Der Pakt

 

Über Nacht war mehr als eine Faust hoch Neuschnee gefallen, der bis zu den Ästen der Bäume und den gefrorenen Pfützen hin alles in dasselbe eintönige Weiß

hüllte, in dieselbe gedämpfte Stille, die ganz offensichtlich keiner von ihnen stören wollte. Sie ritten in lockerer Formation, einige in Gruppen, andere allein, mit einer Langsamkeit, die Léo de Grand jetzt, wo Loth in Sicht war, verärgerte. Lliane ritt voran, weit vor den anderen, mit bloßem Haupt, in ihr grünbraun schillerndes Moirécape gehüllt. Seit die hohen Türme der Königsstadt am Horizont aufgetaucht waren, hatte sie sich von ihnen gelöst, unmerklich, als sei lira, ihre Fuchsstute mit der weißen Blesse auf der Stirn, es gewesen, die beschlossen hatte, eine schnellere Gangart einzuschlagen. Weder Merlin noch Dorian oder irgendein anderer Elf, Zwerg oder Mensch ihres Trupps hatte es geschafft, sie einzuholen, doch man muss bedenken, dass sie alle freie Pferde aus Lames Horde ritten und dass diese Sorte Renner eher ihren eigenen Gesetzen als den Sporen ihrer Reiter gehorchten. Die Königin ritt ohne Sattel und Kandare und summte eine leise Melodie, die ihr Till einst beigebracht hatte und die die Pferde liebten. Heute ist derlei in Vergessenheit geraten und erschiene reichlich absurd, aber die Elfen beherrschten die Sprache der Tiere. Selbstverständlich nicht alle, und auch nicht die Sprache aller Tiere, doch Lliane wusste genug, um ihrer Stute mitzuteilen, dass sie alleine sein wollte, und Ilra hatte die Botschaft an den Rest der Horde weitergeleitet, mit einem lang gezogenen Wiehern, von dem die Menschen und Zwerge nichts verstanden hatten.

Im Herzen der Königin wohnte keinerlei Traurigkeit, und wenn sie sich auf diese Weise von den anderen abgekapselt hatte, dann gewiss nicht, um in Selbstmitleid über ihr Schicksal zu verfallen. Im Gegenteil, die Ruhe dieser gefrorenen Weite erfüllte sie mit einem schlichten Glücksgefühl, das sie selbst nur sehr schwer zu erklären vermocht hätte. Sie war mittlerweile nicht mehr an die Kälte gewöhnt und schlotterte in ihrem dünnen Ledergewand; die wenigen Tage zu Pferde hatten ihrem Körper schwer zugesetzt, und die Innenseite ihrer Schenkel war beinahe taub von dem Druck gegen die Flanken ihrer Stute. Doch diese unberührte Landschaft lag da wie ein weißes Blatt, auf das ein neues Kapitel Geschichte geschrieben werden konnte, und vermittelte ihr so die Illusion einer neuen Welt einer Welt, die rein gewaschen war von den Gräueln, die sie seit so vielen Jahren verwüsteten und deren Last sie nicht länger standhalten würde. Jeder Schritt brachte sie ein wenig weiter von Avalon und ihrer Tochter weg, doch sie empfand keinen Kummer darüber. Wenigstens Rhiannon lebte in Frieden, fernab von all diesem Wahnsinn ... Was auch immer geschehen würde, das kleine Volk würde über sie wachen bis zum Ende der Zeiten. Selbst wenn sie selbst nicht zurückkehren sollte ...

Sie hatten nur ein paar Stunden gebraucht, um Pferde und Ausrüstung zusammenzustellen, die Überlebenden aus Uthers Armee um sich zusammenzuscharen und Brocéliande zu verlassen. Damit kehrten sie der Lichtung der Elfen den Rücken, um vielleicht nie wieder zurückzukommen doch auch darüber empfand sie keinerlei Bitterkeit. Im Gegenteil, seit ihrer Abreise zwei Tage zuvor fühlte sie, wie ihr zunehmend leichter ums Herz wurde. Der simple Umstand, lira zu reiten, versetzte sie etliche Jahre zurück, in eine Epoche, in der ihr Leben noch einfach schien und voller Gewissheiten. Und dann wartete da, auch wenn sie sich bemühte, nicht daran zu denken, irgendwo hinter diesen fernen, mit Oriflammen gespickten Türmen, Uther.

Plötzlich schnaubte ihre Stute, um kurz darauf im kurzen Galopp durch den Schnee davonzustieben, so dass ihr gerade noch Zeit blieb, sich an ihrer Mähne festzukrallen.

»Ich hatte gesagt, man möge uns alleine lassen!«, wieherte lira.

»Ich habe getan, was ich konnte«, schnaubte das Pferd, auf dem Léo de Grand saß, ein kräftiger Brauner mit schwarzer Mähne und schwarzen Sprunggelenken. »Aber er tut mir weh, indem er mich an den Zügeln reißt und mir die Sporen in die Flanken haut!«

»Königin Lliane, wartet auf mich!«, brüllte der Herzog. »Wir müssen reden.«

Doch die Königin jagte davon, als habe sie nichts gehört, und diese verfluchte Schindmähre bockte bei jedem Schritt, als habe sie in ihrem ganzen Leben noch keinen Reiter getragen.

»Wie wär’s, wenn wir ein Stück zu Fuß gingen?«

Carmelide wandte sich um, das Gesicht dunkelrot vor Zorn, und bezähmte nur widerwillig seinen Unmut, als er Merlins unschuldiges Lächeln sah.

»Lassen wir doch die Pferde vorauslaufen und den Weg bahnen«, meinte er, während er sich aus dem Sattel schwang. »Bei diesem Schnee werden sie rasch müde ... Wir marschieren in ihrer Spur, das wird einfacher gehen.«

 

Léo de Grand brummelte eine undeutliche Zustimmung und saß mit leidvoll verzerrter Miene vom Pferd ab. Trotz aller Pflege und liebevollen Zuwendung von Blodeuwez war seine Schulter nach wie vor steif, und er konnte seinen Arm kaum noch rühren.

»Ja, ich halt’s ohnehin nicht mehr länger aus auf diesem verdammten Klepper, da frier ich mir lieber die Beine im Schnee ab. So ein sturer Gaul ist mir wirklich noch nie untergekommen. Unmöglich, ihn zum Geradeausgehen zu bewegen!«

»Nachher werdet Ihr mein Pferd nehmen, verehrter Herzog. Es pariert einwandfrei... «

Carmelide drehte sich zu dem Kindmann um, der in seinem langen blauen Gewand so zerbrechlich neben ihm wirkte, halb erdrückt von einem Pelzmantel, unter dessen Gewicht er beinahe zu Boden sank; und er nickte zustimmend, was man als Zeichen der Dankbarkeit deuten konnte. Er tat den Mund auf, um etwas zu ihm zu sagen, fand jedoch keine Worte. Den Herzog ergriff, wie jedes Mal, da er sich seit dem Aufbruch aus Brocéliande in seiner Gesellschaft befunden hatte, eine merkwürdige, heftige Übelkeit, doch er schrieb dies seiner Verletzung zu. Merlin war wahrhaftig ein seltsames Wesen, dabei aber so mager, eine so schmächtige Erscheinung, dass er den Gerüchten der Menschen vom See nicht glauben mochte, die ihn für gefährlich erklärten. Er war nur ein unglücklich proportioniertes Kind mit dem weißen Haar eines Greises, welches ihm ein wunderliches Aussehen verlieh, das war alles. Der Rest waren Weiberklatsch und Druidenmärchen.

Endlich lächelte er und beugte sich hinunter, um eine Hand voll frischen Schnees aufzuheben, mit dem er sich das Gesicht abrieb; dann versetzte er Merlin einen leichten Klaps auf die Schulter, um seine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, und wies auf die Königin, deren Reittier nun wieder im Schritt ging.

»Man könnte meinen, sie meidet mich«, fuhr er leiser fort. »Und doch wüsste ich gerne, warum wir uns so schleppend voranbewegen, wo doch Loth nur noch wenige Meilen entfernt ist. Wenn wir ein bisschen an Tempo zulegten, könnten wir noch vor Einbruch der Nacht dort sein, zum Teufel. Also, warum reiten wir nicht zu, geben unseren Pferden die Sporen und schlafen endlich einmal wieder im Warmen!«

»Stimmt das?«, fragte Merlin. »Ich hätte nicht gedacht, das wir schon so nah sind ... Die Elfen sind keine sonderlich guten Reiter, wisst Ihr ... Weniger gut als die des Königs auf alle Fälle. Aber warum galoppiert Ihr nicht schon voraus? Nur zu, setzt den König schon einmal von unserer Ankunft in Kenntnis!«

Carmelide sah flüchtig zu ihm hinüber, dann drehte er sich brüsk zu dem Häufchen Reiter um, die ihnen folgten, und blickte über sie hinweg auf die lang gezogene Reihe von Fußsoldaten, die hinterdreinstapfte und deren Ende nicht mehr zu sehen war.

»Eure Männer werden uns bis dorthin als Eskorte dienen«, erklärte Merlin, der ebenfalls nach hinten blickte. »Und dann steht ja im Übrigen gegenwärtig auch nichts mehr zu befürchten. Wenn die Dämonen uns hätten angreifen wollen, so hätten sie dies schon längst getan.«

»So viel ist sicher ...«

»Sagt dem König, wir erwarten ihn am Seeufer.«

Merlin pfiff sein Pferd heran, packte es am Zaum und beugte sich über seine Nüstern, als würde er mit ihm reden. Carmelide, der noch zauderte, ergriff die Zügel, die der Kindmann ihm reichte, und schwang sich dann, einem plötzlichen Entschluss folgend, in den Sattel.

»Lauf zum Baron Meylir«, sagte er. »Er soll das Kommando über die Truppe übernehmen ...«

»Zu Befehl, Euer Gnaden. Und wenn Ihr Uther seht, sagt ihm, dass ich mich im Morgengrauen an der geheimen Ausfallpforte unten am See einfinden werde und ihn dort erwarte. Ich glaube jedenfalls, dass die Königin die Stadt lieber nicht betreten wird. Und das ist auch besser so ...«

Ohne seine Antwort abzuwarten, klopfte Merlin dem Pferd auf die Kruppe, worauf es umgehend davongaloppierte, eingehüllt in eine Schneewolke, an der Königin vorbeizog und schon bald nicht mehr zu sehen war.

»Wo stürmt er hin?«, ertönte eine laute Stimme hinter dem Kindmann.

»Nach Loth, das siehst du doch«, bemerkte Merlin, sich zu Bran umwendend, und er verbarg ein Lächeln, als er ihn sah ihn und seine Gefährten, die mehr schlecht als recht auf ihren Reittieren hingen, die entschieden zu hoch und zu breit waren für ihre gedrungenen Beine.

Die Zwerge benutzten fast niemals Pferde, weder im Krieg noch bei der Jagd, ja nicht einmal auf Reisen. Allenfalls hin und wieder Ponys, deren Größe und Langsamkeit ihnen eher zusagten. Dennoch hatte Bran wie alle Prinzen unter dem Berg einige Grundkenntnisse im Reiten vermittelt bekommen und schaffte es, eine einigermaßen passable Figur abzugeben, wohingegen Sudri und Onar ganz grün waren im Gesicht und einer wie der andere aussahen, als nahe ihr letztes Stündlein. Wenn nicht so hoch Schnee gelegen hätte, wären sie zweifelsohne tausendmal lieber zu Fuß gegangen.

»Er wird Uther Bescheid geben, ist es das?«

Sein Tonfall alarmierte Merlin, und er stieß einen langen, gereizten Seufzer aus.

»Was ist los?«, fragte er, während er Brans Zügel ergriff. »Wolltest du vielleicht nach Loth zurückkehren, erneut den Rat einberufen und ihm die andere Hand auch noch abhacken, um das Maß endgültig voll zu machen?«

»Sehr witzig«, knurrte der Zwerg.

»Überlass die Angelegenheit diesmal mir, einverstanden? Heute Abend ...«

Der Kindmann hielt inne, streichelte dem Pferd eine Weile liebevoll den Hals, dann ging er ein Stück auf Distanz und wandte sich zur Stadt hin.

»Heute Abend werde ich mit Uther reden.«

 

Einzig die Elfen und eine kleine Gruppe Zwerge waren am Seeufer zurückgeblieben. Als sie dort angehalten hatten, keine Meile von der Stadt entfernt, war bereits die Dämmerung hereingebrochen, und Meylir de Tribuit hatte keine Sekunde gezögert. Der Großteil seiner Männer war verwundet, sie waren alle erschöpft und kamen um vor Hunger. So knapp vor dem Ziel eine weitere Nacht im Schnee und in der Kälte zu verbringen schien ihm der schlimmste aller Gräuel. Also defilierten die Überlebenden der Armee mit eingezogenen Köpfen an den Elfen vorbei, um ihnen nicht in die Augen blicken zu müssen, von diffuser Scham erfüllt und zugleich verstimmt darüber, dass sie sich in der Weise schuldig fühlten, und verschwanden schon bald im abendlichen Dunkel.

Bran und seine Kameraden entzündeten ein Feuer, eine Idee, auf die keiner der Elfen gekommen wäre, doch sie drängten sich alle dankbar um die Flammen und nahmen bereitwillig den heißen Gewürzwein an, den die Zwerge ihnen anboten, so bereitwillig, dass sie sämtlich noch vor Einbruch der Nacht einen hübschen Rausch hatten mit Ausnahme von Kevin, der fürchtete, der Trunk könne ihm seine ruhige Hand rauben, und daher in den Zweigen eines Baumes Stellung bezogen hatte, um sie zu bewachen. Dann hatte Merlin angehoben, eine endlose Geschichte zu erzählen, lang und verwickelt, wie sie die blauen Wesen liebten, wobei er sich aus Höflichkeit gegenüber den Zwergen der allen verständlichen, gemeinsamen Sprache bediente, selbst wenn diese nicht jeder perfekt beherrschte. Und während all der Zeit, die er redete, erwärmten Sudri und Onar unablässig Wein, so dass man hätte meinen können, die Reserven in den Schläuchen, mit denen sie beladen waren, seien nahezu unerschöpflich. Es war ein angenehmer Abend, trotz der beißenden Kälte, die ihnen eiskalt den vom Feuer abgewandten Rücken heraufkroch; eine sternklare Nacht, in der sich der Mondenschein im Seewasser spiegelte. Trotz der Entfernung trug der Wind bisweilen menschliche Gerüche aus der Stadt herüber, nach gebratenem Fleisch, Schweiß und Exkrementen, doch es war erträglich und weit weniger schlimm, als wenn sie Léo de Grand dorthin hätten folgen müssen.

Till, der Spurensucher, kam herüber, um sich neben die Königin zu setzen, und sein Falke ließ sich hinter ihm nieder, weiß wie ein Gespenst im nächtlichen Dämmer, während Merlin seine Erzählung fortspann.

»Das erinnert mich an ein anderes Feuer«, raunte er ganz leise, so dass nur sie es hörte. »Es regnete, und Uther war unter uns ... «

Lliane wandte sich zu ihm um und lächelte. Ihre Augen glänzten vom Wein, sie schien die Situation zu genießen.

»Es ist noch ziemlich weit, nicht?«, fragte sie in unbekümmertem Ton.

Dann trank sie aus ihrem Humpen und drehte ihn um.

»Mein Becher ist leer, Sire Branl«

»Ich komme schon!«

»Siehst du, wie sich die Dinge ändern, lieber Till«, fuhr sie lauter fort, während Bran ihr einschenkte. »Damals vertrauten wir den Menschen, und wir hassten die Zwerge. Vielen Dank, Sire Bran ... Nicht im Traum wäre es auch nur einem von uns eingefallen, von ihnen bereiteten warmen Wein zu trinken, denn wir hätten Angst gehabt, vergiftet zu werden oder aber ganz einfach das Gesicht zu verlieren. All das ist augenblicklich so weit weg ... «

Bran setzte den leeren Kessel ab, der noch immer einen betörenden Duft nach Alkohol und Gewürzen verströmte, dann zog er aus einer seiner vielen Taschen eine abgebrochene Tonpfeife heraus, die er sorgfältig stopfte und am Ende eines halb verkohlten Holzscheites anzündete, während er sie vergnügt ansah, als sei sie im Begriff, eine unterhaltsame Anekdote zum Besten zu geben. Doch Lliane war nicht zum Scherzen aufgelegt.

»Heute vertraue ich niemandem mehr«, fuhr sie traurig fort. »Und auch ich selbst bin niemandes Vertrauen mehr würdig...«

 

»Wie kannst du so etwas sagen?«, rief Dorian entrüstet. »Du bist nach wie vor unsere Königin, und wir sind dir immerhin gefolgt!«

Lliane sah ihn eindringlich über die Funkengarben hinweg an, die aus dem Feuer emporstoben.

»Du vergisst deinen Bruder«, erwiderte sie, in der Sprache der Elfen, damit die Zwerge nicht mithörten. »Wenn du derjenige gewesen wärest, der in dieser Nacht aufgestanden wäre, um mir Rhiannon wegzunehmen, hätte ich dich getötet, mein armer Dorian, mein kleiner Bruder, so wie ich Blorian getötet habe ...«

»Das war ein Unfall«, murmelte er und wandte den Blick ab. »Du wusstest nicht, dass er es war ...«

»Prinz Blorian hat getan, was er für richtig hielt«, schaltete Merlin sich ein. »Er wollte die Königin vor dem bewahren, was er als Fluch ansah. Doch die Götter haben es anders gewollt.«

»Die Götter? Ha! Du glaubst, die Götter haben gewollt, dass die Zwerge für immer verschwinden?«

Bran räusperte sich, um sie auf sich aufmerksam zu machen, und hob die Hand wie ein Schüler, der sich zu Wort meldet.

»Ich glaube, die Götter haben uns bestraft, weil wir sie vergessen haben«, sagte er ebenfalls in der Sprache der Elfen.

Dann fuhr er, scheinbar ohne ihr Erstaunen zu bemerken, fort und wechselte dabei wieder in die allen gemeinsame Sprache zurück: »Unter dem Berg glaubte niemand mehr an die Götter, nicht einmal mehr an die Talismane. Caledfwch war in unseren Augen nur noch ein Schatz unter anderen. Wenn wir nicht den Glauben verloren hätten, hätte mein Onkel, König Troi'n, das Schwert besser bewachen lassen, unser Haus wäre nicht entehrt worden, und unsere Geschichte hätte einen anderen Verlauf genommen.«

Er stieß einen tiefen Seufzer aus, nahm einen Zug aus seiner Pfeife und fügte hinzu: »... Und ich wäre noch in meiner Heimat, in Ghäzar-Run, und säße gemütlich im Warmen, statt auf dieser vermaledeiten Ebene wie ein Schneider zu frieren.«

 

»Zwerge frieren doch immer«, feixte Till. »Er erinnert mich an Tsimmi...«

Bei diesen Worten schien Sudri, der in der Magie der Steine außerordentlich bewandert war und den Bran zu seinem Hexenmeister ernannt hatte, aus seiner weinseligen Lethargie zu erwachen.

»Du hast Tsimmi gekannt?«, fragte er.

»Mhm ...«

Till warf einen Seitenblick zur Königin hinüber. Der Gedanke an den Zwerg weckte nicht nur gute Erinnerungen bei ihm.

»Eines Tages hätte er mich beinahe umgebracht mit einem seiner Zaubersprüche«, bemerkte Lliane mit einem Lächeln, das ihre Worte abmilderte. »Er hat uns alle unter einem Erdwall begraben, und Till hat dabei seinen Hund verloren ... Dennoch ist er mir ein Freund geworden.«

»Er war der größte Magier unter dem Berg«, murmelte Sudri. »Man sagt, er sei umgekommen, als er ein Heer von Goblins verschüttet hat...«

»Das stimmt«, bestätigte Lliane. (Es war nur eine Hand voll Goblins gewesen, doch was nutzte es, dieser belanglosen Wahrheit zu ihrem Recht zu verhelfen?) »An jenem Tag hat er uns das Leben gerettet...«

Die Augen der drei Zwerge funkelten zufrieden, als hätten sie soeben die schönste Geschichte ihres Lebens vernommen. Wahrscheinlich lächelten sie sogar, doch das war schwer zu sagen angesichts ihrer dichten Bärte.

»Ist das nicht ein Zeichen, dass die Zeiten sich wandeln?«, meinte Merlin. »Die Königin der Hohen Elfen, gerettet von einem zwergischen Meister der Steine. Bran heute Abend hier bei uns, während sein Bruder Rogor ...«

Der finstere Blick, den ihm der Zwerg zuwarf, hielt Merlin davon ab, seinen Satz zu vollenden.

»Damals lebten wir in einer einfachen Welt«, fuhr er fort. »Jeder Stamm agierte gegen die anderen, gewappnet mit Hass und unumstößlichen Überzeugungen, in blindem Vertrauen in sein eigenes Recht und in derselben Verblendung gegen alles, was fremd war ... Wenn man an etwas nicht mehr glauben darf, so ist es gerade jene Welt damals. Die guten Zwerge, die bösartigen Elfen, das ist alles Vergangenheit. Einzig die Dummköpfe glauben, dass ein Volk durch und durch gut oder böse ist. Seht uns hier an ... Die Götter haben uns auserwählt, um die Welt zu ändern, und wir werden sie ändern, weil wir gemeinsam stärker sind und mehr zu bieten haben. Wir haben viel voneinander zu lernen und alles zu verlieren bei unseren Kriegen ...«

»Du vergisst die Menschen, Myrrdin!«, stieß Dorian hervor. »Sie wollen niemals auch nur irgendetwas teilen, mit niemandem!«

»Du sprichst wie Llandon«, bemerkte Merlin. »Doch du irrst dich, und er auch. Die Menschen sind gegenwärtig auf uns angewiesen, selbst wenn sie es noch nicht wissen.«

»Geh und sag das Uther!«

Merlin lächelte.

»Sei unbesorgt, Dorian. Ich werd es ihm sagen ...«

Es wurde nur zögernd hell. Ein kalter Nebel stieg vom See und den Burggräben auf und tauchte die Festungsmauern und die verschneite Landschaft in einen eintönigen frostigen Glanz. Den ganzen Uferstreifen entlang war das Wasser erstarrt. Es hatte sich noch keine Eisschicht gebildet, allenfalls ein hauchdünner Film, aber der Winter begann ja gerade erst. Bald schon würden die Barken und das Schilfrohr von einer festen Eisschicht umschlossen sein, und dann würde ein weißer Mantel das Ganze bis zum Frühling bedecken ...

Sie mussten sich eine Weile durch den verharschten Schnee vorkämpfen, um Merlin einzuholen, der seelenruhig auf einem halb verfallenen Steg saß und seine Beine baumeln ließ. Ulfin bahnte den Weg für seinen König, indem er den Fuß bei jedem Schritt hob und die gefrorene Schneedecke eintrat wobei er immer wieder beinahe der Länge nach hingefallen wäre, weil sie zu plötzlich nachgab. Es war noch zu dunkel, als dass sie von Merlin mehr als eine verschwommene Silhouette hätten erkennen können, doch vermutlich trug er wie gewohnt dieses unerträgliche Lächeln zur Schau, und das reichte aus, um sie schon im Vorhinein zu verärgern.

»Ich hoffe, du hattest einen triftigen Grund, uns bei dieser Kälte so früh zu wecken!«, brüllte Ulfin, sobald er in Hörweite war.

»Seht nur den edlen Ritter des Königs!«, lachte der Kindmann spöttisch. »Eine Elle Schnee, und schon stöhnt er wie ein altes Weib!«

Merlin erhob sich eilig, zog seinen Bärenfellmantel enger um sich zusammen und stampfte auf dem wackelnden Steg mit den Füßen.

»Was soll ich denn erst sagen, der ich seit Stunden auf euch warte!«

Schließlich gelangten sie bei ihm an, schüttelten ihre verschneiten Umhänge aus und sahen ihn schweigend an verlegen und distanziert wie alte Freunde, die sich über einen kleinlichen Streit entzweit haben. Merlin hatte das seltsame Gefühl, dass Uther gealtert war in jenen letzten Wochen. Sein Gesicht war noch dasselbe, mit seinen langen braunen Zöpfen und dieser Narbe, die sich vom Ohr bis zum Kinn hinabzog und seiner Schönheit keinen Abbruch zu tun vermochte, doch er hatte seine Jugendlichkeit eingebüßt. Sein Blick war müde, verstockt und von der Bürde eines Schicksals gezeichnet, das vielleicht gar nicht seines war. Vermutlich hatte die Rückkehr Léo de Grands und seiner dezimierten Armee einiges dazu beigetragen. Den Schatten unter den Augen und dem gräulichen Teint nach zu urteilen, war der Kindmann ganz sicher, dass sie die Nacht mit Reden verbracht hatten, ohne sich auch nur eine Minute auszuruhen.

»Siehst du«, sagte er, während der König den Blick abwandte,

 

»du hast dich getäuscht. Durch deinen Stolz hättest du beinahe alles verloren, und du kannst immer noch alles verlieren, wenn du stur bleibst... Aber das weißt du, denn du bist schließlich gekommen.«

»Immer noch dasselbe große Mundwerk, was?«, knurrte Ulfin, der neben ihm wie ein Schrank wirkte und zu überlegen schien, ob er ihn vom Steg hinunter ins Wasser werfen sollte.

»Lass gut sein«, sagte Uther. »Er hat ja Recht.«

Die beiden Männer tauschten einen müden Blick, dann entfernte sich der Ritter einige Schritte und ließ sie alleine.

»Ist Lliane hier?«, fragte der König leise.

»Lliane und Bran sowie ein paar andere«, gab Merlin zurück. »So könnt ihr Rat halten, aber nur, wenn du mit mir kommst. Sie werden die Stadt nicht betreten ... Nicht nach dem, was geschehen ist.«

Uther nickte nachdenklich.

»Es ist nicht leicht, König zu sein, weißt du ... Ich habe getan, was ich für richtig hielt, und im Übrigen glaube ich nicht, dass die Dinge sich anders entwickelt hätten, wenn ich auf dich gehört hätte. Ich hätte den Zwergen das Schwert zurückgegeben, und dann? Hätte das Heer von Léo de Grand vielleicht deshalb den Sieg davongetragen? Die Zwerge sind besiegt worden, daran ist nicht zu rütteln. Unter Umständen werden sie eines Tages wieder zu einer großen Nation, doch wir brauchen jetzt Verstärkung, auf der Stelle ... Und was helfen im Übrigen schon die Zwerge. Was sagt Lliane? Werden die Elfen uns zur Seite stehen?«

»Die Elfen wollen von deinem Krieg nichts wissen«, erwiderte Merlin. »Sie sind der Ansicht, dass du sie verraten hast.«

Wieder nickte Uther ernst, dann seufzte er und zog mit einem freudlosen Lächeln die Brauen hoch.

»Nun, was hast du mir dann mitzuteilen?«

Merlin erwiderte sein Lächeln. Eine helle Wintersonne stieg über dem Horizont auf und sprenkelte den Dunst mit schillernden rosafarbenen Lichtpünktchen. Mehr denn je wirkte der Kindmann vollkommen alterslos mit seinem kurz geschnittenen weißen Haar und seiner blassen Haut. Auch wenn er in jeder Lebenslage eine unbekümmerte Miene zur Schau trug, ging von seinen Augen eine unendliche Traurigkeit aus, eine Traurigkeit, die einen zu Tränen rührte.

»Ich bin gekommen, um dir meine Hilfe anzubieten«, sagte er, »wenn du sie noch willst... Weißt du, auch ich bin einem Irrtum erlegen. Ich habe geglaubt, man müsse auf jeden Fall das Gleichgewicht vergangener Zeiten wiederherstellen, doch es ist zu spät, das hat heute keinen Sinn mehr ... Ich werde dir helfen, Uther, selbst wenn du nicht der bist, für den ich dich hielt. Ich werde dir helfen, weil ich denke, dass die Mönche letztendlich Recht hatten: Es kann nur eine einzige Erde geben, ein einziges Volk und einen einzigen Gott.«

»Einen einzigen König.«

Als Merlin erstaunt die Augen aufriss, erklärte Uther sich näher: »>Eine einzige Erde, ein einziger König, ein einziger Gott ... < Wenn du willst, dass man deinen Worten Glauben schenkt, dann musst du die Formeln richtig zitieren.«

Der Kindmann zuckte die Achseln und kehrte ihm den Rücken zu, um den Sonnenaufgang über dem See zu betrachten.

»Was spielt das schon für eine Rolle, wo du doch nie jener König sein wirst«, sagte er, ohne sich umzuwenden. »Du weißt das ebenso gut wie ich ... Indem du Igraine geheiratet hast, hast du dein Los ausgeschlagen, selbst wenn dies nicht einfach war, wie du sagst. Und doch ...«

Und er sah ihm ins Gesicht, mit einem plötzlichen Eifer im Blick, der aus seinem Innern kam und den König zutiefst erschütterte.

»... und doch bist du der Kariad daou rouaned, der Geliebte der zwei Königinnen, von dem in den alten Legenden die Rede ist. Zumindest in diesem Punkt bin ich mir sicher. Es steht geschrieben, dass von deinem Blut die Versöhnung der Welt ausgehen wird, und ich war der Meinung, Morgane sei das Kind aus den Prophezeiungen. Doch vielleicht ist sie es gar nicht.

 

Vielleicht ist dies am Ende dein Sohn ... Was wissen wir schon darüber? Im Übrigen hört ihr Menschen doch ohnehin nur auf die männlichen Wesen!«

»M... Mein Sohn?«, stammelte Uther. »Artus? Was hat er damit zu tun?«

»Artus, ja ... Artus, der Bär ... Warum nicht?«

Uther trat einen Schritt zurück, blickte sich instinktiv nach Ulfin um und sah ihn, wie er in einiger Entfernung auf einem Baumstrunk saß. Der Ritter setzte schon zum Sprung an, als ihre Blicke sich trafen, doch Uther beschwichtigte ihn mit einer Handbewegung. Er brauchte niemanden, um sich gegen Merlin zur Wehr zu setzen, selbst wenn dessen krankhafte Überspanntheit ihm bisweilen das Aussehen eines Besessenen verlieh.

»Ich werde dir helfen, Uther, doch du musst mir diesmal vertrauen. Schwör mir, mir zu gehorchen ...«

Uther starrte ihn an: Er war erhitzt, außer sich, mit inzwischen völlig entrückter Miene, und der König wich erneut zurück.

»Ja«, sagte er. »Natürlich ...«

»Was meinst du? Machst du dir einen Begriff davon, was ich von dir verlange? Für meine Hilfe will ich deinen Sohn, Uther. Ich will Artus!«

»Aber zum Teufel noch mal, was ist bloß in dich gefahren, du armseliger Irrer!«, donnerte Uther und wies ihn energisch ab. »Was heckst du denn nun schon wieder aus?«

»Ich versuche dich zu retten, du Dummkopf!«

Die beiden Männer sahen sich lange in die Augen, dann setzte Merlin plötzlich wieder sein sorgloses kleines Lächeln auf und machte sich auf den Weg, ohne Uther weiter zu beachten.

»Folge mir«, sagte er über die Schulter. »Lliane erwartet uns!«

Sie hatten nicht weit zu gehen. Merlin lief am See entlang, bis sie eine weiße Rauchsäule erblickten, die neben einem Gehölz senkrecht zum Himmel aufstieg. Der kleine Trupp hatte sich in der Nähe des Ufers niedergelassen, in einer Mulde, die durch einen Hain aus silbrig schimmernden Birken, an welche sie Zelte hingebaut hatten, gegen den Wind geschützt war. Ganz am Anfang sah Uther nur die um das Lagerfeuer herumsitzenden Zwerge sowie in einiger Entfernung ein paar Pferde. Doch als sie noch näher kamen, zischte ein Pfeil an ihren Ohren vorbei und bohrte sich direkt vor ihren Füßen mit einem dumpfen Laut in den Schnee. Sie schauten auf und entdeckten Kevin, der bereits lachend von seinem Baum herunterkletterte. Und dann Tills weißen Jagdfalken, dem sie nachsahen, wie er zu seinem Herrn flog, der neben Prinz Dorian hingekauert saß. Die beiden Elfen waren nur ein paar Schritte weg, so vollkommen reglos unter ihren Moireumhängen, dass sie wie Baumstümpfe in der verschneiten Landschaft aussahen und sie vermutlich an ihnen vorbeigelaufen wären, ohne sie zu bemerken. Sie lachten allerdings nicht.

Uther zog seinen Mantel aus, damit jeder ihn erkannte, dann ging er an den anderen vorbei. Bran und seine Zwerge hatten sich erhoben. Sie hatten irgendetwas in einem Kessel zum Kochen gebracht. Etwas, das gut roch ... Rund um das Feuer war der Schnee geschmolzen, und es war ein Kreis aus schlammiger Erde mit ein paar Grasbüscheln entstanden.

Er hielt nach niemand anderem als ihr Ausschau, und da sah er sie, als sie sich von dem Baum löste, neben dem sie gesessen hatte. Wieder einmal schnürte sich ihm angesichts ihrer überirdischen Schönheit die Kehle zusammen. Er blieb vor ihr stehen, unfähig, auch nur ein Wort hervorzubringen oder die kleinste Geste zu machen, überflutet von einem Gefühl, das ihn völlig überwältigte, so dass er sich hilflos vorkam wie ein Kind.

Lliane war noch schöner als in seiner Erinnerung, schöner noch als in seinen Träumen, wie sie da, lediglich durch einige Klafter Schnee von ihm getrennt, reglos in ihrem langen Moirecape stand und ihn mit dem sanftmütigsten und zugleich distanziertesten aller Blicke betrachtete. Wahrscheinlich hätte er nicht innehalten sollen, sondern ohne Zögern weitergehen und sie in seine Arme schließen, doch nun war es zu spät, und er verharrte dort, wo er war, wie angewurzelt, zu weit entfernt von ihr, um sie zu berühren, reglos und stumm (und erst später fragte er sich, ob Lliane ihn nicht verhext hatte).

»Was kocht denn da?«, ertönte Merlins Stimme hinter ihm, die zu verkrampft klang, als dass ihm einer seine vorgebliche Fröhlichkeit abgenommen hätte. »Ich sterbe vor Hunger, und ich sterbe vor Kälte. Wie wäre es, wenn wir äßen, bevor wir uns unterhalten? Messire Ulfin?«

»Na ja, ich sag nicht nein, wenn Bran uns einlädt...«

»Natürlich lad ich dich ein«, knurrte der Zwerg. »Ich habe euch alle beide schon so oft durchgefüttert, da kommt es auf einmal mehr oder weniger nicht mehr an ...«

Lliane löste sich von dem Birkenhain und gesellte sich zu den anderen, wobei sie so dicht an Uther vorbeiging, dass ihm ihr Duft nach saftigem grünem Gras in die Nase wehte; doch sie würdigte ihn dabei weder eines Wortes noch eines Blickes. Da folgte er ihr, starr vor Kälte, weil er seinen Mantel abgeworfen hatte, und schon bald saßen sie alle auf dem schlammigen, aber lauwarmen Boden um das Feuer herum und tauchten ihre Finger direkt in den Kessel, um eine dicke Mehlsuppe herauszuschöpfen, die so heiß war, dass sie nach nichts schmeckte.

Uther begann sich zu entspannen, und er sann konzentriert nach irgendeinem erheiternden Satz, um wenigstens Llianes Blick auf sich zu lenken, doch Merlin gönnte ihm keine Ruhe.

»Wir haben nicht mehr viel Zeit«, sagte er, »und wir haben schon viel zu viel Zeit verloren woran der König und sein alberner Stolz schuld sind.«

Uther stockte der Atem, und er sah bestürzt zu dem Kindmann auf, erntete aber als Reaktion nur ein herrisches Brauenrunzeln.

»Uther hat seinen Irrtum eingesehen«, fuhr dieser fort, »und wenn er hier ist, so, um mit uns zusammen zu retten, was noch zu retten ist. Wichtig ist vor allem, die Dämonen aus dem Gebiet von Logres zu vertreiben.«

 

»Mit welcher Armee?«, fragte Dorian. »Wir sieben plus die Verletzten, die wir aus dem Wald mitgebracht haben?«

»Der König verfügt noch über eine ansehnliche Menge von Streitkräften«, erwiderte Merlin.

Erneut durchbohrte er Uther mit einem Blick, der ihm zu schweigen gebot. Und der junge Herrscher hielt an sich, obwohl er fühlte, wie es in seinem Innern zu brodeln begann, und er liebend gerne erfahren hätte, was Merlin im Schilde führte.

»Es sind noch genügend Männer in Loth vorhanden, die zahlreichen Truppen in den Herzogtümern ringsum noch gar nicht mitgerechnet. Vielleicht sogar noch genügend, um den Unnennbaren zu besiegen und bis hinter die Marken zurückzutreiben.«

»Und?«, knurrte Bran. »Warum sind wir dann hier?«

»Weil das nichts brächte. Die Ungeheuer sind bereits in der Vergangenheit von einer Armee vernichtet worden, die aus zehnmal so vielen Soldaten bestand wie das Heer, das der König heute unter Einbeziehung aller Wehrtauglichen zusammenstellen könnte. Und trotzdem sind sie zurückgekommen ... Es gibt Bedrohungen, lieber Bran, die mit Waffen nicht zu überwinden sind.«

»Wie wäre es, wenn du uns sagtest, was du im Sinn hast?«, mischte Lliane sich ein.

Der Kindmann wandte sich, in seinem Redefluss unterbrochen, zu ihr um und blinzelte mit den Augen, verstört durch ihre unvermittelte Frage. Er brauchte mehrere Sekunden, um den roten Faden wiederzufinden, und errötete sogar unter den Blicken der Versammelten.

»Ich ... Ich kann lediglich meine Meinung abgeben«, stotterte er. »Ich versuche schlichtweg, eine Lösung für diesen Konflikt zu finden ...«

»Sprich weiter«, meinte Uther in aufmunterndem Ton. »Wir haben so oder so nichts mehr zu verlieren ...«

Merlin dankte ihm mit einem kurzen Lächeln, dann sammelte er sich innerlich, den Blick gedankenverloren aufs Feuer gerichtet. Von dem Moment an sah er zu keinem von ihnen mehr auf.

»Verzeih mir, Bran«, bat er mit brüchiger, stockender Stimme, die man so wenig von ihm gewohnt war, dass alle betroffen waren. »Aber ich habe lange über das nachgedacht, was du mir damals während der Reinigungsfeier der Königin erzählt hast. Seit ihr Excalibur verloren habt...,« (der Ausdruck »verloren« löste einiges Protestgemurmel aus, doch er ignorierte es) »... werden keine Kinder mehr in euren Dörfern geboren. Dein Volk ist im Aussterben begriffen, nicht auf Grund der Niederlage eurer Armee vor dem Roten Berg, sondern weil euch euer Talisman nicht mehr schützt. Ich glaube, dass das Volk der Zwerge, so wie wir es kennen, nicht mehr besteht.«

Der bleiche Bran gebot mit einer Handbewegung Sudri und Onar Einhalt, die schon im Begriff waren aufzuspringen, um die Beleidigung mit Blut abzuwaschen. Merlin stand dicht bei den Zwergen, einzig durch Till, den Spurensucher, von ihnen getrennt, der vermutlich nicht einmal den kleinen Finger rühren würde, um ihm zu Hilfe zu kommen. Jeder konnte seine Angst spüren, doch er sprach trotz alledem weiter.

»Verzeiht mir«, sagte er noch einmal. »Doch ich glaube, dass hierin unser aller Schicksal liegt. Ihr werdet nur die Ersten gewesen sein ...«

»Du glaubst, die Götter wünschen den Weltuntergang?«, murmelte Prinz Dorian in einem Ton, in dem unüberhörbar Furcht mitschwang.

»Ich glaube, dass die Welt im Wandel begriffen ist... Ich glaube, dass sämtliche Stämme der Göttin zu einem einzigen verschmelzen werden und dass die auserwählte Rasse diejenige sein wird, die alle vier Talismane an sich gebracht hat. Dies ist kein Fluch, es ist auch nicht der Weltuntergang ... Im Gegenteil, ich bin der Ansicht, dass die Götter eine neue Welt herbeiwünschen, eine Welt, in der endlich Frieden herrscht... Vielleicht war das letztendlich der Sinn des Lebens?«

Ein lang anhaltendes Schweigen folgte auf die Worte des jungen Druiden. Jeder von ihnen starrte jetzt geistesabwesend vor sich hin und betrachtete die Flammen, die inzwischen unter einem feinen Schneeregenschauer knisterten. Ihre Pferde, ihre Pelze und die Maschen ihrer Kettenpanzer waren von einer schimmernden weißen Schicht überzogen, doch sie harrten aus und fröstelten nicht einmal, so tief waren sie in Gedanken versunken.

Eine Art ersticktes Heulen, ähnlich dem »Schuhu« einer Eule, riss sie aus ihrer Lethargie und ließ sie alle gleichzeitig aufblicken. Es war Bran, der weinte. Den Kopf in den verschränkten Armen vergraben, die Schultern von Zuckungen geschüttelt, gleichgültig angesichts dessen, was die anderen von ihm denken mochten, weinte er um Baldwin und die Zwerge vom Roten Berg, die für immer in den finsteren Tiefen ihrer eingestürzten Stadt verschüttet waren, vielleicht bereits gestorben und dem Vergessen anheim gegeben. Er beweinte sein verpfuschtes Leben und all die Kinder, die niemals das Licht der Welt erblicken würden, den verblichenen Ruhm des Zwergenvolkes, die traurige Existenz, die ihm zu fristen blieb. Er weinte vor Erschöpfung und vor Resignation, weil so viele Monate der Mühen, so viele zurückgelegte Meilen, so viele Schlachten und Tote hier mündeten, in diesem verschneiten Tal, mit einer Rede von Merlin und dem Ende der Hoffnung. Einige Monate oder gar Wochen zuvor hätte er vermutlich noch wie Onar und Sudri reagiert, hätte wahrscheinlich gebrüllt und wäre Merlin an die Gurgel gesprungen, um ihm gewaltsam den Mund zu stopfen. Doch er hatte so vieles zu sehen bekommen mittlerweile wusste er, dass der Druide die Wahrheit sprach. Die Götter hatten die Königreiche unter dem Berg aufgegeben. Und Caledfwch wiederzugewinnen würde daran nichts ändern ...

Als sein Tränenstrom versiegte, wurde er des Schweigens gewahr, das sich über ihre Truppe gesenkt hatte, und er wischte sich die Augen trocken, bevor er den Kopf hob. Sofort begegnete er Uthers müdem, entmutigtem Blick. Dies war nicht der Blick eines Siegers. Uther war gealtert, und er schlotterte trotz des Feuers und seines Pelzmantels vor Kälte. Konnte es sein, dass die Menschen ebenfalls zum Aussterben verurteilt waren, dass am Schluss die Dämonen allein über die Welt regierten? Dieser Gedanke erschien ihm unerträglich, und er war plötzlich voller Zorn angesichts der Niedergeschlagenheit des Königs. Wenn Merlin die Wahrheit sagte, dann war letztendlich das Schicksal der Zwerge von Stund an eng an das der Menschen geknüpft!

Bran beugte sich zur Seite, zu dem Kindmann hin.

»Wenn ich es recht verstanden habe, meinst du, dass der Stamm der Dämonen verschwinden wird, wenn wir uns der Lanze von Lug bemächtigen, genau wie das Volk unter dem Berg nach dem Raub von Caledfwch?«

»Die Lanze, ja«, murmelte Merlin, ohne ihn anzusehen. »Wenn sie ihren Talisman verlieren, sind sie, ebenso wie ihr, nicht zum Verschwinden verdammt, sondern dazu, sich mit einer anderen Rasse zu vermischen ... Es ist nur eine Frage der Zeit.«

Alle, die ums Feuer herum gesessen hatten, waren aus ihren trübseligen Gedanken hochgefahren und hielten, aus der Benommenheit erwacht, den Atem an, um nichts von dem Wortwechsel zu verpassen. Bran hob selbstbewusst den Kopf und bot ihren Blicken wacker die Stirn, ja, er lächelte sogar, als sei der Untergang seines Volkes bereits ein abgeschlossenes Kapitel der Geschichte.

»Also gut, ich bin einverstanden«, sagte er (und es dauerte eine Weile, bis jeder begriff, wovon er sprach). »Wenn ihr mich gern dabeihaben wollt, werde ich mit euch gehen.«

Er stieß einen resignierten Seufzer aus.

»... Schließlich habe ich nicht viel zu verlieren.«

»Du kannst immerhin dein Leben verlieren«, murmelte Merlin.

»Ja, schön ...«

»Wartet!«

 

Merlin und Bran drehten sich wie ein Mann zu Ulfin um.

»Verflucht noch mal, bin ich denn der Einzige hier, der nichts versteht?«, knurrte der Recke. »Wovon redet ihr eigentlich, potz Blitz? Wollt ihr losziehen, um den Talisman der Dämonen zu entwenden, ist es das?«

»Nun, ja ...«

»Dann viel Glück! Was glaubt ihr eigentlich? Sie haben gerade erst den Großteil unserer Armee vernichtet. Habt ihr euch einmal angeschaut? Meint ihr wirklich, sie werden euch einfach so gewähren lassen?«

Merlin verlor sichtlich die Geduld, doch gerade als er ansetzte, um dem Ritter zu antworten, ergriff Lliane das Wort und brachte sie beide umgehend zum Verstummen; sie brauchte nicht einmal laut zu werden.

»Du trägst wieder einmal den Kopf in den Wolken, lieber Myrrdin, und hängst deinen großartigen, aber sinnlosen Träumen nach ... Messire Ulfin hat Recht. Sämtliche Streitkräfte Uthers und alle Magie der Welt werden nicht ausreichen, um die Dämonen zu besiegen, und schon gar nicht, um ihnen die Lanze zu rauben.«

»Nein«, sagte Uther, der bis dahin geschwiegen hatte. »Es gibt ein anderes Mittel ...«

Er blieb einen kurzen Moment lang stumm, um die überschäumende Flut von Gedanken zu ordnen, die seit einigen Minuten auf ihn einstürzte, und während sich die einzelnen Mosaiksteinchen zu einem Gesamtbild fügten, belebte eine Art Begeisterung seine Züge, verscheuchte die Müdigkeit, die Niedergeschlagenheit und die Kälte.

»Mahault«, sagte er an Lliane gewandt. »Mahault de Scäth ... Sie ist aus Kab-Bag entkommen, wo das Heer der Dämonen sein Winterquartier aufgeschlagen hat.«

Lliane und die anderen sahen ihn mit derart verständnisloser Miene an, dass er ins Stammeln geriet und Mühe hatte, den Plan, der da soeben vor seinem geistigen Auge Gestalt annahm, deutlich darzulegen.

 

»Eine Gruppe ... Eine kleine Gruppe von Leuten könnte durch die unterirdischen Gänge der Gilde nach Kab-Bag eindringen, während die Armee die Dämonen auf die Ebene hinauslockt. Der Schwarze Herr hat sich im ehemaligen Palast von Sheriff Tarot häuslich eingerichtet, und dort bewahrt er auch die Lanze auf. Es wäre immerhin möglich! Wir könnten es schaffen!«

Lliane schüttelte den Kopf.

»Sie werden die Lanze bei sich haben. Sie nehmen sie in jede Schlacht mit...«

»Nicht, wenn wir sie über unser Vorhaben informieren!«

Dieses Mal blickte selbst Ulfin ihn an, als habe er endgültig den Verstand verloren.

»Dank Mahault könnten wir uns der Gilde bedienen, um falsche Informationen weiterzuleiten«, fuhr der König erregt fort und machte eine hilflose Handbewegung, während er sich Rückhalt suchend unter den Versammelten umsah. »Wenn sie dem Glauben erliegen, dass wir die Lanze an uns bringen wollen, werden sie mit Sicherheit nicht das Risiko eingehen, sie öffentlich zur Schau zu stellen. Ich werde die Armee bis nach Kab-Bag führen und gleich nach den ersten Gefechtsberührungen den Rückzug antreten, so dass wir die Dämonen weit von der Stadt weglocken. So habt ihr die Chance, eure Mission erfolgreich durchzuführen.«

»Vorausgesetzt, wir vertrauen der Gilde«, murrte Bran.

Lliane wiegte schweigend den Kopf, während um sie herum Dorian, Ulfin und die anderen diese verrückte Idee erörterten. Uther schien wieder von seinem alten Feuer beseelt. Die Attacke, deren Durchführung er da vorschlug, würde allerdings, selbst wenn es sich um ein reines Ablenkungsmanöver handelte, mit hoher Wahrscheinlichkeit in einem Desaster enden.

»Doch was geschieht, wenn es uns gelingt?«

Die Gespräche verstummten, und die Blicke richteten sich auf die Königin.

»Wenn wir die Lanze in unsere Gewalt bringen«, beharrte sie. »Was geschieht dann? Werden sich dann die Elfen und die Menschen darum schlagen müssen, wer den Talisman behalten darf? Du, der du weder Mensch noch Elf bis, Myrrdin, auf welcher Seite wirst du dann stehen?«

Der Kindmann antwortete nicht, sichtlich verstört von der unumwundenen Frage der Königin. Da wandte sie sich an Uther, der ein wenig von seiner gerade erst wiedergefundenen Sicherheit zu verlieren schien.

»Myrrdin ist ein seltsames Wesen«, bemerkte sie lächelnd. »Manchmal hab ich ihn gern, und manchmal hasse ich ihn. Ich habe mich stets gefragt, wie er in unser aller Leben getreten ist, und bisweilen hatte ich den Eindruck, nur ein Spielball in seinen Händen zu sein ... Ich weiß nicht, ob wir es schaffen werden, aber wenn auch nur der Hauch einer Chance besteht, dieser Erde wieder zum Gleichgewicht zu verhelfen, dann bin ich einverstanden, es zu versuchen, damit wenigstens meine Tochter eine Aussicht hat, den Frieden zu erleben. Ich werde mich nach Kab-Bag begeben ...«

Sie stand unvermittelt auf, schüttelte den Kopf, um sich von den Eiskristallen zu befreien, die ihr langes Haar übersäten, und ging nachdenklich davon. Uther, der nun wieder nüchtern war, hatte den Eindruck, dass sie sich entfernte, um ihre Tränen zu verbergen, so sehr waren ihre letzten Worte von Traurigkeit geprägt gewesen. Er dachte ebenfalls an Morgane, die er so wenig kannte, dann an seinen Sohn, Artus, und an Merlins Worte auf dem Steg. Lliane hatte ihnen immer noch den Rücken zugekehrt, und eine Weile lang war kein anderes Geräusch zu hören als das Knirschen ihrer Stiefel im Schnee und das Prasseln der Flammen. Dann wandte sie sich um, mit schimmernden Augen und bewegter Stimme.

»... Doch dieses Mal soll nicht wieder alles vergebens sein!«, erklärte sie aufgebracht. »Die Talismane müssen an einem zentralen Ort aufbewahrt werden, wo kein Stamm einen Vorteil daraus zieht. Ich will nicht, dass die Menschen die Welt regieren, und ich möchte auch keine Welt, in der es keine Zwerge und Elfen mehr gibt. Ich werde nach Kab-Bag gehen, Uther, mit allen, die mir folgen wollen, doch wenn die Götter mir gestatten, dort die Lanze in meine Gewalt zu bringen, werde ich sie mit nach Avalon nehmen, ebenso wie das Schwert von Nudd, den Kessel von Dagda und sogar den Stein von Fall Damit die Talismane wieder in die Hände der Götter gelangen!«

Uther starrte sie ganz und gar entgeistert an, und als ihm schließlich bewusst wurde, dass sie eine Antwort von ihm erwartete, wandte er sich Hilfe suchend an Merlin. Vergeblich. Der Kindmann sah ihn nicht an. Er lächelte der Königin zu, nicht mit diesem süffisanten Ausdruck, den er für gewöhnlich zur Schau trug, sondern verzückt. Er war wie geblendet von Llianes Worten, denn sie kamen für ihn einer Offenbarung gleich.

»Die Feeninsel«, murmelte er leise. »Wie kommt es, dass ich daran nicht gedacht habe ...«

Darauf wandte er sich an Dorian (als sei Lliane selbst keine Elfe), und in seinem funkelnden Blick stand der Wahnsinn zu lesen, der ihn bisweilen ergriff.

»Werden die Elfen auf den Kessel verzichten?«

Dorian zögerte keine Sekunde, vielleicht weil er nun seinerseits der ekstatischen Begeisterung des alterslosen Druiden erlegen war.

»Alles, was wir wollen, ist der Friede!«, erwiderte er. »Es mag ruhig alle Welt aus dem Kessel des Wissens trinken, wenn dies dazu angetan ist, den fortwährenden Kriegen ein Ende zu bereiten!«

Till erhob sich brüsk, worauf auch sein Falke überstürzt aufflog.

»Du bist zu voreilig mit deinen Worten!«, erklärte er in einem Ton, aus dem Zorn herauszuhören war. »Wir sind für Uther in die Schlacht gezogen, und das Schwert von Nudd liegt noch immer in seinen Schatztruhen wie zu Gorlois' Zeiten! Er möge es zurückgeben und auf den Stein von Fal verzichten. Erst dann werden wir euch den Kessel aushändigen!«

 

Der Spurensucher schleuderte dem König einen vernichtenden Blick zu, dann ging er wieder zu seinem Platz, wobei er auf halbem Wege mit einem unwirschen Fußtritt ein brennendes Holzstück, das von dem Stoß heruntergerutscht war, zur Seite stieß.

»Nun, Uther«, meinte Lliane leise. »Die Wahl liegt bei dir ...«

»Welche Wahl?«, lachte er hämisch, während er zu ihr aufsah. »Wenn wir nichts unternehmen, so ist der Kampf auf alle Fälle verloren.«

Er schwieg einige Sekunden lang, dann erhob er sich, genau wie die Königin vor ihm, und schüttelte seinen Mantel aus.

»Also schön«, sagte er. »Doch ohne den Stein gibt es keinen König mehr, und ohne das Schwert wird es keine Armee mehr geben. Die müsst ihr mir so lange lassen, bis ich mein Volk dazu gebracht habe, wieder Vertrauen zu fassen, und meine Männer in die Schlacht geführt habe. Wenn wir siegen, so schwöre ich, sie persönlich bis zu deiner Insel zu bringen, Lliane. Ihr müsst mir glauben ...«

Er war zu ihr getreten, und zum ersten Mal, seit er sie zwischen den Birken erblickt hatte, war er ihr nahe genug, um sie in die Arme zu schließen. Ihre Haut war so kalt wie das Seewasser, doch ihre grünen Augen verströmten eine Hitze, die ihn von Kopf bis Fuß erglühen ließ. Einen kurzen Augenblick gab es nur noch sie beide auf der Welt, ihre Erinnerungen, ihr Begehren.

»Das reicht nicht’«, ertönte eine schroffe Stimme und brach den Bann.

Merlin war aufgestanden, und in seinen lodernden Augen erkannte Uther die Eifersucht.

»Was sagst du da?«

»Dein Wort genügt nicht, Uther!«, beharrte der junge Druide und deutete auf die Schar aus Elfen und Zwergen, um sie als Zeugen heranzuziehen.

Ihre Augen vermochten nicht zu lügen. Keiner von ihnen würde ihm mehr das Vertrauen schenken, das er in der Vergangenheit enttäuscht hatte. Selbst Lliane zog sich von ihm zurück und wandte den Blick ab.

»Was willst du denn noch!«, grollte der König, wütend, enttäuscht und überzeugt davon, plötzlich von Merlin verraten worden zu sein. »Du weißt ebenso gut wie ich, dass ich ohne das Schwert niemals genügend Soldaten zusammenbekommen werde!«

»Ich habe dir gesagt, was ich will«, gab der Kindmann zurück. »Ich will Artus ... Artus als Pfand für dein Versprechen. Artus gegen das Schwert und den Stein. So sieht der Pakt aus!«

Aha, das war es also ... Erneut kamen ihm Merlins Worte auf dem Steg in den Sinn, seine Erregung, sein hitziger Blick, als er von ihm verlangt hatte, ihm blind zu gehorchen, was auch immer er befehlen würde. Doch was sollte er glauben von all dem, das zwischen dem gegenwärtigen Zeitpunkt und seinen Versprechungen in der Vergangenheit lag?

»Nun gut, so nimm ihn, du Bastard!«, zischte er mit unbändigem Hass zwischen zusammengepressten Zähnen hindurch. »Doch wenn ihm irgendetwas zustößt, so bete, dass ich in der Schlacht umkomme, denn dann mag die Welt noch so groß sein, du wirst mir nicht entrinnen!«