Die Attacke des Königs

  

Dort ist es«, erklärte Guerri le Fol.

 Schon am späten Vormittag hatten sie die Ebene hinter sich gelassen, um in einen Hohlweg einzutauchen,

dessen Seitenwände von Stunde zu Stunde steiler aufragten und schließlich zu einer richtigen Schlucht wurde, die so eng war, dass immer nur zwei Pferde nebeneinander laufen konnten. Das Sonnenlicht drang kaum bis zu ihnen in diese gewundene Talrinne aus Fels und Eis herab, und falls der Mörder der Gilde das nötige Nervenkostüm gehabt hätte, um sie in eine Falle zu locken, so hätte er hier eine wunderbare Kulisse gehabt. Es hatte sich jedoch nichts Außergewöhnliches ereignet, sie waren weder in einen Erdrutsch geraten noch in eine Lawine oder einen Hinterhalt, bis Guerri sein Maultier schließlich zum Stehen brachte.

Er zeigte ihnen eine gerade, wie durch einen sauberen Schnitt entstandene Felsspalte, deren Grund von dick verschneitem Gestrüpp bedeckt war; und da sie sich nicht rührten, saß er von seinem Reittier ab und sah fragend zu Lliane empor.

»Nur zu«, sagte sie.

Frehir schwang sich ebenfalls aus dem Sattel, zog mit der freien Hand sein Schwert aus der Scheide und machte Guerri ein Zeichen weiterzugehen, wobei dieser nach wie vor den Strick um den Hals geschlungen trug und der Barbar ihn festhielt wie einen angeleinten Hund. Der Mann machte einen kläglichen Eindruck, als er geradewegs auf das Dickicht zulief, stark hinkend und zähneklappernd, da er weder einen Umhang noch einen Mantel besaß, um sich gegen die Kälte zu schützen. Allerdings packte er trotz allem einen Strauch und rupfte ihn zum großen Erstaunen des Barbaren mit leichter Hand aus dem Boden.

»Helft ihm«, befahl Lliane.

Frehir und Ulfin gehorchten und räumten beschwingt den Weg frei, da sie feststellten, dass diese ganze Vegetation nur lose auf die Erde gesetzt und geschickt arrangiert worden war, um den Durchgang zu verbergen. Dank der dichten Schneedecke war die Tarnung endgültig nicht mehr als solche zu erkennen wobei allerdings zu bezweifeln stand, ob überhaupt ein Mensch verrückt genug gewesen wäre, sich so weit wie sie in diesen unwirtlichen Engpass hineinzuwagen. Binnen weniger Minuten war alles Gestrüpp beiseite geschafft, und Ulfin entdeckte am Eingang zu dem unterirdischen Stollen Spuren eines Fuhrwerks, die sich tief in den gefrorenen Boden eingegraben hatten und bewiesen, dass Guerri nicht gelogen hatte.

»Ich habe mein Versprechen gehalten«, stieß dieser angestrengt hervor, wobei er beim Ausatmen jedes Mal eine weiße Dampfwolke ausstieß, die vorübergehend sein schmerzverzerrtes Gesicht verhüllte, das blau vor Kälte war. »Nun lasst mich ziehen.«

»Noch sind wir nicht in Scäth«, erwiderte die Königin.

Und sie kehrte ihm den Rücken zu, ungerührt von seiner beleidigten Miene.

»Los, aufgesessen! Till, Kevin, ihr reitet voran!«

Die beiden Elfen tauschten einen flüchtigen Blick. Seit ihrem Aufbruch aus Loth war Llianes Miene verschlossen und ihre Stimme hart. Ja, bisweilen schien sie sich beherrschen zu müssen, um nicht zu schreien. Sie trauten sich kaum noch, sie anzusprechen, doch das kummervolle Schweigen, hinter dem sie sich mehr und mehr verschanzt hatte, brach ihnen schier das Herz. Kevin nahm seinen Bogen, den er schräg über der Brust trug, ab, wählte sorgfältig einen Pfeil aus seinem Köcher aus und trabte auf sie zu.

»Nehmen wir die Pferde mit?«

»Wenn sie hier mit der fetten Mahault herausgekommen sind, dann dürften wir mit Leichtigkeit hindurchpassen1.«, entfuhr es Ulfin, während er sich wieder in den Sattel schwang.

Kevin nickte lächelnd und gab seinem Reittier die Sporen. Bald schon verschwanden die beiden Elfen und Tills weißer Falke in den Tiefen der Höhle.

Die Übrigen machten sich erst auf den Weg, nachdem sie genügend Holz und Zweige geschnitten hatten, um sich Fackeln zu fertigen. Das Holz war gefroren, es knisterte und zischte beim Verbrennen und gab mehr Qualm als Licht ab, doch kein Mensch hätte sich ins Innere vorwagen können, wenn er nicht wenigstens eine notdürftige Beleuchtung bei sich gehabt hätte. Die Fackeln hingegen enthüllten, was nicht einmal die Augen der Elfen zu erspähen vermocht hätten. Der unterirdische Gang war von den Spuren unzähliger Hackenschläge übersät, und man sah im Geiste ganze Allianzen von Gnomen vor sich, die sich dort drinnen Tag und Nacht mit der ihnen eigenen viehischen Verbissenheit abmühten, bevor sie endlich ins Freie gelangten. Das war wahrhaftig gute Arbeit, die sie da geleistet hatten, und sie hätte einem zwergischen Stollen alle Ehre gemacht.

Die Hufe ihrer Pferde klapperten auf dem ebenen, harten Grund. An den Rändern rann das Wasser entlang, doch es lief in einer Art ausgemeißeltem Kanal, der den Weg von jeglichem Schmutz freihielt. Ab und an mussten sie den Kopf einziehen, bisweilen sogar vom Pferd absitzen, um durchzukommen, denn es waren natürlich Gnomen, die diesen Tunnel gegraben hatten, und die Größten von ihnen maßen nicht mehr als vier Fuß. Die Höhe reichte jedoch für die Pferde und selbst für Planwagen. Die Zwerge rümpften verächtlich die Nase, aber es war nicht zu verkennen, dass der Stollen der Gnomen sie beeindruckte.

 

So bewegten sie sich eine lange Zeit voran, die Sinne aufs Äußerste gespannt. Bald schon wich die frische Luft von draußen einem muffigen Geruch, der sie ganz benommen machte, und schließlich einem abscheulichen Modergestank, der dermaßen Ekel erregend war, dass selbst die Pferde angewidert schnaubten und sie ihnen die Nüstern zuhalten mussten.

»Was stinkt denn da so bestialisch, zum Henker?«, platzte Ulfin unvermittelt heraus.

»Das ist Schwefel«, erklärte Sudri mit derart vergnügter Miene, dass sie sich fragten, ob er in der Nähe einer Gerberei aufgewachsen war. »Gebt Acht auf eure Fackeln, sonst...«

»Was sonst?«, knurrte der Ritter.

»Ich werd’s dir zeigen ... Gib mal her.«

Er stieg vom Pferd, packte das Licht, das Ulfin ihm reichte, und leuchtete eine zitronengelb überkrustete Steinschicht an, von der er vorsichtig einen kleinen Brocken löste. Er legte ihn ein gehöriges Stück von der Fundstätte entfernt auf die Erde, wandte sich noch einmal um, um sich zu versichern, dass er ihre volle Aufmerksamkeit hatte, und warf die Fackel darauf. Er hatte gerade noch Zeit, zur Seite zu springen, bevor der Schwefel zu schmelzen begann und das untergründige Gewölbe von einer Serie blendend heller Blitze erleuchtet wurde, begleitet von dickem, stickigem Qualm, der sie in der Nase biss und ihnen die Tränen in die Augen trieb.

»Was ist das denn für eine Schweinerei?«, brüllte der Recke hustend und spuckend.

Sudri blieb ihm die Erwiderung schuldig. Er hob die Fackel vom Boden auf, gab sie dem Ritter zurück und trippelte dann bis zum Pferd der Königin.

»Reitet schon weiter«, sagte er. »Ich werde so viel wie möglich davon einsammeln. Das könnte uns noch von Nutzen sein ...«

Ohne die Antwort der Königin abzuwarten, machte er kehrt, und Bran gab ihr mit einem Wink zu verstehen, dass Onar und er solange wie nötig mit dem Meister der Steine zurückbleiben würden. Sie setzten sich wieder in Bewegung, vermochten jedoch dem Gestank nach faulen Eiern nicht zu entrinnen, der sie bis zum Ende verfolgen sollte. Während dieses ganzen Intermezzos hatte die Königin nicht ein einziges Wort verloren. Sie machte sich auf den Weg, nach wie vor gefangen in ihrer seelischen Isolation, die Kehle wie zugeschnürt von einem unerträglichen Druck. Dieses Gefühl hatte sie bereits Stunden zuvor beschlichen, als sie noch unter freiem Himmel geritten waren, und obwohl sie sich alle Mühe gab, gelang es ihr nicht, es abzuschütteln. Dieser eisige Hauch, unter dem sich ihr Herz zusammenkrampfte, das war der Tod selbst. Er war da, strich um sie herum und wartete, dass seine Stunde käme und er zuschlagen könnte, ohne dass Lliane vermocht hätte, den Namen zu verstehen, den er ihr ins Ohr raunte. So ritt sie alleine und mied jeglichen Blickkontakt mit ihren Gefährten, um nicht das Unglück auf sie herabzuziehen. Dabei drang sie immer tiefer in den unterirdischen Stollen der Gnomen und zugleich in ihren eigenen inneren Kerker vor. Doch schließlich formte sich in ihrem Kopf ein Name, ein ganz bestimmter Name, trotz all ihrer Anstrengungen, die Ohren davor zu verschließen. Inmitten des schauerlichen Gebrülls der Seelen, die erfüllt vom namenlosen Grauen des Hinscheidens die Mittlere Erde verließen, tat der Tod leise seine Entscheidung kund. Noch war es nur ein fernes Wispern; womöglich nur ein irrtümlicher Eindruck, doch die beiden Silben kehrten wieder, eindringlich, rhythmisch abgestimmt auf den Gang ihrer Stute.

Uther ...

Es war keine Schlacht, sondern ein reines Gemetzel. Die Lanzenkämpfer schlugen sich wacker, obwohl sie nur ein lächerlich kleines Häufchen waren, und hielten die in mehreren aufeinander folgenden Wellen angreifenden Feinde auf Distanz, die in ihre langen Piken hineinrannten, um sich selbst aufzuspießen, oder unter den Schauern von Pfeilen aufbrüllten, die Dos Bogenschützen unablässig abfeuerten, so dass ihnen allmählich der Nachschub ausging. Noch hatte Uther seine Ritterhaufen nicht ins Gefecht geschickt und betrachtete das Massaker, ohne dass er bei diesen Legionen von Monstern, die da vergebens gegen die vorderste Linie seiner Truppen anstürmten, den mörderischen Furor entdeckt hätte, den er erwartet hatte. Unter dem Getrampel all dieser Wesen hatte sich die makellos weiße Ebene in ein schwarzes, völlig durchweichtes Schlammfeld verwandelt. Der Schnee schmolz unter dem warmen Blut. Rund um die Kämpfenden war alles rot verspritzt, und die Menschen, die über und über mit dieser Ekel erregenden Brühe besudelt waren, waren kaum noch von den Dämonen zu unterscheiden.

Uther richtete sich in seinen Steigbügeln auf, trabte um das Schlachtfeld herum und begriff endlich: Dieses wahnwitzige Getümmel, diese unüberschaubare, heulende Menge war nur ein kleiner Vorgeschmack. Es war kein einziger Goblin darunter, lediglich mindere Rassen, Orks, Kobolde und Trolle, zorntrunken, rasend und schäumend vor Hass, zu einfältig, um so etwas wie Furcht zu kennen, doch ohne eine befehlende Hand und ohne strategisches Gewicht, das sie einem geordneten Heer entgegenzusetzen gehabt hätten. Und sein Gesicht wurde totenbleich, als er in der Ferne hinter diesem scheußlichen Blutbad den düsteren, geschlossenen Block der marschierenden Goblinarmee erspähte. Dieses ganze gewaltige Aufgebot von Kriegern, all diese Schlächterei, all dies Wüten hatte nur dazu gedient, ihre Pfeilreserven zu erschöpfen ...

Diese Erkenntnis hatte kaum Gestalt angenommen in seinem Kopf, als der lang gezogene Rufeines Horns über dem Gewühl erschallte, worauf die Dämonenhorde umgehend den Kampf abbrach und unter dem Hurrageschrei der menschlichen Fußsoldaten einen ungeordneten Rückzug antrat. Unter ihnen war noch keiner, der die Gefahr erkannt hätte. Uther betrachtete seine Männer, diese Tausende von Menschen aus Fleisch und Blut, die ausgelassen ihre Waffen über den Köpfen schwenkten und jauchzten. Er erkannte Adragai den Braunen, und Madoc den Schwarzen, deren Kettenhemden rot waren von Blut. Die beiden Brüder, Sie sich eng umschlungen hielten, hoben fröhlich ihre Schwerter in seine Richtung und riefen ihm etwas zu, was er jedoch nicht verstand.

»Wir müssen den Rückzug antreten«, bemerkte er leise.

»Was sagst du da?«

Kanet de Caere schaute ihn an, als sei er von allen guten Geistern verlassen. Nein, das war es nicht allein ... In seinem indignierten Blick lag nicht nur Unverständnis. Uther las darin einen entehrenden Verdacht. Nut, der neben ihm stand, schlug die Augen nieder. Er hatte also richtig vermutet. Einer wie der andere hatten sie, genau wie er selbst, die finsteren Schlachthaufen Dessen-der-keinen-Namen-haben-darf zum Angriff stürmen sehen. Seit Beginn des Gefechts rutschten sie ungeduldig auf ihren Sätteln herum, gekränkt, wie es jeder von den Rittern bei der Vorstellung sein musste, dass sie reine Reservekämpfer waren, dazu verurteilt, diesem Gemetzel tatenlos zuzusehen. Und nun, da sich die wirkliche Gefahr am Horizont zeigte, erschien ihnen der hingemurmelte Satz ihres Königs als die schlimmste Beleidigung.

»Sire, wir sind im Stande, sie zu bezwingen«, fasste sich Nut ein Herz.

»Schweig!«

Weiter unten feierten das Fußvolk und die Bogenschützen immer noch ihren vermeintlichen Sieg. Ihre Reihen lösten sich auf, die Mönche schleiften die Verletzten, die nicht mehr in der Lage waren, sich alleine fortzubewegen, nach hinten ... Es gab keine Front mehr, keine Linie aus Bogenschützen, nicht einmal mehr Pfeile. Einzig die Kavallerie war noch unversehrt. Vielleicht würden sie es schaffen zu siegen, allerdings nur um den Preis eines hundertprozentigen Einsatzes, was Uther gerade vermeiden wollte. Es war sinnlos, die Dämonen auf ihrem eigenen Terrain anzugreifen. Die Raserei und die Grausamkeit nährten sich vom Mut und der Stärke ihrer Gegner, bis sie die Kämpfer schließlich moralisch völlig zerrüttet und ihren Willen gebrochen hatten, um anschließend ihre Körper zu zerschmettern. Das Grauen verlor niemals eine Schlacht. Jetzt anzugreifen, die gesamte Armee der Menschen auszuliefern, sich bis auf den letzten Mann zu schlagen, ja selbst zu siegen, die Dämonen auszulöschen, ihre Verletzten zu erdrosseln und ihre Kadaver zu verbrennen all das wäre völlig sinnlos. In einem Jahr, oder auch in zehn, würde ein neuerlicher Krieg das Königreich verwüsten. Der wahre Kampf, der einzige, der dieser abscheulichen Spirale aus Gewalt und Blutvergießen ein Ende bereiten könnte, wurde an einem anderen Ort ausgetragen, möglicherweise sogar genau in diesem Moment...

Die Männer auf dem Schlachtfeld unten waren in fieberhafte Hektik verfallen. Sie hatten endlich die heranstürmenden Goblins gewahrt und blickten von panischer Angst erfüllt zu ihm hinauf. Die Schlacht jetzt abzubrechen, hieße, ein ganzes Fußvolk zu einem ehrlosen Tod zu verdammen. Sich ins Getümmel zu stürzen, würde dagegen lediglich dazu führen, mit ihnen in den Tod zu gehen. So standen die Dinge ... Uther hob den Blick, um den wolkenlosen Himmel zu betrachten. Er lächelte versonnen, dann wandte er sich nach seinem Fahnenträger um und wies auf die Linie der Bogenschützen.

»Sag ihnen, sie sollen ausschwärmen und ihre Pfeile aus der Erde ziehen und wenn’s sein muss, auch aus den Bäuchen der Gefallenen!«

Und während Kanet de Caere davongaloppierte, stürmten Uther und Nut den kleinen Hügel hinunter und ritten vor ihre Kavallerie hin, die sich nach wie vor im Schutze der Erhebung verborgen hielt. Ihre große Zahl beruhigte den König. Tausende Lanzen, die da durch die Luft geschwenkt wurden, im Wind schlagende Paniere, Fahnen, Wimpel und Banner. Die Menschen traten von einem Fuß auf den anderen, und die Pferde scharrten mit den Hufen, allesamt ungeduldig, weil sie so lange von der Schlacht fern gehalten worden waren; und ihre Anspannung entlud sich in einem ohrenbetäubenden Beifallssturm, sobald sie den König erkannten. Uther setzte seinen Helm auf und gebot mit dieser schlichten Geste der rauschenden Begeisterung Einhalt, dann ergriff er die Lanze, die ihm ein Schildknappe reichte. Den herbeigeeilten Bannerherren, die auf eine Order warteten, erteilte er einen einzigen Befehl: »Formiert euch zu einem Haufen, in geschlossenen Reihen und keilförmiger Schlachtordnung’«

Sie ritten in leichtem Trab davon, um auf einer Anhöhe Stellung zu beziehen, die Sonne im Rücken. Es blieb ihnen kaum noch Zeit. Am Fuße des Abhangs liefen die Fahnenflüchtigen in alle Richtungen davon, während die geschlossenen Linien der Feinde, eine riesige Kolonne, mit beängstigender Geschwindigkeit auf der verschneiten Ebene vorrückten. Die Goblins stürmten zum Angriff. In der Mitte ragte, umringt von einer Gruppe Reiter in Rüstung, ein hageres, düsteres Wesen auf, dessen leichenblasses Gesicht sich scharf von all dem Schwarz rundum abhob und die Blicke auf sich zog. Vor ihnen rasten gleich einem vorschnellenden Dolch Wolfsmeuten und Hunderte berittener Söldner geradewegs auf die Linien der Bogenschützen zu, über denen die Wogen eines verheerenden Chaos zusammenschlugen, wie es sich schlimmer nicht denken lässt, nachdem die einen losgelaufen waren, um ihre Pfeile einzusammeln, die nächsten in dem Glauben, bereits gesiegt zu haben, ihre zugewiesene Stellung verlassen hatten und die Masse der Fußsoldaten endlos lang brauchte, um sich wieder zu einem Karree zu formieren; und vor ihnen Berge von Leichen, die von der Heftigkeit des ersten Gefechts zeugten. Niemals würde es ihnen gelingen, sich geordnet aus dem Kampf zurückzuziehen. Es blieb ihnen gar keine andere Wahl, als den Feinden die Stirn zu bieten, sich zu schlagen, um ihre Haut zu retten oder aber ohne allzu großes Leiden zu sterben. Der König schloss für einen kurzen Moment die Augen, um den Schreien und der allgemeinen Unruhe auf dem Schlachtfeld zu entgehen. Und er sah das Gesicht Igraines, ihren nackten Körper, eingerollt in ihre zerwühlten Laken ... War Illtud, der Abt, bis zu ihr gelangt? Vielleicht beteten sie für ihn, gerade in dieser Sekunde. Er würde es brauchen ...

»Los, wir müssen dem Fußvolk Aufschub verschaffen’«, brüllte Uther, und seine eigene Stimme hallte ohrenbetäubend laut unter seinem Helm wider.

Er hob seine Lanze hoch, und die erste Schlachtlinie setzte sich in Bewegung, zunächst im Schritt, dann im Trab, dann im Galopp, so dass die Erde dröhnte wie Donnergrollen. Die Männer zogen ihre länglichen ovalen Schilde, die ihre linke Seite bis zum Knie hinunter schützten, eng an sich heran, dann senkten sie ihre Lanzen und klemmten sie fest unter den Arm. Die goblinischen Reiter, die von der plötzlichen Seitenattacke der Menschenritter überrumpelt waren, versuchten einen geschlossenen Schwenk zu vollziehen, doch sie waren nicht schnell genug, und der Angriff traf sie in völliger Unordnung keine ihrer scheußlichen Waffen konnte es mit den langen Lanzen von Uthers Soldaten aufnehmen. Der König sah die Ritter unten in die wenigen Gruppen hineinpreschen, die sich ihnen zugewandt hatten, um daraufhin mit voller Wucht die Kolonne aus Goblins zu durchstoßen. Die Lanzen durchbohrten die Leiber mit einer derartigen Kraft, dass häufig auf der gegenüberliegenden Seite die an der Spitze befestigten Wimpel in einem Blutstrahl wieder herausschossen wenn sie nicht bereits von dem Aufprall zerbrochen oder dem Ritter unter dem Arm herausgerissen worden waren. Er sah Pferde, die in blinder Panik durchgingen und versuchten, über die Reihen der Goblins hinwegzuspringen, um samt ihrem Reiter in deren brodelnder Masse zerquetscht zu werden. Er sah Unglückliche, die eingekeilt waren in den feindlichen Reihen, sah, wie sich Arme nach ihnen ausstreckten, um sie vom Sattel zu zerren und zu Boden zu schleudern, worauf sie alsbald von dem grässlichen Pulk verschluckt wurden. Er sah andere, denen mit einer Streitaxt der Kopf abgehauen wurde und die danach noch weitergaloppierten, mitgeschleift von ihrem Pferd, hinter sich eine Wolke aus Blut. Die Dämonen zertrümmerten mit ihren Äx ten die Sprunggelenke von in vollem Galopp begriffenen Streitrössern, Männer spießten sich auf dem abgebrochenen Schaft ihrer eigenen Lanzen auf, unter ihrem toten Pferd eingeklemmte Ritter mit zerschmetterten Gliedern brüllten vor Schmerz, bis ein Monster kam, um sie auf die Erde zu nageln. Uther hielt seine Lanze fest umklammert und blickte zu dem reglosen, unter der Spitze befestigten Wimpel empor. Der Wind hatte sich gelegt, und die Sonne wurde mehr und mehr von einem trüben Schleier verdunkelt. Trotz der Kälte spürte er, wie ihm unter der ledergefütterten Kettenhaube der Schweiß herunterrann. Sein Helm kam ihm schwer vor, sein Atem ging stoßweise, und als er seinem Pferd die Sporen gab, drückten ihm sein Kettenhemd und seine Waffen wie Blei auf die Schultern. Er fiel in Trab, alsbald gefolgt von dem gesamten zweiten Schlachthaufen, während die Goblins unten sich auf den Zusammenstoß vorbereiteten. Diesmal wäre kein Überraschungseffekt mehr gegeben ...

Als die Pferde durchgingen, senkte Uther seine Lanze und hielt nach einer Zielscheibe in der wabernden Masse der Monster Ausschau. Im Tumult des Angriffs konnte er fast nichts mehr sehen, einzig eine wild gewordene Meute von Wölfen und Reitern, die wie toll vor ihnen herumsprangen, und dann, dahinter, eine Grauen erregende Wand brüllender Krieger. Ohne sich dessen überhaupt bewusst zu sein, begann er ebenfalls zu brüllen, den Blick auf sein Fähnchen gerichtet, das bei vollem Galopp im Wind flatterte. Ein Reiter raste geradewegs auf ihn zu, während er seinen Krummsäbel mit weit ausladenden Bewegungen im Kreis herumwirbelte. Uther sah nur noch ihn allein, nahm nichts anderes mehr wahr als seine hässliche Fratze. Im letzten Moment hob er seine Lanze. Die eiserne Spitze glitt über den Schild des Dämonen, durchbohrte mühelos dessen Kehle, riss ihm den Helm herunter und einen Teil des Schädels. Uthers Arm war wie betäubt von dem Schlag, doch der Schaft seiner Waffe war nicht gebrochen. Am oberen Ende knatterte nach wie vor der inzwischen blutgerötete Wim pel im Wind. Uther blieb keine Zeit zu schauen, was aus dem Reiter mit dem Krummsäbel geworden war. Von dem Ansturm seiner eigenen Leute mitgerissen, preschte er geradewegs auf die hinteren Reihen der Goblins zu. Ihm blieb auch keine Zeit mehr, sich das nächste Opfer auszusuchen. Er sah seine Lanze in das Gewimmel hineinstechen, und diesmal war es, als habe er damit eine Mauer gerammt. Der Schaft zerbarst mit derartiger Vehemenz, dass er den Kopf zur Seite drehen musste, um nicht von den Splittern getroffen zu werden, und es fühlte sich an, als sei ihm bei dem Stoß der Arm ausgerissen worden. Sein Steiß prallte hinten gegen den Sattelbaum, vor seinen Augen tanzten Sternchen, und er hielt benommen inne. Einen kurzen Moment lang schob sich das bleiche Gesicht des gerüsteten Reiters in sein Sichtfeld, hoch über der wuselnden Menge der Monster. Es handelte sich um einen Menschen, daran konnte kein Zweifel bestehen, um den Anführer dieser scheußlichen Armee, und es schien ihm, als lachte er ... Es war nur ein flüchtig aufblitzendes Bild. Und schon brachte sein Pferd ihn aus diesem Getümmel hinaus. Bis er wieder zur Besinnung gekommen war, hatte Uther bereits das verschneite Schlachtfeld überquert, um hundert Klafter weiter die Überlebenden der ersten Attacke vorzufinden.

In seinem Rücken brüllten die Soldaten und schwangen wütend die Fäuste, und er drehte sich gerade noch rechtzeitig herum, um die zum Angriff stürmende dritte Linie wie eine Faust in den goblinischen Schlachthaufen hineinfahren zu sehen, untermalt von Grauen erregendem Geschrei und dem ohrenbetäubenden Klirren zermalmten Eisens. Er riss sich seinen Helm vom Kopf, schob sogar seine Kettenhaube in den Nacken und richtete sich mit pochendem Herzen in den Steigbügeln auf. Die Goblins traten den Rückzug an ... Die drei unvermuteten Angriffe hatten breite, blutige Schneisen in ihre Reihen gebahnt und ihrem unbeirrten Vormarsch ein jähes Ende bereitet. Er wandte sich nach links und verspürte ein Gefühl der Erleichterung beim Anblick der vorbildlichen Linie, zu der sich seine Bogenschützen in der Zwischenzeit wieder formiert hatten.

Die Ritter des dritten Haufens schlossen sich ihnen nun an. Zahlreiche Pferde ohne Reiter. Beinahe keine heilen Lanzen mehr ... Und doch lächelten die Männer. Kanet und Nut trieben ihre Rösser bis zu ihm, aber Uther ließ ihnen keine Zeit zum Verschnaufen. Weiter hinten wirbelten die Dämonen herum und stellten sich ihrerseits wieder in Reih und Glied auf, um sich auf eine neue Attacke vorzubereiten.

»Glaubst du immer noch, dass wir im Stande sind, sie zu besiegen?«, rief Uther Nut zu.

Der Recke antwortete nicht.

»Ich glaube schon!«, fuhr Uther fort. »Bleib bei mir, dann wirst du sehen, wie man eine ordentliche Fehde ausficht!«

Sie jagten in gestrecktem Galopp davon, unter ohrenbetäubendem Getöse, und umrundeten erneut die Linien der Fußsoldaten und Bogenschützen, bis sie das kleine Tal erreichten, in dem sie sich während des ersten Angriffs versteckt hatten. Dort nahmen sie sich nur die Zeit, frische Stangenwaffen von einem Gestell herunterzureißen, bevor sie ihren Rössern die Sporen gaben, um wieder auf der Kuppe des Hügels Aufstellung zu nehmen.

Die Dämonen, die kurzzeitig von ihrem Manöver aus dem Konzept gekommen waren, stürzten sich erneut ins Gefecht, doch der heftige Angriff der Ritter hatte den Soldaten des Königs erlaubt, ihre Reihen wieder zu schließen. Kaum waren die Feinde in Reichweite, ging ein Hagel von Pfeilen auf sie nieder, der ihre Linien noch weiter ausdünnte, dann stießen sie aufeinander, und die Schlacht begann.

Binnen weniger Minuten war der Begeisterungsrausch verflogen, und den Menschen stockte das Herz. Im Handgemenge hatten die Fußsoldaten und Bogenschützen keine Chance mehr gegen die Ungeheuer. Das gesamte königliche Heer trat den Rückzug an, von den Lanzenkriegem war nichts mehr zu sehen, die Bogenschützen zerbrachen ihre Bo gen und zückten ihre armseligen Schwerter. Schon sah man, wie die ersten Menschen den Kampf abbrachen und flohen, wobei sie ihre Waffen fallen ließen und in panischem Entsetzen brüllten.

Uther warf Nut einen stummen Blick zu, dann senkte er seine Lanze.

Die Attacke der Ritter zerschellte an dem feindlichen Heerhaufen mit dem sinnlosen Furor eines entfesselten Meeres, das gegen eine Klippe anbrandet.

Trotz des schweren Vorhangs aus Leder und Samt, trotz der fellbespannten Seitenwände und der Decken hatte sich eine eisige Feuchtigkeit in der Sänfte ausgebreitet. Eng aneinander geschmiegt, hatten Igraine und ihre Zofen schon seit Meilen kein Wort mehr gewechselt. Die Königin hielt Anna, ihre kleine Tochter, die so dick eingepackt war, dass man nur ihre rote Nase herausspitzen sah, fest an sich gedrückt. Sobald sie einschlief, hieß es still sein, doch das erzwungene Schweigen war für sie alle eine Erleichterung, wo man doch weder von Kindern noch vom Krieg noch von Uther sprechen konnte und bei jedem Satz auf der Hut sein musste, um nichts Unbedachtes zu sagen, was ihr die Tränen in die Augen trieb.

Bruder Blaise, ihr Beichtvater, hatte ihnen aus der Heiligen Schrift vorgelesen, bis er selbst von seinem monotonen Singsang eingeschlummert war. Und die Frauen waren nach und nach von einer dumpfen Schläfrigkeit oder von Langeweile übermannt worden und ebenfalls eingenickt, sanft gewiegt vom gleichmäßigen Rütteln des Fuhrwerks.

Igraine war erleichtert gewesen darüber, so sehr strengte selbst das kleinste Wort sie an. Es würde eine lange und trübselige Reise bis zu dem weit entfernten Herzogtum von Carmelide in dieser Sänfte, in der sie bei jeder Unebenheit des Fahrweges unsanft herumgeworfen wurden. Der sorgsam in den Ritzen fest gestopfte lederne Vorhang ließ nur winzige Lichtstrahlen herein, und das Halbdunkel und die Kälte verliehen ihrem Gefährt den Anstrich eines Grabes.

Etliche Jahre zuvor war sie dieselbe Strecke in entgegengesetzter Richtung gereist, damals noch als ein Kind, das dem alten König Pellehun versprochen war. Aber es war Sommer gewesen, sie waren in einem offenen Wagen unterwegs gewesen, und sie hatte sich am Anblick der Landschaft berauscht, die sie gegenwärtig nicht einmal sehen konnte. Sie dachte an ihre erste Begegnung zurück, an den Schauder, als sie ihren Gemahl zu Gesicht bekommen hatte: Pellehun war älter als ihr eigener Vater gewesen, er hatte nichts von dem gehabt, was sich ein junges Mädchen von ihrem Verlobten erwarten mochte, und dennoch war er von einer faszinierenden Aura der Stärke und Selbstgewissheit umgeben gewesen. Sie hatte sich bemüht, ihn zu lieben. Sie hatte sogar glückliche Tage mit ihm verlebt, solange der König noch gehofft hatte, dass sie ihm einen Erben schenkte. Und dann waren die Monate ins Land gegangen, Pellehun hatte immer seltener das Lager mit ihr geteilt, und sie hatte die Einsamkeit kennen gelernt, die Verzweiflung, und schließlich das Licht, das die Religion in ihr Dasein brachte.

Sie betrachtete Blaise, der in sich zusammengesunken dasaß, nach wie vor die offene Bibel auf den Knien, und leise schnarchend den Schlaf der Seligen schlief. Gott selbst hatte sie verraten, indem er ihr den Glauben an die Liebe eingegeben hatte, um ihr daraufhin alles zu rauben, was sie liebte. Uther war nur unwesentlich älter als sie gewesen, als sie sich das erste Mal begegnet waren. Zwei Kinder in der Burg eines Greises, die einer wie der andere in seinen Diensten standen. Trotz seiner Jugend war er einer der zwölf Recken gewesen, der fortwährend darum bemüht war, seinen Zügen mehr Härte zu verleihen, um reifer zu wirken, vermutlich ebenso einsam wie sie, weit weg von seiner kleinen Baronie von Cystennin ... Eines Abends, kurz nach ihrem fünfzehnten Geburtstag, hatten sie sich geküsst, und Ulfin hätte sie um ein Haar ertappt. Möglicherweise hatte er sie sogar gesehen ...

 

Dann war Uther zum Pendragon geworden, beseelt von Llianes Liebe, während sie, dem Herzog Gorlois ausgeliefert, die schwärzesten Tage ihres Lebens durchlitten hatte. Damals hatte sie sich umbringen wollen, doch dann hatte Gorlois sie geschwängert, sie hatte eine Tochter geboren, und so hatte ihre Existenz zumindest einen Sinn erhalten. Schließlich war auch Uther zurückgekehrt. Er war für keine andere als sie in die Schlacht gezogen, für sie hatte er auf Lliane verzichtet und der Macht ihrer magischen Kräfte entsagt.

Artus' Geburt war ein solches Glück gewesen, dass sie davon noch heute zu Tränen gerührt war. Für die Dauer eines Sommers war ihr Dasein ganz und gar erfüllt gewesen. Im Königreich herrschte Frieden, Uther war bei ihr ... Warum hatte er alles zerstört? Diese Frage ließ ihr keine Ruhe, seit dem Tag, an dem er ihr ihr Kind entrissen hatte. Dafür konnte es nur eine Erklärung geben: Die Elfe hatte ihn verhext, sie und dieser vermaledeite Merlin, der stets auftauchte, wenn man nicht mit ihm rechnete. Sie hatte ihn in ihrer Gewalt, wie in jenen Momenten, da er bewusstlos dalag und sie ihre Zauberformeln durch seinen Mund herausschrie. Die Elfen wussten überhaupt nicht, was Liebe ist, sie hatten keine Familie. Das schlichte Glück des Königs musste in ihren Augen eine Beleidigung sein ... Das war der Grund, dass Lliane ihr Leben zerstört hatte. Falls Artus ihr eines Tages zurückgegeben würde, müsste sie ihm den Hass auf die Elfen einimpfen ...

Erregtes Stimmengewirr draußen riss sie aus ihren bitteren Gedanken. Sie hob eine Ecke des ledernen Vorhangs, dann schob sie ihn mit einem Ruck ganz zur Seite, als sie den Reiter erkannte, der ihnen da entgegenkam.

Ohne erst zu warten, bis das Fuhrwerk zum Stehen gekommen war, vertraute sie Anna einer aus dem Schlaf hochgeschreckten Zofe an, sprang aus der Sänfte hinaus und rannte auf ihn zu.

»Mein Vater!«

Seine Eskorte hinter sich lassend, gab Illtud seinem ermatte ten Pferd die Sporen, stürmte den als Straße dienenden verschneiten Erdwall hinauf und war kaum abgestiegen, als sie sich auch schon in seine Arme warf. Trotz seines Schwertes, seines Kettenpanzers und seines schlammbesudelten Waffenrocks war er ein Mann der Kirche, und er hatte schon so lange keine Frau mehr an seinen Busen gedrückt, dass er sich gehemmt und zutiefst bewegt zugleich fühlte.

»MeineTochter ...«

Igraine war so jung, dass sie tatsächlich seine Tochter hätte sein können, und in diesem Bewusstsein umarmte und küsste er sie. Eine zutiefst bekümmerte Tochter, fern ihres Geliebten, unglücklich und verzweifelt.

»Ist Uther am Leben?«

»Ich habe ihn verlassen, bevor die Schlacht begonnen hat«, erwiderte er. »Er selbst hat mich dir entgegengesandt. Er liebt dich, Igraine. Er denkt an nichts anderes als dich ... Er möchte wissen, ob du ihm verziehen hast und ob du ihn noch liebst.«

Die Königin begann zu schluchzen und fiel in dem gefrorenen Schlamm des Fahrwegs auf die Knie.

»Ich habe ihn nicht einmal mehr gesehen ... Aber das ist nicht seine Schuld, mein Vater. Sie hat ihn verhext. Ich hasse sie ... Ihr könnt Euch gar nicht vorstellen, wie sehr ich sie hasse.«

Der Abt schaute auf, und er begegnete dem Blick Leo de Grands. Der Herzog saß ohne Eile vom Pferd ab, ging bis zu ihnen vor und fasste seine Schwester sanft bei den Schultern.

»Lass mich in Frieden!«, heulte sie und schlug wild um sich.

»Das führt doch zu nichts«, murmelte Carmelide an ihr Ohr. »Bete jetzt einfach für seine Seele. Wenn du ihn liebst, so ist das alles, was du augenblicklich für ihn zu tun vermagst...«

Sie musterte ihn forschend, und obgleich er ein unerschrockener Kämpfer war, schlug der Herzog als Erster die Augen nieder.

Als sie sich umwandte, hatte sich Illtud bereits wieder aufs Pferd geschwungen.

 

»Was macht Ihr?«

»Ich kehre zu ihm zurück«, erklärte der Abt.

»Aber das ist doch blanker Wahnsinn!«, rief Léo de Grand aus. »Es wird bald dunkel, und bei dieser Kälte könnt Ihr unmöglich einen solchen Ritt auf Euch nehmen das haltet Ihr nicht durch!«

Illtud lächelte und verzog schicksalsergeben das Gesicht.

»Ich bin gekommen, um eine Antwort einzuholen«, erklärte er mit Blick auf Igraine.

»Sagt ihm, dass ich ihn liebe ... Natürlich liebe ich ihn ... Gebt Acht, dass er am Leben bleibt, mein Vater mir zuliebe.«

Der Abt lächelte erneut, nickte und machte kehrt, um ohne ein weiteres Wort wieder in Richtung Schlacht zurückzureiten.