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Einschüchterungstaktiken

Ich ließ mir Zeit mit der Morgentoilette, weil ich erst mal verarbeiten musste, was Finn mir gesagt hatte. Ich fand es wundervoll, dass ihm so viel an mir lag, dass er eifersüchtig war, aber gleichzeitig wusste ich auch, dass das nichts ändern würde. Er würde niemals sein Ehr- und Pflichtgefühl verletzen.

Obwohl ich sehr lange trödelte, kam Finn nicht, um mich zu holen. Schließlich ging ich zu der geschwungenen Treppe und hockte mich auf den Absatz, um auf ihn zu warten. Ich überlegte kurz, ob ich zu seinem Zimmer gehen sollte, aber ich fühlte mich nicht wohl bei dem Gedanken. Außerdem würde er mich wahrscheinlich sofort wegschicken.

Vom oberen Treppenabsatz aus konnte ich die Eingangstür sehen, und zu meiner Überraschung öffnete sie sich ein paar Minuten später und Tove Kroner betrat die Eingangshalle, ohne geklopft oder geläutet zu haben. Er fuhr sich durch sein unordentliches Haar und sah sich um.

»Kann ich dir helfen?«, rief ich. Als Prinzessin musste ich wohl meinen Gastgeberpflichten nachkommen, egal wie verwirrt und überfordert ich mich fühlte.

»Ja. Ich will zu dir.« Er schob sich die Hände in die Hosentaschen und ging zum Fuß der Treppe. Dort blieb er stehen.

»Wieso das denn?« Ich rümpfte die Nase, merkte dann, wie unhöflich meine Entgegnung gewesen war, und schüttelte den Kopf. »Ich meine, was kann ich für dich tun?«

»Ich soll dir helfen«, sagte Tove achselzuckend.

Ich ging langsam die Treppe hinunter und beobachtete, wie sein Blick durch den Raum wanderte. Es schien ihm unangenehm zu sein, mich anzusehen.

In seinem dunklen Haar leuchteten natürliche Glanzlichter, es war lang und lockig und reichte ihm bis knapp über die Schultern. Seine gebräunte Haut hatte den moosgrünen Schimmer, von dem Finn mir erzählt hatte. Niemand sonst hier hatte eine solche Hautfarbe, außer vielleicht seiner Mutter, aber ihr Schimmer war viel schwächer als der von Tove.

»Wobei helfen?«, fragte ich.

»Was?« Er kaute auf seinem Fingernagel herum, schaute mich kurz an und knabberte dann weiter.

»Wobei sollst du mir helfen?«, sagte ich langsam und deutlich. Es klang beinahe herablassend, aber das fiel ihm offenbar nicht auf.

»Oh.« Er ließ seine Hand sinken und starrte ins Leere, als habe er vergessen, warum er hier war. »Ich bin Telepath.«

»Was? Du kannst Gedanken lesen?« Ich erstarrte und versuchte, meine eigenen Gedanken irgendwie zu blocken.

»Nein, nein, natürlich nicht«, winkte er ab, ging ein paar Schritte und bewunderte den Kronleuchter, der von der Decke hing. »Ich spüre Dinge. Und ich kann mit Gedankenkraft Gegenstände bewegen. Gedanken kann ich nicht lesen. Aber ich sehe Auren. Deine ist heute ein bisschen bräunlich.«

»Was bedeutet das?« Ich verschränkte die Arme vor der Brust, als könne ich dadurch meine Aura verbergen. Dabei wusste ich nicht mal genau, was eine Aura eigentlich war.

»Du bist unglücklich.« Tove klang abwesend und schaute mich kurz an. »Normalerweise ist sie orange.«

»Was das bedeutet, weiß ich auch nicht«, sagte ich kopfschüttelnd. »Und wie soll mir das alles nun helfen?«

»Eigentlich gar nicht.« Er blieb stehen und schaute mich an. »Hat Finn dir schon vom Training erzählt?«

»Meinst du das Prinzessinnentraining, das ich gerade mitmache?«

»Nein.« Er kaute auf seiner Wange herum. »Das Training für deine Fähigkeiten. Es beginnt erst nach der Taufe. Es ist ihnen lieber, wenn wir erst nach unserer Anpassungszeremonie wissen, wozu wir fähig sind. Sie haben Angst, wir könnten sonst durchdrehen.« Er seufzte. »Sie mögen uns ruhig und folgsam.«

»Und du bist gerade ruhig und folgsam?« Skeptisch zog ich eine Augenbraue hoch.

»Nein.« Tove starrte ins Leere, drehte sich dann wieder zu mir um und sah mich mit seinen grünen Augen an. »Du schüchterst mich ein.«

»Ich schüchtere dich ein?« Bei dem Gedanken musste ich loslachen. Er schien nicht beleidigt zu sein. »Ich bin doch überhaupt nicht einschüchternd.«

»Hm.« Er sah plötzlich sehr konzentriert aus. »Für die meisten Leute vielleicht nicht. Aber die sehen nicht, was ich sehe, und wissen nicht, was ich weiß.«

»Was weißt du denn?«, fragte ich sanft. Sein Geständnis hatte mich überrascht.

»Haben sie es dir gesagt?« Tove musterte mich wieder.

»Mir was gesagt?«

»Nun, wenn sie es dir nicht gesagt haben, werde ich es mit Sicherheit nicht tun.« Er kratzte sich am Arm, drehte mir den Rücken zu und wanderte durchs Zimmer.

»Ich weiß nicht, was du gerade hier machst, aber es hilft mir nicht im Geringsten«, sagte ich ein bisschen genervt. »Du verwirrst mich nur noch mehr.«

»Verzeihung, Prinzessin.« Tove blieb stehen und verbeugte sich. »Finn hat mich gebeten, mit dir über deine Fähigkeiten zu sprechen. Er weiß, dass dein Training erst nach dem Ball beginnen kann, aber er will, dass du vorbereitet bist.«

»Finn hat dich gebeten, vorbeizukommen?« Mein Herz hämmerte in meiner Brust.

»Ja.« Er legte verwirrt die Stirn in Falten. »Macht dich das traurig?«

»Aber nein«, log ich. Finn hatte Tove wahrscheinlich zu mir geschickt, damit er selbst nicht mit mir reden musste. Er ging mir aus dem Weg.

»Hast du irgendwelche Fragen?«, fragte Tove und kam ein bisschen näher. Wieder fiel mir der schwache grüne Schimmer seiner Haut auf. Bei einem weniger attraktiven Typen hätte das vielleicht gruslig gewirkt, aber ihn machte es nur irgendwie exotisch.

»Unzählige«, seufzte ich. Er legte den Kopf schief. »Du musst ein bisschen genauer werden.«

»Du musst keine Angst haben.« Tove beobachtete mich jetzt, und ich sehnte mich fast nach seiner vorherigen Schüchternheit zurück.

»Ich habe keine Angst.« Ich riss mich von seinem Blick los.

»Ich erkenne, wenn du lügst«, sagte er, die Augen immer noch auf mich geheftet. »Nicht weil ich Telepath bin, sondern weil du echt nicht lügen kannst. Daran solltest du arbeiten. Elora ist eine sehr gute Lügnerin.«

»Ich werde mich bessern«, murmelte ich.

»Das ist wahrscheinlich die richtige Entscheidung.« Tove sprach mit einer entwaffnenden Ernsthaftigkeit. Sein verwirrter Wahnsinn hatte einen ganz eigenen Charme. Er fuhr sich wieder durch sein dichtes Haar, schaute zu Boden und wirkte plötzlich traurig. »Mir gefällst du so eigentlich ganz gut. Ehrlich und überfordert. Aber das würde nicht zu einer Königin passen.«

»Wahrscheinlich nicht«, stimmte ich zu und fühlte mich auf einmal auch ganz melancholisch.

»Ich bin auch ein bisschen durch den Wind, was dir vielleicht aufgefallen ist.« Tove schenkte mir ein kleines, schiefes Lächeln, aber seine grünen Augen blieben traurig. Mit diesen Worten kauerte er sich nieder und hob einen kleinen ovalen Stein vom Boden auf. Er drehte ihn in seiner Hand und starrte darauf. »Es fällt mir sehr schwer, mich länger zu konzentrieren, aber ich arbeite daran.«

»Nichts für ungut, aber warum will Finn dann, dass ausgerechnet du mir hilfst?« Ich rieb mir die Arme und hoffte, dass ich ihn nicht verletzt hatte.

»Weil ich stark bin.« Tove warf den Stein mit plötzlichem Desinteresse beiseite. »Und weil er mir vertraut.« Er sah mich wieder an. »Okay, dann zeig mal, was du so draufhast.«

»In welcher Hinsicht?«, fragte ich. Der abrupte Themawechsel hatte mich aus dem Konzept gebracht.

»In jeder Hinsicht.« Er breitete die Arme aus. »Kannst du Gegenstände bewegen?«

»Mit den Händen schon.«

»Natürlich.« Er verdrehte die Augen. »Du bist nicht querschnittsgelähmt, also habe ich das vorausgesetzt.«

»Ich kann nicht viel. Ich habe nur ein bisschen Überzeugungskraft, und die habe ich seit meiner Ankunft hier nicht eingesetzt.«

»Versuch es.« Tove deutete auf den Kronleuchter über uns. »Beweg den.«

»Den will ich aber nicht bewegen«, sagte ich alarmiert.

Ein Bild erschien in meinem Kopf, das Bild, das ich in Eloras Zimmer gesehen hatte. Dunkler Rauch und rotes Feuer, zerbrochene Kronleuchter. Aber das Bild wirkte viel realistischer als ein Gemälde. Ich konnte beinahe den Rauch riechen, und die Flammen schienen sich zu bewegen und flackernde Schatten zu werfen. Das Geräusch berstenden Glases hallte in meinem Ohr wider.

Ich schluckte heftig, schüttelte den Kopf und wich ein paar Schritte vom Kronleuchter zurück. Ich hatte gar nicht direkt daruntergestanden, aber ich wollte noch viel weiter weg.

»Was war das?«, fragte Tove.

»Was?«

»Irgendetwas ist passiert.« Er studierte mich und versuchte, meine Reaktion zu entschlüsseln, aber ich schüttelte nur den Kopf. Mir fehlten die Worte, um es ihm zu erklären, und außerdem dachte ich, ich hätte mir die Vision vielleicht nur eingebildet. »Interessant.«

»Danke«, murmelte ich.

»Ich mache das nur ungern, weil du so verängstigt aussiehst, aber ich muss dich aus meinem Kopf kriegen.«

Er schaute zum Kronleuchter hoch und mein Blick folgte seinem. Mein Herz raste und meine Kehle war wie ausgedörrt. Die Kristalltropfen klimperten, klirrten und begannen zu schimmern. Ich wich ein paar Schritte zurück und wollte ihm zubrüllen, aufzuhören. Aber ich wusste gar nicht, ob er mich verstanden hätte. Plötzlich begann der riesige Kronleuchter hin und her zu schwingen, und ich konnte nicht länger schweigen.

»Hör auf!«, schrie ich. Meine Stimme hallte durch die Eingangshalle. »Warum machst du das?«

»Tut mir leid.« Er atmete tief aus und schaute mich wieder an. Ich starrte auf den Kronleuchter, bis ich sicher war, dass er sich nicht mehr bewegte. »Ich musste etwas tun, und sonst hätte ich nur noch dich bewegen können, und das wäre dir sicher noch viel weniger recht gewesen.«

»Warum musstest du überhaupt etwas bewegen?«, zischte ich. Meine Panik verebbte und wurde durch Wut abgelöst, und ich ballte die Hände zu Fäusten.

»Wenn du eine solche Angst bekommst wie vorher, projizierst du das ungeheuer intensiv.« Er schob seine Hände von sich weg, um mir zu demonstrieren, was er meinte. »Die meisten Leute können das nicht mehr hören oder spüren, aber ich reagiere auf Emotionen besonders sensibel. Dinge zu bewegen hilft mir dabei, mich zu konzentrieren. Es schaltet den Lärm eine Weile aus. Du warst zu stark. Ich musste dich leiser machen.« Er zuckte mit den Schultern. »Sorry.«

»Du hättest mich nicht so erschrecken müssen.« Ich hatte mich ein bisschen beruhigt, aber die Worte klangen immer noch wütend. »Mach das bitte nicht noch mal.«

»Es ist wirklich eine Schande.« Tove betrachtete mich gleichzeitig wehmütig und verschmitzt. »Sie werden überhaupt nicht erkennen, was du wirklich bist. Sie sind alle so schwach geworden, dass ihnen gar nicht klar sein wird, wie mächtig du bist.«

»Wovon redest du?« Ich vergaß meinen Ärger.

»Deine Mutter ist sehr mächtig«, sagte Tove beinahe ehrfürchtig. »Wahrscheinlich nicht so mächtig wie du und vielleicht auch ich, aber ihre Fähigkeiten knistern in ihrem Blut wie Strom. Wenn sie durch ein Zimmer geht, spüre ich eine beinahe magnetische Kraft. Aber die anderen …« Er schüttelte den Kopf.

»Meinst du die anderen Tryll?«, hakte ich nach, denn er hatte sich offenbar dazu entschlossen, weiter in Rätseln zu sprechen.

»Früher haben wir die Erde bewegt.« Tove klang wehmütig, und sein ganzes Auftreten hatte sich verändert. Er wanderte nicht mehr auf und ab und sah sich nicht mehr ständig um. Den Kronleuchter zu bewegen, hatte ihn offenbar wirklich beruhigt.

»Meinst du das metaphorisch?«, fragte ich.

»Nein, ganz buchstäblich. Wir konnten Berge erschaffen und Flüsse zum Versiegen bringen.« Dramatisch wedelte er mit den Armen. »Wir haben uns eine eigene Welt erschaffen! Wir waren pure Magie!«

»Sind wir das denn nicht immer noch?« Die Leidenschaft in seiner Stimme überraschte mich.

»Nicht mehr so wie früher. Seit die Menschen mit der Technik ihre eigene Magie erschaffen, haben sich die Machtverhältnisse verschoben. Plötzlich hatten sie die Macht und das Geld, und wir wurden davon abhängig, dass sie unsere Kinder großziehen«, schnaubte er verächtlich. »Die Changelings wollten nicht mehr zu uns zurückkommen, als ihnen klar wurde, wie wenig wir ihnen inzwischen zu bieten haben.«

»Wir sind zurückgekommen«, sagte ich lahm.

»Eure Gärtnerin, die das ganze Jahr die Blumen blühen lässt, ist eine Marksinna!« Tove deutete in Richtung des Gartens. »Und sie ist Gärtnerin! Ich bin wahrlich nicht elitär, aber wenn ein Mitglied der mächtigsten Gesellschaftsschicht als Gärtnerin arbeiten muss, dann stimmt etwas Grundlegendes nicht.«

»Nun … warum arbeitet sie denn dann als Gärtnerin?«, fragte ich.

»Weil sie die Einzige ist, die es kann.« Er sah mich an, seine grünen Augen brannten. »Niemand kann mehr etwas.«

»Du kannst etwas. Und ich auch«, sagte ich in dem Versuch, ihn ein bisschen aufzuheitern.

»Ich weiß.« Seufzend senkte er den Blick. »Aber wir alle sind viel zu sehr auf das menschliche Verständnis von Monarchie fixiert und denken nur noch an Designerfummel und teuren Schmuck.« Angeekelt verzog er den Mund. »Unsere Gier nach Reichtum war schon immer unsere größte Schwäche.«

»Kann gut sein«, stimmte ich zu. »Aber deine Mutter scheint besonders schlimm zu sein.«

»Das weiß ich.« Tove sah mich müde und resigniert an. Dann wurde sein Gesichtsausdruck weicher und er sagte beinahe entschuldigend. »Ich habe nichts gegen Menschen, obwohl es gerade so klang, stimmt’s?«

»Ich weiß nicht. Offenbar ist dir unsere Lebensart sehr wichtig«, überlegte ich.

Bei unserer ersten Begegnung hatte ich seine Abwesenheit als Langeweile und Arroganz interpretiert. Aber allmählich begann ich zu glauben, dass sie hauptsächlich seinen Fähigkeiten geschuldet war. Sie verursachten bei ihm eine Art ADS, aber dahinter verbarg sich eine furchtlose Ehrlichkeit, die ich bisher nur bei wenigen Tryll beobachtet hatte.

»Das kann sein.« Tove lächelte und senkte den Blick. Er wirkte leicht verlegen.

»Wie alt bist du?«, fragte ich.

»Neunzehn. Wieso?«

»Warum weißt du so viel über die Vergangenheit? Du sprichst über unsere Geschichte, als wärst du dabei gewesen und hättest sie selbst erlebt. Bist du eine Art Historiker-Genie?«

»Meine Mutter ist sehr erpicht darauf, dass ich alles Mögliche lerne, weil sie hofft, dass ich vielleicht eine Chance auf den Thron haben könnte«, sagte Tove, aber die Vorstellung schien ihn zu ermüden. Ich bezweifelte, dass er größere Lust aufs Regieren hatte als ich. Auroras Intrigen und Umsturzabsichten waren offenbar allein auf ihrem Mist gewachsen.

»Was hast du gesehen, als du den Kronleuchter betrachtet hast?«, fragte Tove ganz direkt und lenkte das Gespräch damit wieder auf den Grund seiner Anwesenheit.

»Ich weiß es nicht.« Ich schüttelte den Kopf. Obwohl ich ihm gerne eine ehrliche Antwort gegeben hätte, wusste ich einfach nicht, wie. »Ich habe … ein Gemälde gesehen.«

»Manche Tryll sehen in die Zukunft.« Er starrte auf den Kronleuchter, der über uns funkelte. »Und manche sehen die Vergangenheit.« Nachdenklich schwieg er einen Moment. »Eigentlich macht das keinen großen Unterschied. Ändern kann man beides nicht.«

»Wie tiefsinnig«, sagte ich und er lachte.

»Ich habe dir überhaupt nicht weitergeholfen, richtig?«

»Keine Ahnung«, gestand ich.

»Du bist zu viel für einen Nachmittag, fürchte ich«, sagte Tove.

»Wie meinst du das?«, fragte ich, aber er schüttelte nur den Kopf.

»Ich weiß, dass du noch viel zu tun hast. Ich sollte deine Zeit nicht länger verschwenden. Im Moment kann ich dir nicht viel helfen, glaube ich.« Er lief zur Eingangstür.

»Warte mal«, sagte ich, und er blieb stehen. »Du hast gesagt, dass wir erst nach der Taufe unsere Fähigkeiten anzapfen sollen. Aber Finn hat dich gebeten, mich jetzt schon zu trainieren. Warum? Ist Gefahr im Verzug?«

»Finn ist ein Beschützer. Es ist sein Job, sich Sorgen zu machen«, erklärte Tove, und mein Herz zuckte schmerzhaft. Ich hasste es, wenn mich jemand darauf hinwies, dass ich nur Finns Job war. »Er will sichergehen, dass du in guten Händen bist, egal, was passiert. Ob er nun hier ist oder nicht.«

»Warum sollte er nicht hier sein?«, fragte ich, plötzlich voller Angst.

»Keine Ahnung«, sagte Tove achselzuckend. »Aber wenn dir etwas viel bedeutet, dann willst du eben, dass es in Sicherheit ist.«

Mit diesen Worten drehte sich Tove um und verließ das Haus. Ich rief ihm noch ein »Dankeschön« hinterher, obwohl ich gar nicht genau wusste, was er eigentlich getan hatte. Außer mich noch mehr zu verwirren. Und mir eine ganz neue Angst einzujagen.

Ich hatte keine Ahnung, was mit Finn los war, und meine Gedanken wollten unbedingt zu dem Gemälde wandern, das ich in Eloras geheimem Zimmer gesehen hatte. Darauf hatte ich mit entsetztem Blick über die Balkonbrüstung gegriffen. Toves Worte hallten in meinem Kopf wider und jagten mir eiskalte Schauer über den Rücken.

Die Zukunft kann man nicht ändern.

Ich schaute zu dem Kronleuchter hoch. Ich hatte mich geweigert, den Versuch zu wagen, ihn zu bewegen. Und zwar aus Angst davor, er könne herunterstürzen und dadurch Eloras zweites Gemälde Wirklichkeit werden lassen. Aber das war nicht geschehen. Es war nichts Grässliches passiert.

Hatte ich damit die Zukunft verändert? Oder stand mir das Schlimmste noch bevor?