Zehntes Kapitel
Als Angelo da Matranga am nächsten Morgen erwachte, wünschte er, er wäre tot. Sein ganzer Körper schmerzte, als wäre er unter einen voll beladenen Karren mit Weinfässern geraten. Es gab keine einzige Stelle, die ihm nicht wehtat. Vorsichtig sah er an sich herab. Als er ein paar Flecke in den schönsten Blau- und Grüntönen auf seinem Körper leuchten sah, jammerte er leise vor sich hin und schloss zunächst erst einmal wieder die Augen.
Beatrice hatte ihm bestimmt sämtliche Knochen gebrochen. Angelo stöhnte auf. Dieses Weib! Nichts als Ärger hatte er mit ihr. Ihr tat bestimmt nichts weh. Sie war ja sehr bequem auf ihn gefallen. Das Mindeste, was sie jetzt tun konnte, war doch, sich angemessen um ihn zu kümmern.
Er öffnete die Augen, tastete nach der Glocke, die auf einem Höckerchen neben seinem Bett stand, und setzte sie in Schwung.
»Sag meiner Frau, dass ich ihre Anwesenheit wünsche. Ich bin krank und brauche Zerstreuung. Vielleicht sollte auch nach einem Arzt geschickt werden«, trug er der Magd auf. Diese knickste und machte sich daran, Angelos Aufträge auszuführen.
Wenig später klopfte es bereits an seiner Schlafkammer, die er schon seit Jahren allein bewohnte.
»Guten Morgen, meine Liebe«, krächzte er und machte ein leid endes Gesicht. »Mir tut jeder Knochen im Leib weh. Ich glaube, wir sollten nach dem Arzt schicken.«
Beatrice nickte. »Habe ich es dir nicht gleich gesagt? Zu viel Tanz und Frohsinn sind nicht gesund. Hättest du in der Bibel gelesen, dann wäre deine Seele jetzt erbaut und dein Körper gesund.«
»Wärest du nicht auf mich gefallen und hättest mich am Boden beinahe zerquetscht, dann wäre ich jetzt gesund. So ist es!«, beschwerte sich Angelo und wollte sich auf die Seite drehen. Doch es schmerzte zu sehr, und so rollte er sich behutsam auf den Rücken.
Beatrice seufzte, schickte ein stummes Stoßgebet zum Himmel und hängte ihren Rosenkranz über einen der Bettpfosten. »Wo tut es dir weh?«
Das Leid ihres Gatten und seine Fesselung an Bett und Haus verschafften ihr so viel Genugtuung, dass sie sogar ein kleines bisschen Mitleid mit ihm empfand. Richtig elend sah er aus! Beatrice war sich sicher, dass er so bald nicht zu seiner kleinen Dirne würde gehen können.
»Überall. Es gibt keine heile Stelle mehr an mir«, klagte Angelo.
»Bewege langsam die Beine, dann die Arme, den Kopf und versuche, dich ein wenig aufzurichten. Wenn dir das gelingt, ist alles halb so schlimm.«
Visconte Angelo da Matranga schenkte seiner Gattin einen verdrießlichen Blick. Aber dann schaute er schnell wieder in eine andere Richtung, denn wenn er sie so ansah und sich dabei vorstellte, wie sie ihn gestern mit ihren spitzen Knochen beinahe aufgespießt hatte, dann wurde ihm gewiss nicht besser.
Gehorsam bewegte er nacheinander die einzelnen Glieder, und zu seiner größten Überraschung gelang ihm dies auch. Als er aber versuchte, sich im Bett aufzurichten, stieß er ein lautes Geheul aus.
»Was ist denn? Was hast du?«, fragte Beatrice, betete rasch ein Vaterunser und sah ihn sorgenvoll an.
»Mein Rücken«, jammerte Angelo. »Ich glaube, er ist gebrochen.«
»Unfug. Dann wärst du tot«, stellte sein treues Eheweib trocken fest, schellte nach der Magd und gab ihr den Auftrag, nach dem Arzt zu schicken.
Während der Visconte der Ankunft des Heilers entgegenfieberte, versuchte Beatrice seine Seele mit der Geschichte von Hiob, die sie laut aus der Bibel vorlas, zu erbauen.
Der Arzt kam, betrachtete stirnrunzelnd die Blessuren des Visconte und fragte dann unschuldig, ob der edle Herr wohl mit einem Ackergaul gekämpft habe.
»So ähnlich«, rächte sich Angelo für die Hiob-Geschichte. »Meine Frau ist auf mich gefallen.«
»Nun ja«, schmunzelte der Arzt. »Um eine Frau vor dem Fall zu retten, hat sich schon so mancher wehgetan.«
Dann holte er ein kleines Tonfässchen aus seiner Tasche und gab es Beatrice. »Dies ist Arnika. Tragt die Salbe täglich dreimal auf die verletzten Stellen auf. Ihr könnt sie nicht verfehlen, sie leuchten ja in den schönsten Farben.«
»Und sein Rücken?«
Der Arzt zuckte mit den Achseln und hieß Angelo, sich auf den Bauch zu drehen. Dann tastete er ein Weilchen auf den Wirbeln herum, ließ die Finger aber jedes Mal erschrocken in die Höhe fliegen, wenn Angelo schmerzhaft aufjaulte.
»Verzogen und verbogen«, lautete schließlich die Diagnose. »Es gibt wenig, was man da tun kann. Liegen und ruhen. Auch beten könnte helfen.«
»Ein Quacksalber seid Ihr, aber kein Arzt«, schimpfte Angelo da Matranga. »Heilen sollt Ihr mich. Eure Sprüche könnt Ihr dem Priester aufschreiben, damit er sie von der Kanzel predigt. Gebt mir wenigstens ein Mittel gegen die Schmerzen.«
Der Arzt witterte Unheil und kramte in seiner Tasche nach einem Pülverchen.
Angelo da Matranga aber war so verärgert, dass er nur unwillig knurrte und am liebsten das Kissen nach Beatrice und dem Arzt geworfen hätte.
Dieses Weib war der Teufel in Person. Er wusste genau, dass sie sein Leid genoss. Doch wenn sie ihm schon das gestrige Fest verdorben hatte, so würde er nicht zulassen, dass sie ihm auch die Treffen mit Laura vereitelte. Und wenn er sich auf den Knien hinschleppen musste! Beatrice sollte sehen, dass sie nicht mit ihm machen konnte, was sie wollte.
Angelo da Matranga funkelte sie aus zusammengekniffenen Augen an. Er hasste sie in diesem Augenblick so inständig, dass er nicht böse gewesen wäre, hätte der Sensenmann geklopft und ihm dieses Weib genommen. Er schloss die Augen, denn er konnte ihren Anblick keine Sekunde länger ertragen.
»Hier, Visconte, trinkt das!«, sagte der Arzt und reichte ihm einen Becher, in dem er das Pülverchen in Wasser aufgelöst hatte.
Angelo trank und hätte sich am liebsten geschüttelt. Bitter war dieses Zeug, gallebitter. Und gnade Gott dem Arzt, wenn es nicht half.
Laura, die mit vor Entsetzen weit aufgerissenen Augen den Sturz ihres Liebsten verfolgt hatte, lief noch am späten Abend zu seinem Zimmer, um zu sehen, wie es ihm ging.
Beatrice aber stand wie eine Schildwache davor. Sie schien nur auf Laura gewartet zu haben.
»Was wollt Ihr hier? In diesem Stock befinden sich die privaten Gemächer meines Mannes. Fremde haben hier nichts zu suchen.«
»Ich weiß das, und ich bitte Sie höflichst, mein Eindringen hier zu entschuldigen«, erwiderte Laura mit fester Stimme und entschlossen, sich von Beatrice nicht daran hindern zu lassen, nach ihrem Liebsten zu sehen. »Trotzdem bitte ich Euch, mir zu sagen, wie es dem Visconte geht.«
»Pah!«, schnaubte Beatrice. »Verschwindet sofort von hier, ehe ich Euch von den Wachen holen lasse!«
Laura ließ nicht locker. »Ein Wort nur, Viscontessa, und Ihr seid mich los. Wie geht es ihm?«
»Er hat bekommen, was er verdient hat«, zischte Beatrice und griff nach der Glocke, um die Wachen herbeizuläuten.
Laura verstand, dass sie hier nichts ausrichten konnte, doch als sie die kalte Wut in Beatrices Augen sah, wusste sie auch, dass Angelo nichts Ernsthaftes zugestoßen war.
Einen Augenblick überlegte sie, ob sie zum Fest zurückkehren sollte, doch sie hörte im Hinterkopf die Stimme ihrer Lehrerin Circe da Volterra, die zu ihr sprach: »Merke dir, eine junge Frau verlässt ein Fest niemals nach ihrem Gönner. So etwas gehört sich auf gar keinen Fall. Muss dein Gönner, aus welchen Gründen auch immer, das Fest verlassen, so wirst auch du dich nach Hause geleiten lassen.«
Laura nickte, als stünde Circe vor ihr. Dann verließ sie das private Stockwerk, sprang leichtfüßig nach unten in die prächtige Halle, ließ sich ihren Umhang reichen und von einem Knecht nach Hause geleiten ...
Knapp zehn Stunden später saß sie mit Circe beim Frühstück.
»Nun, berichte mir, wie ist der Ball gewesen?«
»Oh!«, schwärmte Laura mit leuchtenden Augen. »Es war wunderschön. All die Pracht, das Licht, das köstliche Essen, die Reigen und die anderen Tänze! Ich habe mich auf das Beste amüsiert.«
»Du hast mich also doch nicht vermisst«, stellte die Lehrerin fest. Sogleich packte Laura das schlechte Gewissen.
»Verzeiht mir. Ich hätte früher zurückkehren sollen, um Euch ein wenig zu unterhalten, nicht wahr?«
»Aber nein, ganz und gar nicht. Ich habe mich gut erholt. Es war dein erster Ball, und du hast recht daran getan, dich zu amüsieren. Doch berichte weiter.«
In aller Ausführlichkeit schilderte Laura nun die Garderoben der Damen, nannte die Gäste und fügte zum Schluss hinzu: »Ihr habt mir gefehlt, Circe. Ohne Euch war das Fest nur halb so schön. Aber ich war nicht die Einzige, die Euch vermisst hat. Ein Baron aus Florenz, mein Tischherr Alvaro del Gerez, hat sich sehr interessiert nach Euch erkundigt.«
»Was hat er gefragt?« Die Stimme Circes da Volterra klang plötzlich schrill vor Anspannung. Auch ihr Körper war gestreckt wie eine gespannte Saite. Sie war sogar ein wenig auf ihrem Sitz nach vorn geschnellt.
»Was habt Ihr denn? Er hat mir Komplimente gemacht, und als ich sagte, dass mein Gesang Euer Werk gewesen sei, hat er mir einen Ring gegeben.«
Sie nestelte an ihrem Kleid herum, dann zog sie den Ring, den der Baron ihr für Circe gegeben hatte, hervor und reichte ihn ihr.
Circe nahm ihn, betrachtete ihn, dann warf sie ihn auf den Tisch, als wäre er aus glühendem Eisen. Ihr Gesicht war aschfahl, Schweißperlen bedeckten ihre Stirn, als hätte ein Fieber sie befallen. Ihr Atem ging hastig und stoßweise. Sie hatte beide Hände auf ihre Brust gepresst und wirkte so gequält, dass Laura hastig aufsprang und nach einem Becher Wasser lief.
Gierig trank die Lehrerin das kühle Wasser, dann sank sie gegen die Lehne des gepolsterten Stuhls und schöpfte tief Luft. Nur langsam beruhigte sie sich.
»Was hast du ihm über mich erzählt?«, fragte sie.
»Was soll ich schon gesagt haben? Ich weiß nicht viel über Euch. Nur, dass Ihr früher selbst einmal Kurtisane gewesen seid.«
»Weiß er, wo wir wohnen?«
Laura schüttelte den Kopf. »Nein, er wollte uns zwar seine Aufwartung machen, doch die Geschäfte ließen ihm dazu keine Zeit. Aber es ist doch ein Leichtes, in einer Stadt wie Siena unser Haus zu finden.«
Sie lachte, und ein wenig Stolz schwang in diesem Lachen mit. »Wir sind bekannt wie bunte Hunde. Jeder hier weiß, wo und wie wir leben.«
Doch Circe ließ sich von dem Lachen nicht anstecken. Noch immer war sie unnatürlich bleich. Ihre Hände zitterten, als sie erneut nach dem Wasserbecher griff.
»Ich habe es geahnt«, murmelte sie leise vor sich hin. »Ich habe es geahnt.«
Sie bemerkte Lauras fragenden Blick, dann sagte sie ernst: »Ich habe Alvaro del Gerez in meinem früheren Leben schon einmal getroffen.«
Mit diesen Worten stand sie auf und verließ, leicht schwankend und sich an der Wand stützend, den kleinen Salon.
Laura blieb ratlos zurück und blickte auf den Ring, der noch immer auf dem Tisch lag.
Unterdessen hatte sich Angelo da Matranga ein wenig erholt. Das Schmerzpulver zeigte seine Wirkung. Gerade war er dabei, ein leichtes Frühstück zu sich zu nehmen, als ein Besucher gemeldet wurde.
Gleich darauf polterte der Bischof in den Raum: »Guten Morgen, Visconte«, dröhnte er aufgeräumt. Seine rote Nase verriet, dass er dem Wein am Vorabend sehr zugesprochen haben musste.
»Was gibt es, mein Freund?«, fragte Angelo freundlich und lud den Bischof zu einem zweiten Frühstück ein. Der ließ sich nicht lange bitten und langte kräftig zu.
Als er fürs Erste gesättigt war, kniff er die Augen leicht zusammen und betrachtete den Visconte mit Kennermiene.
»Diese Laura ist ein Prachtstück. Kein Wunder, dass Eure Gattin, die verehrte Viscontessa, Gift und Galle spuckt.«
»Wie kommt Ihr darauf?«, fragte Angelo mit Unschuldsmiene.
Der Bischof lehnte sich zurück. »Ihr wisst, ich darf nichts ausplaudern, was mir die Schäfchen meiner Gemeinde anvertrauen. Selbst, wenn sie es außerhalb des Beichtstuhles tun.«
»Natürlich weiß ich das.«
»Wie steht es aber, wenn mir etwas anvertraut wird, das einem anderen Schaden zufügen könnte? Darf ich dann sprechen? Oder bin ich noch immer an mein Schweigegelöbnis gebunden? Ich frage Euch dies als Herrscher über die Republik Siena. Und als meinen Freund.«
»Ein schwieriges Problem, Bischof. Lasst mich überlegen. Wenn das, was Ihr gehört habt, der Republik Schaden zufügen kann, dann seid Ihr – so meine ich – als Bürger dieser Republik dazu verpflichtet, Siena davor zu bewahren.«
Der Bischof nickte. »Genau der Meinung bin ich auch. Und deshalb sage ich Euch hiermit als Sohn der Republik und als Eurer Freund, dass Beatrice vorhat, Euren Sohn, Orazio heißt er wohl, in ein Kloster zu geben. Das allein wäre noch nicht schlimm, schlimm aber ist, dass sie sich für das Dominikanerkloster in Florenz entschieden hat. Ihr wisst, was es bedeuten könnte, den eigenen Sohn in den Mauern der Feinde zu wissen?«
»Was? Was sagt Ihr da? Ist Beatrice verrückt geworden?«
Der Bischof zuckte mit den Schultern. »Ich habe keine Ahnung. Fast fünfzig Jahre bin ich inzwischen, und noch immer weiß ich nicht um den Unterschied zwischen einem verrückten und einem normalen Weib. Auf irgendeine Art und Weise ist doch ein jedes Frauenzimmer verrückt.«
»Gott im Himmel«, fluchte der Visconte und schlug auf den Tisch, dass das Geschirr in die Höhe hüpfte. Der Bischof nickte anerkennend.
»Gott im Himmel, dieses verfluchte Weib! Weiß sie nicht, dass sie damit unseren Feinden Tür und Tor öffnet?«
»Doch, mein Lieber, das weiß ich sehr wohl.«
Die beiden Männer hatten nicht bemerkt, dass Beatrice den Raum betreten hatte.
»Was ist in dich gefahren?«, herrschte Angelo da Matranga sie an.
»Nun, du hast nicht nur zugelassen, dass die Sünde sich in dieser Stadt einrichtet, nein, du hast ihr sogar ein Haus gekauft, damit sie sich häuslich niederlassen kann. In Florenz, so bestätigte mir gestern Alvaro del Gerez, sei solch eine Schande undenkbar. Ich habe gesehen, wie diese Dirne gestern versucht hat, meinen Sohn zu verderben. Meinen Mann hat sie schon in ihren Bann gezogen, meinen Sohn aber bekommt sie nicht. Er geht nach Florenz zu den Dominikanern.«
Fassungslos sah der Visconte seine Frau an. Der Bischof, der Unheil witterte, verabschiedete sich rasch. Er würde es niemals zugeben, aber im Grunde hatte er Angst vor Frauen. Sie waren für ihn unberechenbare Wesen, bei denen man niemals sicher sein konnte, was sie in der nächsten Minute taten. Wenn er glaubte, einen Scherz gemacht zu haben, so brachen sie in Tränen aus, wollte er ihnen schmeicheln, so lachten sie mit aufgeplusterten Wangen, oder, das Schlimmste für den Bischof, sie fingen an zu keifen und zu streiten.
»Orazio wird nicht nach Florenz gehen. Ich verbiete es. Er ist der einzige Sohn und somit mein Erbe. Es gibt keinen Anlass, dass er die Laufbahn des Geistlichen einschlägt.«
Beatrice zuckte die Achseln und lächelte triumphierend. »Ich weiß nicht, wie du es verhindern wolltest. Er ist siebzehn Jahre alt und darf selbst entscheiden. Nun, und er hat sich für ein Leben in Tugend entschieden. Wenn du allerdings die Tugend in unserem Hause und in der Stadt wiederherstellen würdest, so ließe er möglicherweise noch einmal mit sich reden.«
»Mit anderen Worten, du stellst mich vor die Wahl: Entweder ich gebe Laura auf – wahrscheinlich wäre es dir am liebsten, ich jagte sie eigenhändig aus der Stadt -, oder ich verliere meinen Sohn an Florenz und in der Folge womöglich für immer die Chance um die Vorherrschaft in der Toskana. Du versuchst Gott, liebste Beatrice.«
»Ich? Pah! Ich höre wohl nicht richtig?«
»Doch, du hast durchaus richtig gehört: Du setzt den Frieden der Republik aufs Spiel, nur um deiner Eifersucht Genüge zu tun. Das, meine Liebe, wird dir einen Platz in der Hölle einbringen.«
»Ph!«
Beatrice strafte ihren Gatten mit einem abfälligen Blick, dann hob sie die schwarzen, freudlosen Röcke und rauschte zur Tür hinaus.
Angelo da Matranga aber blieb seufzend zurück. Zum ersten Mal überkam ihn die Ahnung, dass seine große Liebe zu Laura einen Preis hatte.
Nun, im Grunde hatte er sich nie viel aus seinem Sohn gemacht. Orazio schlug ganz nach seiner Mutter. Er war so hager, dass seine harten, spitzen Knochen scheinbar durch die Haut stießen. Dazu war er stets ein wenig kränklich, saß am liebsten vor dem Kamin und starrte freudlos in die Flammen. Begab er sich doch einmal außer Haus, dann folgte er meist seiner Mutter zu einem Gottesdienst oder begleitete sie auf ihren wohltätigen Gängen. Angelo da Matranga liebte Orazio, keine Frage. Doch er konnte mit ihm ungefähr so viel anfangen wie ein Freudenhaus mit einer Nonne.
Wieder seufzte er. Was sollte er tun? Nichts als Ärger hatte er am Hals. Doch dann erinnerte er sich plötzlich daran, wie sich Orazio verändert hatte, als er Laura zum Tanz geführt hatte. Sein bleiches Gesicht hatte Farbe bekommen, die Augen Glanz, und seine ganze Gestalt hatte weniger kantig und spitz gewirkt. Doch was half ihm, dem Visconte und Geliebten Lauras, dass sein Sohn ebenfalls von ihr bezaubert war? Im schlimmsten Fall gäbe es eine weitere Schieflage des Haussegens, wenn sich der Junge noch in sie verliebte.
Auch aus diesem Grunde hatte er nicht wirklich etwas dagegen, dass Orazio die Laufbahn eines Geistlichen einschlagen wollte. Als Bürgermeister und Herrscher über die Republik Siena war er denkbar ungeeignet. Aber mussten es ausgerechnet die Dominikaner in Florenz sein? Gab es denn hier in der Nähe keine Orden, die seinem Geschmack entsprachen? Was war mit den Antonitern? Soviel Angelo da Matranga wusste, hatten sie ganz in der Nähe ein Kloster. Er musste noch einmal gründlich über die Angelegenheit nachdenken. Aber wer sollte ihn dann beerben? Wer sein Lebenswerk fortsetzen und Siena zur Vorherrschaft über die Toskana bringen?
»Hmmm.« Der Visconte kratzte sich nachdenklich am Kinn und sann über eine Lösung nach. Als er nach einer Stunde noch immer keinen Einfall hatte, machte er sich auf den Weg zu Laura. Sie würde ihn gewiss auf andere Gedanken bringen. Und wer weiß, vielleicht hatte sie sogar einen Rat für ihn.
Den Schmerz in seinem Rücken und die wehen Knochen hatte Angelo da Matranga bei der Aussicht, Laura schon so bald wieder zu sehen, vollkommen vergessen.