22

Wider besseres Wissen tat Macy, worum Fia sie gebeten hatte, und hielt sich an diesem Abend von ihrem Computer fern. Aber den ganzen nächsten Tag verbrachte sie in bangem Warten. Sie wusste tief drinnen, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis Fia anrufen und ihr die gefürchtete Nachricht überbringen würde. Zum allerersten Mal kaufte sich Macy eine neue Telefonkarte für dasselbe Handy.

Es war vier Uhr nachmittags, als Macy an der Hotelrezeption die Post holte. Mrs.Cahall war wie immer sehr gesprächig. Heute trug sie einen Pulli in Gelb und Pink über einem weißen Poloshirt. Gelber Tennisrock. Ihre Lippenstiftfarbe hieß Rassiges Rubinrot, erzählte sie. Als ihr Handy klingelte, wusste Macy, dass es Fia war. Sie war versucht, den Anruf nicht anzunehmen. Sie war versucht, das Handy im nächsten Mülleimer zu versenken, auf ihr Zimmer zu gehen, zu packen und zu fahren. Sie konnte das Feature über die Häuser von Clare Point einfach kippen. Sie brauchte den Auftrag nicht. Das Geld schon gar nicht. Die Summe, die ihr ihre Eltern in ihrem Testament vermacht hatten, reichte für mehr als ein Leben. Sie war sowieso schon viel zu lange hier, dachte Macy, während sie auf das Handy in ihrer Hand starrte.

»Wollen Sie nicht rangehen?«, fragte Mrs.Cahall und nahm einen Schluck aus einem Plastikbecher. Purer Gin, keine Frage.

»Nein.«

»Warum nicht?«, fragte die alte Frau.

»Weil es schlechte Nachrichten sind.«

»Hä?« Mrs.Cahall hielt sich eine Hand ans Ohr.

»Ich habe gesagt, dass es schlechte Nachrichten sind«, wiederholte Macy laut.

»Glauben Sie denn, dass Sie sich vor den schlechten Nachrichten drücken können, wenn Sie nicht ans Telefon gehen?« Sie sah Macy eindringlich an, scharfsichtig, obwohl dies wahrscheinlich schon ihr zweiter oder dritter Drink an diesem Nachmittag war. Sie schüttelte den Kopf. »Nicht nach meiner Erfahrung. Und lassen Sie sich das gesagt sein, Fräulein: Ich habe ziemlich viel Erfahrung mit schlechten Nachrichten.«

Macy hob das Handy langsam ans Ohr. Sie wandte Mrs.Cahall den Rücken zu und ging ein paar Schritte von der Rezeption weg. Ihre Post vom Vortag ließ sie auf der Theke liegen. »Es ist Sonntag. Heute haben Sie doch frei«, sagte sie ins Telefon.

»Offenbar hält unser Killer nichts von Bürozeiten. Wussten Sie, dass er es tun würde?«, fragte Fia am anderen Ende der Leitung. Sie war wütend. »Lügen Sie mich nicht an, Macy. Hat er Ihnen gesagt, dass er wieder eine Familie umbringen würde?«

»Nein.« Macy ging durch die Lobbytür auf den Bürgersteig. Sie lief in die schwüle Hitze des Spätnachmittags wie in eine Mauer. »Er hat mir nicht gesagt, dass er jemanden umbringen würde. Sie haben doch das Fax bekommen. Sie wissen, was er gesagt hat.«

»Ich habe keine Möglichkeit nachzuprüfen, ob Sie danach nicht noch einmal mit ihm gesprochen haben.«

»Wollen Sie damit etwa andeuten, dass ich an der ganzen Sache beteiligt bin?«, wollte Macy wissen. Ihr Herz hämmerte in der Brust. Es war ein Fehler gewesen, mit Fia Kontakt aufzunehmen. Sie hätte wissen müssen, dass es Zeitverschwendung war. Das hier würde nichts bringen. Teddy konnte nicht gestoppt werden. Sie wusste es. Er wusste es. »Glauben Sie wirklich, dass ich etwas mit diesen Morden zu tun habe?« Sie war so zornig, so aufgewühlt, dass ihre Stimme ganz schrill wurde.

»Nein.« Fia hörte sich nun wieder ruhiger an.

»Aber Sie haben über die Möglichkeit nachgedacht!«, setzte Macy nach.

»Ich würde meinen Job nicht richtig machen, wenn ich es nicht getan hätte.« Fias Worte waren offen, aber es klang nicht unfreundlich. »Es wäre nicht das erste Mal, dass ein Mörder oder jemand, der in ein Verbrechen verwickelt ist, versuchen würde, Hinweise zu seiner Ergreifung zu geben.«

»Ich habe Sie neulich Abend angerufen, Fia«, beharrte Macy. »Ich hätte Ihnen gar nicht erzählen müssen, dass ich mit ihm geredet habe, nachdem Sie mich gebeten hatten, es nicht zu tun. Warum sollte ich Ihnen etwas über unseren Chat vorlügen?«

»Keine Ahnung. Warum lügen Sie mich überhaupt an?«

Macy ging unter einen Baum, der seinen Schatten auf den Hotelparkplatz warf. Sie setzte sich auf die Erde, den Rücken an den Stamm gelehnt, die Knie an den Körper gezogen. Sie starrte auf eine weggeworfene Coladose unter einem geparkten Auto. »Ich habe Sie nicht angelogen, was den Chat mit Teddy betrifft. Ich habe Sie nicht ein einziges Mal angelogen, seitdem ich Sie zum ersten Mal angerufen habe.« Jedenfalls nicht in Dingen, die wichtig sind, fügte Macy in Gedanken hinzu. Sie fragte sich, ob man in die Hölle kam, wenn man einen FBI-Agenten anschwindelte. Ins Gefängnis vielleicht, aber in die Hölle? Sie war doch schon längst in der Hölle.

Beide schwiegen eine Weile. Fia glaubte ihr nicht. Sie wusste, dass Macy ihr etwas verheimlichte.

»Es ist nicht mal Vollmond«, bemerkte Macy.

»Das hat ihn offenbar schon letztes Mal nicht davon abhalten können.«

»Wen hat er umgebracht?«, fragte Macy, obwohl sie es vorgezogen hätte, es nicht erfahren zu müssen.

»Die Millers – Vater, Mutter und sechs Kinder. Das jüngste war ein Säugling.«

Macy schloss die Augen. Ihre Brust schnürte sich zusammen, bis sie kaum noch Luft bekam. »Sechs?«, wisperte sie. Vor ihrem geistigen Auge sah sie ihre beiden kleinen Schwestern, lebendig begraben, tot. Die Arme an den Leib gepresst. Damals hatte Teddy noch nicht so viel Routine gehabt. Erst später hatte er seine Opfer mit den Händen über dem Kopf begraben. »Wer zum Henker hat heutzutage sechs Kinder?« Sie stellte die Frage ebenso sich wie Fia. »Wo?«

»Lancaster. Eine Amisch-Familie. Sie wurden ungefähr vor einer Stunde gefunden. Sie sind nicht zum Gottesdienst erschienen, deshalb ist ein Freund der Familie hingegangen, um nachzusehen. Es waren sozusagen Hardliner, die kein Telefon hatten. Laut Einschätzung des Gerichtsmediziners sind sie gegen Mittag gestorben.«

Macy ließ den Kopf hängen. »Ich habe befürchtet, dass das passieren würde. Er musste es mir gar nicht sagen, ich wusste es einfach.« Sie hob den Kopf wieder. »Woher konnte ich das wissen, Fia?«

Fia zögerte mit ihrer Antwort. »Ich weiß es nicht, Macy. Vielleicht haben Sie eine Art mentale Verbindung zu ihm?«

»Ich glaube nicht an diesen Mist.«

Fia lachte, aber ohne Freude. Es hörte sich wie ein Insiderwitz an, in den Macy nicht eingeweiht war. Macy gefiel das nicht sonderlich.

»Hören Sie, ich bin gerade zum Tatort unterwegs«, fuhr Fia fort. »Aber wir müssen uns unterhalten. Ernsthaft unterhalten. Bis jetzt sind Sie immer noch unsere einzige Spur in diesen Fällen. Sie behaupten, dass Sie mir alles gesagt haben, aber Sie lügen, und wir beide wissen das. Er hat irgendeine Verbindung zu Ihnen. Worüber Sie sich klarwerden müssen, Macy, ist, ob Sie diesen Typen wirklich stoppen wollen. Wollen Sie das? Wenn Sie das nämlich wollen, dann müssen Sie mir alles sagen, was Sie wissen. Alles.«

Macy hob den Kopf. Zwei halbwüchsige Jungen fuhren auf ihren Skateboards auf dem Bürgersteig vorbei. Sie lachten und zogen sich gegenseitig auf. Macy dachte an die Miller-Familie. Sie stellte sie sich vor: bis zum Kinn lebendig begraben, die Arme wie in einer makabren Freakshow über die Köpfe gestreckt. Wie konnte das Leben weitergehen, wie konnten Jungen immer noch skateboarden und lachen, fragte sie sich, während die Millers aufrecht in ihren Gräbern standen und darauf warteten, wieder ausgegraben zu werden?

»Rufen Sie mich später noch mal an«, sagte Macy. Dann legte sie auf.

 

Arlan war überrascht, dass Macy auf seiner Verandatreppe saß, als er um halb sechs Uhr nachmittags von der Arbeit heimkam. Für gewöhnlich kam sie erst nach Einbruch der Dunkelheit vorbei, was er irgendwie lustig fand, da schließlich er der Vampir von ihnen beiden war.

Sie sah ihn mit einem unschuldigen Kindergesicht an. Schön, aber ungemein traurig.

»Teddy hat es wieder getan.« Er konnte ihr anhören, wie sehr sie das traf.

Arlan stand einen Augenblick nur da. Er wusste nicht, was er sagen sollte. »Es ist nicht deine Schuld«, waren die ersten Worte, die ihm in den Sinn kamen.

Sie saß einfach dort, die Arme auf den Knien, mit hängendem Kopf.

Arlan ließ sich neben ihr nieder. »Hat Fia dich angerufen?«

Sie nickte.

»Irgendwelche Einzelheiten?«

»Nicht wirklich. Noch nicht. Eine achtköpfige Familie in Lancaster. Traditionelle Amischen.« Sie setzte sich auf und schob eine Strähne beiseite, die sich aus ihrem Pferdeschwanz gelöst hatte und ihr nun ins Gesicht hing. »Fia ist jetzt dort.«

Der Gedanke schoss Arlan durch den Kopf, dass er auch nach Lancaster fahren sollte. Dass Fia ihn brauchte.

Er ballte die Hand zur Faust und öffnete sie wieder. Aber Macy brauchte ihn auch.

Sie saßen einen Moment schweigend da.

»Komm.« Arlan stand auf, nahm ihre Hand und zog sie zu sich hoch. Macy versuchte, sich dagegen zu wehren, aber er ließ es nicht zu.

»Wohin gehen wir?«

Halb führte, halb zog er sie den Bürgersteig entlang. »Ins Dairy Queen.«

»Heute hat mein Stalker acht Menschen umgebracht, und du denkst an nichts anderes als an Eisessen?« Macy starrte ihn an.

»Ein Rieseneisbecher wird uns beiden jetzt guttun.« Er legte ihr den Arm um die Schultern. »Außerdem ist dort jemand, den ich dir vorstellen möchte.«

 

»Du machst wohl Witze.« Kaleigh stand an einer Fritteuse und schaufelte Pommes frites in Papiertüten. »Ich werde nicht mit ihr reden.«

»Bitte, Kaleigh. Sie ist im Moment in schlechter Verfassung. Sie braucht …« Arlan suchte nach den richtigen Worten. »Sie kann jetzt ein paar gute Ratschläge brauchen.«

Der Teenager bedachte Arlan mit einem skeptischen Seitenblick. Sie trug einen roten Arbeitskittel und ein Papierhütchen mit dem Dairy-Queen-Emblem. Und du glaubst, dass ich ihr ein paar geben kann? Sie verdrehte die Augen.

»Kaleigh, sie kann zur Aufklärung des Falles beitragen. Ich weiß, dass sie es kann. Sie hat nur Angst. Sie ist verwirrt.«

Kaleigh schüttete einen Sack tiefgefrorene Pommes frites in eine Fritteuse und senkte sie ins siedende Öl. Es zischte und spritzte. »Du kannst nicht vor dir selbst davonlaufen«, sagte sie zu niemand Speziellem.

»Ganz genau.« Arlan klopfte ihr auf die Schulter. »Genau das meine ich. Gute Ratschläge.« Er nahm die Sonnenbrille ab. »Komm schon. Tu’s für mich. Ich lasse den Autoschlüssel stecken, und du und deine Freunde könnt mir den Truck für ein paar Stunden entführen. Ich brauche ihn erst morgen früh wieder, wenn ich zur Arbeit fahren muss.«

»Damit hatte ich nichts zu tun.« Sie zeigte auf ein paar Kids, die auf dem Parkplatz herumlungerten. »Ich habe ihnen gesagt, dass sie das Auto des alten Knackers stehenlassen sollen. Ich habe ihnen gesagt, dass er sie verpetzen wird.«

Arlan grinste, während er seine Sonnenbrille wieder aufsetzte. »Wir sitzen draußen an einem Picknicktisch.« Er nahm Kurs auf die Küchentür. »Und wir nehmen zwei Blizzards.«

»Das Eis geht aber nicht aufs Haus«, rief Kaleigh ihm nach.

Zehn Minuten später kam Kaleigh mit drei Eisbechern aus dem Diner. Sie ging hinüber zu Arlans und Macys Tisch und stellte die Becher ab. »Ich habe zehn Minuten Pause.« Sie gab Arlan seinen. »Mit Schokoeis. Und jetzt verschwinde. Oh, das macht übrigens sechs Dollar.«

Arlan ging, ohne Macy Gelegenheit zu geben, gegen die Gesellschaft eines nach Schokosirup riechenden Teenagers mit einem albernen Papierhütchen auf dem Kopf zu protestieren. Kaleigh setzte sich Macy gegenüber an den Tisch und schob ihr einen der beiden Becher zu.

»Ich weiß nicht, was dir Arlan über mich erzählt hat«, begann Macy mit Blick auf den Eisbecher. »Aber ehrlich gesagt, geht dich das alles auch gar nichts an.«

Kaleigh nahm das Papierhütchen vom Kopf und warf es auf den Tisch. Sie zog den langen Plastiklöffel aus dem Eisbecher und leckte ihn ab. »Ich weiß ja nicht, was er dir über mich erzählt hat, aber ich habe so eine Art … ich weiß nicht …« Sie zuckte mit den Achseln. »Eine Art, Dinge zu erfassen. Weißt du, was ich meine? Viele Leute reden mit mir. Du wärest überrascht.«

Macy fühlte sich wie hypnotisiert von dem ruhigen Blick des Mädchens. Etwas in diesen jungen Augen schien … nicht so jung zu sein, und Macy hatte den Eindruck, dass sie begriff, was Kaleigh mit »erfassen« gemeint hatte.

Macy musste wirklich schleunigst diese Stadt verlassen. Sie war einfach zu sehr à la M. Night Shyalaman, um ein sicherer Zufluchtsort zu sein. Und sie brauchte noch immer eine neue Formulierung dafür.

Kaleigh blickte auf ihren Eisbecher hinunter und steckte den Löffel hinein. Dann zog sie ihn wieder heraus und begutachtete die Eiskrem und die Schokoladenstückchen, die daran hängengeblieben waren. Als sie ihn mit der Zungenspitze berührte, zuckte ein Lichtblitz auf. Wie eine Fotografie, was seltsam war, da sie Dinge normalerweise nicht auf diese Weise sah.

Macy. Nur jünger. Sie hatte einen Jeansrock an und stand allein auf einem Friedhof.

Kaleigh spürte den überwältigenden Kummer dieser jüngeren Macy und hatte alle Hände voll zu tun, der Trauer den Eintritt in ihr eigenes Herz zu verwehren. Manchmal fiel Kaleigh das schwer. Man hatte ihr gesagt, dass sie nur die Gefühle der anderen nicht an sich heranlassen durfte, aber das war leichter gesagt als getan.

Als sie auf den Plastiklöffel biss, sah sie wieder einen Blitz. Ein weiteres Foto. Ein weißer Kindersarg neben einem zweiten. Zwei kleine blonde Mädchen in gelben Sommerkleidchen lagen in den Särgen. Tot.

Gegen ihren Willen traten Kaleigh Tränen in die Augen. Die kühle, süße Eiskrem in ihrem Mund schmeckte plötzlich wie Dreck. Sie konnte sie kaum herunterschlucken.

»Kaleigh? Alles in Ordnung?«

Macys Worte schienen von weither zu kommen.

Kaleigh blinzelte. »Sie hatten gelbe Sommerkleider an. Deine Schwestern. Deine toten Schwestern.«

Macy starrte Kaleigh an, als hätte sie einen Geist gesehen. Es war so, wie sie es immer wieder in Büchern gelesen hatte. Mit einem Mal war sie so weiß wie die Serviette, die auf dem Tisch lag.

»Woher weißt du das? Ich habe nie jemandem davon erzählt. Arlan –«

»Arlan hat nichts gesagt.« Kaleigh runzelte die Stirn. Wahrscheinlich hätte sie den Mund halten sollen, aber es war bereits zu spät. »Ich weiß manche Dinge einfach.«

Macy saß nur da, die Hände auf dem Tisch, und wirkte, als würde sie gleich aufspringen und davonstürzen.

»Es ist okay«, sagte Kaleigh. »Ich verrate nichts.«

Macy beäugte sie wie ein scheues Reh.

»Ich denke nur, dass du nicht dein Leben lang davonlaufen kannst«, fuhr Kaleigh fort. »Das ist es, was ich sehe. Egal, wie viel Angst du hast, du kannst ihr nicht davonlaufen.« Sie setzte den Eisbecher ab. »Manchmal kannst du das Feuer nur löschen, wenn du dich umdrehst und mitten hineinläufst, weißt du?«

»Wovon redest du überhaupt?«, fragte Macy.

Kaleigh stand auf. Sie nahm ihr Papierhütchen vom Tisch und ließ den Eisbecher stehen. »Ich habe keine Ahnung. Aber ich denke, du weißt es. Wir sehen uns.«

Verblüfft und verängstigt zugleich – sofern das möglich war – sah Macy dem Teenager nach. Woher konnte dieses Mädchen von Mariah und Minnie erfahren haben? Wie war das nur möglich?

Sie beobachtete, wie Arlan mit Kaleigh sprach, bevor sie wieder ins Diner zurückkehrte. Er kam auf den Tisch zu, an dem Macy noch immer saß.

»Was hast du ihr über mich erzählt?«, fiel Macy über ihn her, als er sich zu ihr setzte.

Er hatte sein Eis aufgegessen und griff nach Macys Eisbecher, um sich darüber herzumachen. »Was meinst du wohl? Nichts. Was hätte ich ihr schon erzählen können? Ich weiß gar nichts von dir. Du willst mir ja nichts erzählen.«

»Meine Schwestern sind tot. Sie wurden in gelben Kleidern bestattet«, murmelte Macy. Ihre Hände zitterten.

»Es tut mir so leid, Macy.« Er sah von seinem Eis auf. Der Löffel schwebte wie erstarrt in der Luft.

»Du verstehst mich nicht. Woher hat sie das gewusst?«

»Ich hab’s dir doch schon gesagt. Kaleigh weiß Dinge.« Er zuckte mit den Achseln und wandte sich wieder seinem Eisbecher zu. »Wir nennen es Gabe

In Macys Kopf wirbelte alles wild durcheinander. Nichts von alldem ergab einen Sinn, aber war das schon jemals anders in ihrem Leben gewesen? »Kaleigh weiß nichts von Teddy, oder? Dass er mich stalkt?«

»Sie weiß, dass Fia an dem Totengräber-Fall arbeitet, aber ich habe ihr nicht gesagt, dass du mit dem Fall zu tun hast. Fia hat das natürlich auch nicht getan. Eva ebenso wenig – für den Fall, dass du ihr gegenüber etwas erwähnt hast.«

Grübelnd zog Macy den Eisbecher wieder zu sich heran. Er fühlte sich feucht und kühl an. Sie nahm den Löffel und tauchte ihn in die Eiskrem. Sie schmolz schon. Vanille mit Erdbeerstückchen. Woher zum Henker hatte Kaleigh gewusst, dass Macy Erdbeereis mochte? Sie hatte es Arlan nie erzählt. Sie hatte es überhaupt nie jemandem erzählt. Sie kostete das Eis.

Die kalte, süße Eiskrem schmeckte erschreckend gut. »Kaleigh hat gesagt, dass ich nicht immer weiter davonlaufen kann. Sie meinte, die einzige Möglichkeit, es zu beenden, sei, sich kopfüber hineinzustürzen. Ins Feuer.« Macy sah ihm in die Augen. »Sie hat von Teddy gesprochen. Sie weiß, dass er mit dem Tod meiner Schwestern in Verbindung steht.«

Arlan beobachtete sie durch seine dunkle Sonnenbrille. Sein Gesicht war nicht nur gutaussehend, es war süß. Sie mochte es, wie er sie ansah – als ob er sich wirklich etwas aus ihr machte.

Macy aß noch einen Löffel Erdbeereis. Sie dachte nach. »Ich glaube, ich muss mit Fia reden.«

Er streckte die Hand quer über den Tisch aus und ergriff die ihre. Er drückte sie. »Das hatte ich gehofft.«

 

Während er sich auf eine Präsentation am kommenden Tag vorbereitete, wartete Teddy auf Marceline. Er sah in seinem Laptop nach. Es war noch früh, aber er loggte sich nicht aus, für den Fall, dass sie nicht widerstehen konnte.

Und er wusste, dass sie es nicht konnte.

Das konnte sie nie.