Elftes Kapitel
»Ein schwieriges Problem«, fand auch Laura, als Angelo ihr alles berichtet hatte.
Inzwischen war es früher Abend, und die Dämmerung hatte sich bereits auf die Stadt nieder gesenkt. Das Haus war noch nicht erleuchtet. An der Decke von Lauras Zimmer spiegelten sich die letzten glutroten Strahlen der untergehenden Sonne, die von den gelben Butzenscheiben einen goldenen Überzug erhalten hatten. Die zahlreichen Kissen und Decken, die Kandelaber, die Behältnisse auf Lauras Spiegelbord schlummerten bereits in den Ecken, die vom Licht nicht mehr erreicht wurden.
Laura stand auf, holte ein Stück des Feuerschwammes und entzündete den dreiarmigen Leuchter. Die Kerzen flackerten und warfen schwarze Schatten an die Wände.
»Mein Kopf ist leer wie die Klingelbüchsen der Leprakranken«, beklagte sich Angelo da Matranga. »Ich habe nicht die leiseste Ahnung, was ich tun soll.«
»Leg dich auf das Bett«, schlug Laura vor. »Ich kenne ein Mittel, das dir die größte Entspannung bringt. Ich bin sicher, hinterher kannst du dich vor Einfällen kaum retten.«
»Ein Mittel?« Angelo zog fragend die Augenbrauen hoch. »Was in aller Welt meinst du damit?«
Laura warf übermütig den Kopf nach hinten, sodass die Fülle ihres Haares wie ein Wasserfall über ihren Rücken floss. »Oh, ich lerne jeden Tag etwas Neues von Circe. Schließlich ist sie nicht nur in den sieben Künsten der Wissenschaft eine Meisterin.«
»Wie? Was? Bringst sie dir etwa auch die heimlichen Kniffe der Kurtisanen bei?«
Laura lachte schallend. »Es ist nicht, wie du denkst. Sie bringt mir bei, wie man den Männern Entspannung verschaffen kann. Schließlich hast du als Herrscher der Republik Siena eine große Verantwortung zu tragen.«
»Na, da bin ich aber neugierig.«
Angelo schickte sich an, sich auf Lauras Bett zu legen, doch sie hielt ihn zurück.
»Du musst dich ausziehen«, sagte sie leise und, obwohl sie schon so oft mit ihm zusammen gewesen war, noch immer verschämt.
»Und du?«
Wieder lachte sie, diesmal ohne Scham. »Zieht sich ein Arzt aus, wenn er einen Kranken behandelt?«
»Ich bin nicht krank«, protestierte der Visconte, doch Laura wies auf die blauen Flecken, die am Kinn und an den Handgelenken vom gestrigen Zusammenstoß mit Beatrice zeugten.
Er seufzte zwar, doch die Erregung hatte bereits von ihm Besitz ergriffen. Begierig war er nach dieser Frau, geradezu gierig. Er wollte ihre Haut spüren, am liebsten ohne Unterlass. Er wollte seinen Mund auf ihre weichen Lippen drücken, ihren Atem schmecken, ja, er liebte sie mit einer solchen Ausschließlichkeit, dass er sie am lieb sten wie eine Mutterkatze am Genick gepackt und ständig mit sich herumgeschleppt hätte.
»Leg dich auf den Rücken und schließ die Augen«, sagte Laura. Angelo tat, wie sie ihm geheißen, doch er war so aufgeregt, so erregt, dass er es nicht vermochte, sich mit geschlossenen Augen dem hinzugeben, was da kommen sollte.
Laura sah, dass er immer wieder blinzelte. Sie nahm ein leichtes Seidentuch, mit dem sie sonst die Brust bedeckte, und legte es ihm über die Augen.
Sofort erwachte seine Männlichkeit, als hätte sie die Aufgabe der Augen übernommen, und richtete sich ein wenig auf.
Angelo lag auf dem Bett, den Körper zum Zerreißen gespannt, alle Sinne geschärft, als wäre er ein Tier in dunkler Nacht.
Seine Ohren hörten nicht nur, dass Laura im Zimmer hantierte, sich an irgendetwas zu schaffen machte, nein, auch die Geräusche der Gasse drangen an sein Ohr. Im Nebenhaus keifte ein Weib, von der Straße drang das obszöne Gelächter der Huren, deren Arbeitstag mit dem Einbruch der Dämmerung begann.
Er schmeckte noch immer Lauras Kuss auf den Lippen, roch die nächtliche Schwere ihres Leibes, ein Geruch nach Moschus und Rosenöl, der aus den Kissen aufstieg. Ja, er fühlte sogar einen ganz schwachen Luftzug, als Laura den Deckel einer Truhe öffnete.
»Was tust du?«, fragte er und versuchte, unter dem Tuch hervor zu spähen.
»Gleich, gleich bin ich bei dir«, erwiderte sie. Er hörte ihre leichtfüßigen Schritte, die sich dem Bett näherten.
Ja, er konnte regelrecht ihre Wärme spüren, obwohl sie ihn noch nicht berührt hatte. Er roch ihren Tagesduft nach frischen Äpfeln, Milch und Honig, und sein Körper geriet noch mehr unter Spannung. Eine Gänsehaut kroch über seine Arme, die ganze Haut kribbelte vor Spannung.
»Ist dir auch nicht kalt?«, fragte Laura. »Soll ich das Kohlebecken ein Stück näher bringen?«
Angelo da Matranga wollte antworten, doch seine Kehle war wie zugeschnürt, sein Mund trocken. Er schüttelte den Kopf und schluckte.
Er hörte, wie Laura einmal tief ein- und ausatmete und wusste schon, dass dies ein Zeichen hoher Konzentration war. Er hätte wetten mögen, dass sie jetzt die Augen schloss. Und er hätte diese Wette gewonnen.
Plötzlich zuckte er zusammen. Schauer jagten durch seinen Körper, seine Männlichkeit schwoll an.
Lauras Finger massierten seine Kopfhaut, und ihm war, als dränge sie in seine wirren Gedanken ein und brächte sie eigenhändig in Ordnung, so wie man eine Schublade ordnete.
Tausend Ameisen schienen über seinen Kopf zu krabbeln, und gleichzeitig taten ihm die Finger so gut, dass er laut aufseufzte.
Sein gesamtes Haupt wurde gestreichelt, gestriegelt, liebkost und besser verwöhnt, als es selbst seine Mutter bei ihm vollbracht hatte, als er noch ein kleiner Junge gewesen war.
Wohlig seufzte er auf, seine Glieder entspannten sich. Beinahe hätte er sich wie eine Katze am warmen Feuer geräkelt.
Doch schon wanderten ihre Finger zu seiner Stirn, strichen jede Falte glatt, glätteten auch den letzten Gedanken. Ein leises Brummen drang aus seiner Kehle. Dann streichelte sie ihm die Wangen wie einem Kind, fuhr mit dem Finger über die Nase und die Nasenflügel, umrundete die Umrisse seiner Lippen, griff nach den Ohren und massierte auch diese vorsichtig zwischen zwei Fingern.
Angelo hatte einmal, als er in Genua gewesen war, von einer Sklavin aus Calicut gehört, die es nur mit Hilfe der Finger verstand, einen Mann an den Rand des Wahnsinns zu treiben. Er aber glaubte sich im Paradies. Jegliche Müdigkeit fiel von ihm ab. Jung und frisch wie ein Zwanzigjähriger fühlte er sich und gleichzeitig so träge, dass er außer Stande war, auch nur den kleinen Finger zu rühren. Warme Wellen des Wohlbehagens strömten durch seinen Körper, machten ihn ruhig und hei Wach zugleich.
Und dabei hatten Lauras Finger bisher nur seinen Kopf und sein Gesicht berührt!
Jetzt aber glitten sie über den Hals, eine Hand umfasste seinen Nacken und massierte auch diesen, die andere Hand streichelte eine Stelle unter seinem Ohr, die ihm besonders zart erschien und von der er bisher nicht gewusst hatte, dass er sie besaß.
Auch die Vorderseite seines Halses wurde nun gestreichelt und massiert. Er bog den Kopf zurück und dachte einen Augenblick daran, dass er ihr seine Kehle darbot. Jawohl, er bot ihr seine Kehle dar wie ein Hund, der sich dem stärkeren Gegner unterwarf.
Ihre Hände fuhren in langen, sanften Strichen über seine Brust, seinen Oberkörper bis hinab zu den Leisten, erst sanft, dann fester, erst in kreisenden Bewegungen, dann mit langen Strichen. Sie hinterließen eine brennende Spur auf seiner Haut.
Wieder seufzte er und hätte sich am liebsten ausgiebig geräkelt. Doch jetzt hatte sie seine Brustwarzen zwischen Daumen und Zeigefinger genommen und zwirbelte sie gerade so fest, dass er einen leichten Schmerz dabei empfand, der das Blut in seine ohnehin schon steife Männlichkeit presste.
Sie bog seinen Arm nach oben, strich langsam über das Innere seiner Achseln, von da über seine Seiten. Ein Zittern durchlief ihn. Er hätte nicht mehr gewusst, ob er Mann oder Knabe war, wäre da nicht sein Schoß gewesen, der sich vor Lust beinahe schmerzhaft zusammenzog.
Schon fuhren ihre Hände wieder über seinen Leib, kreisten um seine behaarte Brust. Jetzt jagten die Schauer durch seinen Körper, ohne dass er es verhindern konnte. Seine Beine, die er leicht angewinkelt hatte, begannen zu zittern. Er fühlte sich schwach und stark zugleich.
»Was machst du mit mir?«, flüsterte er verwundert. »Ich habe mich noch nie so gefühlt wie jetzt.«
»Ich gebe dir Stärke«, antwortete sie. »Stärke, die in deinem Innern wohnt.«
Ihre Hände glitten über seine Leisten, die Finger hüpften auf und ab, griffen auf die Schenkel über, ohne seine Männlichkeit zu berühren. Mit beiden Händen strich sie so fest über seine Oberschenkel, kratzte mit den Fingernägeln leichte Spuren hinein, dass Angelo da Matranga laut aufstöhnte. Noch nie hatte eine Frau ihn so verwöhnt, noch nie war er so machtlos und wohlig schwach gewesen! Ein letzter Widerstand regte sich in ihm, bevor der eitle Stolz des Mannes unter Lauras Händen wie Schnee in der Sonne dahinschmolz.
Sie war jetzt an seinen Kniekehlen angelangt, erkundete dort jeden Zoll und erfühlte mit sicherer Intuition die Stellen, die ihm erneut zum Stöhnen brachten.
Am liebsten hätte er ihre Hände überall gleichzeitig gespürt. Sein Körper bäumte sich auf, doch Laura drückte ihn mit festem Griff zurück auf das Laken und wandte sich der anderen Kniekehle zu.
Das Begehren wurde quälend. Seine Lenden glühten, als wären sie in ein Feuer getaucht.
Er stöhnte, vergaß Raum und Zeit, war kein Bürgermeister mehr, kein Vater eines schwächlichen Gecken, nicht mehr der Gatte einer keifenden Frau oder der Geliebte der Venus von Siena. Er war einfach nur noch ein Mensch, dem das Verlangen die Sinne raubte, der den Kopf hin und her warf, ein stöhnendes, lüsternes Tier, dessen Arme in der Luft herumtasteten, versuchten, nach der Frau, welche ihm diese grenzenlose Lust verschaffte zu greifen, sie an sich zu ziehen, ihr die Röcke hochzuschlagen und dem wilden Begehren ein Ziel zu geben.
Aber Laura hatte viel von Circe gelernt. Sie nahm seinen rechten Fuß in ihre beiden Hände, strich mit den Fingerknöcheln über die Sohle, massierte jeden einzelnen Zeh langsam und bedächtig.
Als sie am letzten Zeh angelangt war, hatte sich Angelo da Matranga in ein wildes Tier der Lust verwandelt. Er riss sich das seidene Tuch von den Augen, richtete sich auf, umfing mit seinen starken Händen ihre schmale Taille und presste seine Lippen hart auf ihren weichen Mund. Der Kuss schmeckte wild und süß wie Walderdbeeren, raubte ihm den letzten Funken Verstand. Er ließ sie los, riss an ihren Kleidern, schälte sie ungeduldig aus Rock und Mieder, warf sie unter sich.
Ihre Arme zog er über ihren Kopf, presste die zarten Gelenke mit harter Hand auf das Laken, bedeckte ihren Leib mit wilden Küssen, dann spreizte er mit der anderen ihre Schenkel, drang mit pochendem Glied in ihren warmen, feuchten Schoß und nahm sie mit langen, festen Stößen.
Als er sich in sie ergoss, schrie sie mit kehliger, dunkler Stimme, ihr Leib bäumte sich auf, die Schenkel umschlangen seine Hüften, und sie presste sich so fest an ihn, umklammerte ihn, als wollte sie ihn niemals wieder gehen lassen.
Diesmal dauerte es eine ganze Weile, bis sie den Weg aus dem Paradies zurück in die Stille von Lauras Kammer fanden. Sie hatte ihren Kopf an seine Schulter geschmiegt, ihr Körper drängte sich gegen seinen, ein Bein hatte sie quer über seine Schenkel gelegt.
Er strich ihr mit einer Hand über das Haar und war nicht im Geringsten überrascht, als sie plötzlich sagte: »Ich glaube, Angelo, mein Liebster, heute habe ich ein Kind von dir empfangen.«
Das Glück strömte wie Lava durch seinen Körper. »Lieber Gott«, betete er laut und aus tiefstem Herzen. »Lieber Gott, ich danke dir unendlich, und obwohl ich dir zu großem Dank verpflichtet bin, habe ich noch eine Bitte: Lass Laura ein Kind von mir empfangen haben. Ich verspreche hier vor den Ohren der Frau, die ich liebe wie sonst nichts auf der Welt, dass ich es als das meine anerkenne, für es sorge wie für mein eheliches Kind. Bitte, lieber Gott, schenke uns dieses Kind als sichtbares Zeichen einer großen Liebe, wie du sie nur wenigen Menschen angedeihen lässt.«
Tränen des Glücks traten in seine Augen. Er presste Laura noch fester an sich, vergrub sein Gesicht in ihrem duftenden Haar und liebte sie in diesem Augenblick mit allem, was er hatte, und mit allem, was er war.
Und plötzlich lag seine Zukunft wieder klar und strahlend vor ihm.