19

Eve organisierte Summersets Transport, schickte zwei Beamte in die Madison Avenue, um dort in den Geschäften zu erfragen, ob Yosts Flucht eventuell von jemandem beobachtet worden war, und wies ihre Kollegen an, obgleich sie nicht viel Hoffnung hatte, dass etwas dabei herauskam, den Busfahrer zu finden, damit sie auch von ihm eine Aussage bekam.

Dann fuhr sie mit ihrer Assistentin in die Garage.

»Wird er zu Hause bleiben? Summerset?«

»Ja, er wird dort bleiben. Wenn ich daran den geringsten Zweifel hätte, hätte ich ihn sofort eingesperrt. Im Moment mache ich mir größere Gedanken über … na ja«, beendete sie ihren Satz, als sie den Grund für ihre Sorge an ihrem Fahrzeug lehnen sah. »Ich habe das Gefühl, als bräuchte ich eine Minute für mich.«

»Meine Güte, wenn er sauer ist, sieht er umwerfend sexy aus. Darf ich bitte zusehen?«

»Stellen Sie sich mindestens fünf Parklücken entfernt mit dem Rücken zu uns auf.« Damit strebte Eve selber nach vorne, fügte hinzu: »Rekorder aus«, und hörte ihre Assistentin etwas davon murmeln, was für eine alte Spielverderberin sie war.

»Du bist nicht befugt, dich hier unten aufzuhalten, Kumpel«, fauchte Eve äußerst liebenswürdig Roarke an. »Also schwing am besten deinen Hintern, wenn ich nicht den Wachdienst rufen soll.«

Seine Stimme traf sie wie ein Peitschenhieb. »Ich will, dass er das Land verlässt.«

»Nicht mal du kriegst immer alles, was du willst.«

»Du bist der letzte Mensch auf Erden, von dem ich erwartet hätte, dass er mir in dieser Sache in den Rücken fällt.«

»Ich bin darüber auch nicht gerade froh. Vor allem, da Summerset inzwischen ein Hauptbelastungszeuge ist. Aber er bleibt hier. Ich habe ihn in Schutzhaft nehmen lassen, mehr kann ich nicht tun.«

»Zum Teufel mit der blöden Schutzhaft. Deine Kollegen haben es ja nicht einmal geschafft, ihn weiter als sechs Blöcke zu beschatten. Glaubst du also allen Ernstes, ich würde ihnen jetzt mit einem Mal vertrauen?«

»Meinst du nicht eher, dass du mir nicht mehr vertraust?«

»Offenbar ist das in dieser Angelegenheit dasselbe.«

Dieser Treffer saß. »Du hast Recht, das ist es. Ich habe dich im Stich gelassen, und das tut mir Leid.«

Glühend heißer Zorn blitzte in seinen Augen auf. Sie atmete tief durch und machte sich auf weitere wüste Beschimpfungen gefasst, doch er wandte sich ab und stützte seine Hände auf das Dach ihres Fahrzeugs.

»Himmel. Würdest du tatsächlich hier stehen bleiben und dich von mir fertig machen lassen? Habe ich die Grenze derart überschritten?«

»Du hast es schon des Öfteren über dich ergehen lassen, wenn ich ausgerastet bin. Und die Sache ist nun einmal die, dass die beiden Männer, die ihn auf mein Geheiß hin hätten bewachen sollen, ihn verloren haben, weshalb ich verantwortlich für diesen Fehlschlag bin.«

»Das ist totaler Schwachsinn.«

»Nein, das ist normal. Genau, wie es normal ist, dass du, weil er zu dir gehört, der Ansicht bist, du hättest die Verantwortung für das, was ihm beinahe zugestoßen wäre. Aber wenn es uns gelingt, die Sicht des jeweils anderen zu akzeptieren, werden wir gemeinsam weitermachen können, Roarke.«

Sie hatte das Bedürfnis, ihn an der Schulter zu berühren, schob stattdessen aber ihre Hand in die Gesäßtasche ihrer Jeans. »Du kannst wohl kaum von ihm erbitten oder gar erwarten, dass er etwas tut, was du selber niemals tätest. Ich bin auch nicht gerade glücklich über das, was heute Vormittag passiert ist, aber alles in allem hat er sich gut geschlagen. Das sollten wir anerkennen und versuchen, uns wieder darauf zu besinnen, was das eigentliche Ziel der Täter ist.«

»Ich bin der festen Überzeugung, dass sie wissen, wie wichtig er mir ist. Wie grauenhaft es für mich wäre, ihn auf diese Weise zu verlieren. Ihn an Menschen zu verlieren, denen es niemals wirklich um ihn, sondern allein um Geld und um den Kick gegangen ist. Ich habe schließlich selber früher jede Menge krumme Dinger ausschließlich des Geldes und des Kicks wegen gedreht.«

Sie fixierte ihn starr. »Ist das eventuell typisch irisch? Zu denken, dass dir etwas Schlimmes widerfährt, weil du selber einmal schlimm gewesen bist?«

Mit einem halben Lachen wandte er sich ihr wieder zu. »Ich nehme an, das ist wohl eher katholisch. Egal, wie weit du vom Pfad der Kirche abweichst, taucht dieses Erbe in den unerwartetsten Momenten ab und zu auf. Nein, ich glaube nicht, dass das hier die Bezahlung für meine alten Sünden ist. Aber ich glaube, dass es seinen Ursprung in den alten Zeiten hat und dass ich mich deshalb damit befassen muss.«

Und das würde er, egal wie schmerzlich es wäre, auf alle Fälle tun.

»Was verschweigst du mir?«

»Wenn ich es mit Bestimmtheit weiß, werde ich es dir erzählen. Eve, du hast mich nicht im Stich gelassen. Ich hatte nicht das Recht, dir derartige Vorwürfe zu machen.«

»Schon gut. Wenigstens hatte ich das Vergnügen mit anhören zu dürfen, wie du Summerset gefeuert hast. Vielleicht könntest du es ja in ein paar Wochen noch einmal tun. Und zwar im Ernst.«

Lächelnd strich er mit den Fingern über die Spitzen ihres Haares. Dann drehte er, als sich die Tür des Fahrstuhls öffnete, den Kopf und entdeckte Summerset, der in Begleitung zweier Polizistinnen in Zivil in die Tiefgarage kam.

Als die beiden Männer die Blicke kreuzten, entfuhr Eve ein leiser Seufzer. Das, was die beiden miteinander verband, würde sie wahrscheinlich nie völlig verstehen. »Aber ich schätze, jetzt solltest du erst mal zu ihm rübergehen und dich mit ihm versöhnen.«

»Lieutenant?«

»Ja, was?«

»Gib mir einen Kuss.«

»Weshalb sollte ich?«

»Weil ich es brauche.«

Sie rollte der Form halber mit den Augen, stellte sich dann aber auf die Zehenspitzen und presste kurz die Lippen auf seinen warmen Mund. »Sie haben hier überall Überwachungskameras, mehr kriegst du also nicht. Außerdem muss ich allmählich los. Peabody!«

Trotzdem wartete sie noch, bis Roarke quer durch die Garage zu Summerset gelaufen war, der vor einer Reihe von Zivilfahrzeugen stand.

»Die beiden sind wie Vater und Sohn, finden Sie nicht auch?«, meinte Peabody versonnen. »He! Dann sind Sie ja so was wie Summersets Schwiegertochter, nicht wahr?«

Eve wurde kreidebleich. Sie presste eine Hand auf ihren Magen und erklärte stöhnend: »Ich glaub, mir wird schlecht.«

 
 

Die Minces waren in der so genannten Executive Suite im Luxusbereich des Palace einquartiert. Den großen, luftigen Wohnbereich trennten hübsche, mit üppig blühenden Ranken bewachsene Spalierwände von den Schlafzimmern. In einer Ecke dieses Wohnbereichs waren ein Kommunikationssystem und ein Computer in eine schlanke Konsole eingebaut, wodurch den Unternehmensleitern oder leitenden Angestellten, die sich diese Bleibe leisten konnten, die Möglichkeit stilvollen Arbeitens geboten war.

Anscheinend hatte Carlton Mince diese Möglichkeit gerade genutzt, als Eve ihn unterbrach. Der Computer summte leise vor sich hin, und auf einem kleinen Nebentisch hatte jemand eine Kanne Kaffee und eine Tasse abgestellt.

»Oh, Lieutenant. Ich hatte ganz vergessen, dass Sie kommen wollten.«

»Ich weiß es zu schätzen, dass Sie sich bereit erklärt haben, mit mir zu sprechen.«

»Selbstverständlich, selbstverständlich, kein Problem.« Er sah sich geistesabwesend in dem Zimmer um und wirkte etwas überrascht, weil während seiner Arbeitszeit dort nichts verändert worden war. »Ich fürchte, wenn ich über meiner Arbeit sitze, bin ich für alles andere völlig blind und taub. Die arme Minnie verzweifelt gelegentlich an mir. Ich glaube, sie hat gesagt, dass sie einen Einkaufsbummel machen wollte, oder ist sie vielleicht in den Schönheitssalon gegangen? Hätten Sie mit ihr ebenfalls sprechen wollen?«

»Das kann ich, wenn nötig, noch zu einem anderen Zeitpunkt tun.«

»Kann ich Ihnen etwas anbieten? Der Kaffee ist bestimmt noch frisch. Ich glaube, Minnie hat ihn mir gebracht, bevor sie gegangen ist.«

»Danke, gerne«, sagte sie, weil ihr Besuch auf diese Weise einen weniger förmlichen Anstrich bekam, und nahm, während er eine Tasse holen ging, auf einem der Stühle Platz.

»Und für Sie, Officer?«

»Falls es keine allzu großen Umstände bereitet.«

»Nicht die geringsten, nein, nicht die geringsten. Was für ein wunderbares Hotel! Alles, was man braucht oder sich wünscht, hat man hier griffbereit. Ich muss zugeben, als Magda die Idee hatte, die Ausstellung und die Versteigerung an diesem Ort abzuhalten, war ich darüber nicht gerade glücklich. Aber ich habe meine Meinung grundlegend geändert.«

»Sie war also diejenige, die wollte, dass ihr Besitz hier im Hotel versteigert wird?«

»Na ja. Dass die Auktion in New York stattfindet, das wollte sie auf jeden Fall. Hier hatte sie ihre erste große Bühnenrolle, und auch wenn sie erst durch ihre Filme richtig berühmt geworden ist, hat sie doch nie vergessen, dass sie am Broadway ihre erste Chance bekommen hat.«

»Sie beide, Sie und Magda, arbeiten bereits seit langer Zeit zusammen.«

»So lange, dass man daran deutlich erkennen kann, wie alt wir beide inzwischen sind.«

»Dann sind Sie füreinander sicher so etwas wie Familie«, meinte Eve in Erinnerung an die Bemerkung ihrer Assistentin.

»O ja, auf jeden Fall. Mit all den Höhen und Tiefen, die es innerhalb einer Familie zu erleben gibt«, erklärte er, während er die beiden Kaffeetassen hinstellte. »Wir haben Trauzeugen füreinander gespielt, haben uns auf Beerdigungen gegenseitig getröstet und sind bei der Geburt unserer jeweiligen Kinder ungeduldig vor dem Kreißsaal auf und ab getigert. Ich bin der Patenonkel ihres Sohnes. Sie ist eine wunderbare Frau. Es ist mir eine Ehre, dass ich mich als ihr Freund bezeichnen darf.«

Eve wartete, bis er Platz genommen hatte. »Freunde haben häufig das Bedürfnis, einander zu beschützen. Manchmal gehen sie dabei sogar etwas zu weit.«

Er blinzelte sie verständnislos an. »Ich fürchte, ich kann Ihnen nicht folgen.«

»Weiß sie, wie hoch die Schulden ihres Sohnes derzeit sind?«

»Über die Privatleben von meinen Freunden spreche ich nie, Lieutenant. Und als Magdas Manager erörtere ich weder ihre Finanzen noch die ihres Sohnes mit der Polizei.«

»Selbst wenn diese Erörterung dazu beitragen könnte, ihr großes Unglück zu ersparen? Ich bin keine Journalistin, Mr Mince. Ich bin nicht hier, weil ich irgendwelche Tratschgeschichten hören will. Mir geht es einzig um die Sicherheit Ihrer Freundin und ihres Besitzes.«

»Ich weiß wirklich nicht, was die finanzielle Situation von Vince damit zu tun haben soll.«

»Sie haben schon früher regelmäßig Schulden für ihn beglichen. Entweder Sie selber oder Magda. Und das tun Sie nach wie vor. Weil sich sein Verhalten nämlich nicht geändert hat. Aber eines sollten Sie bedenken: Seine Haupteinnahmequelle, nämlich seine Mutter, steht im Begriff, einen Teil ihres Vermögens im Wert von möglicherweise über einer Milliarde Dollar einer Stiftung zu vermachen und dadurch seinem Zugriff zu entziehen. Wie kommt er damit zurecht?«

Sie sah ein kurzes Flackern in seinen Augen, doch dann wandte er sich hastig ab. »Ich verstehe wirklich nicht, was das mit -«

»Mr Mince. Ich kann mir die Genehmigung besorgen, mir alle Ihre Unterlagen anzusehen. Ich kann Sie obendrein dazu verpflichten, aufs Revier zu kommen, um Sie dort offiziell zu vernehmen. Nur, dass ich das aus einer Reihe von Gründen gar nicht will. Einer dieser Gründe ist der, dass mein Mann große Bewunderung und Zuneigung für Ihre Freundin hegt. Ich denke also an ihn und auch an sie, und daran, was es für sie beide bedeuten könnte, käme es in Verbindung mit der bevorstehenden Auktion zu einem wie auch immer gearteten Skandal.«

»Sie glauben doch wohl nicht, dass Vince ihr irgendwelche Scherereien machen will. Das würde er nicht wagen.«

»Weiß sie über seine momentane finanzielle Situation Bescheid?«

Mince sank in sich zusammen, runzelte sorgenvoll die Stirn und stellte seine Kaffeetasse auf den Tisch. »Nein. Dieses Mal habe ich ihr nichts davon gesagt. Sie denkt, er hätte sich geändert. Sie ist so unglaublich glücklich, weil er ein derartiges Interesse an ihrer Stiftung und an der Auktion entwickelt hat …« Er brach entgeistert ab, schüttelte dann aber vehement den Kopf.

»Aber nein. Nein. Er kann die Auktion nicht mehr verhindern. Die Sache ist inzwischen unter Dach und Fach. Sämtliche Verträge sind längst unterzeichnet. Der Erlös dieser Versteigerung geht an die Stiftung. Daran kann er nicht mehr rütteln. Dagegen kann er nichts mehr tun. Es ist unerheblich, dass er anfangs gegen dieses Vorhaben gewesen ist.«

»Er hat also versucht, die Sache zu verhindern?«

Mince stand auf, lief durch das Zimmer, presste seine Handflächen gegeneinander und meinte mit unglücklicher Stimme: »Ja. Ja, er hat heftig dagegen protestiert. Hat erklärt, sie gäbe einfach sein Erbe fort. Sie hatten deshalb einen fürchterlichen Streit. Sie war am Ende ihrer Geduld und hat ihm erklärt, es wäre allerhöchste Zeit, dass er anfängt, seinen Lebensunterhalt selber zu verdienen, weil sie nämlich nicht mehr ständig irgendwelche Löcher stopfen würde, die er mit seinem losen Lebenswandel in seine Finanzen reißt. Sie ging sogar so weit zu sagen, einer der Vorzüge der Stiftung wäre, dass sie ihm gar kein Geld mehr geben könnte, wenn er sie erneut anbetteln sollte. Auf diese Weise wäre er nun endlich gezwungen, sein Leben selber in die Hand zu nehmen, denn dafür wäre es allerhöchste Zeit. Sie hätte diese Stiftung also nicht nur zugunsten derjenigen gegründet, die sie mit den Geldern fördern möchte, sondern auch, weil es am Schluss sicher für ihn das Beste sei.«

»Und was hat ihn dazu bewogen, seine Meinung zu ändern?«

»Ich habe keine Ahnung.« Hilflos zuckte er mit den Schultern. »Erst war er außer sich vor Zorn. Er hat sie dadurch so unglücklich gemacht, dass sie in Tränen ausgebrochen ist, was man bei ihr so gut wie nie erlebt. Hat sie einfach sitzen lassen und sich über zwei Wochen nicht gemeldet. Keiner von uns wusste, wo er war. Dann stand er plötzlich gesenkten Hauptes reumütig vor der Tür. Meinte, sie hätte natürlich Recht, es täte ihm Leid, er würde sich schämen und alles in seiner Macht Stehende tun, um sie stolz auf sich zu machen.«

»Aber das haben Sie ihm nicht geglaubt.«

Er seufzte leise. »Nicht eine Minute. Aber sie hat es ihm abgekauft. Egal, ob er sie ständig in die Verzweiflung treibt – sie betet ihn an. Sie war überglücklich, als er darum bat, sich aktiv an der Ausstellung beteiligen zu dürfen. Und eine Zeit lang sah es tatsächlich so aus, als hätte er es wirklich ernst gemeint. Dann aber kamen erneut jede Menge Rechnungen für ihn. In dem Versuch, ihr neues Unglück zu ersparen, habe ich sie ihr nicht gezeigt. Ich habe mit ihm geredet und die Rechnungen bezahlt. Geredet und bezahlt. Geredet und bezahlt. Dann habe ich ihm damit gedroht, dass ich zu Magda gehen würde. Er hat mich angefleht, es nicht zu tun, und mir hoch und heilig versprochen, es wäre das allerletzte Mal.«

»Und wann war das?«

»Kurz bevor wir nach New York gekommen sind. Seither hat er sich tadellos benommen, nur …«, er warf einen bedeutungsvollen Blick auf den summenden Computer, »… dass gerade heute ein paar neue Rechnungen gekommen sind. Ich bin am Ende meiner Weisheit und weiß einfach nicht mehr, was ich tun soll.«

»Betrafen einige Rechnungen, die Sie nach seinem Streit mit seiner Mutter für ihn beglichen haben, Flüge in die Delta-Kolonie oder nach Paris?«

Minces Lippen bildeten einen schmalen, bleichen Strich. »Beides. Er hat Freunde dort. Ich kann nicht gerade behaupten, dass ich diese Freunde, auch wenn sie aus guten Familien stammen, besonders mag. Sie sind extrem wild und haben nicht das geringste Verantwortungsgefühl. Regelmäßig, wenn Vince mit Dominic Naples II oder Michel Gerald zusammen ist, wird sein Schuldenberg noch höher.«

»Mr Mince, würden Sie mir eventuell gestatten, einen Blick auf die Rechnungen zu werfen, die heute Morgen angekommen sind?«

»Lieutenant, über solche Dinge rede ich noch nicht einmal mit meiner Frau. Sie verlangen von mir, einen Vertrauensbruch zu begehen.«

»Nein, ich bitte Sie, genau das Gegenteil zu tun.« Sie stand auf. »Würde Vince Lane seiner Mutter schaden, wenn er sich einen finanziellen Vorteil davon verspricht?«

»Körperlich? Nein, nein, natürlich nicht. Das ist völlig ausgeschlossen.«

»Es gibt noch andere Möglichkeiten, jemandem zu schaden.«

Minces Lippen fingen an zu zittern. »Ja, ja, die gibt es. Und ja, ich fürchte, er würde so weit gehen. Er liebt sie. Auf seine Art liebt er sie sogar sehr. Aber er … ich rufe die Daten für Sie auf.«

Eve brauchte nur ein paar Sekunden, bis sie die gesuchte Rechnung fand. »Naples Communications. Eine Million Dollar.«

»Entsetzlich«, entfuhr es Mince. »Vince hat gar keine Verwendung für ein so teures System. Ich kann wirklich nicht verstehen, was er sich dabei gedacht hat.«

»Ich schon«, murmelte Eve.

 
 

»Glauben Sie, dass er sich an sein Versprechen halten wird, weder Magda noch Vince etwas von dieser Unterredung zu erzählen?«, fragte Peabody, als sie mit dem Lift hinauf in die Etage fuhren, in der Lane mit seiner Freundin Liza residierte.

»Ja, zumindest vorläufig. Auf alle Fälle werden wir den guten Vince und seine sauberen Freunde unter die Lupe nehmen können, ohne dass er sie sofort warnt.«

»Seine eigene Mutter zu betrügen. Das ist so ziemlich das Gemeinste, was es gibt.«

»Ich denke, Mord ist weitaus schlimmer.«

Sie marschierten den menschenleeren Korridor hinunter, drückten auf den Klingelknopf neben der glänzenden Flügeltür der Suite, und sofort machte Lane persönlich ihnen auf.

Er trug einen lässigen Pullover, eine bequeme Freizeithose, eine sportliche Uhr, hatte nackte Füße und ein breites, perfektes Lächeln im Gesicht.

»Eve, wie schön Sie wiederzusehen. Oder sollte ich Sie besser Lieutenant nennen, falls Sie dienstlich hier sind?«

»Da ich hier bin, um über einige Aspekte der Versteigerung zu sprechen, bleibt diese Entscheidung Ihnen überlassen.«

Lachend trat er einen Schritt zurück und lud die beiden Frauen mit einer ausholenden Armbewegung ein. »Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie sehr ich mich darüber freue, dass Sie sich dafür interessieren. Ich bin sicher, dass das meine Mutter ungemein beruhigt. Bitte nehmen Sie doch Platz und machen es sich bequem. Liza, wir haben Besuch!«

Lanes Suite war noch erheblich schicker als die der Eheleute Mince. Die untere Etage war in einen von einem ausladenden Leuchter gekrönten eleganten Essraum und einen mit bequemen Sofas sowie einem schneeweißen Flügel bestückten Wohnraum aufgeteilt, aus dem man über eine breite, goldbraun schimmernde Treppe in das nächste Stockwerk kam. Über diese Treppe schwebte, strahlend schön in einem Catsuit in derselben Farbe wie der Flügel, Liza Trent zu ihnen herab.

Die entzückenden blitzenden Steinchen, die an ihren Ohren, ihrem Hals und ihren Hand- und Fußgelenken funkelten, waren eindeutig echt. Wie hoch belaufen sich die Schulden für die Dinger, Vinnie, alter Kumpel, ging es Eve durch den Kopf.

»Hallo.« Liza zog einen dekorativen Schmollmund und zerzauste sich das Haar.

»Tut mir Leid, wenn wir Sie stören«, grüßte Eve freundlich zurück. »Ich hatte gehofft, dass ich mit Vince ein paar kleine Details der bevorstehenden Versteigerung besprechen kann. Schließlich möchte die New Yorker Polizei ganz sicher gehen, dass alles völlig reibungslos verläuft.«

Liza unterdrückte ein Gähnen. »Ich bin froh, wenn das alles endlich vorbei ist. Niemand spricht von irgendetwas anderem als dieser dämlichen Auktion.«

»Das ist sicher ziemlich anstrengend für Sie.«

»Allerdings. Falls das alles ist, worüber Sie mit Vinnie reden wollen, ziehe ich besser los und schaue mir ein paar Geschäfte an.«

»Tut mir Leid, wenn wir Sie vertreiben. Es wird bestimmt nicht lange dauern«, versicherte Eve.

»Warum treffen wir uns nachher nicht einfach irgendwo?« In dem eifrigen Verlangen, Liza zu besänftigen, strich Vince mit seinen Händen liebevoll über ihre Arme und schlug ihr vor: »Sagen wir, halb eins im Rendezvous. Dann lade ich dich dort zum Mittagessen ein.«

»Vielleicht.« Sie verzog den Mund zu einem leichten Lächeln und kraulte mit einem Finger über seine Brust. »Du weißt, wie gerne ich mit dir zusammen bin, mein Zuckerhase. Also komm ja nicht zu spät.«

»Bestimmt nicht.«

Sie schnappte sich ihre Handtasche vom Tisch neben der Tür, warf Lane noch eine flüchtige Kusshand zu und stöckelte hinaus.

»All diese Geschäfts-, Sicherheits- und Publicitybesprechungen in den letzten Tagen waren furchtbar langweilig für sie«, erklärte Lane. »Aber sie hat eine unglaubliche Geduld.«

»Ja, ein echter Engel.« Eve trat vor eins der drei antiken Sofas und nahm auf der mit Seidenstoff bezogenen Lehne Platz. »Sie engagieren sich in hohem Maß für die Auktion und für die Stiftung Ihrer Mutter. Was bestimmt sehr zeitaufwändig ist.«

»Das ist es. Aber es lohnt sich schließlich.«

»Und Sie haben kein Problem damit, sie eine Milliarde Dollar zum Fenster rauswerfen zu sehen?«

»Alles für eine gute Sache«, erwiderte er vergnügt. »Ich bin unendlich stolz auf sie.«

»Ach tatsächlich? Und das, obwohl Sie selber total blank sind und sich, um Ihre Schulden begleichen zu können, ständig was von Ihren Freunden leihen müssen?« Sie wartete einen Moment, in dem sie ihn zusammenzucken sah. »Wow, Vince, das ist echter Sportsgeist, finde ich.«

»Ich weiß nicht, wovon Sie reden, und ich finde Ihre Bemerkungen geschmacklos.«

»Ich finde es geschmacklos, wenn man die Absicht hat, seine eigene Familie und eine wohltätige Stiftung zu beklauen. Ich finde es geschmacklos, wenn ein kleines Stinktier wie Sie zu faul ist, um sich seinen Lebensunterhalt selber zu verdienen. Vor allem aber finde ich es geschmacklos, wenn man unschuldige Menschen brutal ermorden lässt. Übrigens hat Ihr Mann seine Zielperson heute Vormittag verfehlt. Sie sollten also darauf achten, dass er für diesen Teil der Arbeit nichts von Ihnen kassiert.«

»Ich möchte, dass Sie gehen.« Er wies mit ausgestrecktem Arm in Richtung Tür, durch das Zittern seiner Hand jedoch büßte diese Geste erheblich an Dramatik ein. »Ich will, dass Sie verschwinden. Ich werde dieses Benehmen Ihren Vorgesetzten melden. Ich werde mich an einen Anwalt wenden. Ich werde -«

»Warum hältst du nicht erst einmal die Klappe, du jämmerlicher Abklatsch einer menschlichen Gestalt. Peabody, schalten Sie bitte den Rekorder an.«

»Zu Befehl, Madam.«

»Vincent Lane. Sie haben das Recht zu schweigen …«, fing Eve an.

»Wollen Sie mich etwa verhaften?« Nachdem ihm noch vor einer Minute alle Farbe aus dem Gesicht gewichen war, wurde er nun schlagartig puterrot. »Bilden Sie sich etwa allen Ernstes ein, Sie könnten mich verhaften? Sie haben keinen Grund, Sie haben keinerlei Beweise, Sie haben nicht das Geringste gegen mich in der Hand. Wissen Sie eigentlich, wer ich bin?«

»Ja, das weiß ich sehr genau. Sie sind das, was man gemeinhin den Abschaum der Gesellschaft nennt. Und jetzt setzen Sie sich hin, damit ich Sie weiter über Ihre Rechte und Ihre Pflichten aufklären kann. Und dann bleiben Sie weiter sitzen und geben mir brav Antworten auf meine Fragen. Denn wenn Sie das nicht tun, zerre ich Sie aufs Revier und verhöre Sie dort. Und während wir noch auf dem Weg sind, werden ganz bestimmt die Medien Wind von der Sache bekommen, weshalb, noch ehe Ihre kleine Freundin mit ihrem Einkaufsbummel fertig ist, die ganze Welt erfahren wird, dass Vince Lane wegen des Verdachts auf Verabredung zu gemeinschaftlichem Raub, Verabredung zur Hehlerei und einer ganzen Reihe anderer netter kleiner Straftaten bis hin zur Verabredung zum Mord verhaftet worden ist.«

»Mord! Sie sind ja total verrückt. Sie müssen den Verstand verloren haben. Ich habe niemanden ermordet. Ich rufe meinen Anwalt an.«

»Tun Sie das«, antwortete Eve milde und streckte gemütlich ihre Beine vor dem Sofa aus. »Meinetwegen gerne. Ich frage mich, wie lange es wohl dauern wird, bis es Ihren Freunden Naples und Gerald zu Ohren kommen wird, dass Sie einen Anwalt angeheuert haben, damit der Sie in einer Mordsache verteidigt. Und ich frage mich, wie lange es danach noch dauern wird, bis sie Yost auf Sie ansetzen werden, um ihre eigene Haut zu retten. Oder bis er Sie vielleicht sogar, ohne dass sie ihn dafür bezahlen, aus völlig freien Stücken um die Ecke bringen wird.«

Sie machte eine Pause und inspizierte interessiert ihre kurzen Nägel, während Lane neben dem Link zu einer Salzsäule erstarrte. »Ja, ich glaube, dass er diesen Job tatsächlich gratis machen wird. Zu seinem eigenen Schutz. Wissen Sie, was er mit seinen Opfern macht, Vinnie?« Sie hob den Kopf und betrachtete ihn mitleidlos. »Erst schlägt er sie zusammen und dann sorgt er dafür, dass sie bei Bewusstsein sind, solange er sich behaglich an ihnen vergeht. Ich habe ein Video, auf dem ich Ihnen zeigen kann, wie er einen Mann wie Sie behandelt. Er bricht Ihnen den Arm, als wäre es ein dünner Zweig. Er schlägt Ihr Gesicht derart zu Brei, dass nicht mal Ihre eigene Mutter Sie noch wiedererkennt. Und wenn Sie denken, dass es schlimmer nicht mehr werden kann, fickt er Ihnen in den Arsch. Und der Schmerz ist derart groß, derart unvorstellbar, dass Sie gar nicht glauben können, dass er wirklich existiert. Es ist wie in einem entsetzlichen Albtraum, als hätte sich eine ganz private Hölle für Sie aufgetan und Sie mit Haut und Haar verschlungen. Und Sie werden sich nicht daraus befreien können, Sie werden ihr nicht eher entkommen, als bis er einen dünnen Draht um Ihren Hals schlingt und ihn langsam und genüsslich Stückchen für Stückchen enger zieht. Sie werden mit den Füßen auf den Boden trommeln und sich selbst anpinkeln, bis es irgendwann, nach endloser Zeit, vorüber ist.«

Sie stand auf. »Wenn ich es richtig bedenke, ist das eigentlich genau das passende Ende für einen Kerl wie Sie. Also los, rufen Sie ruhig Ihren Anwalt an. Dann kommt die Sache endlich ein bisschen in Schwung.«

»Es hätte niemandem etwas passieren sollen.« Plötzlich quollen ihm Tränen aus den Augen und rannen in dichten Strömen über sein Gesicht. »Es war nicht meine Schuld.«

»So ist es bei Leuten Ihres Schlages regelmäßig.« Sie deutete auf die Couch. »Aber jetzt setzen Sie sich hin und erzählen mir, weshalb die Ermordung zweier Menschen nicht Ihre Schuld gewesen ist.«

»Ich brauchte Geld.« Er rieb sich die Augen und trank gierig das Wasser, mit dem Peabody aus der Küche gekommen war. »Mutter hatte plötzlich diese schwachsinnige Idee, fast alle ihre Sachen, ja, den Großteil ihrer Sachen zu versteigern und den Erlös zu spenden! Und zwar dieser verdammten Stiftung. Ich bin ihr Sohn!« Er sah Eve Mitleid heischend an. »Sie wollte all das Geld irgendwelchen Fremden in den Rachen schmeißen. Dabei hätte ich es selber doch dringend gebraucht.«

»Also mussten Sie einen Weg finden, um dafür zu sorgen, dass das Geld in der Familie bleibt.«

»Wir haben miteinander gestritten. Sie hat mir erklärt, sie würde mich nicht länger unterstützen. Damit hatte sie zwar vorher schon ab und zu gedroht, aber dieses Mal klang es ziemlich ernst. Ich war außer mir vor Zorn. Sie ist doch meine Mutter«, meinte er in einem hoffnungsvollen Ton, dass Eve dieses Argument verstand.

»Und dann haben Sie Ihre Freunde aufgesucht.«

»Ich musste einfach Dampf ablassen. Also bin ich zu Dominic gefahren. Sein Vater käme nie auf die Idee, seine Kohle irgendwelchen Fremden zu vererben. Dom braucht sich nie den Kopf darüber zu zerbrechen, wer seine blöden Rechnungen bezahlt. Wir haben uns unterhalten und etwas getrunken. Ich habe etwas in der Art gesagt, dass ich die Sachen einfach nehmen und selbst verkaufen sollte, und dann sollte sie mal sehen, ob ihr das gefällt. Wir haben darüber geredet, wie man so was anstellen könnte. Wirklich nur geredet. Dann entwickelte sich das so, als wäre es tatsächlich machbar. Hunderte von Millionen echter Dollar. Ich bräuchte mir nie wieder Gedanken über Geld zu machen. Ich könnte leben, wie ich wollte, und keinen Menschen ginge meine Lebensweise das Geringste an.

Ich schätze, ich war ziemlich betrunken. Irgendwann schlief ich ein, und das Nächste, was ich weiß, ist, dass Dom bereits mit seinem alten Herrn gesprochen hatte, als ich am nächsten Tag wieder wach wurde. Er hatte den Ball bereits ins Rollen gebracht. Also fuhren wir rüber zu Michel und erzählten ihm von unserem Plan. Wissen Sie, es kam mir alles unwirklich vor, nicht schlimmer als ein Spiel. Aber Doms alter Herr meinte, wir könnten diese Sache tatsächlich durchziehen. Er wüsste, wie man so was macht. Wir bekämen nach Abzug aller Unkosten alle denselben Anteil ausbezahlt. Es wäre ein Geschäft, nichts weiter. Von Mord hat niemand einen Ton gesagt. Es war nur ein Geschäft.«

»Und wann kam Yost ins Spiel?«

»Ich habe keine Ahnung. Ich schwöre bei Gott, ich habe keine Ahnung. Wir hatten alles ganz genau geplant. Ich fuhr also zurück, habe mich mit meiner Mutter versöhnt und sie gefragt, ob ich ihr bei der Durchführung dieser Auktion helfen kann. Da erst hat sie mir erzählt, dass sie mit Roarke gesprochen hatte, weil ihr sein Hotel als der perfekte Ort für ihre Ausstellung und die Versteigerung erschien. Mir hat das keineswegs gefallen, denn schließlich hatte ich von Roarke schon alles Mögliche gehört. Aber Naples war total begeistert. Er meinte, das mache die ganze Sache erst richtig interessant. Er hat noch jemand anderen, diesen Deutschen, kontaktiert. Und weil Dom und ich aufgrund anderer geschäftlicher Verpflichtungen keine Zeit hatten, war Michel der Einzige von uns, der die beiden in Paris getroffen hat.«

Er leckte sich die Lippen und schielte Eve erneut Verständnis oder vielleicht eher Mitleid heischend an. »Ich glaube, sie müssen … ich weiß nicht. Sie müssen während dieser Treffen auf die Idee gekommen sein, Yost ins Spiel zu bringen. Alles, was ich damals wusste, war, dass der Deutsche nicht mehr mit von der Partie war. Naples hat gesagt, er wäre zu feige. Aber auf diese Weise bliebe mehr für uns, und er, Naples, würde den Transport der Sachen höchstpersönlich arrangieren. Außerdem hat er noch ein paar zusätzliche Männer angeheuert. Ich wurde, vor allem wegen der hohen Kosten, langsam ziemlich nervös, aber als ich mich beschwert habe, weil zu Anfang alles völlig anders geplant gewesen war, gab man mir deutlich zu verstehen, dass es besser für mich wäre, ich hielte den Mund. Dom meinte, am besten überließe ich die Verhandlungen mit seinem Vater in Zukunft ihm. Ich bekäme meine Anweisungen dann direkt von ihm. Alles, wofür ich zu sorgen hatte, war, meine Mutter bei Laune zu halten und ein paar Einzelheiten, wie den genauen Zeitplan und die Pläne des Sicherheitsdienstes, zu organisieren, weiter nichts. Sie hätten eine Möglichkeit gefunden, um Roarke zu beschäftigen, damit er sich nicht allzu sehr mit der Angelegenheit befasst.«

Er fuhr sich mit dem Handrücken über den Mund. »Sie verstehen doch, nicht wahr, Sie verstehen doch, dass ich zu sehr in die Sache verstrickt war, um noch einen Rückzieher zu machen. Sie sehen doch, dass das alles nicht meine Schuld gewesen ist. Und jetzt kooperiere ich sogar noch mit der Polizei. Jetzt mache ich meine Fehler wieder gut.«

»Ich kann nur für Sie hoffen, dass Sie weiterhin mit uns kooperieren, Vince. Und ich kann nur für Sie hoffen, dass das noch nicht alles gewesen ist.«

»Ich werde Ihnen alles sagen, was ich weiß. Also, vor ein paar Wochen hat sich Dom bei mir gemeldet und gesagt, mein Anteil an den Unkosten des Unternehmens betrüge genau eine Million. Ich sollte den Betrag an Naples Communications überweisen, und sie würden die Bücher so manipulieren, dass es aussieht, als hätte ich für dieses Geld ein supertolles neues Kommunikationssystem gekauft. Ich bin total ausgeflippt. Eine verdammte Million. So viel Kohle hatte ich nicht. Ich hätte nie gedacht, dass es so teuer wird. Was konnte an den Vorbereitungen für einen Diebstahl derart teuer sein?«

Er vergrub den Kopf zwischen den Händen und fuhr mit leiser Stimme fort. »Also hat er es mir gesagt. Er hat mir von Yost erzählt, von dem Vertrag, von den Morden. Und er meinte, für einen Ausstieg wäre es zu spät. Wir wären alle gleichermaßen in die Sache verwickelt, also sollte ich meinen Teil des Geldes erbetteln, leihen oder klauen, denn Yost wollte sein Geld. Ich hatte keine Ahnung, was ich tun sollte. Was hatte ich für eine Wahl? Das Ganze hat damit angefangen, dass meine Mutter mir meinen rechtmäßigen Anspruch vorenthalten wollte. Ich konnte nichts dazu.«

»Ja, natürlich, Ihre Mutter trägt die Schuld an diesem verbrecherischen Plan. Wollen Sie weiterleben, Vince? Wollen Sie, dass ich dafür sorge, dass Yost nicht auch noch Sie erst foltert und danach stranguliert? Dann nennen Sie endlich Namen. Nennen Sie endlich Details.«

»Ich weiß nicht viel.« Er hob den Kopf und sah sie flehend an. »Ich denke schon seit Längerem, dass sie mich ausgebootet haben. Dass sie mich nur benutzen. Sie sind diejenigen, die für all das bezahlen sollten. Sie sind diejenigen, denen Sie sich an die Fersen heften sollten. Nicht ich.«

»Oh, machen Sie sich darüber keine Gedanken. Ihre Kumpel werden für all das bezahlen. Und zwar nicht zu knapp.«

Während Eve versuchte, Vince noch ein paar Einzelheiten zu entlocken, kehrte Roarke zurück nach Hause, blickte auf den Überwachungsbildschirm im Foyer und sah, dass Mick ein Bad im Pool genoss.

Um noch ein wenig nachdenken zu können, nahm er den extra langen Weg außen um das Haus herum.

Im Schwimmbad duftete es süß nach Blumen und nach frischem, klarem Wasser. Das leise Plätschern des in einer Ecke installierten Brunnens jedoch wurde von den irischen Rebellenliedern übertönt, von denen Mick sich, während er gemütlich seine Runden drehte, unterhalten ließ.

Roarke nahm eins der dicken blauen Handtücher von dem in einem Regal liegenden Stapel und trat damit an den Beckenrand.

Mick tauchte vor ihm auf, schüttelte sich vergnügt die Haare aus den Augen und blinzelte zu ihm hoch. »Na? Kommst du mit rein?«

»Nein, denn du kommst raus.«

»Genau das hatte ich vor.« Mick richtete sich auf, ließ einen Moment das Wasser von seinem Körper rinnen, kam dann die paar Stufen hinauf und schaute seinen alten Kumpel mit einem breiten Grinsen an. »Himmel, das ist die Lebensart, an die man sich gewöhnen könnte. Danke«, fügte er hinzu, nahm das ihm von Roarke gereichte Handtuch und fuhr sich damit durchs Gesicht.

Dann wählte er einen der Gästebademäntel, die an einem Haken in der Nähe hingen, und hüllte sich wohlig darin ein. »Ich hätte nicht erwartet, dass ein Mann in deiner Position, der für so viele Dinge die Verantwortung hat, mitten am Tag nach Hause kommen kann.«

»Meine Arbeit wurde heute Morgen unterbrochen. Weißt du, Mick, nach all den Zeiten, die wir miteinander hatten, den guten und den schlechten, und bei allem, was wir getrennt und gemeinsam unternommen haben, hätte ich niemals erwartet, dass du jemals einem alten Freund von hinten ein Messer in den Rücken stechen würdest.«

Langsam ließ Mick das Handtuch sinken. »Was willst du damit sagen?«

»Ist Freundschaft heutzutage so viel billiger als zu der Zeit, als wir noch halbe Kinder waren?«

»Nichts ist heutzutage billiger als damals.« Er musterte Roarke verwundert. »Raus mit der Sprache, Roarke. Ich verstehe echt nicht, was du mir damit sagen willst.«

»Ohne lange Vorrede?«

»Ja, natürlich.«

»Also bitte.« Er rammte Mick die Faust unter das Kinn und sah tatenlos zu, wie der Freund aus Kindertagen zurück ins Wasser fiel.

Mit nassem und deshalb schwerem Bademantel tauchte Mick, aus dessen Mundwinkel ein Faden leuchtend roten Blutes rann, nach wenigen Sekunden wieder auf. Mit vor Wut blitzenden Augen hielt er sich am Rand des Beckens fest.

Bis er sich jedoch herausgezogen hatte, hatte ein beinahe amüsiertes Funkeln den Zorn in seinem Blick ersetzt.

»Verdammt, deine Faust ist immer noch so hart wie Beton.« Er wackelte vorsichtig mit seinem Kiefer und streifte den nassen Bademantel ab. »Wie hast du es herausbekommen?«, fragte er, hob dann jedoch abwehrend die Hand. »Nein, wenn du nichts dagegen hast, hätte ich lieber eine Hose an und ein Glas Whiskey in der Hand, während du es mir erzählst.«

»Meinetwegen.« Roarke nickte. »Dann gehen wir rauf.« Er marschierte Richtung Lift. »Übrigens ist Summerset wohlauf.«

»Weshalb sollte er das nicht sein?«, fragte Mick mit leichter Stimme und stieg hinter Roarke in den Fahrstuhl ein.