In der dunklen Ecke neben dem alten Bücherregal saß ein Kind und weinte bitterlich.
Im schwachen Lichtschein, der durchs Fenster fiel, konnte man blonde Locken und die Umrisse des kleinen Körpers erahnen. Bei jedem Schluchzer zuckten die schmalen Schultern.
Vigdís stieg aus ihrem Bett und ging auf das Kind zu, das mit hängendem Kopf auf der Erde kauerte. Sie beugte sich zu ihm hinunter und streckte eine Hand aus.
»Ist ja schon gut … komm her …«, flüsterte sie, »… ich tröste dich.«
Die kleinen Schultern bebten. Das Kind schaute auf und sah Vigdís an. Ihre Nasen berührten sich beinahe.
In dem Moment, als ihre Blicke sich trafen, hatte Vigdís das Gefühl zu erstarren.
Sie fühlte sich plötzlich wie die Gefangene dieses winzigen Wesens.
Die kleinen Augen waren feuerrot und blutunterlaufen, als hätten sie jahrelang geweint. Dieser Blick brannte sich tief in Vigdís’ Kopf. Sie spürte förmlich das Feuer des Zorns, das ihr aus den Tiefen der Kinderseele entgegenloderte.
Was Vigdís in diesen Augen sah, zeugte von unerträglichem Leid, schmerzlicher Einsamkeit und … Eifersucht …?
Sie wäre am liebsten weggerannt, doch sie konnte sich nicht bewegen, war wie gelähmt. Plötzlich riss das Menschlein seinen Mund auf. Es schrie Vigdís mit einer Stimme an, die nicht von dieser Welt war:
»Verrääääääääääter!!!!!!!«