Die Wolkendecke riß auf, und Mondlicht überflutete das Gelände von Wolf’s Auto-Reparatur-Werkstatt. Links ein Haufen Radkappen, rechts verrostete Kotflügel, dahinter Türen jeder Form und Größe. Ein schmaler pfütziger Weg schlängelte sich durch die Schrottberge zu einem mindestens fünfzig Meter langen Flachbau, der zur Hälfte Werkstatt, zur anderen Hälfte Büroraum und Materiallager war. Vor dem Flachbau standen Autos, dazwischen der silberne Toyota-Jeep. Breitmaschiger Draht umzäunte das Gelände, und außer der verriegelten Einfahrt zur Werkstatt gab es zwei aus Brettern zusammengezimmerte, unverschlossene Holztüren. Durch eine dieser Türen schlüpften wir hindurch, schlichen den Weg entlang und traten auf eine breite Betonstufe vor dem Büroeingang. Die Tür war angelehnt, ein Lichtstreifen fiel auf unsere schlammverkrusteten Schuhe.
Charly zog die Automatic. »Du gehst zuerst.« Ich schüttelte den Kopf. »Der Ballermann geht zuerst.« Die Automatic landete auf meiner Brust. »Du gehst zuerst.«
Ich sagte »Von mir aus« und legte die Hand auf die Klinke. Auf der Betonstufe auszurutschen schien nicht einfach, aber ich wollte mir alle Mühe geben. Mit einem Ruck zog ich die Tür nach links auf, verlagerte das Gewicht nach rechts und wirbelte wie ein Kreisel herum. Meine Handkante traf Charly genau in den Magen. Während er nach Luft japsend vornüberklappte, drosch ich ihm die Faust zweimal in die Visage, die Nase krachte, und über seine Lippen rann Blut. Mit ungläubigen Augen fiel er der Länge nach in den Schotter. Ich hob die Automatic auf, massierte meine Knöchel und horchte. Außer Charlys verhaltenem Stöhnen herrschte Friedhofsstille.
Ich tippte ihm den Fuß in die Seite und zischte »Aufstehen«. Mit einer Hand umklammerte er sein verschobenes Gesicht, mit der anderen krallte er sich in den Schotter; er hob mühsam den Kopf und starrte mich an. »Was hat das…?«
»Maul halten, aufstehen.« Ich zielte mit der Automatic auf seine Stirn. »Eins…«
Bei zwei war er schon oben.
»Vorwärts!«
Wie ein betrunkener Matrose schwankte er zur Tür, lehnte sich dagegen und stolperte in den Flur, einem unverputzten Schlauch mit nackter Glühbirne und rostigen Kleiderhaken. Zwei graue Decken markierten den Durchgang zum Materiallager. Dahinter dudelte ein Radio. Ich packte Charly am Kragen und bohrte ihm die Automatic ins Ohr. »Keinen Mucks.«
Er zitterte. Langsam näherten wir uns dem Durchgang. Jetzt hörte man neben der Radiomusik auch Stimmen. Bei den Decken angelangt, gab ich Charly einen Stoß, so daß er kopfüber hindurchsauste, sprang hinterher und krachte in ein Regal Scheinwerfer. Axel und Slibulsky saßen am Tisch, zwei Flaschen Bier und einen Berg Schmuck vor sich, sie glotzten entgeistert. Dann zog Axel eine zweihunderteinundzwanziger Remington Fire Ball. Man kann damit Elefanten jagen oder kleinere Flugzeuge vom Himmel holen, und wenn man will, damit auch Dächer bei Sturm beschweren - nur zum schnellen Schießen taugt sie soviel wie ein Küchenquirl.
Die erste Kugel traf ihn in die Schulter, die zweite in den Unterarm. Während der Boxer brüllend vom Stuhl rutschte, robbte ich über die Scheinwerfer, packte das schwarze Ungeheuer und warf mich, die Schießeisen im Anschlag, zur Seite.
»Der nächste, der sich bewegt, und mir gefällts nicht, hat’n Loch in der Schale!«
Aber niemand dachte daran, mir nicht zu gefallen. Jedenfalls niemand, der wußte, was eine Pistole ist. Als erstes hörte ich seine Tatzen aufschlagen, dann einen kehligen Laut und Hecheln. Ich fuhr herum und gab, ohne zu sehen, zwei Schüsse ab. Es war unglaublich, die Remington hatte ihm die halbe Flanke weggerissen, aber Rambo lief weiter. Das blutbesudelte Hinterteil über den Boden schleifend, ohne jeden Ausdruck von Schmerz, hetzte er mit nur noch drei Beinen auf mich zu. Ich drückte erneut ab. Insgesamt noch viermal, bis das Tier, zum roten Klumpen entstellt, endlich reglos liegen blieb. Ich atmete tief durch. Dann wandte ich mich um. Charly lag wimmernd zwischen Ölkanistern, Axel schmerzgekrümmt unterm Tisch, und Slibulsky war wie gelähmt. Abwesend, als überlegte er, was eigentlich vor sich ging, strich sein Blick über das Schlachtfeld. Um mich machte er einen Bogen.
»Slibulsky…«
»Mhm…?«
Ich stand auf und ging zum Tisch.
»… hast du ’ne Kanone?«
Langsam hob er den linken Arm, winkelte den rechten in Gips leicht ab und bewegte den Kopf verneinend. Eine Weile sahen wir uns in die Augen. Seine waren leer, nichtssagend wie Knöpfe. Dann bedeutete ich ihm, die Arme wieder runterzunehmen.
»Stell die Kiste aus und kümmer dich um den Fettwanst.« Ich drehte mich um. »Charly…! Zu den anderen.«
Während Slibulsky Axel auf den Stuhl hievte und Charly, mit Taschentuch vorm Mund, dazu gestolpert kam, sah ich mich im Raum um. Meterhohe Eisenregale, voll mit Zündkerzen, Keilriemen und ähnlichem Zeug, standen in engen Reihen bis ans Ende der Halle. Es gab weder Fenster noch Ventilator. Für gelbes schmutziges Licht sorgte eine Galerie vergitterter Lampen, die sich diagonal über die Decke zog.
»Gibt’s hier noch mehr so Ungeheuer?«
Keine Reaktion. Das Kinn auf der Brust, die Hand an der Schulter, saß Axel über die Tischkante gebeugt und atmete schwer. Von Zeit zu Zeit öffnete er den Mund, aber raus kam nur Spucke. Ich schob die Remington hinter den Gürtel.
»Na schön. Zuerst zu Ihnen, Charly.«
Sein Taschentuch sank unschuldig in den Schoß. »Zu mir? Wieso zu mir?!«
Ich hatte es satt, von einem Zuhälter für dumm verkauft zu werden. Ehe Charly die Arme heben konnte, knallte ich ihm eine, daß das Echo durch den Raum hallte. Er schlug die Hände vors Gesicht.
»Und jetzt hören Sie zu, was ich zu erzählen habe!« Ich zündete mir eine Zigarette an und begann wütend auf und ab zu gehen. »Da Sie die Angewohnheit haben, alle anderen außer sich für Deppen zu halten, mußten Sie mich gestern morgen persönlich aushorchen. Slibulsky hätte das viel unauffälliger erledigen können, und ich hätte nicht von Anfang an den Verdacht gehabt, entweder Sie kennen Frau Rakdees Entführer, oder Sie gehören selbst dazu. Zwischendurch war ich zwar auf andere Ideen gekommen, aber spätestens durch Slibulskys Kurzschlußreaktion, mich eine Weile in die Wüste zu schicken, landete ich wieder bei Ihnen. Und natürlich bei Slibulsky.«
Ich nahm einen Zug. Slibulsky rührte sich nicht. Seit fünf Minuten saß er reglos, den gesunden Arm über den Gips gelegt, und starrte Löcher in den Boden.
»Der anonyme Brief war ein Riesenfehler. Nicht nur wegen der krakeligen Schrift, die gut zu einem Rechtshänder paßte, der zur Zeit nur die Linke benutzen kann, sondern auch, weil mir spätestens im AFTER HOURS aufgehen mußte, daß der Brief ein Ablenkungsmanöver war - von Gellersheim, denn sonst hatte ich nichts geplant. Und nur du wußtest davon, und als ich unter der Dusche stand…« Ich war nah an ihn herangetreten. Jetzt fuhr ich mit einer Hand in seine Jackeninnentasche und zog den INTERCONTI-Block heraus. Slibulsky reagierte kaum. Alles, was er tat, war, phlegmatisch das Jackett geradezustreichen. Ich warf den Block auf den Tisch.
»… na ja, anschließend bin ich nach Gellersheim gefahren, und so weiter.«
Ich trat die Zigarette aus und kickte sie unter ein Regal, um mich wieder an Charly zu wenden.
»Irgendwann hat Eberhard Schmitz Sie von meinem Besuch unterrichtet, und Sie beorderten Axel in die Villa. Daß ich dann im Bunker gelandet bin, war der zweite Fehler. Hätte Axel mich nur für einen Tag irgendwo eingesperrt, wären die Flüchtlinge in alle Himmelsrichtungen verschickt gewesen und der Fall gelaufen. Er ist eben ziemlich groß, aber nicht ganz so klug, womit wir wieder bei Ihnen sind. Als ich vorhin bei Ihnen auftauchte, war klar, ich mußte beiseite geschafft werden. Schmitz hatte Ihnen die Villa zur Verfügung gestellt, und wenn da irgendwas anbrennt, sind Sie dran. Also begann das Theater mit Ihrem Bruder. Ziemlich blödsinnig, zumal die Idee von mir stammte. Ich weiß nicht, was Sie danach vorhatten - vielleicht wollten Sie die zwei hier beauftragen, mich bis morgen umzulegen -, ich weiß nur, wäre ich zuerst durch diese Tür gegangen, stünden meine Chancen, die Zeitungen zu informieren, einigermaßen schlecht.«
Die Lampen summten, sonst war kein Laut zu hören. Slibulsky kaute auf einem Streichholz, Axel hatte die Augen geschlossen, Charly tupfte sich die Nase. Sie sahen aus wie drei Kerle, die sich einen Porsche gekauft und ihn nagelneu gegen die Wand gesetzt hatten. Während der Abschleppwagen die Reste auflud, wurde jedem klar, wie wenig er die anderen beiden riechen konnte.
Ich zündete mir eine neue Zigarette an und rauchte ein paar Züge. »Jetzt zu dir, Slibulsky… bis zuletzt hatte ich gehofft, ich könnte mich irren; du klaust den Leuten nicht die letzte Socke und schickst sie anschließend krepieren. Okay, du bist bei Charly angestellt, und wenn er dich losschickt, um auf mich aufzupassen, mußt du das machen. Und weil du nicht einfach zurückkommen konntest, um zu sagen, ›Er ist jetzt auf dem Weg nach Gellersheim‹, mußtest du auch den Brief schreiben. Aber jetzt sehe ich dich die Beute aufteilen, und das ist keine Arbeit für Angestellte. Was ist dein Anteil? Zwanzigtausend, dreißigtausend? Dazu ’n Kilo Ohrringe?… auch nur einer dieser billigen Kerle, die für Geld in jeden Abfluß kriechen!«
Slibulsky kaute weiter auf dem Streichholz und starrte weiter Löcher in den Boden. Nur seine Hand war zwischendurch in die Jackentasche gerutscht, als wollte sie sich wärmen.
Charly räusperte sich vorsichtig.
»Dir ist doch hoffentlich klar, daß das großer Mist ist, was du da erzählst.«
Ich ging zum Tisch, nahm eine Handvoll Schmuck und schleuderte sie ihm ins Gesicht.
»Und das, ist das auch Mist?!«
Er fing an, hysterisch mit dem Finger in die Luft zu stochern, und kreischte: »Du hast ’ne Macke, Schnüffler, ’ne totale Macke!« Und zu Slibulsky: »Sag deinem Kumpel, daß er ’ne Macke hat, sag ihm, er soll das Geld nehmen und abhauen!«
»Seid ihr bescheuert!« Axel fuhr auf aus der Versenkung. Was man zwischen den Haaren erkennen konnte, war bleich und voller Haß; von seinen Wimpern tropfte Schweiß. »Vor dem habt ihr die Hosen voll - vor dem?!«
Er wirbelte herum. Über den Boden zog sich eine Blutspur.
»Was meinst du, wenn ich den Bullen erzähle, daß du den ganzen illegalen Haufen befreien wolltest - hä?! Die haben nun mal nichts übrig für edle Gesinnung, genausowenig wie unsereins für deine Freundschaflsscheiße! Wir sind hier nicht auf ’m Balkan, Ali - und Slibulsky is nich Winnetou! Es kratzt hier keinen, wenn deine Kanackenbrüder nach Hause fahren!«
»Sie fahren nicht nach Hause, sie…«
»Weiß schon, sie krepieren. Hast ’n weiches Herz, Ali, kann man sich den Arsch mit abwischen!«
Mir pochten die Schläfen. Langsam zog ich die Remington aus dem Gürtel und postierte meine Artillerie. Der Revolver sah ihm ins linke, die Automatic ins rechte Auge. »Wo ist das Geld?«
Aber die Löcher im Arm mußten ihm den Verstand geraubt haben. Mit bis zum Anschlag geweiteten Augen zischte er: »Das wagst du nicht noch mal«, und sein Schatten kroch auf mich zu. »Wir haben uns lange genug verscheißern lassen! Guck, wie deine Knie zittern. Bist doch nur ’n schlechter Aprilscherz. Na los, sag April, April und gib mir die Kanone und verdufte!«
Es fehlten nur noch Zentimeter, dann hätte seine Hand die Pistolen erreicht. In meinen Ohren begann das Blut zu kochen. Plötzlich sagte eine Stimme hinter mir »April, April«, es krachte zweimal, und Axels Kopf schlug getroffen zurück. Ein Brei aus Hirn und Haaren quoll hervor. Er war tot, ehe die Schüsse zwischen den Regalen verhallten.
Charly bebte. Vom Stuhl aufgesprungen, starrte er auf den großen blutenden Körper, der zu Boden fiel. Er wurde bleich, wie ein vor Angst bebender Mann im schmutziggelben Licht nur bleich werden konnte. Um Axels Kopf bildete sich eine rote Lache. Ich drehte mich um. Slibulsky saß, wie er die ganze Zeit gesessen hatte, nur daß seine linke Hand jetzt eine Pistole hielt. Langsam ließ er sie in die Jackentasche gleiten und nahm das Streichholz aus dem Mund. Seine Lippen befiel ein leichtes Zucken.
Schweigend schleppten wir den Leichnam an Kotflügeln und Radkappen vorbei zu einer grasbewachsenen Stelle, wo der Boden lockerer war. Während Charly sich zwischen zwei Autowracks erbrach, schaufelten Slibulsky und ich eine Grube. Genau über uns stand der Mond. Langsam entwickelte ich mich zum Totengräber.
Nachdem die Erde wieder glattgeklopft und die Schaufeln an ihren Platz zurückgebracht waren, gab Slibulsky mir meine Brieftasche wieder. Dann lief ich ins Büro, um zwei Taxis zu bestellen. Slibulsky holte unterdessen einen schwarzen Koffer aus dem Toyota. Anschließend gingen wir noch mal ins Lager, packten den Hundekadaver in eine Plastiktüte und nahmen den Schmuck mit.
Zu dritt traten wir auf die Straße, und ich stopfte die Tüte in einen öffentlichen Papierkorb. Charly stand, ganz grün im Gesicht, gegen eine Laterne gelehnt und zerbröselte mit abwesendem Blick einen Zigarillo zwischen den Fingern. Slibulsky hockte am Bordstein. Ich trat unter die Laterne und zündete mir eine Zigarette an.
»Wenn was rauskommt, schieb ich Ihnen das Ding in die Schuhe - Streit um die Beute oder so. Außerdem käme Schmitz’ Name in die Zeitungen, und ich bin mir nicht sicher, auf wen von uns beiden er dann wütender wäre.«
Charly nickte.
Wenig später kam das erste Taxi, und Charly stieg ein. Kurz darauf das zweite. Slibulsky und ich schoben uns mit Geldkoffer und Schmuckbeutel auf die Rückbank, und ich sagte »Zum Flughafen, bitte.«
Eine Weile fuhren wir schweigend, und der Taxifahrer sah mehrmals mißtrauisch in den Rückspiegel. Ganz alleine begann er ein Gespräch über den Unsinn von Winterund Sommerzeit, und ganz alleine brach er es auch wieder ab. Schließlich stellte er das Radio an.
Als wir auf die Autobahn kamen, fragte ich: »Warum hast du die Pistole nicht rausgerückt?«
Den Kopf leicht vorgebeugt, pulte Slibulsky am Gips.
»Du hattest schon zwei«, antwortete er, ohne aufzusehen, »drei kann man nicht halten.«
»Und wenn ich dich durchsucht hätte, was glaubst du, auf was für ’n Gedanken ich gekommen wäre?«
Slibulsky schwieg. Ich sah aus dem Fenster, an dem die Lichter amerikanischer Wohnkasernen vorbeiflogen. Mein Arm pochte, und im Hintern spürte ich noch die Einstiche von Tetanus- und Tollwutspritzen.
»Was ich nicht verstehe, warum Schmitz euch die Villa gegeben hat. Egal, wie viele Prozente er bekommt, für ihn sind das doch alberne Summen.«
»Weil Axel sein Neffe war.«
Ich fuhr herum. »Du hast den Neffen von Eberhard Schmitz…?!« Gerade noch rechtzeitig verschluckte ich den Rest. Dennoch fing der Taxifahrer an, unruhig im Sitz hin- und herzurutschen. Slibulsky mußte ihn vergessen haben, oder es war ihm im Moment sowieso alles egal. Jedenfalls zuckte er die Schultern und sagte: »Axel hätte dich fertiggemacht. Schon den ganzen Tag war er am Schimpfen, daß er vorm Bunker ’n schwachen Moment gehabt hat. Und als dann auch noch seine Töle in Fetzen flog - mir blieb keine Wahl. Außer du hättest geschossen, und danach sah’s nicht aus.«
Als wir vorm Flughafen hielten und ich das Geld vorreichte, schaute der Fahrer mich nicht an, und seine Hand zitterte.
Auf dem Weg zur Polizeiwache kaufte ich zwei Fußballzeitschriften. Dann mußten wir eine Weile warten, bis Benjamin Weiss eine Reporterin, der es gelungen war, in den Anwaltsraum vorzudringen, zum Teufel gejagt hatte. Wie sie erklärte, arbeitete sie für die Illustrierte SCHAMPUS und wollte sich die Exklusivrechte an einer ›Picturestory‹ über die Flüchtlinge im Bunker sichern. Die Flüchtlinge, soweit sie freikamen, sollten Szenen des ›heavy Aufenthalts‹ nachstellen; der ›Clou‹ dabei sei, ›alle tragen die neue Gaultier-Winterkollektion, dazu Sonnenbrillen, die Frauen oben mit Schleier, aber untenrum möglichst sexy‹.
Als sie fort war, übergaben wir Weiss Geld und Schmuck. Er trank einen Schnaps mit uns, spülte mit Aspirin nach und erzählte kettenrauchend, daß bisher niemand abgeschoben worden war und daß, nach Ansicht der Anwälte, das auch in den nächsten Tagen und Wochen nicht geschehen würde. Anschließend ging ich zu den Zellen und brachte Abdallah die Fußballzeitschriften, danach verließen wir die Wache. Um das Gebäude herum standen alle fünf Meter Polizisten mit Helm und Pistole. Gegenüber lümmelte sich ein Dutzend Reporter um einen Palmentopf und ließ Thermoskannen rumgehen. Der Platz dazwischen war mit Flugblättern übersät.
»Und jetzt? Gehn wir was trinken?«
Slibulsky schüttelte den Kopf: »Ich hab ’n Termin bei Schlumpi.«
»Um zwölf Uhr nachts?«
Die Schiebetüren stoben auseinander, und wir kamen in die Ankunftshalle. Slibulsky blieb stehen und erklärte mit verbissenem Gesicht: »Ich meine, wir sind jetzt quitt, und wenn ich nachts um zwölf ’n Termin bei Schlumpi habe, dann hab ich den eben. Danach können wir gerne was trinken gehen.«
»Falls du dann noch ’n Glas halten kannst.«
Er musterte mich argwöhnisch. Dann fuhr seine Hand mit fahriger Bewegung zur Decke. »Denk, was du willst, aber misch dich nicht ein.«