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Luke.

Luke erwachte, als er seinen Namen hörte, und fand Maras Hand auf seinem Arm. Ihre Augen waren klar, und die Lippen zitterten, als versuchte sie zu sprechen.

»Mara«, sagte er leise. »Mara.« Er wollte mehr sagen, brachte die Worte aber nicht heraus. Ich liebe dich. Stirb nicht.

Sie neigte andeutungsweise den Kopf. Er nahm ihre Hand und fühlte ihren Puls, stärker als seit Tagen, aber unregelmäßig.

Jetzt. Es muss jetzt geschehen.

»Was meinst du, Mara? Ich verstehe nicht.«

Jetzt. Ihre Augen schlossen sich, und der Puls wurde schwächer.

»Nein! Mara!«

Als Darth Vader plötzlich klar geworden war, dass er sowohl eine Tochter hatte als auch einen Sohn… Dabei hatte Luke eine Verzweiflung gefühlt, die nur ein blasser Schatten seiner eigenen war. Er hatte sich auf seinen Vater gestürzt, mit dem Lichtschwert gegen ihn gekämpft und ihm den einen Arm abgeschlagen. Damit hatte er einen entscheidenden Schritt in Richtung der dunklen Seite getan.

Jetzt warf er sich Maras Krankheit mit dem gleichen blinden, verzweifelten Zorn entgegen, obwohl sein Körper unbewegt blieb. Mit der Macht kämpfte er gegen sie an und versuchte, die schlüpfrigen, veränderlichen Komponenten zu zerschmettern, aus denen sie bestand. Die elektrisierende Stärke der Qual trieb ihn, und es bedeutete nichts, dass er Unmögliches versuchte. Er ballte die Fäuste, bis die Adern an den Armen hervortraten, griff etwas an, das er nicht sah.

Das gar nicht da war, dass er es hätte sehen können.

Nein, Luke, nein. So nicht.

Luke wich zitternd zurück. »Wie dann?«, erwiderte er laut. Vielleicht galt sein Ruf Mara, vielleicht dem Universum.

»Luke!« Cilghal stand in der Tür. »Ich habe etwas gespürt…«

»Mara erwartet etwas von mir, Cilghal«, stieß Luke hervor. »Sie hat einen Teil ihrer Kraft genutzt, um mich zu wecken, und noch etwas mehr, um mich aufzuhalten… Was weiß sie, Cilghal?«

»Keine Ahnung, Luke«, sagte Cilghal. »Aber du weist deine Schüler immer wieder daraufhin, dass Angriff nicht die richtige Antwort ist. Vertraue dir selbst – du hast Recht. Beruhige dich.«

Eine scharfe Antwort lag Luke auf der Zunge. Wie konnte Cilghal verstehen?

Aber sie hatte natürlich Recht. Es war leicht, die Ruhe zu bewahren, wenn nichts Beunruhigendes geschah.

»Ich weiß«, sagte er und atmete ruhiger. »Und ich weiß auch, dass ich etwas unternehmen muss. Jetzt sofort, oder Mara stirbt.«

»Lass es mich versuchen«, erwiderte Cilghal. »Vielleicht kann ich verstehen, was sie will.«

»Nein. Ich muss es sein. So viel ist klar.«

Luke beruhigte sich weiter, schob die dunklen Emotionen beiseite, reinigte sich mit langsamen, tiefen Atemzügen von ihnen. Erst als er ganz in sich ruhte, streckte er sich erneut Mara entgegen und berührte sie sanft in der Macht, anstatt die Krankheit zu attackieren.

Angriff ist nicht die Antwort.

Aber Mara war so weit fort. Es gab nichts mehr zu verteidigen, außer…

Und plötzlich glaubte Luke zu verstehen. Einem Teil von Mara ging es gut – jener Teil war völlig frei von der Krankheit. Dort wurde er gebraucht, nicht um zu kämpfen, sondern um zu stärken und von der einen Bastion aus zu verteidigen, die noch existierte.

Er streckte sich weiter aus, so sanft wie eine von Maras Liebkosungen, erreichte den Ort, wo ihr Kind ruhte, und dort fand er seine Frau, wie eine Barriere aus Durastahl um das Ungeborene geschlungen.

»Lass mich herein, Mara«, sagte Luke laut. »Du musst mich hereinlassen.« Er legte ihr die Hand auf den Arm und drückte vorsichtig zu. »Lass mich herein.«

Skywalker?

»Ich bin’s. Ich glaube, ich verstehe jetzt. Ich werde tun, was ich kann. Aber du musst mich hereinlassen.«

Die Barriere erbebte, hielt jedoch stand. Hatte er falsch vermutet? Hatte sich Mara bereits verloren? Waren ihre Erinnerungen von der Pein ausradiert worden?

»Ich liebe dich, Mara. Bitte.«

Luke zitterte und berührte noch immer Maras Arm. Er konnte sie nicht zwingen, und er hätte sie auch nicht gezwungen, selbst wenn er dazu imstande gewesen wäre.

Komm, Luke.

Ein Tor öffnete sich, und er fühlte einen anderen Puls, ein anderes Leben. Er tastete nach seinem Sohn.

Das Kind bewegte sich, schien die Berührung seines Vaters zu erkennen. Es wandte sich ihm zu, und Luke fühlte kitzelnde kleine Gedanken, wie leises Lachen und Staunen. Es war eine sowohl vertraute als auch unendlich seltsame Stimme. Es war eine Stimme, die real wurde.

»Ich liebe dich, ich liebe euch beide«, hauchte Luke. »Nehmt meine Kraft.«

Mara und er vereinten sich wie Finger, die ineinander hakten, und wie mit einer winzigen dritten Hand gesellte sich ihnen das ungeborene Kind hinzu. Ein menschliches Kind. Sein Kind. Maras Kind.

Der gemeinsame Griff wurde stärker, aber es war nicht die verzweifelte Stärke des Kampfes oder die wütende Kraft eines Sturms. Es war eine ruhige und beständige, gleichzeitig aber auch fehlbare und sterbliche Umarmung – die Umarmung von Familienmitgliedern, die lange Zeit voneinander getrennt gewesen waren.

Sie verschmolzen, jeder ein Teil des anderen, bis Luke spürte, wie sich seine Identität auflöste, und daraufhin begann er zu träumen.

Er sah einen kleinen Jungen mit hellem, rotgoldenem Haar, der Linien in den Sand malte. Er sah einen älteren Jungen, der an einem Fluss kniete, einen glatten, runden Stein abwusch und lächelte. Der gleiche Junge, vielleicht zehn Jahre alt, rang mit einem jungen Wookiee.

Er sah sich selbst, wie er den Jungen hielt und glühende Linien des Verkehrs am Himmel einer sonderbaren Welt beobachtete – wie Coruscant, und doch anders.

Mara sah er nicht, obwohl er nach ihr suchte, und das brachte einen Missklang in seine Gedanken.

Immer in Bewegung die Zukunft ist, hatte ihm Yoda einmal gesagt. Luke griff noch etwas weiter und suchte nach Mara, weiter vorn auf jenem ungewissen, sich verändernden Pfad. Der Junge wurde älter und saß an den Kontrollen eines Raumschiffs mit seltsamer Konfiguration…

Alle Zukünfte existieren in der Macht, sagte plötzlich eine vertraute Stimme. Man wählt die Zukunft nicht, sondern wird von ihr erwählt. Halte nicht dort nach Antworten Ausschau.

»Ben?«, krächzte Luke verblüfft. Es konnte natürlich nicht Ben sein. Jene Zeit war längst vorbei, und sein alter Meister hatte sich wahrhaftig mit der Macht vereint, was ihn unerreichbar machte. Und doch…

Aber es spielte keine Rolle, ob es Ben, die Macht oder ein Teil von Luke selbst gewesen war, der gerade gesprochen hatte. Wichtig war nur: Er hatte einen Blick auf etwas geworfen, das sein konnte, auf einen winzigen Teil davon, aber es handelte sich nur um etwas, das sein konnte. Doch dies war nicht der geeignete Zeitpunkt, um zu suchen und zu spekulieren, denn sowohl das eine als auch das andere stellte eine aktive Manifestation des Zweifels dar, und Zweifel konnte er sich derzeit nicht leisten. Zweifel war gefährlicher als die Yuuzhan-Vong-Krankheit, die einzige echte Beschränkung für einen Jedi.

Luke ließ die Bilder fortgleiten und fühlte erneut nur den Moment, drei schlagende Herzen, drei Selbstsphären, die zu einer wurden.

Hallo, Luke. Freut mich, dich zurückzuhaben, schien Mara zu sagen. Und dann dehnten sie sich aus, in alle Richtungen, wie eine Galaxis, die geboren wurde. Wie alles, das geboren wurde. Wie das Leben.