13
Der Sternenhimmel war das Dach in dem riesigen, halboffenen Innenhof des Hotels. Ein milder warmer Wind fiel vom greifbar nahen Pazifik herein. Der trotz aller amerikanischen Perfektion spürbare Zauber der Exotik blieb auch auf Finleys Gemüt nicht ohne Wirkung. Er setzte sich an die runde Bartheke, hinter der die garantiert schönsten Hawaii-Mädchen – wie der Hotel-Manager immer beteuerte – die bunten Cocktails mixten, studierte die Barkarte, las blumige Namen aus der Sprache der Polynesier, betrachtete einige Abbildungen (mit einem Cocktail wurde sogar ein langer, aus Holz geschnitzter Rückenkratzer serviert) und entschloß sich endlich, willkürlich eines der geheimnisvollen Getränke zu bestellen. Da hörte er hinter seinem Rücken eine helle Stimme:
»Wenn Sie weißen Rum und exotische Fruchtsäfte mögen, nehmen Sie einen Mai-Tai. Die meisten Fremden fangen damit an und lernen so zunächst mit der Zunge die Zauberkräfte unserer Welt kennen.«
Finley brauchte sich nicht umzudrehen, um zu wissen, wer hinter ihm stand. Er nickte in die Barkarte hinein, blickte dann hoch zu dem verführerisch lächelnden Barmädchen mit schwarzleuchtenden Augen und den roten Frangipani-Blüten im schulterlangen Haar und sagte:
»Zweimal Mai-Tai!« Erst dann drehte er sich um und fügte hinzu: »Ich darf Sie doch als Dank für diesen Tip zu einem Glas einladen?«
Nuki-na-mu neigte den schmalen Kopf, setzte sich neben Finley auf einen Barstuhl und ließ aus dem Schlitz des engen Kleides ihre langen, schlanken, braunen Beine sehen. Das Oberteil des Kleides verbarg jene spitz zulaufenden Rundungen, an denen ein männlicher Blick besonders intensiv verweilt. Bei aller Schüchternheit reagierte auch Finley nicht anders als andere Männer. Auch sein Blick glitt mit deutlicher Bewunderung über Nuki-na-mu.
»Sie sind zum erstenmal in Waikiki?« fragte sie. Ihre helle, etwas singende Stimme erinnerte ihn an einen Film, den er vor Jahren gesehen hatte und in dem der Hauptdarsteller die fremde Schönheit ›Mein Vögelchen‹ genannt hatte.
»Ja und nein!« sagte Finley. »Ja – weil ich ein paarmal in Honolulu Station gemacht habe. Nein, weil es mein erster richtiger Urlaub ist.«
»Und Waikiki gefällt Ihnen?«
»Das weiß ich noch nicht. Ich bin eben erst angekommen.« Der Mai-Tai wurde serviert und war mit Frangipanis garniert. Ihr betörend süßlicher Duft war das erste, was er wahrnahm, als er das Glas hochhob und mit den Lippen nach dem Strohhalm angelte. »Wenn hier alles so zauberhaft ist wie diese Blüte …«
»Waikiki ist eine Industrie geworden.« Sie nippte an dem Cocktail und warf einen langen Blick über den Glasrand zu Finley. »Ich weiß nicht, wieviel Hunderttausende jedes Jahr in den Hotelburgen wohnen und sich in den durchaus nicht sauberen Sand legen. Aber Hawaii ist das nicht.«
»Wo ist das echte Hawaii?«
»Es gibt einsame Küsten, Buchten zwischen Felsen, Sandstrände wie vor Hunderten von Jahren – aber dahin fährt kein Touristenbus, kein Taxi, kein Jeep. Man muß die letzten Paradiese kennen.«
»Sie kennen die letzten Paradiese?«
»Einige. Die Nanakuli Beach. Ein Strandstück bei Kawailoa. Eine Felsenbucht bei Ohiki-Lolo …«
»Das klingt wie eine geheimnisvolle Musik«, sagte Finley. »Ohiki-Lolo … Kawailoa … Wer solche Namen hat, muß einfach schön sein …«
»Ich heiße Nuki-na-mu.«
»Das klingt wundervoll. Wie nüchtern wirkt dagegen James Finley.«
»Zwei Welten, James. Aber jede für sich ist interessant.«
»Ihre bestimmt. Wie redet man Sie an?«
»Sie können einfach Nuki sagen.« Sie schenkte ihm ein Lächeln, das rätselhaft in ihm zu brennen begann. Nuki-na-mu, dachte er. Wie könnte sie anders heißen? Das ist ein Zauberwort, so unwirklich schön wie sie selbst. Nuki – man kann es singen oder mit angehaltenem Atem flüstern. Nuki … das ist der süße Duft von Frangipani.
»Wie lange haben Sie Urlaub, James?«
»Eine Woche.«
»Unmöglich.«
»Was ist daran unmöglich?«
»Wie kann man Sie eine Woche lang nach Hawaii schicken, wo ein ganzes Leben nicht ausreicht, um auch nur einen Teil der Schönheit zu erfassen. Eine Woche … das ist ja fast eine Folter. Ehe Sie etwas davon ahnen können, müssen Sie schon wieder weg. Was wollen Sie in einer Woche auf Oahu tun?«
»Ich dachte an Schwimmen, Faulenzen, Essen, Trinken und Nachdenken.«
»Worüber nachdenken, James?«
»Ach Gott, Nuki …« Finley sog wieder an seinem Strohhalm und genoß den Mai-Tai. »In einem Menschenleben gibt es eine ganze Menge, über die man nachdenken kann und nachdenken sollte.«
»Sie sind Philosoph, James?« Ihr Vogelstimmchen hatte einen jubelnden Klang.
»Alles – nur das nicht, Nuki!« Finley lachte trocken. »Aber man kommt ins Grübeln, wenn man allein ist.«
»Sie sind doch nicht allein.«
»Völlig allein.«
»Sie übersehen mich einfach?«
Finley atmete tief. Plötzlich spürte er, wie sein Herz das Blut durch die Adern pumpte. »Wenn Sie es so betrachten, Nuki …« Er sah sie groß an. »Sagen Sie jetzt nicht, Sie seien auch allein.«
»Warum nicht?«
»Weil es unglaubwürdig wäre. Eher stürzt der Niagara den Felsen hinauf. Eine Frau wie Sie kann nicht allein sein.«
»Das stimmt.« Sie warf wieder ein Lächeln über ihn. »Ich bin in Begleitung eines James Finley. Beruf Philosoph …«
»Irrtum! Beruf: Zoologe, Meeresbiologe und Tierpsychologe.«
»Nein!« Ihre leicht geschlitzten schwarzen Augen starrten ihn an. »Sie dressieren Löwen und Tiger?«
»Etwas weniger bissig. Ich arbeite mit Delphinen.«
»Das habe ich gesehen!« rief Nuki-na-mu begeistert und klatschte in die Hände. »Im Fernsehen und hier im Aquarium. Es war so lustig.« Sie wurde wieder ernster und betrachtete Finley mit forschenden Blicken. »Sie trainieren solche Delphine, James?«
»So ähnlich.«
»Was heißt das?«
»Das kann man nicht so bei einem Mai-Tai erklären, Nuki«, wich Finley aus. »Trinken wir noch einen?«
»Hier an der Bar?«
»Wissen Sie einen schöneren Platz?«
»Haben Sie einen Wagen?«
»Einen Leihwagen …«
»Es gibt da ein kleines, wunderschönes Lokal an den Korallenriffen von Kupikipikio Point …«
»Welch ein Wort! Wie heißt das Lokal?«
»Kupikipikio …« Ihr helles Lachen schnitt tief in sein Herz. Um sich vor der Verführung zu retten, bemühte sich Finley, intensiv an Helen zu denken. Aber es gelang ihm nicht recht. Nuki-na-mus Gegenwart war stärker. »Sprechen Sie es nach, James.«
»Das wird mir nie gelingen. Aber, zum Teufel – wir fahren hin. Jetzt gleich!«
»Warum zum Teufel?!«
»Ich wollte eine Woche lang grübeln, Nuki. Jetzt wird es anders. Jetzt will ich eine Woche lang Schönheit tanken. Helfen Sie mir dabei?!«
»Nur, weil Sie so traurige Augen haben, James.«
»In Kupikikinupi – verdammt mit diesem Wort! – werden meine Augen lachen.« Finley schwang sich vom Barhocker, unterschrieb die Rechnung mit seinem Namen und seiner Zimmernummer und sah genießerisch zu, wie sich Nuki schlangengleich von ihrem Sitz gleiten ließ. »Können wir?«
»Wir können!«
Als sei es selbstverständlich, hakte sich Nuki-na-mu bei Finley unter und schwebte an seiner Seite durch den großen Innenhof hinüber zu der von einem künstlichen Bach umspülten Freitreppe, die als Seitenausgang diente und zu den Parkplätzen führte. Ein dicker Portier in weißer Uniform grüßte ehrerbietig, als sie an ihm vorbeigingen und den Hotelkomplex verließen.
An einem Tisch im Innenhof, zwischen blühenden Büschen, erhob sich der Sowjetspion Tulajew, nachdem Finley mit Nuki-na-mu die Bar verlassen hatte. Er reckte sich ein wenig, strich sich mit beiden Händen über das Gesicht und war zufrieden. Nur noch eine Frage der Zeit konnte es sein, bis man erfuhr, was die dreißig Spezialwagen mit Delphinen auf der Insel Wake machten, welche Aufgabe sie hatten. Auf Nuki-na-mu war Verlaß; sie hatte im Bett auch die Zeichnung neuer amerikanischer Sprengköpfe für Boden-Luft-Raketen beschafft.
In einem kleinen Zimmer des Gasthauses bei den Korallenriffen von Kupikipikio, umrauscht von der Brandung des Pazifiks und willenlos geworden durch Nukis Körper und ihr singendes Flüstern, durchlebte Finley einen erotischen Rausch, der ihn völlig von seiner bisherigen Welt entfernte. Vor allem begriff er nicht, daß ausgerechnet ihm so etwas widerfuhr … diese Leidenschaft, diese Ekstase. Und damit sie sich nicht so schnell wieder in den Alltag verlor, umklammerte er diese schönste Frau der Welt mit Armen und Beinen und wünschte sich, sie für immer in sich aufzunehmen.
In dieser Nacht sprach man nicht von Delphinen …
Sergeant Ted Farrow, der einsame Mann in der Stahlkugel, noch vor kurzem 250 Meter tief im Meer nur von den Delphinen versorgt, in seiner ›Überwasserzeit‹ Betreuer von zwei Sea-Lords-Kompanien, war trotz Urlaubsstimmung in einer vernünftigeren Verfassung als Dr. Finley. Für Farrow war dies schon der zweite Honolulu-Urlaub seit seiner Ankunft auf Wake. Wer tagelang unter Wasser auf Horchposten hängt, hat ein Recht darauf, beim Urlaub bevorzugt zu werden.
Ted hatte bereits beim ersten Ausflug nach Waimea Bay, wo die höchsten Wellen von Hawaii sein sollten, auf denen man haushoch reiten kann, unverschämtes Glück: Im Pupukea Beach Park lernte er Yumahana kennen.
Yumahana, zwanzig Jahre alt, war die Tochter eines armen Fischers von Mahuka und verkaufte im Beach Park aus einem von ihr selbst gezogenen Kühlhandwagen vier verschiedene Sorten Eis. Sie trug eine weiße Uniform, hatte das lange schwarze Haar hochgesteckt, die vollen Lippen rot geschminkt und hinter ihr linkes Ohr eine Orchidee gesteckt. Wenn sie mit großen, braunschwarzen Kulleraugen die Mitmenschen anschaute, war noch soviel Kindhaftes an ihr, daß Ted Farrow sofort den Drang verspürte, sie gegenüber einigen herzlosen Kameraden von der Marine und von der Army zu beschützen.
Während Yumahana den schweren Eiskarren mühsam durch den Sand- und Kiesboden zog und die Gruppen der herumliegenden Badegäste abging, beobachtete Ted, wie die Kerle das Mädchen mit eindeutigen Angeboten bedrängten, ihr unflätige Bemerkungen nachriefen oder sie sogar unzüchtig befummeln wollten. Da erhob er sich von seinem Badelaken und ging hinüber zu dem Eiskarren. Gerade hatte ein Bursche von der Marine dem Mädchen den Weg verstellt und wedelte mit einem Einhundertdollarschein vor ihrer Nase herum.
»Ich kauf dir den ganzen Rotz ab«, sagte der Kerl frech und grinste breit. »Alles! Wenn du mit mir hinter die Büsche gehst …«
Ted Farrow trat näher, nahm dem Mariner die Hundertdollarnote ab, spuckte drauf und klebte ihm den Schein mit einem patschenden Handschlag auf die Augen. Sofort schlug der Kerl zurück – aber wer Farrow kannte, der wußte, daß er unter anderem auch in Kung Fu ausgebildet war und sich gegen jeden Angriff zu wehren wußte. Der Schlag fuhr deshalb auch ins Leere. Der Tritt indessen, den der Mariner gegen die Brust erhielt, schleuderte ihn meterweit durch die Gegend und nahm ihm völlig die Luft weg.
»Bleib liegen, Boy«, sagte Farrow ruhig, als der Mariner Anstalten machte, sich aufzurichten. »Beim zweiten Knock hast du's Gesicht nach hinten, beim dritten beißt du dich selbst in den Arsch. Überleg es dir!«
Der Mariner verzichtete auf solche Experimente, kroch davon und rannte dann zu einer Gruppe anderer Mariner.
»Das hätten Sie nicht tun dürfen, Sir«, sagte das Eismädchen stockend. »Das wird Sie Ihre Gesundheit kosten. Verschwinden Sie so schnell wie möglich.«
»Erstens bin ich kein Sir, sondern Ted, zweitens habe ich keine Angst, und drittens finde ich es toll, daß du so Angst um mich hast. Wie heißt du?«
»Yumahana … Sir … Ted … du mußt flüchten! Sie kommen!«
Farrow wandte sich um. Vom Strand her marschierten fünf stämmige Burschen heran, in der Mitte der Mariner, der die Hundertdollarnote gezückt hatte. Die hochgezogenen Schultern und die eingezogenen, kurzgeschorenen Köpfe verkündeten ohne Worte, was da passieren sollte.
»Nur die Ruhe bewahren, Yumahana«, sagte Farrow freundlich. »Schlimmstenfalls brauchen wir dein Eis nachher nicht zum Lutschen, sondern zum Kühlen.« Er lächelte sie an. »Hast du schon mal gesehen, wie man aus fünf Männern einen dicken Seemannsknoten macht? Man flicht sie einfach ineinander.«
Die fünf schwärmten aus, bildeten einen Halbkreis und rückten weiter auf Ted Farrow vor. »Jetzt machen wir deine große Fresse ganz klein«, sagte der Mariner von vorhin. »Weißt du, wie ein Regenwurm in der Wüste aussieht? Genauso, wie du in ein paar Minuten!«
Ted Farrow nickte, sprang plötzlich hoch, schwebte waagerecht durch die Luft und traf mit aller Wucht den ersten Angreifer. Es war so gut gezielt, daß von dem Aufprall auch der zweite umfiel, und ehe sich die anderen von der Schrecksekunde erholt hatten, krachten zwei Handkanten gegen zwei Schädel und löschten für eine Weile das Bewußtsein aus. Übrig blieb der Wortführer, dem jetzt die Augen aus den Höhlen quollen.
»O Gott, was siehst du dämlich aus!« sagte Farrow genußvoll. »Du brauchst ein anderes Gesicht.«
Mit den flachen Händen, aber mit unvorstellbarer Kraft schlug er dem Mariner auf die Backen und trieb ihn so ein paar Meter weiter. Nach fünf Doppelohrfeigen setzte Farrow einen Punch genau auf das Kinn des Gegners und hatte Ruhe.
»Komm, Yumahana«, sagte er ruhig. »Wir wechseln den Standplatz. Hier ist die Kundschaft nicht mehr zahlungsfähig.«
Er spannte sich in die Lederriemen der Eiskarre und zog sie weiter die Beach hinauf. Yumahana folgte ihm, sich immer wieder umblickend, aber keiner der Mariner kam ihnen nach. Erst mehr als hundert Meter weiter hielt Farrow bei einem Lager von Wellenreitern die Karre an.
»Jetzt ein dickes Eis für zwei Dollar«, sagte er lachend. »Für mich! Schokolade, Pistazien und Maracuja. – Mädchen, ist das ein schöner Tag!«
So lernte Ted Yumahana kennen. Am Abend saß er bei ihren Eltern in der alten, mit Palmstroh gedeckten Fischerhütte, aß gegrillten Fisch und trank Bier. Nach dem Essen zogen sich die Alten zurück. Farrow sah, daß sie hinüber zu den Nachbarn gingen. Sie überließen die Hütte ihrer Tochter und dem, was nach ihrer Ansicht folgen mußte.
Zum erstenmal seit langer Zeit wurde Ted verlegen. Er sah Yumahanas weite, ängstliche Augen und schüttelte den Kopf.
»Nein, mein Mädchen, so nicht!« sagte er mit belegter Stimme. »So brauchst du bei mir nicht zu bezahlen. Verdammt, ich will dich haben, aber nicht als lebenden Scheck. Hör mal zu: Wenn du mich nicht magst, mach die Tür auf. Ich gehe sofort!«
Yumahana nickte stumm. Sie erhob sich von dem niedrigen Stuhl, ging zur Tür und verriegelte sie. Dann kam sie zu Farrow zurück, kniete sich vor ihm nieder und legte ihren Kopf in seinen Schoß.
Von dieser Stunde an hatte sich das Leben des Sergeanten Ted Farrow verändert.
Er wußte jetzt ganz genau, wie sein ferneres Dasein verlaufen würde: Nach Abschluß der Experimente auf der Wake-Insel, wenn wieder ein normaler Dienst begann, würde er zu Yumahanas Eltern sagen: »Hört mal, ich möchte Yuma heiraten. Nein, das ist kein Witz. Ich liebe sie! Sie soll nicht ihr ganzes Leben lang Eis verkaufen oder sich von den geilen Kerlen antatschen lassen. Daß ihr arme Fischer seid, dafür könnt ihr nicht – aber ihr habt einen Engel geboren, und dafür bin ich euch ewig dankbar. Ich weiß noch nicht, wohin ich komme – ob zurück nach San Diego oder auf eine andere Insel in diesem gottverdammten Pazifik. Vielleicht schickt man mich sogar nach Old Europe … Was soll's, liebe Leute? Ich nehme Yumahana überall mit hin – als meine Frau!«
Das war das Ziel, von dem Ted träumte, und er träumte davon in den zärtlichen Armen von Yumahana. Die Eltern brachten ihm frische Fische und Krebse, kochten köstliche Fischsuppen, buken abenteuerliche Kuchen, garten auf heißen Steinen Schweinebraten und freuten sich über das Glück ihrer schönen Tochter.
Einen Navy-Sergeanten hatte sie! Welch ein Geschenk des Himmels! Wenn er sie wirklich heiratete, war man alle Sorgen los.
So kam es, daß Ted Farrow nicht auf der Liste von Leonid Fedorowitsch Tulajew stand, er bezog ja nicht, wie die anderen, ein Zimmer in Waikiki, sondern lebte in der Fischerhütte bei Mahuka und fuhr mit dem knochigen Alten frühmorgens hinaus zum Fischfang oder holte nachts, im Licht eines stark strahlenden Scheinwerfers, die Hummer aus den Klippen.
Weil Ted seiner Yumahana einmal einen Tanzabend in Waikiki gönnen wollte und mit ihr zum Sheraton Waikiki fuhr, sah er zufällig auch Dr. Finley. Finley war in Begleitung einer atemberaubenden Frau, wie Farrow sachkundig feststellte. Einer Halbasiatin mit geradezu göttlichen Maßen. Was Farrow dagegen nicht gefiel, war die merkwürdige Verwandlung Finleys.
Der sonst so besonnene, zurückhaltende, ziemlich verklemmte Wissenschaftler bestellte den teuersten französischen Champagner, versuchte beim Tanzen Fred Astair nachzueifern und wirkte wie ein leidenschaftlicher Liebesnarr, den der Körper dieser Frau völlig um den Verstand gebracht hatte.
Farrow, der mit Yumahana in einer Ecke des Saales saß, war plötzlich nachdenklich. »Was hast du?« fragte Yumahana.
»Ich wundere mich«, brummte Farrow.
»Über mich?«
»Nein. Siehst du den langen Burschen da, den mit der schönen Frau in dem geschlitzten Kleid?«
»Ja, Ted.«
»Den kenne ich. Der hat sonst nichts im Kopf als die Schwingungen und Tonfärbungen der Delphinsprache.«
»Was hat er, Ted?«
Farrow winkte ab. »Das verstehst du nicht, Schatz. Jedenfalls hüpft er jetzt auf einmal rum wie ein geimpfter Frosch. Sieh dir das an!«
»Er ist verliebt. Sie ist eine wunderschöne Frau.« Yumahana beobachtete Nuki-na-mu und lehnte sich an Farrow. »Viel schöner als ich.«
»Blödsinn! Du bist die Schönste. Wenn ich dir in die Augen sehe, weiß ich, was du denkst. Bis ins Herz kann ich dir sehen. Bei der da ginge das nicht. Verdammt, für Finley ist sie gefährlich …«
»Wer ist Finley?«
»Der Mann da. Ein Genie, Yuma. Aber wenn er einer Frau begegnet, wird er weich wie Knetgummi.« Farrow kratzte sich den kurzgeschorenen Kopf und trank einen Schluck von seinem Wein. »Wenn der an dieser asiatischen Katze kleben bleibt – du lieber Himmel!«
»Es sind ja nur noch zwei Tage. Wie bei dir, Ted.«
»Ich komme wieder. Bin ich nicht wiedergekommen?«
»Ja, Ted.«
»Und du bist immer da. Aber wenn Finley das nächstemal kommt, ist seine Flamme weg oder sie macht ihn so verrückt, daß er zu nichts mehr taugt.«
»Geht dich das etwas an?«
Farrow sah seiner Yumahana verblüfft in die Augen, mußte ihr recht geben und schüttelte den Kopf.
»Eigentlich nicht. Das stimmt.«
»Dann laß ihn machen, was er will, wenn er glücklich dabei wird …«
Gegen Morgen fuhren sie zurück zu Yumahanas Eltern in die Fischerhütte am Strand und vergaßen Finley und seine wunderschöne Frau.
Drei Tage später flog die Urlaubsmannschaft zurück nach Wake. Man traf sich am Rollfeld der in der weiten Bucht von Pearl Harbour liegenden Ford-Insel, eines absoluten Sperrgebietes der Navy, und begrüßte sich grinsend. Die meisten hingen blaß und schwach in ihren Uniformen, hatten kaum geschlafen und waren erholungsbedürftiger als vorher. Eine Woche Honolulu, das zehrt aus bis auf die Knochen. Verflucht, haben sie da hübsche Weiber …
Farrow beobachtete Dr. Finley von weitem. Er wirkte nicht so ausgelaugt wie die anderen, aber sein in die Ferne schweifender Blick, als suche er seine schöne Asiatin in jeder Wolke, stempelte auch ihn zum Opfer der Waikikinächte.
»Na, wie war's, Ted?« fragte Finley später, als er neben Farrow in der Maschine saß. Farrow hatte es so arrangiert.
»Schön wie immer, Sir.« Ted grinste. »Beim nächsten Urlaub werde ich mich verloben.«
»Gratuliere, Ted.«
»Und wie war's bei Ihnen, Sir?«
»Durchwachsen.« Finley lächelte verinnerlicht. »Ich habe mich viel ausgeruht und viel mit unseren Problemen beschäftigt. Wann bekommen Sie wieder Urlaub, Ted?«
»Nach acht Wochen, Sir. Gibt 'ne Sonderregelung bei uns Unterwassermenschen.«
»Ich hoffe, daß wir dann wieder zusammen fliegen. Ich würde mich freuen, Ihre Braut kennenzulernen.«
»Natürlich, Sir!«
Du raffinierter Hund, dachte Farrow zufrieden. Was interessiert dich Yumahana? Zu deinem Kätzchen willst du nur. Bist ja jetzt schon ganz krank, daß du weg mußt von ihr! Hat sie dir's gezeigt, was Leidenschaft ist, was? Das hast du noch nicht gekannt, stimmt's? Ja, diese schlitzäugigen Mischlinge! Die sind auf Vulkanböden aufgewachsen, das merkt man. Da kommst du nicht gegen an, auch wenn du jeden Morgen sechs Eier mit Traubenzucker schluckst.
Beim Rückflug nach Wake tauschten die Männer sehr bildhaft und mit schweren Augenlidern ihre Erlebnisse aus. Finley war froh, als man endlich landete und er allein in seinem Bungalow seine Reisetasche auspacken konnte. Helen war nicht da, sie war mit drei Delphinkompanien auf dem Mutterschiff draußen im Pazifik am Rande des Sperrgebietes.
Finley legte sich auf sein Bett und starrte gegen die blau getünchte Decke. In seinem ledernen Brustbeutel lag ein Zettel, den ihm Nuki-na-mu zum Abschied gegeben hatte:
»Komm zurück. Ich warte immer auf dich. Ich liebe dich.«
Es war ihm, als brenne ihre Schrift durch das Leder, durch die Haut und durch alle Muskeln bis tief in sein Herz.
Über die Funkverbindung zu dem weit vor Wake im Ozean kreuzenden sowjetischen Nachrichtenschiff erfuhr Korvettenkapitän Jakowlew die neueste Entwicklung an Land. Er hatte sich mit seinen drei U-Booten und seinen ›Hechten‹ über zwei Wochen lang still verhalten, lag unerkannt in durchschnittlich 200 Meter Tiefe und wartete ab.
Wie vorhergesehen, beruhigten sich die Amerikaner nach einer Woche und suchten nicht mehr außerhalb des Sperrbezirkes das Meer mit Radar und Sonar ab. Nur gelegentlich flogen sie mit Hubschraubern und Jagdbombern Kontrollen und umkreisten die Primorje.
Jakowlew erfuhr auch, daß es dem KGB gelungen sei, einen der maßgeblichen Forscher auf Wake einzufangen. Man erwarte in den nächsten Wochen genauere Berichte, nach denen sich vielleicht ein neuer Einsatzplan für den Genossen Jakowlew ergeben könnte. Auch Admiral Prassolow meldete sich mit der hämischen Frage, ob sich Iwan Victorowitsch wohl fühle. Jakowlew sah es unter seiner Würde an, darauf zu antworten. Er meldete lediglich zurück: An Bord gute Stimmung. Wir grüßen unsere Heimat!
Im Hawaiian Regent Hotel von Waikiki hatte Tulajew unterdessen eine Aussprache mit Nuki-na-mu. Sie saßen in der Cafeteria des riesigen Innenhofes und tranken Kaffee mit Rum und Schlagsahne. Tulajew, von jeher ein Feinschmecker, genehmigte sich dazu auch noch ein Stück Schokoladentorte, die hier besonders delikat war.
»Einen Mann wie Finley ins Bett zu bekommen, ist keine Kunst«, sagte Leonid Fedorowitsch und spielte mit einer Mokkabohne, die als Dekoration für die Torte gedient hatte. »Nuki, was ist los? Du hast doch bisher immer erfahren, was du wolltest.«
»Auch jetzt!« sagte sie, und ihre Augen verengten sich noch mehr. »Er trainiert Delphine.«
»Das wußte ich schon ohne dich …«
»Er erforscht die Sprache der Delphine.«
»Auf Wake! In einem militärischen Sperrgebiet! Und man schafft die Delphine unter schärfsten Sicherheitsbestimmungen auf die Insel! Alles nur, damit eine Gruppe Wissenschaftler sich daran erfreuen kann, daß piep-piep-hui ›Gib mir einen Hering‹ heißt … Nuki, soviel Phantasie hatten nicht mal eure Märchenerzähler.«
»Es sind wirklich nur Delphine dort, Leonid …«
»Und die Betonklötze, die man an der Lagune montiert? Warum baggert man die Lagune aus? Warum hat man ein Sperrgebiet um Wake geschaffen? Was passiert in dem Sperrgebiet?«
»Es steht alles in meinem Bericht.«
»Da steht gar nichts!« Tulajew kaute ein Stück Torte und sah dabei Nuki-na-mu böse an.
»Finley hat damit nichts zu tun.«
»Natürlich nicht! Aber er weiß, was da experimentiert wird.«
»Er sagt nein.«
»Er lügt!« Tulajew leckte seine Kuchengabel ab. Köstliche Schokolade klebte an ihr. »Finley ist ein härterer Bursche, als ich gedacht habe. Er hat sich eine Woche lang mit dir herrlich vergnügt, aber nicht die Schnauze aufgemacht. Nuki, das war keine Meisterleistung. Wann kommt er wieder?«
»Vielleicht in acht Wochen.«
»Das ist eine lange Zeit.« Tulajew blickte hinaus in den weiten, mit Bäumen und Büschen verzierten Innenhof und hinüber zu der etwas erhöhten Barinsel mit der runden Theke und den lauschigen, blumenumstandenen Tischchen und Stühlen. »Am Sonntag kommt ein neuer Urlaubertransport von Wake herüber. Ein Dr. David Abraham Clark ist dabei, einer aus dem Forscherteam der verdammten Delphine. Er könnte gesprächiger sein.«
»Warum?«
»Er ist ein Neger. Und wenn eine Frau wie du mit einem Schwarzen zusammenprallt – du lieber Himmel, das muß doch zischen wie ein Geysir.«
»Gut, ich übernehme ihn«, sagte Nuki-na-mu kühl. »Wo wohnt er?«
»Es ist für ihn ein Zimmer im Surfrider-Hotel gebucht. Du hast das Zimmer Nummer 376. Er hat 392. Am besten lernt ihr euch beim Surfen kennen. Wenn du mit deinem Brett umkippst, wird er dich aus dem Wasser fischen und dir helfen, wieder hoch zu kommen. Zieh deinen roten Bikini mit den Goldfäden an und verlier das Oberteil, sobald er dich rettet.« Tulajew schluckte wieder ein Stückchen Torte. »Muß man auch das noch alles vorsagen?«
»Nein! Außerdem kommt es aus der Kiste mit den uralten Tricks. Man merkt, Sie sind von mir noch nicht verführt worden, Leonid, das ist es!«
Tulajew hob die Schultern, leckte wieder seine Kuchengabel ab und trank einen Schluck Rum-Kaffee. Sein Verhältnis zu Nuki-na-mu war wirklich nur rein geschäftlich. Er hatte sie von dem Kollegen Tutmarow übernommen, der nach Odessa in Pension gegangen war, nachdem er neunzehn Jahre in Honolulu gelebt hatte. »Sie ist das Beste, was wir im ganzen pazifischen Raum haben«, hatte Tutmarow zu Tulajew gesagt, als dieser den Bezirk übernahm. »Satans Tochter, sage ich dir. Sternenschön, aber auch so unerreichbar, fremd und kalt wie ein Stern. Warum sie für uns gegen die Amerikaner arbeitet? Das alte Schicksal, Leonid Fedorowitsch: Ein Kerl hat sie mit einem Kind sitzen lassen, ein Offizier der Navy, und dann starb das Kind auch noch, als sie in einem Shop einkaufte. Ein Amerikaner, total besoffen, überfuhr den Kleinen. Und wenn Sie wissen, wie solche Frauen hassen können … Also, Genosse, Nuki-na-mu wird Sie nie enttäuschen! Sie erfährt einfach alles …«
»Gehen wir noch einmal alle Fragen durch«, sagte Tulajew. »Auch scheinbar unwichtige Kleinigkeiten sind vielleicht bedeutsame Steinchen im Mosaik der Erkenntnis …«
Mit Helen hatte es Finley in den ersten Tagen nach seiner Rückkehr aus Honolulu sehr schwer. Das heißt: Sie blieb eine Woche draußen auf dem Pazifik, und diese Woche benutzte Finley, um sich über seine Gefühle klar zu werden. Er hatte Helen über alles geliebt – aber nun war Nuki-na-mu in sein Leben getreten, und ihr Zauber eröffnete ihm völlig neue Dimensionen des Gefühls. Ihre Hingabe brannte noch tagelang in ihm, und da nutzte es auch nichts, daß er mit den Delphinen Ronny und Barry und ihren Kompanien in der Lagune schwamm, mit ihnen außerhalb der Riffe immer wieder das Anbringen von Magnetladungen übte oder bei ihnen hockte und ihre Sprache auf Tonbänder aufnahm. Was er auch tat – er spürte leibhaftig die Gegenwart von Nuki-na-mu. Und wenn ein Windstoß über seinen Nacken strich, dehnte er sich wohlig, als hätten ihre Lippen über seinen Rücken getastet.
Mit regelrechter Angst wartete Finley auf Helens Rückkehr. Als sie dann kam mit ihren im Wind flatternden blonden Haaren, in engen Shorts und fast durchsichtiger Bluse, die deutlich erkennen ließ, daß sie keinen BH trug – da hatte er, als sie ihm entgegenlief und ihn wie einen Bruder auf die Wange küßte, keinen Mut mehr, ihr zu sagen: Ich liebe eine Frau auf Honolulu.
Später, dachte er. Später … da wird sich bestimmt eine Gelegenheit ergeben. Sie freut sich jetzt so, da kann ich ihr doch nicht eine Ohrfeige versetzen …
Dr. Clark, der ebenfalls mit dem Delphinschiff zurückkam, setzte sich am Abend zu Finley auf die Terrasse des Clubhauses der Navy-Offiziere und spendierte einen Drink, eine Blue Lady. Helen war noch bei den Delphinen am Bassin; sie beschäftigte sich mit Jimmy und Harry. Die beiden ›Chefs‹ hatten Hervorragendes geleistet: Sie waren zwei Tage und Nächte allein im Pazifik gewesen und hatten ein weites Umfeld abgesucht. Captain Hugh Yenkins hatte am zweiten Tag gesagt: »Die sehen wir nie wieder, Helen. Die sind weg. Wenn die ein Delphinweib erwischt haben …«
»Genau das ist der Unterschied zwischen Mensch und Delphin, Hugh«, hatte Helen geantwortet. »Ihr Menschenmänner dreht bei einer Frau durch – aber Harry und Jimmy werden wiederkommen!«
Und sie kamen wieder. Als Helen und Clark an die Auswertung ihrer umgeschnallten elektronischen Aufzeichnungsgeräte gingen, war ein sofortiges Funkgespräch mit Admiral Crown nötig. Wegen der sowjetischen Primorje wurde es durch einen Zerhacker gejagt und bei Crown wieder zusammengesetzt.
»Etwa hundert Seemeilen vom Sperrgürtel entfernt liegen sowjetische U-Boote«, sagte Clark mit vor Erregung vibrierender Stimme. »Jimmy und Harry haben ihre Geräusche aufgenommen. Es ist eindeutig. Sir, damit ist bewiesen, daß eine Delphinüberwachung ungleich sicherer und präziser ist als jede elektronische Messung.«
»Wenn's stimmt, Dr. Clark«, brummte Crown.
»Sie werden es morgen selbst hören, Sir.«
»Und wo sind die U-Boote?«
»Wir wissen nur: hundert Seemeilen außerhalb der Sperre. Den genauen Standpunkt kennen wir noch nicht.«
»Aha!« rief Crown, froh, einen Fehler zu finden.
»Was heißt aha? Unsere Sicherung und Aufklärung hat nicht mal das vorzuweisen. Wir wissen jetzt, daß ungebetene Gäste in der Nähe sind.«
»Aber wo?«
»In südöstlicher Richtung.«
»So grandios dumm kann nur ein Nichtseemann antworten. Südost auf dem Pazifik, das ist ein Sechstel der Erdkugel!«
»Wir schicken Harry und Jimmy noch einmal hinaus mit einem Positionsmelder«, hatte Clark da kurz gesagt; er wollte mit dem streitbaren Crown nicht diskutieren. »Das wird nächste Woche geschehen, Sir. Bis dahin kann ja die Navy ihre Kunst zeigen.«
Nun saß Clark also mit Finley auf der Terrasse des Offiziers-Clubs und schlürfte seine Blue Lady.
»Am Sonntag bin ich dran mit Waikiki-Urlaub«, sagte er. »Ich werde surfen, daß sich die Masten biegen! Wie war's bei dir, James?«
»Still«, antwortete Finley verschlossen.
»Kein Hula-Mädchen mit rotierendem Unterteil?«
»Das sind eure einzigen Gedanken, was?«
»Ich war in meinem Leben zweimal privat in Honolulu. Einmal bin ich rund um die Insel gefahren und kreuz und quer durchs Land, von den Waimea-Fällen bis zu den unendlichen Ananasfeldern von Dole. Beim zweitenmal kam ich nur bis zur Bar des Imperial Hawaii und ins Bett von Zimmer 645. Da wohnte Leslie Austin, eine Rothaarige mit 102 Oberweite.« Clark schnalzte mit der Zunge. »Das feuerrote Haar auf meiner schwarzen Haut, das war vielleicht ein Anblick …«
»Bist du endlich fertig?« fragte Finley säuerlich. »Flieg nach Waikiki und mime dort den schwarzen Bullen. Eure Weibergeschichten sind zum Kotzen!«
Er wollte aufstehen, aber Clark hielt ihn am Arm fest.
»Vorbei, James! Was Dienstliches: Jimmy und Harry haben draußen sowjetische U-Boote entdeckt. Versteckt auf 200 Meter Tiefe. Nur die genaue Position haben wir noch nicht. Das wird deine Aufgabe sein. Ihr fahrt am Montag wieder hinaus. Ich werde an euch denken, selbst wenn ich in weichen Armen liege.«
»Und Helen? Fliegt sie mit? Sie hat doch längst Urlaub zu beanspruchen.«
»Sie will nicht. Außerdem ist Rawlings der Ansicht, daß sie nicht präsentiert werden sollte.«
»Noch immer Spionenangst?« Finley lächelte breit, als er Clarks ernstes Gesicht sah. »Das ist für euch zu einem Trauma geworden, nicht wahr?«
»Diese Wake-Insel liegt voll im Visier der Sowjets. Die U-Boote da draußen, das Nachrichtenschiff – ich wette jede Summe, daß man auf der anderen Seite alle unsere Namen kennt und auf einen Schwachpunkt bei uns lauert. Denk an den Überfall auf meinen Transporter. Die Delphine geben ihnen Rätsel auf …« Clark musterte Dr. Finley verstohlen. »James, was hast du die ganze Woche über in Waikiki getrieben?«
»Gefaulenzt und gesoffen. Und von Helen geträumt. Ist das nicht genug?«
»Du hast nicht irgendwelche Zufallsbekanntschaften gemacht?«
»Zufallsbekanntschaften? Nein!« Finley blickte an Clark vorbei über die im Abendrot unsagbar schöne Lagune. Nuki-na-mu ist keine Zufallsbekanntschaft, dachte er. Sie ist ein Schicksal. Mein Schicksal … Aber was geht das dich an, David Abraham? Laut sagte er: »Du weißt doch – ich bin wie ein Einsiedlerkrebs.«
Die Auswertung im Computerraum ergab tatsächlich, daß Harry und Jimmy einwandfrei U-Boote geortet hatten. Die von der Elektronik gespeicherten Geräusche waren deutlich – man hörte sogar das Hämmern, als irgendwo im Boot etwas repariert wurde. Dann klirrte es scheppernd – das war, als dem Koch von ›Charlie‹ ein Tablett mit Geschirr aus der Hand rutschte und alles zerschellte. Jakowlew hatte getobt; im Ernstfall war das der Tod des U-Bootes. Trotz vieler Eingaben begriff er nicht, warum man in Moskau nicht einsehen wollte, daß alle U-Boote mit lautlosem Plastikgeschirr ausgerüstet werden mußten. Auch die Offiziersmesse!
Admiral Crown war wie elektrisiert. »Die greifen wir uns, Jungs!« rief er und schlug die Fäuste gegeneinander. »Sie sind zwar im internationalen Gewässer, aber wir zeigen ihnen mal, daß wir keine blinden Arschlöcher sind. Wir lassen sie etwas schaukeln …«
»Warten Sie ab, Sir, bis sie vor der Insel sind!« sagte Clark laut, und alle starrten ihn an. »Sie liegen nicht da draußen, um zu schlafen. Sie werden kommen. Sie ahnen ja nicht, daß wir sie haben. Und sobald sie dann hier sind, ist das Recht, sie zu vernichten, auf unserer Seite.« Er sah Crown groß an. »Sir, es wäre falsch, ihnen jetzt schon zu zeigen, daß wir sie kennen! Machen wir es einmal den Russen nach: Zeit haben. Warten können. Und dann plötzlich zur Stelle sein.«
Man beschloß, so zu handeln und am Montag die neuen Delphinkompanien zur genauen Positionsbestimmung der U-Boote hinauszuschicken. Helen, Dr. Finley und Rawlings begleiteten als Wissenschaftler den Einsatz.
Am Sonntag flog Dr. Clark mit 81 anderen Urlaubern in einem Jumbo hinüber nach Oahu. Nach Pearl Harbour, Honolulu und Waikiki.
Im Surfrider-Hotel, direkt am Strand, hatte Nuki-na-mu ihr Zimmer 376 schon bezogen. Tulajew saß wieder als harmloser Tourist in der Hotelhalle, mit breit gestreifter Hose und buntem Hemd ganz Amerikaner, und las in den ›Honolulu News‹.
Als Clark das Hotel betrat und dem Portier den Schlüssel seines Leihwagens zuwarf, erhob sich Tulajew lässig und ging zu einer Telefonkabine.
»Er ist da!« sagte er zu Nuki-na-mu. »Lang wie ein Basketball-Spieler. Er bewegt sich wie du – wie ein Tier!«
Ehe Nuki-na-mu eine Antwort darauf fand, hängte Tulajew ein.
In seinem Zimmer warf Clark die Reisetasche aufs Bett und ging sofort zum Telefon. Er wählte eine lange Nummer, zog während des Wartens sein Hemd über den Kopf und massierte sich den glänzenden schwarzen Körper. Endlich meldete sich der Teilnehmer.
»Hat aber lange gedauert«, sagte Clark tadelnd. »Hier ist Urväterchen.«
»Hast du mal auf die Uhr geguckt, du Stammeshäuptling?« sagte die andere Stimme. »Bei uns ist jetzt …«
»Deck die Uhr ab! Bei mir ist etwas ganz anderes. Hier im Hotel sitzt, ganz Amerikaner, Kaugummi zwischen den Zähnen, der liebe Leonid Fedorowitsch Tulajew.«
»Nein!«
»Jetzt guck wieder auf die Uhr: Würde ich dich sonst um diese Zeit anrufen?«
»Tulajew in Waikiki! Moskau muß gut bezahlen, wenn er sich solchen Urlaub leisten kann. Was willst du tun, Urväterchen?«
»Ich werde eine Woche lang richtig fröhlich sein!« sagte David Abraham und legte auf.