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Der ängstliche Hase oder: Nein zur Mitleidsmasche!

Manipulation durch Haken schlagende Fluchtmanöver ist die Spezialität der Hasen. Ebenso: Jammern, Tränenströme, Weglaufen, Ablenkungsmanöver, schmeicheln und beschwichtigen. Das virtuose Spiel auf dem Gefühlsklavier gehört zu den sanften, aber wirkungsvollen Waffen der Hasen. Erste Abwehrmaßnahme: Bleiben Sie hart. Verschließen Sie für den Moment Ihr weiches Herz, behalten Sie Distanz, und lassen Sie sich nicht in die zweite Perspektive der Empathie locken. Dann sind Sie nämlich verloren. Die größte Falle, in die Sie beim Hasen tappen können, ist übergroßes Verständnis.

Machen Sie sich klar, dass Sie kein Schwerverbrecher sind – auch wenn Sie in anderen negative Gefühle wecken. Egal ob die Tränen oder die Angst echt sind und nicht nur als Manipulationstechniken vorgetäuscht werden: Wenn ein unangenehmes |188|Thema existiert, muss man sich damit auseinander setzen. Sonst wird es immer schlimmer, und man wird nie eine Lösung finden. Einem kranken Menschen hat es auch noch nie geholfen, nicht zum Arzt zu gehen, nur weil er sich vor der Diagnose fürchtet. Dass es im Leben auch einmal schwierige Momente gibt, werden auch Sie nicht abschaffen können. Wappnen Sie sich also, um auch den Tricks der Hasen widerstehen zu können:

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Das überfließende Tränenkrüglein

Häsin Henny sitzt mit hängenden Öhrchen und bebendem Näschen an ihrem Schreibtisch und denkt an frisch geschälte Zwiebeln. Sie stehen zum dritten Mal mit dem immer noch vor Fehlern strotzenden Angebot für einen wichtigen Kunden vor ihr, um sie etwas nachdrücklicher als bisher zu bitten, das Dokument zu korrigieren und in Zukunft bitte sorgfältiger zu arbeiten. Sie schlägt ihren ersten Fluchthaken. Mit großen Augen blickt sie zu Ihnen auf und lässt dramatisch eine Träne ihre Wange herunterkullern.

|189|»Die haben gestern einfach eine neue Version eingespielt. Da ist jetzt alles ganz anders, und dann wollte der Rolf auch noch bis heute Abend ... Wenn dann noch die Tagespost so viel ist wie heute ...« Mittlerweile fließen die Tränen in einem gleichmäßigen Strom, die Stimme bebt und versagt manchmal ganz.

Sie fühlen sich wie ein bösartiger Folterknecht und winden sich in Selbstvorwürfen. »Ist ja schon gut. Tut mir leid, das wusste ich ja nicht. Kümmern Sie sich um die anderen Sachen, ich komme schon klar. Halb so wild.« Verlegen treten Sie den Rückzug an, machen ein paar Überstunden und schreiben Ihr Angebot selbst.

Häsin Henny hat derweil ihren Tränenstrom abgestellt, kurz ihr Augen-Make-up überprüft und widmet sich wieder dem Katalog aus dem Reisebüro.

Die Strategie

Bestechend einfach: Da die meisten Menschen mit Tränen nicht umgehen können, sondern ein schlechtes Gewissen bekommen und sich vor Verlegenheit winden, muss man nur die Fähigkeit erwerben, auf Kommando weinen zu können. Schon ist die Flucht geglückt und das unangenehme Thema vom Tisch.

Abwehr

  • Zeigen Sie Verständnis für die Betroffenheit des überfließenden Tränenkrügleins.

  • Bieten Sie eine kurze Pause an. Kramen Sie ein Tempotaschentuch heraus, offerieren Sie ein Glas Wasser oder einen Kaffee mit einem Schokoplätzchen. Lassen Sie dem heulenden Elend Zeit, sich auf der Toilette wieder frisch zu machen.

  • Fahren Sie dann fort mit Ihrem Thema. Unter Umständen müssen Sie mehrmals eine Pause machen. Wichtig ist, dass dem anderen |190|deutlich wird, dass er weinen kann wie die Niagarafälle – es wird ihm nichts helfen.

  • Im Extremfall können Sie das Thema vertagen – aber nur mit einem festen Termin zur Fortsetzung. Es muss dem Hasen ganz klar sein, dass die Flucht durch Tränen nicht gelingen wird.

Egal, ob die Tränen aus echtem Schmerz oder Betroffenheit vergossen werden oder ein effizientes Fluchtmanöver darstellen: Sie dürfen nicht dazu führen, dass Sie deshalb nachgeben und der andere problemlos seinen Willen bekommt. Sie sind ja nicht absichtlich grausam zu Ihrem Gegenüber – Sie tragen nicht die Verantwortung, dass er mit unguten Gefühlen reagiert. Jeder ist für seine Gefühle selbst verantwortlich. Natürlich gibt es Themen, die für Ihr Gegenüber emotional sehr belastend sind, keine Frage. Trotzdem dürfen auch diese deshalb nicht zwingend ein Tabu darstellen. Versuchen Sie in so einem Fall, dem anderen dadurch zu helfen, dass Sie das Thema in kleinere Häppchen aufteilen und mit dem einfachsten Punkt anfangen. Ihr Gegenüber lernt so, dass ein Gespräch über ein kritisches Thema nicht das Ende der Welt bedeuten muss, sondern notwendig ist, um bestehende Schwierigkeiten aus dem Weg zu räumen. Und die harmonische Beziehung sicherzustellen.

Wie steht es um Sie selbst? Haben Sie auch nah am Wasser gebaut und fangen bei der geringsten Kleinigkeit an zu heulen wie ein Schlosshund? Und fühlen sich unterlegen, weil Sie es nicht schaffen, cool zu bleiben und sich zu beherrschen? Kein Problem. Natürlich sind auch für Sie Tränen aus echter Betroffenheit möglich und erlaubt. Doch auch wenn Sie selbst zerfließen, können Sie immer noch das sagen, was Ihnen wichtig ist. Weinen muss niemanden davon abhalten, mit dem anderen ehrlich zu kommunizieren, seine Gefühle und seinen Standpunkt mitzuteilen. Tränen sagen ja nichts darüber aus, ob jemand Recht hat oder nicht. Sie sagen nur etwas über die emotionale Betroffenheit |191|aus – und die kann von Mensch zu Mensch unterschiedlich sein.

Abgesehen davon ist das in England so beliebte Ideal der »steifen Oberlippe«, also das Verbergen von Gefühlen um jeden Preis, nicht wirklich erstrebenswert. Ehrlich geäußerte Gefühle gehören zu einer offenen Kommunikation dazu. An diesem Mangel an Offenheit durch falsch verstandene Selbstbeherrschung sind schon viele Beziehungen zerbrochen. Denn Weinen hat nichts mit mangelnder Selbstbeherrschung zu tun. Mangelnde Selbstbeherrschung zeigen Sie allenfalls, wenn Sie Ihre Gefühle ungehemmt ausagieren und zum Beispiel aggressiv oder beleidigend werden. Aber nicht, wenn Sie sie ehrlich zeigen und darüber reden. Wenn Sie also selbst weinen müssen: Machen Sie eine kurze Pause, um Ihre Fassung wieder zu gewinnen, denken Sie an etwas Schönes, atmen Sie tief durch und setzen Sie das Gespräch fort.

Kleiner Tipp: Wenn Sie spüren, dass Sie gleich in Tränen ausbrechen werden, dies aber aus irgendwelchen Gründen momentan nicht für opportun halten, gibt es eine wirksame Methode, das Weinen noch zu stoppen. Blicken Sie einige Sekunden an die Decke, und blinzeln Sie dabei ein paarmal. Probieren Sie’s aus, Sie werden sehen, dass Sie in vielen Fällen dadurch Ihren Tränenausbruch verhindern können.

Der tapfere Märtyrer

Hase Harry ist auf der Heimfahrt und bereitet sich auf die Ankunft vor. Leider ist er mal wieder viel zu spät dran. Außerdem hat er etliche Dinge, die er erledigen wollte und sollte, nicht geschafft. Nun ja, vielleicht hätte er sie schon schaffen können. Die Schnurrhaare geputzt, die Ohren aufgestellt, betritt er das Wohnzimmer, in dem Sie schon grollend auf ihn warten.

|192|»Guten Abend, Schatz. Gott, bin ich froh, endlich zu Hause zu sein – grauenvoller Tag.« Er gibt Ihnen ein Küsschen. Mit schmerzverzerrtem Gesicht richtet er sich wieder auf und geht schleppend in die Küche.

»Warst du endlich in der Druckerei, Harry? Du hast versprochen, die Einladungen in Auftrag zugeben«, rufen Sie ihm hinterher.

»Gleich Schatz, ich komme sofort«, antwortet er. »Du, wo sind eigentlich meine Migränetabletten? Mir platzt gleich der Schädel, das muss an diesem Wetter heute liegen.« Er kommt mit einem Glas Wasser ins Wohnzimmer zurückgeschlichen, dieses Mal mit leidendem Blick, und reibt sich den den Magen. »Mensch, die Druckerei. Du glaubst gar nicht, wie ich mich heute abhetzen musste. Der Auftrag für Bröde wäre fast in die Binsen gegangen. Natürlich musste ich wieder alles alleine in Ordnung bringen, wie üblich. Zum Mittagessen kam ich deswegen auch nicht. Haben wir übrigens noch dieses Pulver gegen Sodbrennen? Ach, und dann wollte ich dir noch dieses Buch besorgen, das du so interessant findest, aber bei der Buchhandlung war weit und breit kein Parkplatz. Oh, mein Magen. Ich glaube, ich muss mich erst einmal etwas hinlegen, sei nicht böse ...«

Mit diesem Haken hoppelt er ungeschoren davon. Seine wundersamen Migräneanfälle kennen Sie schon. Wenn er seine Ruhe nicht bekommt, können sie Tage dauern. Also werden Sie den Druckereibesuch morgen wohl in Ihren übervollen Terminkalender quetschen müssen.

Die Strategie

Demonstratives Leiden erfüllt bestens den Zweck, beim anderen Mitleid zu wecken. Jemandem, der in einem so jämmerlichen Zustand ist und diesen auch noch heroisch erträgt, kann man doch nicht noch weitere unangenehme Sachen aufladen, oder? |193|Rücksichtnahme und Vertagen des Themas sind das Mindeste, was jetzt von Ihnen erwartet wird. Wenn diese Taktik oft genug angewendet wird, erledigt sich alles Unangenehme irgendwie von selbst.

Abwehr

  • Zeigen Sie Mitgefühl für das schwere Los des tapferen Märtyrers.

  • Sprechen Sie Ihr Thema trotzdem beharrlich an, immer wieder Verständnis für die traurige Lage des anderen demonstrierend.

  • Drücken Sie Ihre Neugier aus, auf welche Weise der andere es hinkriegen wird, sein Versprechen zu halten und seiner Verantwortung gerecht zu werden. Aber kommunizieren Sie deutlich, dass Sie genau das erwarten, schweres Los hin oder her.

  • Wenn alles nichts hilft: Glauben Sie ihm vorgeblich all seine Leiden und Schwierigkeiten, nehmen Sie sie ernst, und zeigen Sie Hilfsbereitschaft, das Problem für den anderen zu lösen. Vereinbaren Sie einen Termin für ihn bei einem Kopf- und Magenspezialisten, bieten Sie an, seinen tyrannischen Chef anzurufen oder sich für ihn bei seinen faulen Kollegen zu beschweren. Die Wirkung: Der andere muss damit rechnen, dass sich aus seinem Bluff für ihn Handlungskonsequenzen ergeben, die er nie gewollt hat.

(Natürlich könnte man das auch als einen manipulativen Ansatz sehen – aber eigentlich zeigen Sie dem anderen dadurch, dass er für seine Handlungen die Konsequenzen tragen muss und vorgetäuschtes Leiden ihn nicht davor bewahrt. Er kann also entweder die Folgen seines Bluffs in Kauf nehmen oder sich seiner Verantwortung stellen.)

|194|Der charmante Schmeichler

Häsin Heike hoppelt die letzten Schritte zu Ihrer Wohnung hinauf und klingelt an Ihrer Tür. Als Sie öffnen, säuselt sie:

»Toll, dich zu sehen. Ich freue mich schon so auf unser Klassentreffen!« Sie schleudert ihre Schuhe von den Füßen und wirft sich auf Ihr Sofa. »Wer wohl alles kommen wird? Und ob sie sich sehr verändert haben, was meinst Du?«

Sie haken gleich ein. »Wer kommen wird, wirst du als Erste erfahren, meine Liebe. Du wolltest ja dieses Mal die Organisation übernehmen. Hier, das sind die alten Adressen und Namen, die ich noch vom letzten Treffen habe. Du musst sie aber noch prüfen. Und kümmere dich auch um die Reservierung in einem ...«

Häsin Heike ist fluchtbereit: »Das Lokal, das du ausgesucht hattest, war Spitzenklasse, das fanden alle. So eine tolle Location würde ich niemals finden. Für sowas hast du einfach das bessere Händchen. Und erst deine Ansprache! Das muss man erst mal hinkriegen. Ich würde nur jämmerlich herumstottern. Aber du mit deinem Esprit und deiner Eloquenz. Und wie hast du noch mal die Adressen herausgefunden? Ich würde sicher einen fürchterlichen Schlamassel beim Organisieren anrichten.«

Geschmeichelt blicken Sie in Heikes erwartungsvolles Gesicht. »Stimmt, das mit den Adressen hat super geklappt. Vielleicht ist es wirklich besser, wenn ich mich um diesen Teil kümmere. Dann werden alle rechtzeitig informiert. Du könntest dir ja die Ansprache überlegen.«

Einen Haken braucht es noch, damit die Flucht vollständig glückt: »Ja, klar. Aber ich bin derartig unbegabt für so was. Sag mal, kann ich deine Rede vom letzten Mal haben? Wenn ich die ein bisschen umbastele – das merkt doch keiner. Ich bin leider eine völlige Niete, nicht so ein Ass wie du.«

»Na gut, wenn es dir so schwer fällt. Ich hätte sogar schon ein paar Ideen. Lass mal, ich mach das schon.«

|195|Zufrieden trinkt Häsin Heike einen Schluck Prosecco und blickt Sie hemmungslos bewundernd an. Komisch, wieso ist wieder einmal alles an Ihnen hängen geblieben?

Die Strategie

Die charmanten Schmeichler nutzen eine uralte menschliche Erkenntnis: Es gibt wenige Menschen, die nicht gerne etwas Positives über sich hören und sich von Komplimenten und Schmeicheleien nicht einlullen ließen. Selbst wenn die sehr dick aufgetragen werden, möchten wir sie zu gerne glauben. Wenn der Schmeichler zudem seine eigenen Fähigkeiten herabsetzt, strahlt unser Licht umso heller. Und wenn man selbst so toll und der andere so ein armes Würstchen ist, kann man es wirklich am besten selber machen. Flucht gelungen.

Abwehr

  • Sagen Sie Danke. Bedanken Sie sich artig für das Kompliment und die Bewunderung des charmanten Schmeichlers.

  • Bleiben Sie bei Ihrer Forderung. Die Entgegennahme eines Komplimentes verpflichtet Sie nicht dazu, dem anderen nun seine Aufgabe abzunehmen.

  • Wenn der Schmeichler anmerkt, dass er es nie so virtuos wie Sie hinkriegen würde, ermuntern Sie ihn, es einfach mal auszuprobieren. Denn wenn er es nie übt, wird er es auch nie zu Ihrer Meisterschaft bringen.

  • Bleiben Sie wachsam: Halten Sie Ihren eigenen Ehrgeiz und den Wunsch nach weiterer Anerkennung in Schach, indem Sie sich immer wieder klar machen, dass das zwar eine angenehme, aber eben doch eine Manipulation ist.

|196|Der viel beschäftigte Ablenker

Hase Hans sitzt mit gesträubtem Fell am Schreibtisch und hämmert auf seine Tastatur ein. Sie betreten freundlich lächelnd sein Büro und legen ihm Ihre Personalakte hin.

»Wie schön, dass Sie heute Zeit für unser Mitarbeitergespräch haben. Sie wissen ja, die bei der Einstellung vereinbarte Gehaltserhöhung ist schon seit drei Monaten fällig«, merken Sie lächelnd an und setzen sich.

»Geben Sie mir noch eine Minute Zeit, ich muss das hier eben noch beenden«, erwidert er und tippt weiter. Sie lassen Ihre Blicke durchs Büro schweifen und bewundern derweil die ausgestellten Diplome.

»So, jetzt bin ich ganz bei Ihnen. Worum ging’s noch mal? Ach ja, das leidige Thema Geld.« Er beginnt mit dem ersten Fluchtmanöver: »Frau Hanke, bitte bringen Sie uns doch einen Kaffee. Und denken Sie daran: Wenn Siebert anruft, stellen Sie ihn unbedingt durch, es geht um den Großauftrag.« Er lässt den Knopf der Gegensprechanlage los und blickt Sie freundlich an. »Na, wo drückt der Schuh?«

»Wir hatten doch bei der Einstellung vereinbart ...«

»Entschuldigen Sie, einen kleinen Moment noch. Ich muss mir eben diesen wichtigen Termin aufnotieren. Aber reden Sie ruhig weiter, ich bin ganz Ohr.«

Während er etwas in seinen Terminkalender eingibt, beginnen Sie von vorn.

Endlich blickt er zerstreut hoch. »Hatten wir das Thema nicht schon vor zwei Wochen? Es ging doch um die Teamprämie. Oder war das Kollege Rolf?«

Hase Hans schlägt noch eine Viertelstunde lang Haken, bis ihn Frau Hanke an den nächsten Termin erinnert, zu dem er ohnehin schon viel zu spät kommen wird.

»Tut mir sehr leid, heute ist ein turbulenter Tag, wie üblich. Lassen |197|Sie sich demnächst von meiner Sekretärin einen neuen Termin geben«, verabschiedet er sich und hüpft mit großen Sätzen davon.

Die Strategie

Durch geschickt geplante Störungen, Ablenkungsmanöver und unaufschiebbare Entscheidungen wird effizient verhindert, dass unangenehme Themen wirklich zur Sprache kommen. Für den Moment ist die Flucht gelungen, und beim nächsten Mal wird dem Ablenker schon etwas Neues einfallen. Dauernder Themenwechsel wäre beispielsweise nicht schlecht oder ein langer Monolog mit philosophischen Betrachtungen.

Abwehr

  • Fragen Sie gleich zu Beginn des Gespräches, ob der Termin immer noch passt und Sie beide sich voll konzentrieren können.

  • Bieten Sie dem viel beschäftigten Ablenker ein paar Minuten Zeit an, um noch dringende Arbeiten zu beenden. Beginnen Sie vorher nicht mit Ihrem Gespräch.

  • Bitten Sie ihn, alle Störungen von außen abzustellen.

  • Bitten Sie um volle Aufmerksamkeit. Sollte Ihnen der Ablenker erwidern, er sei multitaskingfähig und könne sehr gut zwei, drei Dinge auf einmal erledigen, sagen Sie eben, dass es ihn vielleicht nicht stören mag, Sie würden davon aber ganz verwirrt.

  • Schweigen Sie sofort, wenn er wieder nebenbei etwas anfängt. Selbst wenn er Sie auffordert, weiterzusprechen.

  • Wenn an dem Tag gar nichts geht: Vereinbaren Sie einen neuen Termin an einem störungsfreien Ort. Machen Sie klar, dass Sie erwarten, dann auch wirklich ungestört zu bleiben.

|198|Der sanfte Erpresser

Häschen Hannilein blickt mit tränenfeuchten Augen von ihrem Teller auf, in dem sie seit einer Viertelstunde voller Abscheu herumstochert.

»Ich mag eigentlich keinen Spinat«, sagt sie mit schluchzendem Stimmchen, »da tut mir immer der Bauch so von weh.« Tapfer schluckt sie ihre Tränchen herunter, isst vorsichtig eine Gabelspitze voll und schlägt ihr erstes Fluchthäkchen: »Meine Freundinnen müssen keinen Spinat essen, aber ich tu’s für dich, Mami. Wenn ich wieder Bauchweh habe, kann ich eben nicht mit zum Spielen. Egal, aber ich hab ja noch nicht mal die Barbieprinzessin.«

Sie würgt noch ein Gäbelchen herunter, während Sie sie besorgt mustern. Es folgt der Endspurt auf der Zielgeraden.

»Ich weiß, dass du noch ein Paar Schuhe brauchst, Mami. Deshalb ist für meine Barbie kein Geld mehr da. Ich muss eben verzichten, weil ich noch so klein bin. Meine Freundinnen haben schon gefragt, warum ich als einzige noch keine Barbieprinzessin habe. Hast du mich denn überhaupt noch lieb?«

Da Sie als berufstätige Mutter ohnehin dauerhaft ein schlechtes Gewissen haben, machen Sie Ihrem Häschen Hannilein kapitulierend eine Portion Pommes frites mit Ketchup und ziehen dann mit ihr los, um die sündhaft teure Barbieprinzessin zu kaufen. Samt Zubehör.

Die Strategie

Virtuoses Spielen auf der Klaviatur der Gefühle ist das Rezept der sanften Erpresser. Hauptziel ist Ihr schlechtes Gewissen, das auf mehr oder weniger subtile Art und Weise unter Dauerfeuer steht. Hilfreich, edel und gut opfert sich der Erpresser für Sie auf und übt heroischen Verzicht, damit Sie Ihre egoistischen Bedürfnisse |199|befriedigen können. Was Sie am Ende natürlich nicht tun.

Abwehr

  • Greifen Sie als allererstes wieder zur Keule, um Ihren inneren Kritiker ins Koma zu schicken, und machen Sie sich klar, dass es keinerlei Grund für ein schlechtes Gewissen gibt. Auch Ihr Häschen will Sie einfach nur (bewusst oder unbewusst) manipulieren.

  • Gehen Sie in die dritte Wahrnehmungsperspektive und beobachten Sie genau, welche Gefühle in Ihnen auftauchen. Suchen Sie nach der Ursache: Durch welche Aktion wurden sie ausgelöst? Sind sie angemessen? Registrieren Sie sie – aber geben Sie Ihnen nicht hemmungslos nach.

  • Gehen Sie den wahren Bedürfnissen und Motiven des anderen durch sanftes Fragen auf den Grund. Manche Menschen nutzen diese Art der Manipulation nämlich, weil sie Angst haben, ihre eigentlichen Bedürfnisse direkt anzusprechen. Helfen Sie ihnen dabei.

  • Machen Sie klar, dass die Ablehnung eines Wunsches nicht gleichbedeutend ist mit Liebesentzug oder Undankbarkeit, indem Sie Ihr Nein mit dem Ausdruck Ihrer generellen Wertschätzung verbinden: »Ich habe dich auch ganz doll lieb, mein Häschen, und die Barbiepuppe bekommst du nicht.«