23
Macy saß im Diner, die Nike-Schuhschachtel neben sich. Sie war letzte Nacht den ganzen Weg nach Charlottesville gefahren, um sie zu holen. Und dann wieder zurück nach Clare Point. Seltsamerweise war sie gar nicht müde. Adrenalin, vermutete sie. Und das sonderbare Gefühl, dass sich alles seinem Ende näherte.
Macy war nicht wie Kaleigh. Sie »wusste« nicht Dinge wie sie, aber sie spürte doch, dass so etwas wie ein Abschluss bevorstand. Sie wusste nicht, ob Teddy sie umbringen oder Fia ihn stellen würde. Und Macy wollte leben. Aus irgendeinem Grund war sie aus New Orleans mit diesem Wissen zurückgekehrt, und aus diesem Wissen war ein Gefühl entstanden, von dem sie nicht gewusst hatte, dass sie es noch spüren konnte: Angst. Vor Jahren hatte sie sich mit dem Gedanken abgefunden, dass Teddy sie eines Tages töten würde. Sie wusste, dass er schließlich seines kranken Katz-und-Maus-Spiels überdrüssig werden und sie umbringen würde. Und jetzt hatte sie Angst davor, weil sie nicht sterben wollte. Aber ihr neu erwachter Wunsch zu leben hatte einen zweiten hervorgebracht, und das war der Wille, sich zu wehren. Sie wollte kämpfen, um zu leben.
Fia betrat das Diner. Sie trug einen maßgeschneiderten Hosenanzug, ihre charakteristische Sonnenbrille und eine knallharte Miene zur Schau. Gestern Abend, am Telefon, hatte sie interessiert an der Schuhschachtel geklungen und gewollt, dass Macy in die FBI-Dienststelle nach Philadelphia kam. Aber Macy ging nicht in FBI-Dienststellen. Und sie ging nicht nach Philadelphia. Sie war sich nicht ganz sicher warum. Sie mochte die Stadt einfach nicht.
»Die ganze Nacht wach gewesen?«, fragte Macy, als Fia sich ihr gegenüber an den Tisch setzte.
»Ich komme gerade vom Tatort. Normalerweise trinke ich keinen Kaffee, aber heute Morgen brauche ich einen.« Sie deutete auf ihre Kaffeetasse, und eine Kellnerin kam, um sie zu füllen. »Roggentoast. Trocken.«
»Für Sie auch etwas, Miss?«
Macy schüttelte den Kopf und wartete, bis die Kellnerin wieder gegangen war. »Danke fürs Kommen.«
»Haben Sie das Zeug?«
»Wie ich schon am Telefon sagte – es ist nicht viel dabei, das Ihnen helfen wird.«
»Und wie ich schon am Telefon sagte« – Fia trank einen Schluck Kaffee – »hat das FBI das zu entscheiden.« Sie nahm die Sonnenbrille ab, um Macy zu mustern. »Warum haben Sie mir nicht erzählt, dass er Ihnen Post geschickt hat?«
»Das ist doch schon lange her. Und er hat es ja auch nur ein paar Jahre lang getan. Sobald ich das College hinter mir hatte, hatte ich keinen festen Wohnsitz mehr, um ihn mir vom Leib zu halten. Und das Internet war dann ja auch schon auf dem Vormarsch. Er mag das Internet. Definitiv.«
»Das erklärt immer noch nicht, warum Sie mir nicht davon erzählt haben.«
Macy dachte nach, bevor sie antwortete. Sie wollte nicht nur zu Fia ehrlich sein, sondern auch zu sich selbst. Sie hatte beschlossen, dass es höchste Zeit war, ehrlich zu sein. Sie war es müde davonzulaufen, und sie war es müde, mit dem Gedanken zu leben, dass sie bald sterben würde. Sie wollte das tun, was Kaleigh ihr geraten hatte: sich umdrehen und mitten ins Feuer laufen. Selbst, wenn es sie vernichten sollte. »Ich glaube, ich wollte Ihnen nicht von den Sachen erzählen, die er mir geschickt hat, weil ich Angst hatte, dass Sie sie dann haben wollen könnten. Dass Sie sie dann, na ja … behalten könnten.«
»Und Sie wollen sie selbst behalten … Aber warum? Mögen Sie Andenken an kranke Irre?«
Macy strich eine Haarsträhne hinters Ohr. Sie hatte sich heute Morgen die Haare gewaschen und sie noch nicht zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Fias Frage war berechtigt. Warum wollte sie das Zeug behalten? Aber sie wusste ja schon warum. Sie hatte es immer gewusst. Sie hatte die Zeitungsausschnitte, die Teddy ihr geschickt hatte, aufgehoben, weil er – wie krank das auch klingen mochte – ihre einzige Verbindung zu ihrer toten Familie war. Und sollte sie es je vergessen, würden sie diese Andenken wieder daran erinnern, welchen Anteil sie selbst am Tod ihrer Familie hatte.
Ihr ganzes Leben kreiste eigentlich nur darum, nicht wahr? Alles: ihr Unvermögen, Beziehungen zu anderen Menschen einzugehen. Ihre wechselnden Männerbekanntschaften. Das ewige Herumreisen. Ihre Entfremdung von der Welt.
Fia streckte die Hand aus. »Lassen Sie mich mal sehen.«
Macy blickte auf die alte Schuhschachtel neben sich. Wegen ihr war sie den ganzen Weg nach Charlottesville und zurück gefahren und hatte sie noch immer nicht geöffnet. Tatsächlich konnte sie sich gar nicht mehr an das letzte Mal erinnern, als sie sie aufgemacht hatte. Sie wusste, dass es nicht in dem Jahr gewesen war, seitdem sie in dem Landhaus lebte. Ihre Finger fanden die Schachtel und griffen danach, hoben sie langsam auf den Tisch. »Ich glaube nicht, dass Sie aus dem da drin schlau werden. Ich habe Teddy gefragt, warum er mir das ganze Zeug geschickt hat, aber er hat es mir nie gesagt.«
Fia zog die Schachtel zu sich heran. Sie entfernte den Deckel, nahm, nachdem sie einen Blick hineingeworfen hatte, ein Paar Latexhandschuhe aus der Tasche ihres Blazers und streifte sie über.
»Wollen Sie es sich nicht im Büro anschauen?«
»Schon. Aber ich bin neugierig. Ich möchte mir nur einen ersten Eindruck verschaffen.«
»Es sind fast nur seltsame Zeitungsausschnitte aus diversen Magazinen. Ganz früh hat er mir auch ein paar Mitteilungen geschickt.«
»Wie früh?« Fia riss sich von dem Zeitungsfoto eines kleinen Jungen in einem Handkarren los, den seine Mutter zog.
»Vor 14 Jahren«, erwiderte Macy leise.
»Vor 14 Jahren?«, wiederholte Fia. »Sie nehmen mich wohl auf den Arm! Sie haben doch gesagt, dass er erst seit ein paar Jahren Kontakt zu Ihnen hat. Erst seit den Smiths.«
»Ich weiß, was ich gesagt habe.«
Fia blätterte sich durch die Artikel aus Hochglanzmagazinen, die schon dabei waren zu verbleichen. »Haben Sie auch die Umschläge aufgehoben?«
»Nein. Kein Absender. Briefmarken aus allen Teilen der Vereinigten Staaten. Ich glaube, er reist beruflich viel.«
»Stimmt. Das Profil, das wir von ihm erstellt haben, deutet darauf hin.« Fia zog einen Ausschnitt heraus. »Das hat er Ihnen geschickt?«
Macy beugte sich vor, um besser sehen zu können. Es war ein Artikel aus der Chicago Tribune über den Mord an einer Familie. Die Patels, 2001. »Das sind die allerersten Artikel, die er mir geschickt hat. Die anderen habe ich auch noch.«
»Jesus, Maria und Josef«, stieß Fia hervor. »Sie sind alle dabei? Ein Artikel über jede Familie?«
»Nein, nichts über die Macphersons … und die Millers«, hörte sich Macy sagen. »Es sind elf in der Schachtel.«
»Elf?« Fia hob einen Ausschnitt mit einem grinsenden Jungen am Esstisch hoch, dem seine Mutter gerade das Frühstück hinstellte. »Mit den Millers sind es zwölf, Macy. Wenn die Macphersons und Millers nicht dabei sind, müssten es zehn sein.«
»Es sind aber elf in der Schachtel«, beharrte Macy.
»Noch Kaffee?« Die Kellnerin näherte sich mit einer Kaffeekanne.
»Nein, danke«, antworteten Macy und Fia gleichzeitig.
»Es gibt einen, von dem ich nichts weiß?« Fia klang wütend, vielleicht auch ein wenig gekränkt.
Fia war enttäuscht von Macy. Natürlich war sie das. Enttäuschung war alles, was Macy jemandem zu bieten hatte. Und den Tod.
Macy sah aus dem Fenster. Eine Familie fuhr auf Fahrrädern vorbei. Dies war ihre Chance. Sie sollte aufstehen und einfach gehen. Fia würde gar nichts dagegen tun können. Sicher, sie konnte sie vielleicht vorübergehend in Gewahrsam nehmen, aber es lagen nicht genug Beweise vor, um Macy mit den Verbrechen in Verbindung zu bringen. Die Schachtel war nur eine Sammlung alter Artikel und Todesanzeigen. Möglicherweise ein bisschen schräg, dass jemand so etwas besaß, aber nichts Ungesetzliches und kein Beweis für irgendetwas.
»Die fehlende Familie – wen hat er noch umgebracht?«, wollte Fia wissen.
Im Diner war es hell und laut. Die Gäste lachten und redeten. Die Kellnerinnen klapperten mit dem Geschirr, das sie abräumten. Der Geruch von gebratenem Speck hing in der Luft. Ein Kind weinte an der Kasse.
Aber das Diner erschien Macy nicht hell und laut. Plötzlich wirkte es düster. Klein. Es bestand nur noch aus Fia und Macy und der Dunkelheit, die jenseits der Grenzen von Macys Verstand lauerte. »1994«, sagte sie. »Lawrenceville, Missouri.«
»Macy. Das erste Mal, dass der Totengräber-Killer beim FBI aktenkundig geworden ist, war 1997.« Sie ließ Macy nicht aus den Augen. »Chattanooga. Die Downing-Familie. Mutter, Vater, zwei Kinder.«
»Da drin liegt eine Kondolenzkarte.« Macy hatte das Gefühl, in Zeitlupe zu sprechen. Sie deutete auf die Schachtel. »Ganz unten.«
Fia wühlte sich durch die einzelnen Artikel und Anzeigen. »Ziemlich viele Ausschnitte von kleinen glücklichen Jungs mit ihren Mamas, was?«, bemerkte sie.
»Definitiv ein Muttersöhnchen«, pflichtete ihr Macy bei. Sie fühlte sich seltsam losgelöst von dem, was hier gerade vor sich ging.
Fia zog eine vergilbte weiße Grußkarte mit pastellfarbenen Blumen aus der Nike-Schachtel. Beim Öffnen fiel ihr ein Zeitungsausschnitt entgegen. Sie fing ihn auf, bevor er auf dem Tisch landete. Schnell überflog sie ihn. »Sie wurden im Haus erwürgt und dann in flache Gräber geschafft. Nicht dasselbe Muster.« Sie sah Macy fragend an.
Macy spürte, wie ihre Unterlippe zu zittern begann. Ihre Stimme war nur mehr ein Krächzen. »Ich glaube, es war sein erstes Mal.«
Fia fixierte sie mit ihren dunklen Augen, die Macy so vorkamen, als könnten sie bis auf den Grund ihrer Seele blicken. »Wer waren sie, Macy?«
»Alice und John Carpenter und ihre Töchter Minerva und Mariah, vier beziehungsweise zehn Jahre alt.« Macys Blick wanderte zu der Wanduhr am anderen Ende des Raums. Sie konzentrierte sich auf das Ziffernblatt und den zweiten schwarzen Zeiger, der tick-tick-tickte, während sie sprach. »Er hat sie in ihren Betten erwürgt und dann nach draußen in den Obstgarten gebracht. Dort hat er flache Gruben ausgehoben und sie zur letzten Ruhe gebettet.« Ihr blieben fast die Worte im Hals stecken. »Er hat sie nicht zugeschaufelt. Die dritte Tochter hat sie gefunden. Sie lagen alle Seite an Seite unter einem Kirschbaum.«
Macy war überrascht, als sie Fias Hand auf ihrer spürte. Macy hatte Fia nie als sonderlich emotional erlebt. Sie war sich nicht einmal ganz sicher gewesen, ob diese Frau überhaupt Gefühle hatte.
»Und Sie waren die dritte Tochter«, sagte Fia sanft. Es war eine Feststellung, keine Frage.
Macy hatte die Absicht, etwas darauf zu erwidern, aber die Worte wollten einfach nicht kommen. Sie hatte gedacht, dass sie damit umgehen konnte, aber nun merkte sie, dass sie sich wohl geirrt hatte. Sie stand vom Tisch auf.
»Macy.«
Macy ging aus dem Diner, die Straße hinunter. Sie würde mitten ins Feuer hineinlaufen. Aber es würde nur in winzigen Schritten gehen. In Babyschritten.
Fias erster Impuls war, Macy zu folgen. Antworten zu verlangen. Normalerweise ließ sie den ersten Impuls jedoch kommen und wieder gehen. Er war oft schon falsch gewesen, und sie hatte es mehr als einmal auf die harte Tour erfahren müssen.
Sie zog die Latexhandschuhe verkehrtherum aus, für den Fall, dass sich Fingerabdrücke oder DNA-Spuren des Täters auf den Zeitungsausschnitten oder Karten erhalten hatten. Dann drückte sie wieder den Deckel auf die Schachtel und trank ihren Kaffee aus. Den Toast ließ sie unberührt. Sie musste nach Philadelphia zurück. Zunächst musste alles von der Spurensicherung untersucht werden. Es würde Tage dauern, alles in der Schachtel zu begutachten und zu versuchen, ihm eine Bedeutung zu entlocken. Aber das Allererste, was sie tun würde, war, die Morde an den Carpenters zu recherchieren. Sie würde sich mit der Staatspolizei von Missouri in Verbindung setzen, sobald sie unterwegs war.
Fia tat ihr nüchternes Vampirherz weh – weh für Macy. Für das Mädchen, das sie gewesen war. Für die Frau, die sie jetzt war. Ihr kamen die Tränen, als sie daran dachte, wie Macy unter jenem Kirschbaum gestanden und auf ihre tote Familie geblickt haben musste.
Zur Hölle, das Leben war hart zu den Menschen.
Fia massierte ihre Schläfen. Sie hatte keine Zeit für Gefühle. Es war nicht ihre Aufgabe, mit den Opfern zu leiden. Wenn sie dieses Monster schnappen wollte, für den Clan, für die Welt, musste sie einen kühlen Kopf bewahren. Natürlich hatte Macy einige Opfer des Totengräber-Killers gekannt. Fia hatte das von Anfang an vermutet. Sie hätte an Macys Verhalten erkennen müssen, dass es eine persönliche Geschichte war. Aber wie hätte sie ahnen sollen, dass Macys Familie zu den Opfern gehörte?
Was Fia zu der nächsten logischen Frage führte – jener Frage, die sie Macy gestellt hätte, wenn sie nicht die Flucht ergriffen hätte.
Wenn Teddy Macys Familie umgebracht hatte, warum hatte er es nicht getan, als Macy bei ihnen war? Und warum hatte er ihr nicht nachgestellt, als ihm klargeworden war, dass in jener Nacht einer der Carpenters gefehlt hatte? Warum stalkte er sie stattdessen seit so vielen Jahren?
Nachdem sie die Rechnung bezahlt hatte, trat Fia hinaus ins helle Sonnenlicht. Während sie über den Parkplatz zu ihrem Wagen ging, rief sie Arlan an. »Ich brauche dich«, sagte sie, als er abnahm.
»Jederzeit und überall, meine Süße.«
»Wie lange ist sie schon da?«, fragte Arlan Eva.
Sie standen nebeneinander im Wintergarten und blickten auf Evas Rosensträucher hinaus. Macy saß auf der Steinbank, eine Kamera auf den Knien. Sie betrachtete den Gartenzaun und machte sich Notizen. Falls sie wusste, dass Eva und Arlan sie beobachteten, ließ sie es sich nicht anmerken.
»Noch nicht sehr lange. Vielleicht eine halbe Stunde. Sie schießt die Fotos für das Magazin selbst. Sie sagte, dass sie ein paar Fotos vorab machen will, um sich darüber klarzuwerden, wie sie es angehen will.« Eva wandte sich zu ihm. »Was ist denn los?«
»Sieht so aus, als hätten wir ein Problem.« Unsicher, wie er sich Macy am besten nähern sollte, ließ er sie nicht aus den Augen. Fia war besorgt gewesen, als sie ihn angerufen hatte – und zwar nicht so sehr um den Fall als vielmehr um Macys Gemütsverfassung.
Wie sie da auf der Bank inmitten der Rosen saß, wirkte Macy sehr zerbrechlich auf ihn. Alle Menschen wirkten zerbrechlich, aber sie noch mehr als andere. Fia sagte, dass sie einfach aufgestanden und gegangen sei. Fia hatte befürchtet, Macy könne die Stadt verlassen. Arlan, der gerade dabei gewesen war, die Schlösser an Victor Simpsons Türen auszutauschen, war nach Fias Anruf direkt zum Hotel gefahren. Sie waren sich einig gewesen, dass es besser war, wenn Fia sich ein wenig zurückzog. Wenn Macy überhaupt noch mit jemandem sprechen wollte, würde das sicher er sein.
Macys Auto war auf dem Hotelparkplatz gestanden. Mrs.Cahall erzählte, Macy sei hereingekommen, habe eine Kameratasche aus ihrem Zimmer geholt und um 9.37 Uhr das Hotel Richtung Osten wieder verlassen. Arlan fragte sich, ob das FBI noch einen Schreibtisch für Mrs.Cahall frei hatte; die alte Dame hatte eine bessere Beobachtungsgabe als die Hälfte der Dummköpfe, mit denen Fia arbeitete.
Arlan hatte vermutet, dass Macy zu Eva wollte. Er wusste, dass sie beschlossen hatte, die Fotos selbst zu machen, und heute damit anfangen wollte. Er hoffte, dass sie trotz des Treffens mit Fia an ihrem Plan festhalten würde. Zum Glück war das der Fall, und sie war hier, in Sicherheit, zumindest für den Moment. Fia hatte ihm keine Einzelheiten erzählt, nur, dass der Totengräber-Killer Macys Familie umgebracht hatte, als sie ein Teenager war. Ein Fall, von dem das FBI nichts gewusst hatte.
Arlan hatte gefragt, wie das möglich war; aber er wusste nur zu gut, dass Serienkiller oft im Verborgenen morden, vor allem am Anfang ihrer »Karriere«. Er hatte einmal einen Mann in Bordeaux gestellt, der erst in der Stunde seines Todes zugegeben hatte, dass die Behörden nur von der Hälfte der 37 Männer und Frauen Kenntnis besaßen, die er gequält und getötet hatte.
Der Gedanke an Dauncy hinterließ einen schalen Nachgeschmack in seinem Mund; er wischte mit dem Handrücken darüber.
»Wie kann ich helfen?«, fragte Eva.
»Im Moment wahrscheinlich am besten, indem du ihr sagst, dass du jetzt zur Arbeit fährst.« Er sah auf ihre saubere schwarze Kellnerinnenschürze, die über einem Stuhl hing. »Sie weiß, wo sie dich findet, wenn sie dich braucht. Ich glaube, sie braucht jetzt einfach ein bisschen Zeit für sich.«
»Meinst du, sie haut ab, bevor wir diesen Bastard kriegen?«
»Schwer zu sagen.« Arlan beobachtete, wie Macy in die Hocke ging und durch den Sucher ihrer Kamera blickte. »Ihr Leben hat bis jetzt daraus bestanden, nie lange an einem Ort zu bleiben. Es ist schwer, ein solches Muster zu ändern.«
»Du hast sie wirklich gern, nicht wahr?«, fragte Eva, und man hörte ihr die Verwunderung an. »Arlan Kahill, hast du dich etwa in eine Menschenfrau verliebt?«
Er mied ihren Blick und versuchte, sein Herz zu verschließen. »Nein, so dumm bin ich nicht.«
Sie gab ihm einen Klaps auf den Po, als sie wegging. »Das ist auch besser so.«
Teddy starrte aus dem kleinen Flugzeugfenster. Er hatte sich gewünscht, heute nicht fliegen zu müssen. Er wäre lieber zu Hause geblieben, um all die Zeitungsartikel auszuschneiden, die sie über ihn gebracht hatten. Heute flog er gen Süden. Atlanta. Macy arbeitete manchmal in der Gegend, aber nicht heute.
Nein. Sie war viel näher an zu Hause. Sie hatte es nicht erwähnt, aber nachts, wenn er auf seiner Veranda saß und zum Mond hochsah, fühlte er, dass sie ihm nah war. Jeden Tag kamen sie einander näher. Und trotz der hässlichen Dinge, die seine Mutter über sie sagte, wusste er, dass sich Macy gerade in ihn verliebte.
Teddy hatte sein ganzes Leben darauf gewartet. Er hatte gehofft. Er hatte gebetet. Er war geduldig gewesen. Aber jetzt war es an der Zeit, Pläne zu schmieden.