31
SÜSSE JAUSE.
»Entführt?«
»Entführt. Am hellichten Tag. Vor meinen Augen. Aus dem Rallye«, sage ich.
Der Doc sagt, daß ihn diese Wendung im Fall Kreuzschinder-Körner ehrlich überrascht und er in der Eile keinen Ersatzplan parat hat. Er muß nachdenken und wird sich am Geheimhandy des Trainers mit einem Vorschlag zur weiteren Vorgehensweise melden. Dabei klingt er nicht krank, sondern gekränkt. Es ist gar nicht seine Art, Vorschläge zu machen. Vom Doc ist man Direktiven gewöhnt.
»Und?« fragt Gerda.
»Schaut gar nicht gut aus«, sage ich.
Der Trainer und ich sind im Haus der 1000 Spiele wieder mit Gerda und Nora vereint, die wie wir Rätselraten, wer denn aus welchem Grund den Paul Körner aus dem Cafe Rallye in einen schwarzen Mercedes entfuhren sollte. Dazu gibt’s eine süße Jause. Während ich mit dem Doc telefoniere, kocht Nora Kaffee und der Trainer deckt mit Gerda den Tisch im Wohnbüro. Wir haben dem Herrn Josef die Hälfte der Frühstückseinkäufe überlassen und die andere Hälfte den Damen mitgebracht, als kleinen Trost dafür, daß wir nicht Entwarnung geben können. Wir waren mit dem Körner noch lang nicht fertig, als ihn uns ein unbekannter Täter von würfelförmiger Statur vor der Nase weggeschnappt hat. Um was mit ihm anzustellen? Und warum? Sollte er bei der Erpressung der prominenten Club Severin-Mitglieder an einen zahlungsunwilligen Klienten geraten sein, der den Körner hat ausforschen lassen und ihm jetzt gerade eine Moralpredigt hält, zum Beispiel darüber, daß es sich für einen Sklaven ganz einfach nicht geziemt, einen Kollegen zu erpressen?
»Das heißt, wir sitzen da und warten, bis sich der Entführte meldet?« fragt der Trainer in die Runde. »Wunderbar.«
»Sag nur, dir gefällt‘s nicht bei uns«, sagt Gerda und kneift ihn, diesmal in den Hintern. Dem Trainer mißfällt das. Oder er tut auch nur so.
»Gerda, bitte«, sagt er jedenfalls.
Und Gerda widmet sich schmollend wieder dem Dekorieren des Jausentisches. Heute nimmt sie grüne Papierservietten und hat für die Mehlspeis ein Strohkörbchen, wie es gern der Osterhase bringt.
»Vorschlag«, sagt Nora, als wir alle beim Kaffee sitzen. »Arbeitsteilung. Gerda und der Trainer halten hier die Stellung, und ich fahr mit dem Kurt rüber in den Neunten. Vielleicht finden wir was, das uns weiterhilft. Die Gelegenheit ist günstig.«
»Du willst in seine Wohnung einbrechen?« erkundigt sich der Trainer.
Aber Nora zieht lächelnd einen Schlüsselbund aus ihrer Jackentasche und läßt ihn zwischen Daumen und Zeigefinger pendeln.
»Wo hast du die plötzlich her?« will Gerda wissen.
»Nie zurückgegeben«, sagt Nora. »Und jetzt sieht man, wofür das gut war.«
Das geheime Trainerhandy meldet sich mit dem Riff von »Sunshine of Your Love«.
Der Doc ist dran.
»Vorschlag«, sagt er. »Die Gelegenheit ist günstig. Warum schaut ihr nicht in der Wohnung des Entführten vorbei? Würde mich wundern, wenn es dort nichts zu entdecken gibt, das Licht in das Dunkel seines Kidnappings bringt.«
»Du meinst, wir sollen bei ihm einbrechen?« frage ich den Doc.
»Ich nehme stark an, unsere Madame Nora hat einen Schlüssel zu Körners Wohnung.«
»Wie kommst du drauf, Doc?«
»Sie ist der Typ Frau, die den Schlüssel nicht zurückgibt. Für alle Fälle. Übrigens: Kompliment an die Damen. Ich hatte letzte nacht endlich Zeit und Gelegenheit, ihre Homepage zu besuchen, und ich muß sagen, obwohl ich mich nicht unbedingt der Zielgruppe zurechnen würde: geschmackvoll, elegant, hat Witz und Esprit. Ein seltener Juwel in der pornografischen Diaspora.«