lüge?“ Die Antwort ließ erneut auf sich warten. „Nun, ich sah Euren verkohlten Körper, also den Körper der ECHTEN...“

Während der Captain sprach und sich seines Fehlers offensichtlich bewusst wurde, sah An'luin, wie der Scicth seinen Bogen hob und einen Pfeil, den er vor sich in den Boden gesteckt hatte, aus diesem zog und an die Sehne seines Bogens legte. Was er tun würde war klar: Während Cath mit dem Captain redete, würde er sie aus dem Hinterhalt erschießen. Der Scicth zog die Sehne nach hinten und zielte. An'luin hatte keine Zeit, weder zu überlegen, noch um Angst zu haben. Mit seinem rechten Fuß trat er gegen die Unterseite des Bogens, so dass der Pfeil sich lautlos im Nachthimmel verlor. Der Moment der Verwirrung bei seinem Gegner dauerte nicht so lange, wie An'luin es gehofft hatte. Der Scicth sprang einen Schritt nach hinten und zog ein Kurzschwert. Im Hintergrund versuchte der Captain sich zu erklären, offensichtlich hatte keiner von dem missglückten Tötungsversuch etwas mitbekommen. An'luin war seinerseits aufgesprungen und hatte seinen Dolch gezogen, der im Gegensatz zu der Waffe des Scicth allerdings bei Weitem harmloser war. Als der Scicth nach dem ersten Schreck sah, mit wem er es zu tun hatte, fing er an zu grinsen. Er sagte etwas in seiner Sprache und kam auf An'luin zu. Diesmal hatte dieser das Überraschungsmoment nicht auf seiner Seite. Und ihm war klar, dass er gegen diesen erfahrenen Kämpfer keine Chance haben würde. Er stammelte: „Sie ist die echte, die echte Thronerbin. Cathyll. Die anderen sind die Lügner.“ Dem Gesichtsausdruck des Scicth war nicht anzumerken, dass ihm die Erklärungen seines Gegenübers irgendetwas sagen würden, geschweige denn, dass er bereit wäre, sich von An'luins Aussagen von seiner Absicht abbringen zu lassen. Mit einem kurzen, gezielten Hieb schlug er An'luin den Dolch aus der Hand und setzte zu einem neuen, tödlichen Schlag an. Er blieb in seiner Ausholbewegung stehen. Ein Pfeil steckte genau in seinem Hals, so dass er nur noch röchelnd zu Boden fiel. An'luin sackte das Herz in die Hose. Dann wurde er sich des Getümmels bewusst, das sich weiter unten abspielte.

Außerhalb des Kreises, der noch immer von den Norr um Cathyll gebildet wurde, kämpften Männer. Offensichtlich hatte Captain Wath erkannt, dass er einen Fehler gemacht hatte oder war zumindest unsicher geworden und hatte seinen Männern Einhalt geboten. Die Gruppe, die zum Töten von Cathyll ausgesandt worden war, hatte aber nicht nur aus Soldaten der Stadtwache bestanden, sondern zum großen Teil aus Söldnern, die nun ihren Lohn schwinden sahen. Sie hatten offenbar die Geduld verloren und hatten Wath und seine Männern angegriffen. Da die Kämpfer aus den verschiedenen Lagern nicht mehr in festen Gruppen standen, sah An'luin überall verschiedene Kampfherde, in denen meist die Soldaten, die als Stadtwache uniformiert waren, zu Boden gingen. Cathyll rief: „Helft ihnen. Nehmt sie in Schutz.“ Die Norr zögerten zunächst, einem Gegner zu helfen, der ihnen eben noch mit dem Tod gedroht hatte. Es war offensichtlich auch gefährlich den Schildkreis für andere zu öffnen, daher ruderte Sörun mit den Armen und rief: „Den Kreis nach vorne, den Kreis nach vorne.“ Während immer mehr Männer außerhalb des Kreises fielen, bewegte sich dieser langsam auf den Captain zu, der mit seinem Breitschwert einen auf sich zukommenden Gegner traf, so dass dieser zu Boden sackte. Zur weiteren Verwirrung flogen noch Pfeile auf beide Parteien herab, mal wurde ein angreifender Söldner, von denen manche Scicth und manche Norr oder Ankil waren, getroffen, mal einer von Captain Wath Leuten.

An'luin brachte sich dazu, zu überlegen was zu tun sei. Er wollte helfen. Also schlich er sich in einem größeren Umkreis weiter und hoffte weitere Bogenschützen außer Gefecht setzen zu können. Er hatte seinen Dolch eingesteckt und wusste, dass er nur eine Chance hatte, wenn er seinen Gegner überraschen konnte. Als er sich hinter einem Gebüsch verschanzte, bevor er weiterschleichen wollte, spürte er eine Hand auf seiner Schulter und eine sanfte Stimme, die ihm auf Norr zuflüsterte: „Bring bitte nicht mich um, Schädelspalter. Ich habe dir gerade das Leben gerettet. “ Es war Eyvind.

An'luin rutschte das Herz in die Hose. Gleichzeitig war er glücklich, dass der Skalde noch am Leben war. Dieser deutete auf eine Stelle in der Ferne, die von Bäumen und Buschwerk überwuchert im Schatten lag und sich durch keine besonderen Merkmale vom Rest des Waldes abhob. „Dort müssen wir hin.“