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Stephen P. Russell kam nicht unvorbereitet – Strohhut gegen die Sonne, großes weißes Spezialhemd mit Kapuze und Gesichtsschutz gegen die Insekten, hochwirksames Insektenspray – er war für alles gewappnet. Als Algonquin Bays bestverkaufter Aquarellmaler hielt Stephen P. Russell sich etwas darauf zugute, ein Mann für alle Wetterlagen und jedes Terrain zu sein. Sein alter Volvo-Kombi war mit Stiefeln, Schirm, Regenmantel, Sandalen, Sonnenschutzmittel, Thermoskanne sowie dem gesamten Arsenal eines Amateurkünstlers voll gestopft: Staffelei, Pinsel, Farben und einem nicht allzu standfesten Klappschemel.

Birkengruppen waren sein täglich Brot, vorzugsweise Birken mit Schneehäufchen auf den Zweigen oder von den Blättern tropfendem Regen. Jedes Wochenende verkaufte er zwei, drei davon auf dem Bauernmarkt. Von den Einkünften konnte man zwar nicht leben, zum Aufbessern seiner Pension von der Schulbehörde reichten sie allemal. Besonders stolz war er auf seine Fähigkeit, den Platinschimmer auf den Blättern der Silberbirke wiederzugeben – genau den Effekt, an dem er gerade arbeitete.

Eine stete Brise kräuselte die Blätter, so dass sie sich sträubten wie das Fell einer Katze. Neben den Birken wiegte sich eine Revueformation Kiefern, die der Maler allerdings nicht beachtete. Die würde er später mit einem transparenten Grün wiedergeben, hübsch verschwommen. Das war das Tolle an Wasserfarben – es war leicht, all das, was der Betrachter nicht sehen sollte, in großen Verläufen zu gestalten. Kiefern waren nun mal nicht Stephen P. Russells Ding.

Die Pinselführung an den Birkenblättern kostete einige Mühe, einige Konzentration. Und seit einer ganzen Weile nun schon merkte der Maler, dass seine Konzentration schwankte. Gewöhnlich konnte er stundenlang vor sich hin arbeiten, an nichts anderes als sein Thema, seine Technik denken, doch heute hatte er seine Kanne Kaffee schon ziemlich früh ausgetrunken, und jetzt zwang ihn der Ruf der Natur zu einer Pause.

Er wandte sich von der Staffelei ab und blickte über die hässliche Baustelle in seinem Rücken. Nein, er musste in die andere Richtung. Mit Mühe erhob er sich von dem kleinen Schemel – ach, die Wehwehchen der so genannten goldenen Jahre! – und trottete steif Richtung Gebüsch.

Zuerst erkannte er nicht, was es war. Das Ding befand sich am Rand seines Blickfelds, und er sah es durch das Insektennetz. Er zuckte zurück, denn er dachte, jemand hätte ihn dabei erwischt, wie er sich im Freien erleichterte. Erst als er, vor Verlegenheit ganz heiß im Gesicht, den Reißverschluss hochgezogen hatte, drehte er sich noch einmal um und begriff, dass der Mann, der dort lag, überhaupt nichts gesehen hatte.