9
Heimweh
Als ich in einen flauschigen Bademantel gehüllt aus der Dusche kam, fand ich zu meiner Überraschung Rhys in meinem Zimmer vor, der sich auf mein Bett gesetzt hatte. Er beugte sich über den iPod – einen Teil meiner Zimmerausstattung – und scrollte durch die Songliste. Ich räusperte mich laut, da er offenbar nicht gehört hatte, dass ich ins Zimmer gekommen war.
»Oh hi!« Rhys legte den iPod weg und stand auf. »Sorry für die Störung. Aber ich wollte wissen, wie es dir geht und wie es dir hier gefällt.«
»Keine Ahnung.« Mein Haar musste fürchterlich aussehen, und ich fuhr mir mit der Hand durch die nassen Locken. »Kann ich noch nicht sagen.«
»Gefällt dir das Zeug?«, fragte Rhys und deutete auf die Elektronik. »Ich habe dir alles gekauft, was mir auch gefällt, was ziemlich eitel ist, ich weiß. Ich habe Rhiannon nach ihrer Meinung gefragt, schließlich ist sie auch ein Mädchen, aber es ist trotzdem schwierig, für jemanden Sachen zu kaufen, den man noch nie gesehen hat.«
»Alles ist super. Gut gemacht.« Ich rieb mir die Augen und gähnte.
»Oje. Du bist wahrscheinlich völlig fertig.« Rhys stand auf. »Aber ich war bisher in der Schule und konnte mich noch gar nicht richtig mit dir unterhalten. Aber … dann lasse ich dich mal in Ruhe.«
»Moment. Du warst in der Schule?« Ich runzelte die Stirn und versuchte, logisch zu denken. »Heißt das, du bist ein Tracker?«
»Nein.« Jetzt sah er verwirrt aus. »Ich bin ein Mänks.«
Als er meine perplexe Miene sah, korrigierte er sich. »Sorry. Eine Abkürzung für Mänsklig.«
»Was zum Henker ist das denn?«, fragte ich. Ich hatte keine Kraft mehr für gute Manieren.
»Das wird man dir später erklären«, sagte Rhys achselzuckend. »Aber ich sollte dich in Ruhe ankommen lassen. Wenn du mich suchst und ich bin nicht in meinem Zimmer, dann mache ich mir unten was zu essen.«
»Bist du glücklich hier?«, platzte ich heraus, bevor mir einfiel, wie unhöflich die Frage war.
»Warum sollte ich hier nicht glücklich sein?«, fragte Rhys trocken. Sein Blick traf meinen, und einen Moment lang sah ich, dass die Antwort auf meine Frage kompliziert sein musste. Dann ließ er seinen Blick sinken, strich über meine seidene Überdecke und betrachtete sie konzentriert. »Ich habe hier alles, was ein Teenager sich nur wünschen kann. Videospiele, Autos, Computer, Geld, Klamotten, Bedienstete …« Er verstummte, aber dann erschien ein Lächeln auf seinem Gesicht. »Und jetzt wohnt noch eine Prinzessin direkt neben mir. Das ist doch klasse!«
»Ich bin keine echte Prinzessin.« Ich schüttelte den Kopf und strich mir das Haar hinter die Ohren. »Nicht wirklich. Ich meine … ich bin doch gerade erst angekommen.«
»Für mich siehst du aus wie eine Prinzessin.« Sein Lächeln ließ mich erröten, also schaute ich zu Boden, weil ich nicht wusste, was ich sonst tun sollte.
»Und du?« Ich hielt den Kopf weiter gesenkt, blickte aber zu ihm auf. Sein Lächeln wirkte wie ein Flirtversuch, aber das machte mir nichts aus. »Bist du so eine Art Prinz?«
»Wohl kaum.« Rhys lachte. Er fuhr sich durch das blonde Haar und schaute plötzlich verlegen aus. »Ich sollte gehen, damit du dich anziehen kannst. Der Koch hat heute Abend frei, also übernehme ich den Küchendienst.«
Er drehte sich um, ging aus dem Zimmer und den Flur entlang. Dabei pfiff er eine Melodie, die ich nicht erkannte. Ich schloss meine Tür und wünschte mir, ich könnte begreifen, dass ich die Tryll-Prinzessin eines Gaunerimperiums war, in deren Nebenzimmer ein Mänsklig wohnte, was immer das auch sein mochte.
Von nun an würde ich in diesem großartigen Palast bei diesen kalten, gleichgültigen Leuten leben, und der Eintrittspreis war, den einzigen Menschen, die mich je geliebt hatten, ihr Geld zu stehlen. Okay, Finn war hier, aber er hatte mir deutlich gezeigt, dass sein Interesse an mir rein beruflich war.
Ich stöberte in meinem Schrank und suchte nach etwas zum Anziehen. Die meisten Sachen waren viel zu schick für mich. Ich war zwar nicht in Fetzen aufgewachsen, und wäre meine Mutter … äh, Kim, nicht verrückt geworden, hätte sie wahrscheinlich ganz ähnliche Klamotten für mich ausgesucht. Alles direkt vom Laufsteg. Endlich fand ich einen schlichten Rock und ein Oberteil, die meiner sonstigen Kleidung wenigstens ansatzweise ähnelten.
Ich kam fast um vor Hunger, also beschloss ich, Rhys’ Angebot anzunehmen und zu ihm in die Küche zu gehen. Die Bodenfliesen fühlten sich unter meinen Füßen angenehm kühl an, und jetzt fiel mir auf, dass es im gesamten Haus weder Teppiche noch Läufer gab.
Ich hatte das Gefühl von Teppichen unter meinen Sohlen noch nie gemocht, eigentlich mochte ich gar keinen Stoff an den Füßen. Und in meinem riesigen, vollgestopften Schrank hatte ich kein einziges Paar Schuhe gesehen. Barfuß laufen war offenbar ein Tryll-Ding, und der Gedanke tröstete mich irgendwie. Wenigstens in dieser Hinsicht gehörte ich dazu.
Ich lief durch das Wohnzimmer. In eine halbhohe Mauer, die den Wohn- vom eleganten Essbereich trennte, war ein offener Kamin eingelassen. Die Möbel waren aus Holz, handgearbeitet und weiß gepolstert. Hier bestand der Boden aus glattem, honigfarbenem Holz, und es herrschten Erdfarben vor. Alle Möbel waren zur Glaswand hin ausgerichtet und zwangen den Besucher geradezu, die Aussicht zu bewundern.
»Ganz nett, oder?«, fragte Rhys, und ich wirbelte herum. Er stand lächelnd hinter mir.
»O ja.« Ich schaute mich bewundernd im Zimmer um. »Elora hat definitiv einen guten Geschmack.«
»Ja«, sagte Rhys achselzuckend. »Du musst Hunger haben. Gehen wir in die Küche, dann zaubere ich dir etwas.« Er ging durch das Zimmer und ich folgte ihm. »Aber mein Essen wird dir sicher nicht schmecken. Du isst genauso ekelhaft gesund wie die anderen auch, richtig?«
»Keine Ahnung.« Ich hatte mich noch nie als Gesundheitsfanatikerin gesehen, aber tatsächlich mochte ich hauptsächlich biologisch angebautes, veganes Essen. »Ich mag naturbelassene Dinge.«
Er nickte verständnisvoll und führte mich durch das prächtige Esszimmer in eine gigantische Küche. Zwei Profiherde, zwei riesige Stahlkühlschränke, eine riesige Kochinsel in der Raummitte und mehr Schränke, als ich auf die Schnelle zählen konnte. Rhys ging zu einem Kühlschrank und nahm eine Flasche Sprite und eine Flasche Wasser heraus.
»Wasser, richtig?« Ich nahm die Flasche dankend an. »Ich koche nicht besonders gut, aber heute musst du dich mit meinem Essen begnügen. Der Koch hat heute frei.«
»Wie oft kocht er denn für euch?«, fragte ich. Ein solcher Palast funktionierte bestimmt nicht ohne Personal.
»Nicht jeden Tag.« Rhys trank einen Schluck Sprite, stellte die Flasche dann auf die Kochinsel, öffnete den zweiten Kühlschrank und stöberte darin herum. »Meist am Wochenende, denn da haben wir fast immer Gäste. Ich habe keine Ahnung, was Elora sonst isst, aber ich versorge mich meistens selbst.«
Ich lehnte mich an die Kochinsel und trank mein Wasser. Diese Küche erinnerte mich an diejenige in unserem Haus in den Hamptons, in der Kim versuchten Tochtermord begangen hatte. Aber die war kleiner gewesen. Wenn Kim nicht eingewiesen worden wäre, hätte ich wahrscheinlich nur in solchen Küchen Wasser getrunken. Ich war mir sicher, dass sie so aufgewachsen war.
Maggie hätte das ebenfalls gefallen. Finn hatte mir gesagt, dass sie und Matt weit unter ihren Verhältnissen lebten. Warum war es ihnen so wichtig gewesen, das Familienvermögen unangetastet zu lassen? Die einzige Erklärung, die einen Sinn ergab, war, dass sie es für mich auf die hohe Kante gelegt hatten – um sicherzustellen, dass ich mir niemals Geldsorgen zu machen brauchte. Wenn man meine schulische Laufbahn betrachtete, konnte ich ihre Vorsorge durchaus nachvollziehen. Komisch. Das, was Elora ihnen stehlen wollte, hatten sie mir schon längst geschenkt. Sie hatten sich dafür entschieden, dass es wichtiger war, mich abzusichern, als Geld für sich auszugeben. Eine Entscheidung, die meine eigene Mutter niemals getroffen hätte.
»Shiitakepilze magst du, richtig?«, sagte Rhys gerade. Er hatte eine Menge Dinge aus dem Kühlschrank herausgeholt, aber ich war zu sehr in Gedanken versunken gewesen, um sie zu registrieren. Er hielt mir einen Armvoll Gemüse vor die Nase.
»Oh ja, ich liebe Pilze.« Ich richtete mich auf und versuchte zu erkennen, was er ausgesucht hatte, und das meiste sah sehr lecker aus.
»Prima.« Rhys grinste und ließ seine Last ins Spülbecken fallen. »Ich mache dir das beste Pfannengerührte, das du je gegessen hast.«
Er begann, Gemüse zu schnippeln, und ich bot ihm meine Hilfe an, aber er bestand darauf, mich zu bekochen. Währenddessen erzählte er mir von dem neuen Motorrad, das er letzte Woche bekommen hatte. Ich versuchte, seinem Redefluss zu folgen, aber eigentlich interessierte mich an Motorrädern nur, dass sie schnell waren. Das mochte ich.
»Was machst du denn da?« Finn kam in die Küche und sein Tonfall klang leicht angeekelt.
Sein Haar war noch feucht vom Duschen, und er roch wie Gras nach einem Regenschauer. Nein, noch besser. Er ging an mir vorbei, ohne mich eines Blickes zu würdigen, und blieb bei dem Wok stehen, in den Rhys alles Gemüse geworfen hatte.
»Pfannengerührtes!«, verkündete Rhys.
»Echt?« Finn beugte sich vor und linste über Rhys’ Schulter auf den Inhalt des Wok. Rhys rückte ein bisschen zur Seite, damit Finn in die Pfanne greifen und sich ein Stück Gemüse nehmen konnte. Er roch daran und steckte es dann in den Mund. »Gar nicht so scheußlich.«
»Beruhige dich, mein Herz!« Rhys legte sich die Hand mit gespieltem Erstaunen auf die Brust. »Mein Essen schmeichelt dem Gaumen des schärfsten Kritikers im ganzen Land?«
»Nein. Ich habe nur gesagt, dass es nicht scheußlich ist.« Finn schüttelte den Kopf über Rhys’ Überschwänglichkeit und holte sich eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank. »Und ich bin sicher, dass Elora noch viel kritischer ist als ich.«
»Das kann gut sein, aber sie hat mich noch nie für sich kochen lassen«, gestand Rhys und rüttelte den Wok, um das Gemüse zu mischen.
»Sei vorsichtig, wenn du sein Essen isst«, riet Finn mir und sah mich zum ersten Mal an. »Einmal hat er mich vergiftet.«
»Von einer Orange bekommt man keine Lebensmittelvergiftung!«, protestierte Rhys und schaute Finn gekränkt an. »Das ist unmöglich! Und außerdem habe ich dir die Orange nur gegeben! Wie hätte ich sie denn dabei kontaminieren sollen?«
»Keine Ahnung«, sagte Finn achselzuckend. Er unterdrückte ein Lächeln, und ich merkte, dass es ihm Spaß machte, Rhys aufzuziehen.
»Du hast den Teil, den ich berührt habe, doch gar nicht gegessen. Du hast die Orange geschält und die Schale weggeworfen!« Rhys klang beinahe verzweifelt. Er achtete nicht auf den Wok, während er versuchte, uns von seiner Unschuld zu überzeugen, und aus der Pfanne züngelte eine Flamme auf.
»Dein Essen brennt.« Finn nickte in Richtung des Herds.
»Verdammt!« Rhys goss schnell ein Glas Wasser in den Wok, und ich fragte mich allmählich, ob das Gemüse wirklich noch schmecken würde, wenn er damit fertig war.
»Siehst du?«
»Wenn Tryll grundsätzlich beim Essen wählerisch sind, warum gilt das dann nicht für Rhys?«, fragte ich. »Liegt es daran, dass er ein Mänks ist?«
Abrupt verwandelte sich Finns Gesicht in eine steinerne Maske. »Wo hast du dieses Wort gehört? Von Elora?«
»Nein, von Rhys«, sagte ich. Rhys werkelte immer noch am Herd, aber seine Haltung hatte sich geändert. Er wirkte irgendwie schuldbewusst. »Und ich wäre sehr dankbar, wenn mir einer mal erklären könnte, was es bedeutet. Warum macht ihr so ein Geheimnis daraus?«
Rhys drehte sich mit nervöser Miene um und wechselte einen Blick mit Finn, den ich nicht deuten konnte.
»Elora wird dir alles erklären«, sagte Finn. »Wir sollten ihr nicht vorgreifen.«
Rhys drehte sich wieder zum Herd. Finns eisiger Tonfall war ihm nicht entgangen.
Anschließend verließ Finn die Küche.
»Das war schräg«, sagte ich halblaut.
Als Rhys fertig war, zog er zwei Hocker an die Kochinsel.
Glücklicherweise hatte sich die Atmosphäre wieder entspannt.
»Und? Was hältst du davon?« Rhys deutete auf die Portion, mit der ich gerade kämpfte.
»Nicht schlecht«, log ich. Er hatte sich wirklich Mühe gegeben und in seinen blauen Augen leuchtete der Stolz auf sein Werk, also wollte ich ihn nicht enttäuschen. Ich nahm einen Bissen und lächelte.
»Gut. Es ist echt schwer, für euch zu kochen.« Rhys schob sich eine volle Gabel in den Mund, sein blondes Haar fiel ihm ins Gesicht und er strich es zur Seite.
»Du … kennst Finn ziemlich gut, was?«, fragte ich vorsichtig und spießte mit der Gabel einen Pilz auf.
Ihr Geplänkel hatte mich neugierig gemacht. Vor dem seltsamen Moment eben hatte es so ausgesehen, als möge Finn Rhys wirklich, obwohl er nicht viel von seinen Kochkünsten hielt. Ich hatte noch nie erlebt, dass Finn jemanden mochte. Elora respektierte er zumindest und gehorchte ihren Befehlen, aber was er für sie empfand, wusste ich nicht.
»Denke schon«, sagte Rhys achselzuckend, als habe er noch nie darüber nachgedacht. »Er ist eben oft hier.«
»Wie oft denn?«, fragte ich, so gleichgültig ich konnte.
»Keine Ahnung.« Er aß einen Bissen und dachte nach. »Schwer zu sagen. Klapperstörche sind Zugvögel.«
»Wie bitte?«
»Sorry. Ich meine Tracker.« Rhys lächelte verlegen. »Du weißt doch, kleinen Kindern erzählt man, der Klapperstorch habe sie gebracht. Und hier bringen eben Tracker die ›Babys‹. Deshalb nennen wir sie Klapperstörche. Natürlich nur hinter ihrem Rücken.«
»Ach so.« Wie sie wohl Leute wie mich nannten? Aber das würde ich ihn später fragen. »Sie reisen also viel herum?«
»Ja. Sie sind lange weg, wenn sie jemanden suchen, und Finn ist ziemlich gefragt, weil er so gut ist«, erklärte Rhys. »Wenn sie hier sind, wohnen die meisten bei einer vornehmen Familie. Finn lebt seit fünf Jahren immer mal wieder hier. Wenn er nicht da ist, dann einer seiner Kollegen.«
»Als eine Art Bodyguard?«
»Ja, so ungefähr«, nickte Rhys.
»Aber warum braucht man hier denn Bodyguards?« Ich dachte an das Eisentor und die Wächter, die uns nach Förening gelassen hatten.
In der Eingangshalle hatte ich eine hochmoderne Alarmanlage gesehen. Ziemlich viel Aufwand für eine kleine, zwischen den Klippen verborgene Stadt. Ich fragte mich, ob die Vittra der Grund waren, traute mich aber nicht, es auszusprechen.
»Elora ist die Königin, das gehört zum Protokoll«, antwortete Rhys ausweichend und starrte intensiv auf seinen Teller. Er versuchte, sein Unbehagen zu unterdrücken, bevor es mir auffiel. Dann lächelte er mich an. »Und wie fühlt man sich als Prinzessin?«
»Ehrlich? Nicht so toll, wie ich vermutet hätte«, sagte ich und er lachte herzlich.
Rhys räumte oberflächlich auf, bevor wir die Küche verließen, und er erklärte, morgen werde sich das Dienstmädchen darum kümmern. Er führte mich kurz durch das Haus und zeigte mir die absurd kostbaren Antiquitäten, die von Generation zu Generation weitergegeben worden waren.
Ein Raum war eine Gemäldegalerie für ehemalige Königinnen und Könige. Als ich nach dem Porträt meines Vaters fragte, schüttelte Rhys nur den Kopf und sagte, davon wisse er nichts.
Schließlich trennten sich unsere Wege. Rhys sagte, er müsse noch Hausaufgaben machen und dann ins Bett gehen, denn er habe morgen Schule.
Ich wanderte noch ein bisschen im Haus herum, begegnete aber weder Finn noch Elora. Dann probierte ich alle Geräte in meinem Zimmer aus, aber ich verlor schnell die Lust daran. Unruhig und gelangweilt versuchte ich einzuschlafen, aber ich war hellwach.
Ich hatte schreckliches Heimweh und sehnte mich nach meinem vertrauten, normal großen Zuhause mit all meinen normalen Dingen. Daheim würde Matt jetzt im Wohnzimmer sitzen und im Schein der Stehlampe ein Buch lesen.
Aber jetzt starrte er wahrscheinlich das Telefon an oder er fuhr durch die Gegend und suchte mich. Maggie heulte sich vermutlich die Augen aus, und ich wusste, dass Matt sich daran die Schuld geben würde.
Irgendwo in diesem Haus befand sich meine leibliche Mutter, zumindest vermutete ich das. Sie hatte mich bei einer Familie ausgesetzt, von der sie nur wusste, dass sie reich war. Das Risiko, dass ich getötet werden würde, hatte sie in Kauf genommen. Das passiert manchmal, hatte sie gesagt. Als sie mich nach all den Jahren wiedergesehen hatte, war ihr das nicht einmal eine Umarmung wert gewesen. Sie hatte sich überhaupt nicht gefreut.
In diesem Haus war alles viel zu groß für mich. Alles lag so weit auseinander, dass ich mich in meinem Zimmer wie auf einer einsamen Insel fühlte. Eigentlich hatte ich das immer gewollt. Aber jetzt, da ich wirklich für mich ganz allein war, fühlte ich mich nur einsam und traurig.
Es machte die Sache nicht besser, dass man mir so vieles verschwieg. Auf meine Fragen bekam ich nur ausweichende Antworten, bevor schnell das Thema gewechselt wurde. Für die Thronerbin eines Königreiches befand ich mich ziemlich weit unten auf der Informationsleiter.