Der Elektra-Komplex
von
CHARLES L. HARNESS

 

Bleib ru­hig lie­gen und hör mir zu. Der Son­nen­schein wird dir gut­tun, und au­ßer­dem sag­te der Dok­tor, daß du nicht so viel spre­chen soll­test.

Ich kom­me gleich zum The­ma.

Ich ha­be drei Män­ner ge­liebt. Der ers­te war der Lieb­ha­ber mei­ner Mut­ter. Der zwei­te war mein Mann. Der drit­te …

Ich wer­de dir al­les über die­se drei Män­ner und mich er­zäh­len. Ei­ni­ge Din­ge sind da­bei, die viel­leicht aus­rei­chen, um dich wie­der zu­rück ins Kran­ken­haus zu brin­gen.

Nein, un­ter­brich mich nicht.

Ich ha­be mei­nen Va­ter nie ge­kannt. Ein paar Mo­na­te vor mei­ner Ge­burt wur­de er ge­setz­lich für tot er­klärt. Sie sag­ten mir, er sei ei­nes Ta­ges auf die Jagd ge­gan­gen und nicht wie­der­ge­kehrt. Theo­re­tisch kann man et­was, das man nie ge­se­hen hat, auch nicht ver­mis­sen. Aber der­je­ni­ge, der die­se Theo­rie auf­stell­te, hat­te mich nicht ge­kannt. Mir fehl­te mein ver­miß­ter Va­ter, als ich ein win­zi­ges Ba­by, ein stor­chen­bei­ni­ges Mäd­chen mit ab­ste­hen­den Zöp­fen und ei­ne jun­ge Da­me in ei­ner hö­he­ren Töchter­schu­le in der Schweiz war.

Mut­ter mach­te es noch schlim­mer. In un­se­rem Haus wa­ren Män­ner nie Man­gel­wa­re, aber mit mir woll­ten sie nichts zu tun ha­ben. Und das war ihr Feh­ler. Mut­ter sah hin­rei­ßend aus und zog die Män­ner un­wi­der­steh­lich an.

Mit zehn konn­te ich ge­nau sa­gen, was sie dach­ten, wenn sie sie an­sa­hen. Als ich zwan­zig war, hat­ten sich ih­re Bli­cke im­mer noch nicht ge­än­dert.

Um die­se Zeit war es auch, daß sie sich einen fes­ten Lieb­ha­ber nahm und ich, von Haß und Ent­set­zen er­füllt, von ihr floh.

Ich fin­de nichts Be­son­de­res da­bei, wenn ei­ne Toch­ter ih­re Mut­ter haßt. Nur bei mir ge­sch­ah es et­was hef­ti­ger als üb­lich. Den gan­zen Haß, den ich auf­ge­spei­chert hat­te, seit ich in den Win­deln lag, ließ ich ah ihr aus.

Man er­zähl­te, daß ich mich als Säug­ling wei­ger­te, an ih­rer Brust zu trin­ken. Ein aus­ge­spro­che­nes Fla­schen­kind. Es war, als hät­te, ich da­durch der Welt er­klä­ren wol­len, daß ich nicht ge­wöhn­lich auf die Welt ge­kom­men war und daß die­se Frau, die sich mei­ne Mut­ter nann­te, es in Wirk­lich­keit gar nicht war.

Wie du se­hen wirst, hat­te ich da­mit nicht ein­mal so un­recht.

Ich hat­te schon im­mer das ver­rück­te Ge­fühl, daß al­les, was sie be­saß, von Rechts we­gen hät­te mir ge­hö­ren müs­sen und daß sie mir mei­nen An­teil vor­ent­hielt.

Na­tür­lich hat­ten wir den glei­chen Ge­schmack. Die­se Gleich­heit präg­te sich im­mer tiefer aus, je äl­ter ich wur­de. Was sie be­saß, be­trach­te­te ich als mir ge­hö­rig, und im all­ge­mei­nen ver­such­te ich auch, es ihr zu neh­men. Das traf be­son­ders auf Män­ner zu. Mut­ter nahm sie zwar nie ernst (bis auf den letz­ten), aber das Är­ger­li­che da­bei war doch, daß sie mich ein­fach über­sa­hen. Bis auf den letz­ten.

Mut­ters Be­reit­wil­lig­keit, mir je­den ih­rer Freun­de zu über­las­sen, schi­en zwangs­läu­fig mit sich zu brin­gen, daß sie kei­ner­lei Lust ver­spür­ten, mir über­las­sen zu wer­den (bis auf den letz­ten).

Du glaubst viel­leicht, das kam al­les da­her, daß ich kei­nen Va­ter hat­te und im Un­ter­be­wußt­sein ih­ren je­wei­li­gen Freund als Va­terer­satz an­sah. Wenn du willst, kannst du es so er­klä­ren. Auf al­le Fäl­le war es (bis auf die ei­ne Aus­nah­me) im­mer das glei­che. Je lie­ber sie ihn los­ge­wor­den wä­re, de­sto mehr sträub­te er sich da­ge­gen, et­was mit mir zu tun ha­ben zu wol­len.

Aber auf die Män­ner wur­de ich nie wü­tend. Nur im­mer auf sie. Manch­mal, wenn ich ei­ne be­son­ders schrof­fe Ab­fuhr er­lit­ten hat­te, sprach ich ta­ge­lang nicht mit ihr. So­gar ihr An­blick dreh­te mir den Ma­gen um.

Mit sieb­zehn schick­te sie mich auf den Rat ei­nes Psych­ia­ters in ein In­ter­nat in der Schweiz. Der Psych­ia­ter ver­trat die Mei­nung, daß ich den schlimms­ten Elek­tra-Kom­plex der gan­zen Me­di­zin­ge­schich­te hät­te, ob­wohl ich nicht die ge­rings­ten Grün­de da­zu hät­te. Er sag­te, er hof­fe nur, mein Va­ter sei wirk­lich tot, denn wenn er le­bend auf­tau­che … Hm, man sah ihm deut­lich an, was er bei die­ser Aus­sicht dach­te.

Der äu­ße­re Grund für mei­ne Rei­se in die Schweiz war, mir ei­ne an­stän­di­ge Er­zie­hung zu ge­ben. Ich war sieb­zehn und konn­te noch nicht ein­mal mul­ti­pli­zie­ren. Ich wuß­te nur ei­nes – mei­ne Mut­ter nann­te es ›Schlag­zei­len-Ge­schich­te‹. Sie hat­te mich aus der Pu­blic School her­aus­ge­holt, als ich erst in die zwei­te Klas­se ging, und be­stell­te ei­ne gan­ze Her­de von Pri­vat­leh­rern, die mich in Zeit­ge­schich­te un­ter­rich­ten soll­ten. Wenn man be­dach­te, daß sie ih­ren Le­bens­un­ter­halt da­mit ver­dien­te, Zeit­ge­scheh­nis­se vor­aus­zu­sa­gen, be­vor sie ak­tu­ell wur­den, kann man ih­re Er­zie­hungs­me­tho­den viel­leicht ent­schul­di­gen. Aber es war die Art der Durch­füh­rung, die mir das Fach so gründ­lich ver­lei­de­te. Da­mals je­den­falls. Mut­ter ließ sich auf kei­ne der mo­der­nen Me­tho­den des Ge­schichts­stu­di­ums ein. Für Mut­ter gab es kei­ne Ana­ly­se der Ten­den­zen und kei­ne Zu­sam­men­schau in­ter­na­tio­na­ler Er­eig­nis­se. Mei­ne zu ent­schul­di­gen­den Leh­rer wur­den da­für be­zahlt, daß sie mich je­de Schlag­zei­le der New York Ti­mes bis zu dem Zeit­punkt aus­wen­dig ler­nen lie­ßen, zu dem Coun­ter­point den Pre­ak­ness ge­won­nen hat­te – und das war we­ni­ge Mo­na­te vor mei­ner Ge­burt ge­sche­hen. Für dies und nichts an­de­res. Man schal­te­te so­gar ein paar Ex­per­ten für Ge­dächt­nis­übun­gen ein, die mir mei­ne täg­li­che Ra­ti­on ver­dau­en hal­fen.

So war es mir egal, ob es der ei­gent­li­che Grund war, mich zum Stu­di­um in die Schweiz zu schi­cken oder nicht. Ich war heil­froh, dem Aus­wen­dig­ler­nen von Schlag­zei­len ent­kom­men zu sein.

Aber ich grei­fe den Er­eig­nis­sen vor.

Ei­ne mei­ner frü­he­s­ten Kind­heits­er­in­ne­run­gen war ei­ne große Par­ty, die mei­ne Mut­ter in Sky­ridge, un­se­rem Land­haus, gab. Ich war sechs Jah­re alt. Es war die Nacht nach Roo­se­velts Wie­der­wahl. Von all den be­frag­ten Hell­se­hern und Ex­per­ten hat­te nur Mut­ter rich­tig ge­ra­ten. Sie und das Dut­zend Fir­men, die ih­re Vor­her­sa­gen ver­öf­fent­lich­ten. Ich soll­te oben schla­fen, aber das Ge­läch­ter und Sin­gen weck­te mich, und so ging ich nach un­ten und fei­er­te mit. Nie­mand küm­mer­te sich dar­um. Je­des­mal, wenn ein Mann Mut­ter um­arm­te und küß­te, pack­te ich ihn am Arm und schrie: »Er ge­hört mir

Mei­ne Me­tho­den än­der­ten sich im Lau­fe der Jah­re. Mei­ne Ein­stel­lung blieb.

Glaubst du, daß es ihr auch nur das ge­rings­te aus­mach­te?

Pah!

Je mehr ich ihr weg­zu­neh­men ver­such­te, de­sto mehr schi­en sie sich dar­über zu amü­sie­ren. Sie konn­te schal­lend über mei­ne Be­mü­hun­gen la­chen. Wie kann man so et­was be­kämp­fen? Ich wur­de nur um so wü­ten­der.

Du denkst viel­leicht, ich hat­te nicht das ge­rings­te Recht, so et­was zu tun. Aber das stimmt nicht.

Ich recht­fer­tig­te mein Tun mit ei­nem Ge­dan­ken: Sie lieb­te mich nicht.

Ich war ihr Fleisch und Blut, aber sie lieb­te mich nicht. Viel­leicht moch­te sie mich ganz gern, auf ih­re lau­war­me Art, aber in ih­rem In­nern war kei­ne ech­te Lie­be für mich. Und ich wuß­te es und haß­te sie und ver­such­te, al­les, was ihr ge­hör­te, weg­zu­neh­men.

Wir müs­sen ein ko­mi­sches Paar ab­ge­ge­ben ha­ben. Sie re­de­te mich nie mit mei­nem Na­men oder auch nur mit dem Per­so­nal­pro­no­men an. Nie­mals sag­te sie Din­ge wie: »Lieb­ling, könn­test du mir den Toast rei­chen?« Statt des­sen be­kam ich ein: »Kann ich den Toast ha­ben?« zu hö­ren.

Es war, als be­trach­te sie mich als ein Glied von sich selbst, einen Arm viel­leicht, der kein un­ab­hän­gi­ges Le­ben füh­ren konn­te. Es war krän­kend.

An­de­re Mäd­chen hat­ten vor ih­ren Müt­tern Ge­heim­nis­se. Ich konn­te vor mei­ner Mut­ter nichts Wich­ti­ges ver­ber­gen. Je mehr ich et­was ver­ber­gen woll­te, de­sto si­che­rer wuß­te sie es. Das war ein wei­te­rer Grund, wes­halb ich es nicht schlimm fand, in die Schweiz ge­schickt zu wer­den.

Ich war si­cher, daß sie nicht in mei­nem In­nern le­sen konn­te. Um Te­le­pa­thie han­del­te es sich be­stimmt nicht. Sie kann­te nicht die Te­le­fon­num­mern, die ich aus­wen­dig ge­lernt hat­te, und wuß­te auch nicht die Na­men der fünf­und­zwan­zig Fuß­ball­spie­ler der Coun­ty-Li­ga. All­täg­li­che Din­ge wie die­se dran­gen im all­ge­mei­nen nicht zu ihr durch.

Und mit Te­le­pa­thie könn­te man auch nicht er­klä­ren, was sich in je­ner Nacht ab­spiel­te, als sich mein Wa­gen an der Haar­na­del­kur­ve von Syl­va­nia über­schlug. Es wa­ren ih­re Hän­de, die mich aus dem zer­split­ter­ten Fens­ter zo­gen. Sie hat­te am Stra­ßen­rand ge­war­tet. Kein Am­bu­lan­zwa­gen – ein­fach mei­ne Mut­ter. Sie hat­te ge­wußt, wo und wann es ge­sche­hen und daß mir nichts pas­sie­ren wür­de.

Nach die­ser Nacht konn­te ich mir den­ken, daß die Fir­ma mei­ner Mut­ter, To­mor­row AG, auf mehr auf­ge­baut war als dem Stu­di­um der wirt­schaft­li­chen, wis­sen­schaft­li­chen und po­li­ti­schen Ten­den­zen.

Aber wor­auf?

Ich ha­be sie nie ge­fragt. Ich glaub­te nicht, daß sie es mir sa­gen wür­de, und ich woll­te ihr nicht die Be­frie­di­gung ge­ben, mir et­was ab­zu­schla­gen. Aber viel­leicht war das nicht der ein­zi­ge Grund. Ich hat­te auch Angst, sie zu fra­gen. Spä­ter war es bei­na­he so, als wä­ren wir zu der still­schwei­gen­den Über­ein­kunft ge­kom­men, ich soll­te nicht fra­gen, da ich zur rech­ten Zeit oh­ne­hin al­les er­fah­ren wür­de.

Die To­mor­row AG mach­te ei­ne gan­ze Men­ge Geld. Mut­ters Fä­hig­keit, be­deu­ten­de öf­fent­li­che Ent­wick­lun­gen rich­tig vor­her­zu­sa­gen, war un­über­trof­fen. Denn sie riet nie falsch. Na­tür­lich ver­dien­ten ih­re Kun­den noch mehr Geld als sie, denn sie konn­ten mehr in­ves­tie­ren. Auf ih­ren Rat hin nah­men sie sich des stark ge­sun­ke­nen Mark­tes an, zwei Wo­chen be­vor man auf der Kon­fe­renz von Den Haag zu dem be­rühm­ten Über­ein­kom­men von 1970 ge­lang­te. Mut­ter war es auch, die den Er­folg von Bar­tel­lis Neu­tron-Ver­su­chen mit Ce­ri­um vor­her­sag­te – früh ge­nug, daß die Ca­me­ron-Ge­sell­schaft al­le Mo­na­zit-Sand-Vor­kom­men auf­kau­fen konn­te.

Eben­so­gut er­riet sie Der­by-Sie­ger, Ge­richts­ent­schei­dun­gen, Wahl­er­geb­nis­se und Ähn­li­ches. Sie sag­te ge­nau vor­her, wel­che Ra­ke­te zum Mond Er­folg ha­ben wür­de.

Sie war in­tel­li­gent, aber kaum ein Ge­nie. Ih­re Kennt­nis­se des Wirt­schafts­le­bens wa­ren er­staun­lich be­schränkt. Sie stu­dier­te nie Volks­wirt­schaft oder küm­mer­te sich um Markt­kur­ven. Die To­mor­row AG be­saß in ih­rem New Yor­ker Bü­ro nicht ein­mal einen Bör­sen­te­le­gra­fen. Und trotz­dem war Mut­ter um 1975 her­um die höchst­be­zahl­te Frau der Ver­ei­nig­ten Staa­ten.

1976, wäh­rend der Weih­nachts­fe­ri­en, die ich mit Mut­ter auf Sky­ridge ver­brach­te, lehn­te Mut­ter einen Drei­jah­res­ver­trag mit Lloyd in Lon­don ab. Ich wuß­te es, weil ich die Pa­pie­re, die sie zer­ris­sen hat­te, wie­der aus dem Pa­pier­korb hol­te. Das vor­ge­schla­ge­ne Jah­res­ge­halt war acht­stel­lig. Ich wuß­te, daß sie viel Geld ver­dien­te – aber ich wuß­te auch, daß dies ein ein­ma­li­ges An­ge­bot war. Ich stell­te sie zur Re­de.

»Ich kann kei­nen Drei­jah­res­ver­trag an­neh­men«, er­klär­te sie. »Ich könn­te nicht ein­mal einen Ein­jah­res­ver­trag an­neh­men. Denn nächs­ten Mo­nat möch­te ich mich von den Ge­schäf­ten zu­rück­zie­hen.« Sie sah über mich hin­weg zum Wald hin­über. Sie konn­te mei­nen Ge­sichts­aus­druck nicht le­sen. Sie mur­mel­te: »Hast du ge­wußt, daß dein Mund jetzt ziem­lich lan­ge of­fen­stand?«

»Aber du kannst dich nicht zu­rück­zie­hen!« schrie ich ihr ent­ge­gen. Ich hät­te mir hin­ter­her die Zun­ge ab­bei­ßen kön­nen. Mein Pro­test war ein Ein­ge­ständ­nis, daß ich sie be­nei­de­te und daß ich mich in ih­rem Glanz sonn­te. Nun, sie hat­te es ver­mut­lich oh­ne­hin ge­wußt.

»Gut«, mein­te ich gleich­gül­tig, »du ziehst dich al­so zu­rück. Und wo­hin? Was wirst du an­fan­gen?«

»Oh, ich glau­be, ich wer­de hier auf Sky­ridge blei­ben.« Sie sag­te es ganz fröh­lich. »Ich wer­de al­les neu her­rich­ten, und das kann Mo­na­te dau­ern. Zum Bei­spiel die Gieß­bä­che un­ter dem Bal­kon. Sie stö­ren mich schon lan­ge. Viel­leicht len­ke ich den Bach in ein neu­es Bett. Das Ge­räusch des flie­ßen­den Was­sers ist mir nicht an­ge­nehm. Und dann das gan­ze Ge­strüpp da drau­ßen. Ich dach­te dar­an, al­les weg­zu­schaf­fen und einen klei­nen Lan­de­platz zu bau­en. Man weiß nie, ob man nicht ein­mal per Hub­schrau­ber be­sucht wird. Ach ja – und das Heu. Ich glau­be, wir soll­ten uns ir­gend­wo einen Heu­stock an­le­gen. Heu hat so einen an­ge­neh­men Ge­ruch – so an­re­gend, wie man sagt.«

»Mut­ter!«

Sie run­zel­te die Brau­en. »Aber wo könn­te ich das Heu nur hin­tun?«

Ich ver­stand nicht, warum sie so kind­li­che Me­tho­den wähl­te, um mich zu är­gern. »Warum nicht in die Schlucht?« frag­te ich bö­se. »Sie wird aus­trock­nen, wenn du den Bach um­lei­test. Du wärst be­rühmt als die ein­zi­ge Frau der Welt, de­ren Heu in ei­ner Schlucht ge­la­gert wird.«

Ihr Ge­sicht hell­te sich auf. »Das ist es! Du bist ein klu­ges Mäd­chen.«

»Und was ge­schieht, wenn es dort ist?«

»Oh, ver­mut­lich wird es dort blei­ben.«

»Ver­mut­lich?»schrie ich. End­lich hat­te ich sie er­wi­scht! »Weißt du es denn nicht?«

»Ich weiß nur die Din­ge, die wäh­rend der nächs­ten sechs Mo­na­te ge­sche­hen wer­den – bis zum drit­ten Ju­ni, Schlag Mit­ter­nacht. Über die Din­ge, die da­nach ge­sche­hen, kann ich kei­ner­lei Vor­aus­sa­gen tref­fen.«

»Das heißt, du willst es nicht?«

»Ich kann nicht. Mein Zu­rück­zie­hen ins Pri­vat­le­ben ge­schieht nicht will­kür­lich.«

Ich sah sie un­gläu­big an. »Ich ver­ste­he nicht. Du meinst – dei­ne Fä­hig­keit – sie wird dich ver­las­sen – so?« Ich schnipp­te mit den Fin­gern.

»Ge­nau.«

»Aber kannst du das nicht än­dern? Kann dein Psych­ia­ter nicht et­was da­ge­gen tun?«

»Nie­mand kann et­was für mich tun, selbst wenn ich es woll­te. Aber ich will gar nicht er­fah­ren, was nach dem drit­ten Ju­ni ge­schieht.«

Ich stu­dier­te be­un­ru­higt ih­re Ge­sichts­zü­ge.

In die­sem Au­gen­blick schlug die Uhr – als hät­te sie es so ge­plant. Es klang, als woll­te sie mich an un­se­re still­schwei­gen­de Über­ein­kunft er­in­nern, nicht nä­her über ih­re selt­sa­me Be­ga­bung nach­zu­for­schen.

Die Ant­wort wür­de ich in sechs Mo­na­ten er­hal­ten. Im Au­gen­blick ließ ich den Din­gen ih­ren Lauf.

Ein Epi­log zu un­se­rer Un­ter­hal­tung an je­nem Tag:

Ein paar Mo­na­te spä­ter, als ich schon wie­der in der Schu­le in Zü­rich war, schrieb mir ei­ne Freun­din, daß ers­tens der Bach in ein an­de­res Bett um­ge­lei­tet wor­den war, zwei­tens die lee­re Schlucht un­ter un­se­rem Bal­kon aus­ge­trock­net und drei Me­ter hoch mit Heu ge­füllt wor­den war, drit­tens das Heu mit ei­ner elek­tro­ni­schen Warn­an­la­ge ver­se­hen sei, die klin­gel­te, so­bald sich je­mand dem Heu­stock nä­her­te, vier­tens das Ge­strüpp ent­fernt wor­den war und an sei­ner Stel­le ein klei­nes Lan­de­feld stand, und daß fünf­tens auf dem Lan­de­feld ein klei­ner La­za­retthub­schrau­ber stün­de, kom­plett mit Pi­lot und Arzt.

»In man­chen Fäl­len«, schrieb mei­ne Freun­din, »kann Se­ni­li­tät schon ver­hält­nis­mä­ßig früh auf­tre­ten. Es wä­re viel­leicht bes­ser, wenn du heim­kommst.«

Mir ge­fiel es in der Schu­le. Ich woll­te nicht nach Hau­se. Und au­ßer­dem, wenn Mut­ter schon den Ver­stand ver­lor, konn­te ich es auch nicht än­dern. Ich hat­te kei­ne Lust, mei­ne Fe­ri­en­plä­ne für ei­ne Ita­li­en­rei­se auf­zu­ge­ben.

Einen Mo­nat spä­ter, es war An­fang Mai, schrieb mei­ne Freun­din wie­der.

Of­fen­bar war ei­nes Nachts der Alarm­me­cha­nis­mus im Heu­stock los­ge­gan­gen. Mut­ter und die Die­ner wa­ren hin­aus­ge­eilt und hat­ten einen ein­äu­gi­gen Mann mit blu­ten­dem Ge­sicht ge­fun­den, der müh­sam über das Kie­sufer der Schlucht klet­ter­te. In ei­ner Hand hielt er ei­ne al­te Pis­to­le. Den Be­rich­ten zu­fol­ge hat­te ihn Mut­ter in den Hub­schrau­ber ge­packt und in ein New Yor­ker Kran­ken­haus brin­gen las­sen, wo er im­mer noch war. Er soll­te am sechs­ten Mai ent­las­sen wer­den. Am nächs­ten Tag al­so, wenn es stimm­te.

Dann er­fuhr ich noch, daß Mut­ter zwei Schlaf­zim­mer auf Sky­ridge hat­te neu her­rich­ten las­sen. Ich kann­te die Räu­me. Sie la­gen ne­ben­ein­an­der.

Noch be­vor ich den Brief zu En­de ge­le­sen hat­te, wuß­te ich, daß mit Mut­ters Ver­stand al­les in Ord­nung war. Daß im­mer al­les in Ord­nung ge­we­sen war. Die­se He­xe hat­te al­les vor­her­ge­se­hen.

Aber was das Wich­tigs­te dar­an war und was al­len au­ßer Mut­ter und mir ent­ging, war die Tat­sa­che, daß sie sich nun end­gül­tig ver­liebt hat­te.

Das war ernst.

So ließ ich den Rest des Se­mes­ters und die Ita­li­en­rei­se fal­len und nahm den ers­ten Dü­sen­jä­ger nach Hau­se. Ich hat­te nie­man­dem ge­schrie­ben, daß ich kom­men wür­de.

So zahl­te ich das Ta­xi am Ein­gang zu un­se­rem Grund­stück und ging un­an­ge­mel­det durch das Wäld­chen auf die Schlucht und un­ser Haus zu.

Das ers­te, was ich sah, war der Heu­stock, der über den Rand der Schlucht hin­aus­rag­te. Er war be­setzt.

Die Son­ne schi­en, aber es war erst An­fang Mai und nicht son­der­lich warm. Trotz­dem trug Mut­ter einen die­ser Son­nen­an­zü­ge. Viel­leicht er­zeu­gen Heu­stö­cke ei­ne Men­ge Wär­me. Spon­ta­ne Ver­bren­nung.

Mut­ter sah nicht in mei­ne Rich­tung. Sie be­an­spruch­te sein ge­sun­des Au­ge mehr, als es für ihn ver­mut­lich gut war.

Ich hat­te kein Ge­räusch ge­macht, aber plötz­lich wuß­te ich, daß sie mich er­war­tet hat­te und daß sie mei­ne An­we­sen­heit nun spür­te.

Sie dreh­te sich um, setz­te sich auf und lä­chel­te mich an. »Hal­lo! Will­kom­men da­heim. Oh, daß ich es nicht ver­ges­se, das hier ist un­ser gu­ter Dok­tor – äh – Brown. John Brown. Nen­ne ihn ein­fach John­ny.«

Sie zog sich ein Stück Heu aus dem Haar und grins­te John­ny an.

Ich wie­der­um starr­te die bei­den an. Dok­tor Brown stütz­te sich auf einen Ell­bo­gen und er­wi­der­te mei­nen Blick, so freund­lich es die schwar­ze Bin­de über dem einen Au­ge zuließ.

»Hal­lo, Ho­ney«, sag­te er ernst.

Dann bra­chen er und mei­ne Mut­ter in Ge­läch­ter aus.

Es war das selt­sams­te La­chen, das ich je ge­hört ha­be. So, als gä­be es auf der gan­zen Welt über­haupt nichts, was die bei­den ernst neh­men wür­den.

In die­sem Som­mer sah ich John­ny oft. Die Din­ge ent­wi­ckel­ten sich rasch. Es wur­de in­ter­essant. Schon nach kur­z­er Zeit fing ich die­sen Blick von ihm auf, der be­sag­te: »Ich wür­de ja ger­ne – aber …« Und das war al­les. Trotz­dem hat­te ich das Ge­fühl, daß ich mit ihm wei­ter kom­men wür­de als je mit ei­nem von Mut­ters frü­he­ren Freun­den.

Schließ­lich je­doch är­ger­te ich mich über die­ses ›bis-hier­hin-und-nicht-wei­ter‹-Ge­tue. Es wur­de zu ei­ner Her­aus­for­de­rung. Dann …

Ver­mut­lich war es die Tat­sa­che, daß er im­mer da war und daß ich wuß­te, wie es um ihn und Mut­ter stand, die die Din­ge schließ­lich ih­ren Lauf neh­men lie­ßen. Bei den Ver­su­chen, ihn nä­her an mich zu brin­gen, ließ ich all­mäh­lich je­de Ver­nunft fal­len. Ich wur­de rich­tig­ge­hend scham­los. Ich be­gann sei­ne Auf­merk­sam­keit bei je­der Ge­le­gen­heit auf mich zu len­ken.

Wir un­ter­hiel­ten uns. Aber nicht über ihn. Wenn er wuß­te, was die­sen Un­fall ver­ur­sacht hat­te und wie er hier­her­ge­kom­men war, so sprach er je­den­falls nie dar­über. Zu­min­dest nicht mit mir.

Wir un­ter­hiel­ten uns über Ma­gne­tro­nen.

Sieh mich doch nicht so ver­wun­dert an.

Wie du war er Ex­per­te für Ma­gne­tro­nen. Ich glau­be, er wuß­te so­gar noch mehr über Ma­gne­tro­nen als du. Und du dach­test, du seist der ein­zi­ge Fach­mann auf die­sem Ge­biet, nicht wahr?

Ich tat so, als hör­te ich ihm zu, aber in Wirk­lich­keit ver­stand ich ge­ra­de noch die Grund­be­grif­fe – daß Ma­gne­tro­nen ei­ne Art Elek­tro­nen oder Gra­vi­tro­nen oder sonst et­was wa­ren. Aber ich ver­stand zu­min­dest, daß man durch ein ma­gne­tro­ni­sches Feld den Zeit­fluß ab­wan­deln und ziem­lich ei­gen­ar­ti­ge Er­geb­nis­se er­zie­len konn­te, wenn man einen Ge­gen­stand die­sem Feld aus­setz­te.

Wir spra­chen ei­ne Men­ge über Ma­gne­tro­nen.

Ich plan­te un­se­re Zu­sam­men­tref­fen oft Ta­ge vor­aus. Ziem­lich früh be­gann ich da­mit, mir Mut­ters Son­nen­an­zü­ge aus­zu­bor­gen. Spä­ter, wenn er theo­re­tisch nicht da sein konn­te, son­nen­ba­de­te ich auch oh­ne. Au­ßer ei­nem Son­nen­brand brach­te mir die Sa­che nichts ein.

Spä­ter stahl ich mich mit ei­nem Schlaf­sack nachts ins Freie und schlief un­ter den Fich­ten. Ich konn­te es nicht er­tra­gen, zu wis­sen, wo er sich im Au­gen­blick ver­mut­lich auf­hielt.

Nicht daß ich auf­ge­ge­ben hät­te.

Er bau­te einen Ma­gne­tro­nen-Er­zeu­ger. Den ers­ten auf der gan­zen Welt. Ich hat­te ihm den gan­zen Tag ge­hol­fen, einen Teil sei­ner Aus­rüs­tung an­zu­schlie­ßen.

Er hat­te das Bal­kon­ge­län­der nie­der­ge­ris­sen und bau­te sei­ne Ma­schi­ne drau­ßen auf dem Bal­kon, di­rekt über der Schlucht. Er konn­te sie ein­stel­len, sag­te er. Ich mei­ne da­mit, daß die­ses Feld ei­ne Art Lin­sen­ef­fekt her­vor­rief, und er konn­te an­geb­lich das Feld ge­nau ein­stel­len.

Das Ko­mi­sche dar­an war, daß der Brenn­punkt jen­seits des Bal­kons lag, als er ihn end­lich ein­ge­stellt hat­te. Di­rekt über der Schlucht. Er woll­te nicht, daß je­mand durch Zu­fall in den Brenn­punkt stol­per­te.

Und durch die Lin­se konn­te man Ge­räusche hö­ren.

Die Schlucht war seit Mo­na­ten aus­ge­trock­net – seit dem Tag, an dem Mut­ter den Bach um­ge­lei­tet hat­te. Doch jetzt hör­te man durch die­se Lin­se das end­lo­se Rau­schen von Was­ser.

Im gan­zen Haus konn­te man es hö­ren.

Der Lärm mach­te mich ner­vös. Er schi­en so­gar die bei­den nie­der­zu­drücken.

Das Ge­räusch mach­te mich ver­rückt. Ich schlepp­te mei­nen Schlaf­sack noch tiefer in das Wäld­chen. Trotz­dem hör­te ich das Was­ser.

Ei­nes Nachts, ei­ne Vier­tel­mei­le vom Haus ent­fernt, krab­bel­te ich aus dem Schlaf­sack und ging zu­rück ins Haus. Ich woll­te ihn auf­we­cken und ihn bit­ten, das Ding ab­zu­stel­len.

Das zu­min­dest war mei­ne Aus­re­de. Und es stimm­te wirk­lich, daß ich nicht ein­schla­fen konn­te.

Ich hat­te mir al­les so schön aus­ge­rech­net. Wie ru­hig ich sei­ne Tür öff­nen, wie ich auf Ze­hen­spit­zen zu ihm schlei­chen wür­de. Wie ich mich über ihn beu­gen, mei­ne Hand weich auf sei­ne Brust le­gen und ihn sanft we­cken wür­de.

Al­les war vor­her­be­rech­net – bis auf ei­nes.

Ich stand da, beug­te mich über sein Bett und ver­such­te im Dun­keln die Um­ris­se sei­ner Ge­stalt aus­zu­ma­chen.

Ich streck­te die Hand aus.

Es war nicht die Brust ei­nes Man­nes, die ich be­rühr­te.

»Was willst du?« flüs­ter­te Mut­ter.

In der kur­z­en Span­ne, in der ich mich von mei­nem Schre­cken er­hol­te, hat­te mein In­ne­res ent­schie­den, daß sie ihn auch nicht ha­ben soll­te, wenn ich ihn nicht ha­ben konn­te. Al­les hat sei­ne Gren­zen. Der Au­gen­blick der Ab­rech­nung war ge­kom­men.

Er hat­te im­mer sei­ne al­te Pis­to­le auf dem Tisch lie­gen, die, die er mit­ge­bracht hat­te. Ge­räusch­los griff ich nach ihr. Ich fand sie. Ich wuß­te, es war so dun­kel, daß Mut­ter nicht se­hen konn­te, wo­mit ich in die­sem Au­gen­blick auf sie ziel­te.

Ich war mir völ­lig im kla­ren dar­über, was ich vor­hat­te und wel­che Fol­gen mei­ne Tat her­vor­ru­fen wür­de. In Dok­tor Browns Schlaf­zim­mer auf Sky­ridge wur­de fünf Mi­nu­ten vor Mit­ter­nacht am drit­ten Ju­ni 1977 ein Mord vor­be­rei­tet.

»Wenn das Ding los­geht«, flüs­ter­te Mut­ter, »wacht Va­ter ver­mut­lich auf.«

»Va­ter …?« keuch­te ich. Der Pis­to­len­griff lan­de­te auf mei­ner Ze­he. Ich merk­te kaum, daß ich die Waf­fe fal­len ließ.

Ich hat­te ge­nau ge­hört, was sie ge­sagt hat­te. Aber plötz­lich merk­te ich, daß es kei­nen Sinn er­gab. Sie hät­ten es mir schon lan­ge ge­sagt, wenn es ge­stimmt hät­te. Und er hät­te mich nicht – so an­ge­se­hen, Tag für Tag. Sie log.

Sie fuhr ru­hig fort: »Willst du ihn wirk­lich ha­ben?«

Wenn ei­ne Frau ei­ner an­de­ren die­se Fra­ge stellt, dann will sie im all­ge­mei­nen ihr Be­sitz­recht be­to­nen und nichts an­de­res. Die Tons­ka­la reicht von ei­nem fei­nen Spott bis zu of­fe­nem Tri­umph.

Aber Mut­ters Stim­me war völ­lig ru­hig und gleich­gül­tig.

»Ja!« sag­te ich rauh.

»So sehr, daß du auch ein Kind von ihm ha­ben möch­test?«

Jetzt konn­te ich nicht mehr zu­rück. »Ja.«

»Kannst du schwim­men?«

»Ja«, er­wi­der­te ich me­cha­nisch.

Nichts war in die­sem Au­gen­blick lo­gisch und zu­sam­men­hän­gend. Da wa­ren wir, zwei He­xen, die um Le­ben und Tod strit­ten, wäh­rend un­ser Streit­ob­jekt fried­lich ne­ben uns schlief.

Sie flüs­ter­te: »Weißt du, von wann er kommt?«

»Du meinst wo­her

»Nein. Er kommt aus dem Jah­re 1957. In die­sem Jahr fiel er in ein ma­gne­tro­ni­sches Feld. In mei­nen Heu­stock vom Jahr 1977. Die Lin­se da drau­ßen ist ein­ge­stellt …«

»… auf 1957?« frag­te ich dumpf.

»Auf das frü­he 1957«, er­gänz­te sie. »Sie ist auf einen Tag ein­ge­stellt, der ei­ni­ge Mo­na­te vor dem Un­fall liegt. Wenn du ihn wirk­lich ha­ben möch­test, brauchst du nur durch den Brenn­punkt zu ge­hen, ihn im Jah­re 1957 fest­zu­hal­ten und ihn nicht mehr los­zu­las­sen. Aber gib acht, daß er nicht in das ma­gne­tro­ni­sche Feld fällt.«

Ich fuhr mit der Zun­ge über mei­ne sprö­den Lip­pen. »Und wenn es doch ge­schieht?«

»Dann war­te ich hier auf ihn.«

Mir schwirr­te der Kopf. »Aber, wenn ich in das Jahr 1957 zu­rück­keh­re, wie kann ich si­cher sein, daß ich ihn recht­zei­tig fin­de? An­ge­nom­men, er ist auf ei­ner Sa­fa­ri in Süd­afri­ka?«

»Du wirst ihn fin­den. Hier. Er hat den Früh­ling und den Som­mer des Jah­res 1957 auf Sky­ridge ver­bracht. Das Haus war schon im­mer in sei­nem Be­sitz.«

Ich konn­te ih­re Au­gen nicht se­hen, aber ich wuß­te, daß sie vor Spott fun­kel­ten.

»Die Sa­che mit dem Kind«, sag­te ich kurz. »Was hat das mit ihm zu tun?«

»Dei­ne ein­zi­ge Chan­ce, ihn für im­mer fest­zu­hal­ten, ist das Kind«, sag­te sie kühl.

»Das Kind?«

Das Gan­ze er­gab kei­nen Sinn. Ich gab es auf, nach­zu­den­ken.

Ei­ne lan­ge Mi­nu­te herrsch­te Schwei­gen zwi­schen uns, nur un­ter­bro­chen von dem lei­sen At­men John­nys und dem Mur­meln des Was­sers, das aus der Ver­gan­gen­heit kam.

Ich blin­zel­te.

Ich muß­te John­ny ha­ben. Ich wür­de zu­rück ins Jahr 1957 ge­hen. Plötz­lich fühl­te ich mich er­leich­tert und froh.

Die Gang­uhr be­gann Mit­ter­nacht zu schla­gen.

In ein paar Se­kun­den war der drit­te Ju­ni 1977 Ge­schich­te. Mut­ter wür­de weg sein, Ver­gan­gen­heit, nicht ein­mal fä­hig, das Wet­ter vor­her­zu­sa­gen.

Ich zog mei­ne Haus­schu­he und mei­nen Schlaf­an­zug aus. Ich schätz­te die Ent­fer­nung zum Bal­kon ab.

Mei­ne Stim­me ge­horch­te mir nicht mehr. »Mut­ter!« schrie ich. »Gib uns ei­ne letz­te Vor­her­sa­ge!«

Ich stieß mich ab und sprang – in ei­ne an­de­re Zeit. Mut­ters Ant­wort er­reich­te mich durch die Lin­se. Ich hör­te sie im Jah­re 1957 –

»Du hast ihn nicht ge­hal­ten.«

 

Sein rich­ti­ger Na­me war Ja­mes Mc­Car­ren. Es stimm­te tat­säch­lich, daß er Dok­tor war. Phy­sik­pro­fes­sor. Al­ter – et­wa vier­zig. Hat­te ich er­war­tet, er wür­de jün­ger sein? Er schi­en äl­ter als ›John­ny‹. Und er hat­te zwei ge­sun­de Au­gen. Kei­ne schwar­ze Bin­de.

Es stimm­te – ihm ge­hör­te Sky­ridge. Er ver­brach­te die Som­mer­mo­na­te dort. Ging auf die Jagd und zum An­geln, um sich von den Se­mes­tern zu er­ho­len.

Und jetzt, mein Freund, wenn du dich ein we­nig ent­spannst, er­zäh­le ich dir, was sich in der Nacht zum fünf­ten Au­gust 1957 zu­trug.

Ich beug­te mich über den Bal­kon und starr­te hin­un­ter in den röt­lich er­leuch­te­ten Tu­mult der Was­ser­stru­del, als ich fühl­te, daß Jim hin­ter mir stand. Ich spür­te, wie sei­ne Bli­cke über mei­nen Kör­per tas­te­ten.

Noch vor ei­nem Au­gen­blick hat­te ich tief ein­ge­at­met und ver­such­te nun, lang­sam die Luft aus mei­nen an­ge­spann­ten Lun­gen zu las­sen. Gleich­zei­tig schob ich Jims Pis­to­le ein we­nig hö­her in mei­ne Ach­sel­höh­le. Der kal­te Stahl ließ mich zu­sam­men­zu­cken.

Es war zu scheuß­lich. Seit zwei Mo­na­ten lieb­te ich ihn auf ei­ne fas­zi­nie­ren­de Wei­se, wenn auch lan­ge nicht so fas­zi­nie­rend, wie ich John­ny ge­liebt hat­te (Ein paar Wo­chen mit Mut­ter kön­nen einen Mann wirk­lich ver­wan­deln!). 1957 war John­ny – oder Jim – sehr zart­füh­lend und für­sor­gend. Auf ei­ne son­der­ba­re Art keusch. Fast vä­ter­lich. Es war zu scheuß­lich, daß ich ihn als Jim zu lie­ben be­gann.

Und da war Mut­ters letz­te Vor­her­sa­ge. Ich hat­te lan­ge dar­über nach­ge­dacht. So­weit ich se­hen konn­te, gab es nur ei­ne Mög­lich­keit, daß er nicht zu ihr ›durch­brann­te‹.

»Komm doch auch her­aus«, sag­te ich und hielt ihm mein Ge­sicht ent­ge­gen, da­mit er mich küs­sen konn­te.

Als er mich frei­gab, sag­te ich: »Weißt du auch, daß es jetzt ge­nau zwei Mo­na­te her ist, seit du mich da un­ten her­aus­ge­fischt hast?«

»Die glück­lichs­ten zwei Mo­na­te mei­nes Le­bens«, sag­te er.

»Und du hast mich im­mer noch nicht ge­fragt, wie ich hier­her­kam oder wer ich bin – über­haupt nichts. Du gibst dich doch hof­fent­lich nicht der Il­lu­si­on hin, daß ich die­sem Frie­dens­rich­ter mei­nen rich­ti­gen Na­men sag­te?«

Er grins­te. »Wenn ich zu neu­gie­rig wür­de, müß­te ich be­fürch­ten, daß du ei­nes Ta­ges wie­der in den Stru­deln ver­schwin­dest – wie ei­ne Was­sernym­phe.«

Es war wirk­lich trau­rig. Ich zuck­te ver­bit­tert mit den Schul­tern. »Ach, du und dei­ne Ma­gne­tro­nen.«

Er sah be­un­ru­higt auf. »Was? Wann hast du je et­was von Ma­gne­tro­nen ge­hört? Ich ha­be noch nie mit je­man­dem ein Ster­bens­wört­chen dar­über ge­spro­chen.«

Sein Mund öff­ne­te und schloß sich lang­sam. »Du weißt nicht, was du sagst.«

»Es wür­de mich freu­en, wenn es so wä­re. Dann könn­te al­les gut wer­den. Denn erst wenn man lo­gisch dar­über nach­denkt, merkt man, wie un­mög­lich das Gan­ze ist. Es muß auf­hö­ren – und jetzt ist noch Zeit, es auf­zu­hal­ten.«

»Was auf­hal­ten?« frag­te er.

»Die Art und Wei­se, wie wir bei­de in der Zeit um­her­sprin­gen. Be­son­ders du. Wenn ich dich nicht auf­hal­te, gehst du durch die Lin­se, und Mut­ter be­kommt dich wie­der. Es war ih­re letz­te Vor­her­sa­ge.«

»Lin­se?« stöhn­te er.

»Die Ma­schi­ne. Du weißt schon, die für die Ma­gne­tro­nen.«

»Wie?«

»Sie exis­tiert na­tür­lich noch nicht«, sag­te ich halb zu mir selbst. »Zu­min­dest nicht in Wirk­lich­keit. Der Plan da­zu ist schon in dei­nem Kopf. Du wirst den Ge­ne­ra­tor erst im Jah­re 1977 bau­en.«

»Ich kann die Tei­le jetzt nicht be­kom­men.« Sei­ne Stim­me war dumpf.

»Aber 1977 wer­den sie er­hält­lich sein.«

»1977?«

»Nach­dem du die Ma­schi­ne im Jah­re 1977 ge­baut hast, wirst du sie auf das Jahr 1957 ein­stel­len, so daß du jetzt ins Jahr 1977 sprin­gen könn­test. Aber ich las­se es nicht zu. Als Mut­ter ih­re letz­te Vor­her­sa­ge traf, wuß­te sie nicht, zu wel­chen Mit­teln ich grei­fen wür­de, um dich auf­zu­hal­ten.«

Er wisch­te si­di mit der Hand über das Ge­sicht. »Aber – aber – selbst wenn ich an­neh­me, daß du aus dem Jah­re 1977 kommst und daß ich im Jah­re 1977 einen Ma­gne­tro­nen-Er­zeu­ger baue, so kann ich doch nicht ein­fach in die­ses Jahr sprin­gen und ihn kon­stru­ie­ren. Ich kann nicht zwan­zig Jah­re in die Zu­kunft ge­hen – durch ein ma­gne­tro­ni­sches Feld, das erst ge­schaf­fen und aus­ge­strahlt wird, wenn ich im Jah­re 1977 an­ge­kom­men bin. Es wä­re das glei­che, wenn du be­haup­ten wür­dest, die Pil­ger­vä­ter hät­ten ih­re Mayflower erst in Ply­mouth ge­baut. Und au­ßer­dem bin ich ein Ehe­mann, der bald Va­ter wird. Ich ha­be nicht die lei­ses­te Ab­sicht, mich vor mei­nen Pflich­ten zu drücken.«

»Und doch wirst du zu ihr zu­rück­lau­fen, wenn al­les nor­mal wei­ter­geht«, er­klär­te ich. »Heu­te abend bist du noch mein recht­mä­ßi­ger Mann und der Va­ter un­se­res Kin­des. Dann – bing! Plötz­lich be­fin­dest du dich im Jah­re 1977 – ein Mann, der sei­ne Frau ver­las­sen hat, ein Schür­zen­jä­ger, der Lieb­ha­ber mei­ner Mut­ter. Ich wer­de es nicht zu­las­sen. Nach all­dem, was ich durch­ge­macht ha­be, wer­de ich es nicht er­lau­ben, daß sie dich mir weg­nimmt. Ich ko­che, wenn ich an sie den­ke, wie sie lä­chelt – im Jah­re 1977. Sie hat mich auf ei­ne klu­ge Art ab­ge­scho­ben, da­mit sie dich ganz für sich hat. Und ich – in die­sem Zu­stand!« Mei­ne Stim­me brach in ei­nem kunst­vol­len Tre­mo­lo.

»Ich könn­te auch auf nor­ma­le Wei­se al­tern«, sag­te er. »Ich könn­te ein­fach bis 1977 war­ten und dann den Ge­ne­ra­tor bau­en.«

»Du hast es nicht ge­tan – ich mei­ne, du wirst es nicht tun. Als ich dich das letz­te­mal im Jah­re 1977 sah, wirk­test du noch jün­ger als jetzt. Viel­leicht durch die schwar­ze Bin­de.«

Er zuck­te mit den Schul­tern. »Wenn dei­ne Ge­gen­wart hier ei­ne di­rek­te Fol­ge mei­ner Ge­gen­wart dort ist, dann kann kei­ner von uns et­was ge­gen die­ses Wech­sel­spiel un­ter­neh­men. Ich will nicht durch das Feld ge­hen. Und was mich da­zu zwin­gen könn­te, weiß ich jetzt auch noch nicht. Aber fah­ren wir mit der Ver­mu­tung fort, daß ich ge­he und du hilf­los zu­rück­bleibst. Wir müs­sen Plä­ne ma­chen. Du wirst Geld brau­chen. Wahr­schein­lich mußt du so­gar Sky­ridge ver­kau­fen. Und dir ei­ne Stel­le su­chen, wenn das Ba­by da ist. Wie steht es mit dei­nen Ste­no­kennt­nis­sen?«

»Im Jah­re 1977 be­nutzt man statt Kurz­schrift Vo­deo­gra­phen«, mur­mel­te ich. »Aber mach dir kei­ne Sor­gen, du klei­ner Zei­ten­bumm­ler. Selbst wenn es dir ge­län­ge, zu Mut­ter durch­zu­bren­nen, kom­me ich mit dem Ba­by schon zu­recht. Als Be­ginn wer­de ich den Rest dei­nes Bank­kon­tos auf Coun­ter­point set­zen, der nächs­ten Sonn­tag den Pre­ak­ness ge­winnt. Da­nach …«

Aber er hat­te schon wie­der et­was an­de­res im Kopf. »Als du mich im Jah­re 1977 kann­test, wa­ren wir – äh – sehr eng mit­ein­an­der be­kannt?«

Ich fauch­te. »Kommt dar­auf an, was du un­ter ›wir‹ ver­stehst.«

»Was? Du meinst – ich und dei­ne Mut­ter – al­so wirk­lich?« Er hüs­tel­te und fuhr sich mit dem Fin­ger zwi­schen Hemd­kra­gen und Hals. »Es muß ei­ne ein­fa­che Er­klä­rung da­für ge­ben.«

Ich sah ihn nur spöt­tisch an.

Er grins­te. »Dei­ne Mut­ter ist im Jah­re 1977 – ei­ne gut­aus­se­hen­de Frau, wenn mich nicht al­les täuscht?«

»Ei­ne runz­li­ge, an­ge­mal­te al­te Schach­tel«, sag­te ich kühl. »Vier­zig, wür­de ich sa­gen.«

»Hmmm. Wie du weißt, bin ich auch vier­zig. Wenn man die Mei­nung der stür­mi­schen Ju­gend au­ßer acht läßt, ist das die bes­te Zeit des Le­bens. Du wirst in zwan­zig Jah­ren ähn­lich den­ken.«

»Ver­mut­lich«, sag­te ich. »Et­wa um die Zeit wird man mich aus dem Zucht­haus ent­las­sen.«

Plötz­lich schnipp­te er mit den Fin­gern. »Ich ha­be es! Phan­tas­tisch!« Er dreh­te sich um und sah über den Bal­kon hin­weg wie Cor­tez über den Berg­gip­fel. »Phan­tas­tisch, aber es muß so sein. Voll­kom­men lo­gisch. Ich. Dei­ne Mut­ter. Du. Das Kind. Die Ma­gne­tro­nen. Der ewi­ge Kreis­lauf.«

»Du drückst dich sehr klar aus«, sag­te ich vor­wurfs­voll. »Du könn­test we­nigs­tens bis zum En­de nor­mal blei­ben.«

Er wir­bel­te her­um und sah mich an. »Weißt du, wo sie heu­te abend ist?«

»Nein, und ich ha­be zwei Drit­tel un­se­res ge­mein­sa­men Bank­kon­tos da­für ver­braucht, ih­ren Auf­ent­halt her­aus­zu­brin­gen. Es ist, als hät­te es sie nie ge­ge­ben.«

Sei­ne Au­gen wur­den im­mer grö­ßer. »Kein Wun­der, daß du sie nicht ge­fun­den hast. Du konn­test es ja nicht wis­sen.«

»Was konn­te ich nicht wis­sen?«

»Wer dei­ne Mut­ter ist.«

Ich woll­te ihn an­schrei­en. Aber ich sag­te nur: »Oh!«

Er war schon wie­der bei ei­nem an­de­ren Ge­dan­ken. »Aber das ist nicht völ­lig oh­ne Prä­ze­denz­fall. Wenn sich ei­ne Zel­le spal­tet, kann man nicht sa­gen, wel­cher Teil die Mut­ter und wel­cher die Toch­ter wird. Die Fra­ge da­nach wä­re Un­sinn. Und so ist es auch mit dir. Die Zel­le teilt sich im Raum. Du teilst dich in der Zeit. Es wä­re Un­sinn zu fra­gen, wer von euch bei­den die Mut­ter und die Toch­ter ist.«

Ich stand ein­fach da und starr­te ihn wort­los an.

Er über­leg­te wei­ter. »Aber selbst bei die­ser Er­klä­rung weiß ich nicht, wes­halb ich durch das Feld ge­hen soll­te. Die­ser Schritt ist ein­fach nicht lo­gisch. Wes­halb soll­te ich frei­wil­lig zwan­zig Jah­re Le­ben zu­sam­men mit dir auf­ge­ben und über­sprin­gen? Wer wird sich um dich küm­mern? Wie könn­test du dir dei­nen Le­bens­un­ter­halt ver­die­nen? Aber du mußt es ge­schafft ha­ben. Denn du muß­test Sky­ridge nicht ver­kau­fen. Du bist hier­geblie­ben. Du hast sie er­zo­gen. Aber na­tür­lich!« Er hieb sich mit der Faust ge­gen die Stirn.

»Daß ich dar­auf nicht ge­kom­men bin«, mein­te er strah­lend. »Coun­ter­point ge­winnt Pre­ak­ness. Du wirst Vor­her­sa­gen tref­fen, die dann ein­tre­ten. Im Sport. Bei den Prä­si­den­ten­wah­len. Bei Ge­richts­ent­schei­dun­gen. Al­les weißt du vor­her. Du mußt dich er­in­nern! Übe dein Ge­dächt­nis. Da­mit kannst du viel Geld ma­chen.«

Mein Mund stand weit of­fen.

»Wird es nicht so ge­sche­hen?« frag­te er.

»Ich ken­ne be­reits al­le Schlag­zei­len«, stam­mel­te ich. »Nur daß Mut­ter die­ses Ge­schäft auf­mach­te – sie hat sich da­mit über Was­ser ge­hal­ten.«

»Mut­ter – Mut­ter – Mut­ter«, ahm­te er mich nach. »Bei der großen Zeit, Kind! Kannst du denn die Lo­gik nicht er­ken­nen? Wei­gerst du dich ein­zu­se­hen, daß du und dei­ne Mut­ter und dei­ne un­ge­bo­re­ne Toch­ter ident…«

»Nein!« schrie ich.

Ich riß die Pis­to­le her­aus.

Ich hob sie lang­sam, als hät­te ich die gan­ze Zeit der gan­zen Ge­schich­te zur Ver­fü­gung, und ziel­te sorg­fäl­tig. Ich schoß ihm durch den Kopf.

Noch be­vor er auf dem Bo­den auf­schlug, nahm ich sei­ne rech­te Hand und drück­te die Pis­to­le hin­ein.

Einen Au­gen­blick spä­ter war ich drau­ßen und rann­te zur Ga­ra­ge.

Ich dach­te, es sei das bes­te, wenn ich die Lei­che nach ei­nem Ein­kaufs­bum­mel fin­den wür­de, nach ei­nem Ein­kaufs­bum­mel, bei dem ich ein paar Freun­de ge­trof­fen hat­te, die mich nun be­glei­te­ten.

Das ein­zi­ge, was bei die­sem Plan schief­ging, war die Tat­sa­che, daß er ver­schwun­den war, als ich heim­kam.

 

Man war der all­ge­mei­nen An­sicht, daß Ja­mes Mc­Car­ren von ei­nem Jagd­aus­flug nicht mehr heim­ge­kehrt war. Der ar­me Kerl war in den un­durch­dring­li­chen Wäl­dern ver­mut­lich ver­hun­gert. So nahm man an. We­der er noch sei­ne Pis­to­le wur­den je ge­fun­den. Ein paar Mo­na­te spä­ter er­klär­te man ihn ge­setz­lich für tot, und ich steck­te die Ver­si­che­rungs­s­um­me ein.

Ein paar har­te Au­gen­bli­cke hat­te ich durch­zu­ste­hen, als der Po­li­zei­be­am­te und der Dis­trikt-At­tor­ney ei­ne dün­ne Spur ver­trock­ne­ten Blu­tes fan­den, die zum Rand des Bal­kons führ­te. Aber sie ent­deck­ten na­tür­lich nichts, als sie den Wild­bach durch­such­ten. Und als ich mei­nen Zu­stand an­deu­te­te, ver­wan­del­te sich ihr un­aus­ge­spro­che­nes Miß­trau­en in Mit­ge­fühl.

Von da an hat­te ich ei­ne Men­ge Zeit, über die Sa­che nach­zu­den­ken. Be­son­ders wäh­rend der ers­ten ma­ge­ren Mo­na­te der To­mor­row AG, als sich die Kun­den erst all­mäh­lich ein­stell­ten.

Und dann dach­te ich fol­gen­des: Wel­che Frau wird so von ei­nem Mann ge­liebt, daß er sich über zwan­zig Jah­re zu ihr hin­schleppt, ob­wohl sie ihn ins Au­ge ge­schos­sen hat?

Das min­des­te, was ich tun konn­te, war, den Wild­bach um­zu­lei­ten und die Schlucht mit Heu zu fül­len. Da­mit dein Fall ge­dämpft wur­de.

Sag mal ehr­lich – ge­fällt dir mein neu­er Bi­ki­ni? Das rot-grü­ne Ka­ro paßt doch wun­der­bar zu dem sanf­ten Gelb des Heus. Soll ich wirk­lich zu dir hin­über­kom­men und mich ne­ben dich set­zen? Ach, die Leu­te sind mir doch egal. Die Die­ner sind im Dorf un­ten, und sie kommt erst in ei­ner Stun­de aus dem Wald. Die al­te Schnüff­le­rin.

Aaaach, John­ny …!