22
Es fiel schwer, den Gesichtsausdruck eines Mon Calamari zu deuten. Mit ihren vorquellenden, fischartigen Augen und den dicken Lippen wirkten sie auf einen unwissenden menschlichen Beobachter ständig überrascht oder amüsiert. Ihnen fehlten die komplexen Gesichtsmuskeln, die Menschen für die nonverbale Kommunikation entwickelt hatten. Zu diesem Zweck verfügten die Mon Calamari über andere semiotische Werkzeuge.
Dennoch bemerkte Mara das Entsetzen in Cilghals Gesicht, als die Heilerin den Medo-Raum betrat, den sie mit Boosters Erlaubnis eingerichtet hatte.
»O nein«, murmelte Cilghal, und ihre Finger, zwischen denen sich rudimentäre Schwimmhäute spannten, zitterten aufgeregt. »Bitte leg dich hin, Mara.« Sie deutete auf ein justierbares medizinisches Bett.
»Kein Problem«, erwiderte Mara. Beim kurzen Weg von ihrem Quartier hierher hatte sie weiche Knie bekommen. Das geistige Bild ihrer selbst zeigte ihr inzwischen ein aufgeblähtes Wesen, das auf lächerlichen, strohhalmdünnen Beinen balancierte.
Was sie in Cilghals klinischem Spiegel sah, entsprach keinem früheren oder gegenwärtigen Vorstellungsbild von ihr. Die Augen lagen tief in den Höhlen, und aus ihrem Grün war ein krankes Gelb geworden. Die Wangen waren eingefallen, als hätte sie seit Tagen nichts mehr gegessen. Die Haut war so blass, dass sich die Blutgefäße deutlich abzeichneten und wie eine topographische Karte eines Flussdeltas auf Dagobah aussahen.
Welch eine Schönheit, dachte Mara. Ich könnte wieder in Jabbas Palast tanzen, wenn ich zum Tanzen in der Lage wäre. Natürlich hätte ich dann andere Bewunderer als beim letzten Mal…
Warte nur, bis Luke dies sieht. Es wird ihn umhauen. Luke wollte nicht riskieren, dass jemand eine Holo-Netz-Mitteilung zur Errant Venture zurückverfolgen konnte, und deshalb war er mit seinem X-Wing aufgebrochen, um mit einigen berühmten Ärzten Kontakt aufzunehmen und ihnen Maras neueste Untersuchungsergebnisse zu übermitteln. Inzwischen war er seit drei Tagen fort.
»Ich möchte wissen, was mit mir los ist, Cilghal.«
»Wie fühlst du dich?«
»Mal ist mir heiß, mal kalt. Hinzu kommt Übelkeit. Und Nanosonden scheinen zu versuchen, mir mit mikroskopisch kleinen Vibromessern von hinten die Augen auszustechen.«
Die Heilerin nickte und legte ihre Hände so sanft auf Maras Bauch, dass es sich anfühlte, als lägen dort zwei Bögen Flimsiplast.
»Als du vor drei Tagen meditierst hast, wie hast du dich da gefühlt?«, fragte Cilghal.
»Schlecht. Ich wusste bereits, dass die Krankheit zurückkehrt. Ich dachte, ich könnte sie vielleicht wie früher kontrollieren, wenn ich völlig konzentriert und durch nichts abgelenkt bin.«
»Diesmal ist es anders«, sagte Cilghal. »Ganz anders. Das Ausmaß der molekularen Mutation hat sich verfünffacht. Es ist viel schlimmer als vor der Einnahme der Tränen. Vielleicht liegt es daran, dass so viele Ressourcen deines Körpers durch die Schwangerschaft gebunden sind. Oder das Serum hat deine Fähigkeit beeinträchtigt, ohne seine Hilfe mit der Krankheit fertig zu werden.« Sie schloss die Augen, und Mara fühlte, wie die Macht in Bewegung geriet, in ihr und um sie herum. »Es ist wie schwarze Tinte, die deine Zellen befleckt. Und es breitet sich aus.«
»Das Kind«, sagte Mara besorgt. »Was ist mit meinem Sohn?«
»Die Macht leuchtet hell in ihm. Die Dunkelheit hat ihn nicht erreicht. Etwas hält sie zurück.«
»Ja!«, flüsterte Mara und ballte die Fäuste.
Cilghals Augen verengten sich, als sie Maras Blick begegnete. »Du steckst dahinter, nicht wahr?«, fragte die Heilerin. »Du verwendest deine ganze Kraft, um die Krankheit daran zu hindern, deine Gebärmutter zu erreichen.«
»Ich kann es nicht zulassen«, erwiderte Mara. »Ich kann nicht.«
»Mara… Dein Zustand verschlechtert sich sehr schnell.«
»Ich muss nur bis zur Geburt durchhalten«, sagte Mara. »Dann kann ich wieder die Tränen nehmen.«
»Wenn es so weitergeht, bin ich nicht sicher, ob du die Geburt überlebst«, gab Cilghal zu bedenken. »Selbst wenn wir sie vorzeitig einleiten oder einen chirurgischen Eingriff vornehmen. So schwach bist du bereits.«
»Ich verliere nicht«, stieß Mara grimmig hervor. »Ich werde stark genug sein, wenn es so weit ist. Es dauert doch nicht mehr lange, oder?«
»Du hörst mir nicht zu«, sagte Cilghal. »Du könntest sterben.«
»Ich höre dir zu«, entgegnete Mara. »Aber was du mir sagst, ändert überhaupt nichts. Ich werde meinen Sohn zur Welt bringen, und er wird gesund sein. Auf keinen Fall beginne ich vor der Geburt erneut damit, das Serum zu nehmen. Ich habe schon weitaus schlimmere Dinge überstanden, Cilghal.«
»Dann lass mich dir helfen. Lass mich dir einen Teil meiner Kraft geben.«
Mara zögerte. »Ich werde jeden Tag hierher kommen, um mich von dir untersuchen und behandeln zu lassen. Kann ich sonst noch etwas tun?«
»Öfter als nur einmal am Tag«, sagte Cilghal. »Ich kann die Widerstandskraft deines Körpers erhöhen und ihn von einigen toxischen Substanzen befreien. Ich kann die Symptome lindern. Aber in Hinsicht auf die Krankheit selbst sind mir die Hände gebunden. Nein, ich glaube, mehr ist nicht möglich.« Emanationen der Verzweiflung und des Versagens gingen von der Heilerin aus.
»Ich brauche deine Hilfe, Cilghal«, sagte Mara. »Gib mich noch nicht auf.«
»Ich würde dich nie aufgeben, Mara.«
»Gut. Ich muss essen, aber ich habe keinen Appetit und kriege nichts hinunter. Dabei kannst du mir doch bestimmt helfen, oder?«
»Ja«, bestätigte Cilghal.
»Eines nach dem anderen, alte Freundin«, sagte Mara. »Jedes Parsec beginnt mit einem Zentimeter.«
Cilghal nickte und ging fort, um einige Dinge aus dem Lagerraum zu holen. Mara sank aufs Bett zurück, fühlte Schwindel und wünschte sich, auch nur halb so zuversichtlich zu sein, wie sie sich gab.