Fünfzehntes Kapitel
Langsam erholte sich Laura von der Schwangerschaft und der Entbindung. Doch sie war so sehr mit ihrer neuen Mutterrolle beschäftigt, dass sie viele Dinge, die sie früher interessiert hatten, gar nicht mehr wahrnahm. Angelino hinten, Angelino vorn, das war alles, was Laura derzeit kümmerte.
Ja, sie schenkte nicht einmal mehr dem Boten Beachtung, der mindestens einmal pro Woche an die Tür des Hauses klopfte. Auch die Veränderungen, die mit Circe da Volterra einhergingen, bemerkte sie kaum.
Auf die regelmäßigen Besuche Beatrices jedoch freute sie sich. Stundenlang verbrachten die beiden Frauen damit, jede noch so winzige Einzelheit der Entwicklung des kleinen Angelinos in aller Ausführlichkeit zu besprechen. Ja, es war tatsächlich so, dass Laura mehr Zeit mit Beatrice verbrachte als mit dem Vater des Kindes.
Laura hatte sich von der schwierigen Entbindung recht gut erholt, doch seit einigen Tagen ging es ihr ein wenig schlechter. Sie war blass und appetitlos, klagte über Unwohlsein, ohne körperliche Schmerzen zu haben.
»Das ist normal, meine Liebe«, wurde sie von Beatrice getröstet. »Schließlich hat sich in Eurem Körper viel getan. Viele Frauen bekommen im Wochenbett sogar Fieber. Lasst mich Eure Stirn fühlen!« Sie stand auf und legte die Hand auf Lauras Stirn.
Laura schloss die Augen und gab sich einen Augenblick lang einem wahrhaft köstlichen Gefühl hin. Ja, sie war jetzt eine Mutter, aber gleichzeitig vermisste sie ihre eigene Mutter, die in den Flammen der Schänke umgekommen war, auf das Schmerzlichste. Gianna, die ältere Schwester, konnte sie nicht ersetzen.
Wohlig seufzte Laura und schmiegte ihre Stirn in die warme Handfläche Beatrices. Sie sah nicht, dass die Ehefrau Angelo da Matrangas zufrieden lächelte.
»Nun«, sagte sie schließlich und zog ihre Hand weg. »Eure Stirn fühlt sich ein wenig heißer an als gewöhnlich. Ich werde Euch einen Sud brauen, der mir damals nach Orazios Geburt sehr geholfen hat. Gleich morgen bringe ich ihn vorbei. Doch jetzt erzählt: Hat Angelino gut geschlafen? Macht er nach dem Essen brav ein Bäuerchen?«
Laura wollte gerade begeistert antworten und sich in alle Einzelheiten ausgiebig vertiefen, da klopfte es an der Tür, und Angelo da Matranga trat ein. Als er seine Frau und seine Geliebte ins Plauderstündchen vertieft fand, erstarb das erwartungsvolle Lächeln auf seinen Lippen.
Nein, er hatte wahrhaftig keine Lust, sich dazu zu setzen und zu hören, dass auch Angelino unter Blähungen litt, wenn Laura Kohl gegessen und ihn danach gestillt hatte. Er wusste schon nicht mehr, wie sich die Haut seiner Geliebten anfühlte. Zu gern hätte er an ihrem Busen gelegen, ihre Schenkel gestreichelt, sich von ihr küssen und liebkosen lassen. Angelino war drei Wochen alt, und seit beinahe einem Vierteljahr hatte er nicht mehr bei seiner Geliebten gelegen. Sie küsste ihn noch, wenn er kam, schmiegte sich wohl auch für kurze Augenblicke an ihn, doch das war auch schon alles. Laura war derartig mit ihren Mutterpflichten beschäftigt, dass sich Angelo auf das Gröbste vernachlässigt fühlte.
Dazu noch Beatrice! Was war nur aus den Frauen in seiner Umgebung geworden?
Statt einer Ehefrau und einer wunderbaren Geliebten hatte er mittlerweile zwei Frauen in seiner Nähe, die sich beinahe ausschließlich mit sich selbst beschäftigten!
»Oh, wie ich sehe, komme ich gerade ungelegen«, stellte er auch schon im bitteren Tonfall fest.
»Aber nicht doch«, antwortete Beatrice an Lauras Stelle. »Wir freuen uns immer, dich zu sehen.«
Sie wies mit der Hand auf einen Stuhl. Angelo sah zu Laura. Diese lächelte ihn zwar freundlich an, doch der Glanz in ihren Augen, den er bei seinen früheren Besuchen so oft gesehen hatte, war verschwunden.
»Ich will nicht stören«, sagte er deshalb.
»Oh, ich wollte ohnehin gerade gehen. Nur noch zwei Sätze, dann bin ich schon weg«, versprach Beatrice. Sie nahm sich unaufgefordert die Karaffe von einem kleinen Tisch, der zwischen Lauras und ihrem Stuhl stand, und goss sich großzügig von dem gewürzten Wein ein. Dann griff sie nach einem Mandeltörtchen.
Angelo da Matranga sah, dass diese zwei Sätze noch gut und gern eine halbe Stunde dauern mochten. Am liebsten hätte er Beatrice eigenhändig rausgeworfen, um endlich einmal wieder mit Laura allein zu sein. Doch er wollte keinen Unfrieden.
»Nun, dann werde ich in der Zwischenzeit Circe da Volterra begrüßen und mich nach ihrem Befinden erkundigen«, erwiderte er und unterdrückte nur mit Mühe ein Seufzen.
»Das ist ein sehr galanter Gedanke«, stimmte Laura ihm zu, und Angelo da Matranga konnte überhaupt nicht aufhören, sich über seine Geliebte zu wundern, die ihn geradewegs zu einer Kurtisane schickte.
Er verneigte sich höflich, dann verließ er das Zimmer.
Im Gang verharrte er eine kleine Weile. Er war wütend auf Laura. Wütend, weil sie noch nicht einmal zu bemerken schien, wie sehr sie ihn vernachlässigte. Und die Wut war es auch, die ihn dazu bewog, Circe aufzusuchen.
Er straffte seinen Körper, zog das Wams glatt, dann klopfte er an die Tür ihrer beiden Kammern.
»Herein!«, hörte er und betätigte die Klinke in der Erwartung, Circe in ihrer üblichen Hauskleidung anzutreffen.
Doch seine Erwartung trog ihn. Circe da Volterra war in dieser Stunde von einer Lehrerin weiter entfernt als je zuvor. Kurtisane war sie. Kurtisane, Verführerin, Versuchung und Verlockung in einem.
Die granatroten Vorhänge hatte sie vor das Fenster gezogen. Kerzen brannten in einem Kandelaber. Sie selbst lag hingestreckt auf einer gepolsterten Bettstatt, von einem seidenen Gewand nur unzureichend bedeckt.
Das offene Haar floss ihr wie Wasser über die Schultern.
»Kommt doch herein«, sagte sie mit einer Stimme, die so seidig war wie ihre Haut. Sie klopfte mit der Hand auf den Rand der Bettstatt.
»Setzt Euch«, sagte sie. »Setzt Euch zu mir und unterhaltet mich ein wenig. Für mich gibt es in diesem Haus derzeit nicht viel zu tun. Ich langweile mich und bin für jede Zerstreuung dankbar.«
Angelo tat, wie ihm geheißen, setzte sich zaghaft und in kerzengerader Haltung auf den Bettrand und wandte sich halb zu ihr um. Er sah sie an, schluckte, kramte in seinem Kopf nach Gesprächsthemen, doch da herrschte vollkommene Leere. Im Grunde war er vollauf damit beschäftigt, seine Blicke nicht immer wieder aufs Neue über ihren verführerisch hingestreckten Körper gleiten zu lassen. Es gelang ihm nicht. Er sah die schlanken, festen Oberschenkel, die sich unter dem dünnen Stoff des Seidengewandes abzeichneten, sah den festen Bauch, dessen leichte Wölbung ihn einzuladen schien, seinen Kopf darauf zu legen. Die vollen Brüste drängten gegen die Seide, und Angelo konnte beinahe spüren, wie sich der leichte Stoff an ihren empfindlichen Spitzen rieb.
»Worüber möchtet Ihr Euch unterhalten?«, fragte er schließlich mit rauer Stimme und kam sich selbst töricht dabei vor.
Circe lachte. Ihr Lachen klang wie das Gurren der Tauben, die sich im Turm auf dem Campo ein Zuhause gesucht hatten.
»Worüber Ihr wollt, Visconte. Sucht ein Thema, welches uns beide interessiert. Wie wäre es ...«, sie wartete einen Augenblick und öffnete leicht die Lippen, »...mit der Liebe?«
Angelo seufzte. »Oh, ich glaube, darüber weiß ich im Augenblick nicht viel zu berichten.«
Circe lachte wieder ihr gurrendes Lachen und räkelte sich ein wenig auf dem Laken, sodass das Gewand verrutschte und ein Bein bis über die Knie enthüllte. Kerzenlicht umhüllte das Stück nackte Haut mit einem goldenen Schimmer. Glatt und weich schimmerte das Knie, dessen vollendete Form Angelo noch niemals aufgefallen war. Wie auch? So hatte er Circe nur ein einziges Mal bisher gesehen.
»Über die Liebe kann man immer reden. Sie ist es doch, die uns antreibt, oder nicht?«, fragte die Kurtisane.
»Das dachte ich bis vor kurzem auch noch. Liebe und ihr Gegenteil, der Hass nämlich, sind die Triebkräfte des Lebens. Doch wenn man sich zwischen Liebe und Hass befindet, ist da nur eine riesige Leere.«
»Wie das, Visconte? Ist Eure Liebe zu Laura abgekühlt?«
Angelo da Matranga schüttelte den Kopf. »Nein, so ist es nicht. Ich liebe Laura noch immer. Doch scheint es mir manchmal, als ob sie mich vergessen hätte. Ange-lino ist wohl der einzige Mann, der sie derzeit interessiert.«
»Nun, Visconte, ich denke nicht, dass Ihr Euch sorgen müsst. Die Liebe einer Mutter zu ihrem Kind ist etwas ganz anderes als die Liebe einer Frau zu ihrem Mann. Angelino ist eine neue Erfahrung. Ihr braucht Geduld. Liebt Ihr Euren Sohn denn nicht auch?«
Angelo richtete sich empört auf. »Natürlich liebe ich ihn. Ich bin sein Vater!«
Circe, die Angelos Ärger spürte, streckte einen Arm aus und legte ihm die Hand auf die Schulter. Dabei glitt ihr Gewand hinab und entblößte einen Arm von vollendeter Anmut. Die Glieder waren fest und glatt wie bei einer Marmorstatue der größten Bildhauer.
Angelo hätte um ein Haar aufgestöhnt. Wie lange hatte er die Berührung einer Frau schon vermissen müssen? Am liebsten hätte er die Augen geschlossen und sich ganz und gar auf die warme Hand auf seiner Schulter konzentriert. Langsam fuhr die Hand nun von der Schulter über seinen Oberarm. Trotz der Tatsache, dass Angelo ein Hemd und darüber sogar ein Wams trug, spürte er Circes Wärme durch die Lagen von Stoff hindurch.
Aber was tat sie da eigentlich? Wieso streichelte sie ihn? Sie war die Lehrerin seiner Geliebten, die zwei Zimmer weiter saß.
Und er? Was tat er? Er ließ sich einlullen von dem verlockenden Körper der Frau, von ihrer Wärme, der sinnlichen Ausstrahlung.
Ja, sie war ein Tier, diese Circe da Volterra. Ein weiches, warmes Tierchen, wie geschaffen dafür, zu streicheln und gestreichelt zu werden.
Ihre Hand lag jetzt in der Beuge seines Ellbogens, strich fest und zart zugleich darüber. Ein Schauer ging durch Angelos Körper.
Sie sah ihm in die Augen. »Ich weiß, was Ihr wünscht, Visconte«, sagte sie leise. Sie nahm die Hand von ihm und streckte sich in voller Länge auf dem Laken aus. Sie bog den Kopf zurück, zeigte ihm ihre Kehle, reckte und streckte sich wie eine Katze und schnurrte sogar dabei. Die ganze Zeit über hielt sie seinen Blick gefangen, ließ ihn nicht los, dirigierte ihn. Sie strich sich mit beiden Händen über die Brüste.
»Wusstet Ihr, dass die Brüste einer Frau nach der Schwangerschaft weicher und voller werden?«, fragte sie dabei. »Ich habe zwei Kinder geboren.«
Die dunklen Höfe mit den aufgerichteten Spitzen drängten nun gegen den dünnen Stoff. Sie beugte ein Bein, sodass ihr Gewand bis zum Oberschenkel hinunter glitt, und stellte einen Fuß auf sein Bein, rieb sich leicht daran.
Angelo wurde heiß. Das Blut in seinen Adern floss wie glühende Lava durch ihn hindurch. Alle Sinne waren auf das Äußerste gespannt. Ja, er wollte diese Frau. Ja, er begehrte ihren Körper.
Mit beiden Händen umfasste er ihren Fuß, massierte vorsichtig die Sohle, strich über jeden einzelnen Zeh, arbeitete sich über die schlanken Fesseln bis hoch zum Knie.
Circe lag mit geschlossenen Augen und genießerischer Miene vor ihm. Ungeniert betrachtete er ihre Brüste, den Leib, die üppigen Hüften. Als sein Blick auf ihren Schoß fiel und er ein dunkles Dreieck unter dem Stoff schimmern sah, erkannte er, dass sie unter dem leichten Gewand nackt war. Seine Hände umfassten ihr Knie, er beugte sich darüber und küsste die blanke, vom Kerzenlicht gold getönte Haut. Die Lust fiel wie ein wildes Tier über ihn her. Am liebsten hätte er sich auf Circe gestürzt, seine Zähne in ihr weiches Fleisch geschlagen. Er war wie von Sinnen, seinen Trieben ohnmächtig ausgeliefert. Schon zerrten seine Hände am Stoff, legten beide Oberschenkel frei, schon glitten seine Finger über die Innenseiten ihrer Schenkel.
Er hörte sie leise stöhnen, bemerkte das Zittern, das durch ihren Körper lief. Angelo beugte sich über ihren Schoß, blies seinen heißen Atem darüber. Seine Finger näherten sich – da klappte draußen plötzlich eine Tür, er hörte Stimmen und Laura, die seinen Namen rief.
Urplötzlich erwachte er aus dem lüsternen Taumel, sein Verstand wurde klar. Verärgert über sich und über die Frau, sah er Circe da Volterra an und nahm seine Hände von ihrem Leib. Wortlos stand er auf, zog sein Wams gerade und räusperte sich.
»Ich war gekommen, um mich nach Eurem Befinden zu erkundigen«, sagte er. »Nun, ich habe mich davon überzeugen können, dass Ihr wohlauf seid. Jetzt werde ich zu Laura gehen.«
Circe lachte noch ein letztes Mal ihr gurrendes Lachen, doch Angelo da Matranga war schon davongeeilt.
Laura saß allein im Wohnzimmer. Angelino stand in einer hölzernen Wiege neben ihr, die sie mit dem Fuß hin und wieder leicht antippte.
»Wo warst du so lange?«, fragte sie und ließ sich von ihm in den Arm nehmen.
»Bei Circe da Volterra. Es geht ihr gut. Sie bedauert es wohl nur, dass sie im Augenblick mit deiner Erziehung nicht die Fortschritte machen kann, die sie sich wohl wünscht.«
Laura warf den Kopf zurück und blickte Angelo hochmütig an. »Ich bin jetzt Mutter. Um so unwichtige Dinge wie Tischmanieren, philosophische Gespräche und das Notenlesen kann ich mich im Augenblick nicht kümmern. Angelino braucht mich.«
Der Visconte nickte, setzte sich ihr gegenüber und nahm ihre kleine, warme Hand zwischen seine Hände. »Ja, Liebste, ich weiß, dass du mit dem Kleinen viel Arbeit hast. Aber er ist nicht der Einzige, der dich braucht. Auch ich vermisse dich. Wir waren so lange schon nicht mehr allein.«
»Jetzt sind wir es ja«, war alles, was Laura darauf erwiderte.
»Du verbringst mehr Zeit mit Beatrice als mit mir. Vermisst du mich denn gar nicht?«
»Doch, Angelo, mein Lieber, ich vermisse dich schon. Aber sieh, da ist jetzt Angelino. Den ganzen Tag bin ich mit ihm beschäftigt, weißt du. Ich habe kaum noch Zeit für mich selbst.«
Angelo sah sie an. Es stimmte. Sie schien wirklich kaum noch Zeit für sich selbst zu haben. Auf ihrem Kleid vorn prangte ein großer Fleck, das Haar hing ihr zerzaust den Rücken hinab, ihre sonst so makellose Haut zeigte rote Stellen.
»Soll ich dir das Haar bürsten?«, fragte Angelo und war schon aufgestanden, um die Bürste zu holen.
»Ach, nein, das brauchst du nicht.« Laura griff sich mit beiden Händen ins Haar und zog mit den Fingern daran herum, ohne dass es davon besser wurde.
»Ich würde dir gern einmal wieder das Haar bürsten«, sagte Angelo in einem Ton, der keinen Zweifel daran ließ, dass er damit auf ein vergangenes Erlebnis anspielte.
Laura nahm die Hände herunter, legte sie in den Schoß und sah ihn an.
Er las in ihrem Gesicht die Antwort, bevor er sie mit den Ohren hörte.
»Angelo, im Augenblick bin ich noch nicht wieder bereit für Zärtlichkeiten. Mein Körper hat sich so verändert. Ich muss mich erst daran gewöhnen, weißt du.«
Sie wurde rot und senkte den Blick. Ihre Hände knüllten unterdessen den Stoff ihres Kleides. Sie öffnete den Mund, als wolle sie noch etwas sagen, doch dann schien sie es sich anders zu überlegen.
»Was ist nur los mit dir, Laura?«, fragte Angelo verzweifelt. »Du weißt, dass ich dich liebe, dass ich dich begehre. Warum stößt du mich immer wieder fort? Liebst du mich denn gar nicht mehr?«
Laura seufzte. Sie senkte den Kopf noch tiefer, ihre Schultern bebten.
»Ich liebe dich, Angelo. Mehr, als ich sagen kann. Aber da ist etwas, das nur Frauen verstehen. Du bringst mich in die größte Verlegenheit, wenn du mich zwingst, es auszusprechen.«
»Du musst dich nicht vor mir schämen, Laura. Ich liebe dich doch. Aber deine Kälte macht mich krank. Sag mir, was du hast, ich bitte dich.«
Sie schluckte, und der Visconte sah, dass sie angefangen hatte zu weinen.
Sofort eilte er zu ihr, nahm sie in die Arme. Ganz fest zog er ihren bebenden Körper an sich.
»Pst, pst«, sprach er zu ihr wie zu einem Kind. »Nicht weinen, Laura. Es wird alles wieder gut.«
Doch sie konnte sich noch lange nicht beruhigen, schluchzte und schluckte. Die Tränen flössen auf sein Wams. Die Arme hatte sie um seinen Hals gelegt, und sie weinte daran wie ein Kind.
»Erzähl mir von dem, was nur Frauen verstehen«, bat Angelo vorsichtig und mit leiser Stimme. »Ich bin sicher, ich verstehe es auch.«
Laura schüttelte den Kopf und weinte noch lauter.
»Ist ja gut. Du musst es mir nicht sagen. Aber vielleicht kannst du mir sagen, wer dir das, was dich so zum Weinen bringt, gesagt hat.«
»Alle«, schluchzte Laura. »Circe da Volterra und Beatrice. Alle beide.«
Angelo zog die Augenbrauen hoch. Jetzt wollte er es wirklich wissen.
»Was haben Circe und Beatrice dir gesagt?«
Aber Laura schüttelte nur den Kopf und weinte weiter. Sie weinte, bis sie ganz erschöpft war. Angelo hielt sie fest, streichelte über ihr wirres Haar und küsste ihr zum Schluss die Tränen vom Gesicht.
»Ich liebe dich, Angelo. Aber zu mehr als Worten kannst du mich nicht bewegen.«
Sie sah ihn an. Ihr Gesicht glühte. Die Wangen zeigten rote Flecken, die Lippen waren spröde. Ein Frösteln durchlief sie, obwohl es sehr warm im Zimmer war. Sie lehnte sich erschöpft im Lehnstuhl zurück und schloss kurz die Augen.
»Was ist mit dir, Laura?«, fragte Angelo besorgt.
Sie zuckte mit den Achseln. »Ich weiß es nicht. Seit einigen Tagen geht es mir nicht besonders gut. Beatrice meinte sogar, dass ich Fieber hätte.«
Angelo trat zu ihr, nahm sie wieder in die Arme und presste seinen Mund auf ihre Stirn. Ja, sie war heiß. Sie glühte regelrecht.
»Ich bringe dich zu Bett, Laura. Du hast wirklich Fieber. Es ist besser, wenn du dich hinlegst und schläfst. Circe soll sich um Angelino kümmern«
Behutsam hob er sie aus dem Lehnstuhl und trug sie zu ihrem Bett. Er legte sie darauf ab, öffnete ihr Kleid, streifte es ihr vom frierenden Körper, dann hüllte er sie in die Decken, setzte sich auf den Bettrand und sprach leise und zärtlich auf sie ein. Wie einem Kind streichelte er ihr die heiße Wange, bis ihre ruhigen, tiefen Atemzüge ihm sagten, dass sie fest eingeschlafen war.
Noch eine Weile blieb er bei ihr sitzen, betrachtete sie im Schlaf. Ihr Gesicht hatte sich ebenfalls verändert. Alles Kindliche war seit Angelinos Geburt daraus verschwunden, doch die Lieblichkeit war geblieben. »Meine Venus«, flüsterte Angelo und strich ihr noch einmal über die Wange.
»Alles wird gut. Ich verspreche es dir.«
Eine dunkle Ahnung überfiel ihn. Sie war nicht greifbar, war wie ein schwarzer, kalter Schatten, der für einen Augenblick die Sonne verdunkelte. Angelo da Matranga hätte nicht sagen können, was er fühlte. Doch etwas legte sich ihm wie eine schwere Last auf die Schulter.
Dann stand er auf, überlegte, ob er Circe da Volterra selbst bitten sollte, sich um Laura zu kümmern. Doch er entschied sich anders, lief hinunter zu den Mägden und bat diese, stündlich nach Laura zu sehen. Dann ging er nach Hause.