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Alta hatte durch ihr natürliches, unbefangenes Auftreten die Situation gerettet, und Peter Digger fand es nun selber dumm, uns mit dem Jagdgewehr bedroht zu haben. Als wir in der Hütte saßen, fragte er: »Nun, was haben Sie denn auf dem Herzen?«

»Pete«, begann ich, »ich biete Ihnen jetzt die Chance, fünfhundert Dollar einzustreichen.«

»Wie bitte? Wieviel?«

»Sie haben richtig gehört. Fünfhundert Dollar.«

»Die Sache hat doch bestimmt einen Haken!«

»Sie müßten eine Bohrstelle >salzen<.«

»Wozu?«

»Kann ich Ihnen restlos vertrauen, Pete?«

»Weiß ich nicht«, sagte er grinsend. »Jedenfalls haue ich nie einen Freund übers Ohr, aber mit meinen Feinden springe ich rücksichtslos um. Blättern Sie das Geld hin und entscheiden Sie sich.«

Ich beugte mich etwas über den Tisch. »Als ich Ihnen von meiner Schriftstellerei erzählte, habe ich Sie geblufft, Pete«, sagte ich.

Digger warf den Kopf in den Nacken und lachte schallend. »So was Komisches habe ich seit vierzig Jahren nicht mehr erlebt!« rief er.

»Was ist dabei so komisch?« fragte Ashbury,

»Ach, daß der junge Mann hier geglaubt hat, ich hätte seinen Schwindel nicht durchschaut, als er behauptete, er wäre Schriftsteller: Der ist doch nur zum Spionieren hergekommen. Ich halte ihn für einen Rechtsanwalt, der gegen die Baggerfirma vom Leder ziehen will. Das war sein Plan und nichts anderes.«

Ich sagte lächelnd: »Na, darüber sind wir ja nun hinweg. Und jetzt muß ich Sie informieren, daß ich auf das Aktienangebot 'reingefallen bin.«

»Sie?«

»Hm. Bin weich geworden und habe Anteile von den Leuten gekauft.«

Petes Miene wurde finster. »Dieses Gaunervolk!« sagte er. »Wir sollten hingehen und ihr Bohrgerät mit Dynamit in die Luft jagen.«

»Nein, es gibt einen besseren Weg«, sagte ich.

»So? Und welchen?«

»Meinen Sie, daß die Leute wissen, wieviel Gold sie in die Bohrlöcher streuen?«

»Genau wissen die das. Wenn so ein Schwindelunternehmen aufgezogen wird, muß der Boden gleichmäßig Golderträge hergeben. Wenn bei einer Bohrung die Ausbeute steigt und bei der nächsten wieder sinkt, würden die Kapitalgeber schon mißtrauisch werden. Weil nämlich die Flüsse das Gold nicht anhäufen, sondern es breit verteilen, verstehen Sie. Und hier hat der Fluß das jetzt unter dem Grund befindliche Gold schon vor Millionen Jahren angeschwemmt.«

»Schön, daß es so ist. Und wiegen die Brüder das Gold, das sie herausholen, genau ab?«

»Und ob!«

»Pete«, fuhr ich fort, »Sie hatten doch erwähnt, daß Sie eine Bohrstelle ganz unauffällig >salzen< könnten. Wie war das gemeint?«

Er sah uns an und sagte: »Und Sie hatten gesagt, ich könnte fünfhundert Dollar einstreichen. Wie war das gemeint?«

Ashbury, der ein guter Menschenkenner war, hatte Pete über den Brillenrand beobachtet. Er zog jetzt wortlos seine Brieftasche und zählte fünf Hundertdollarnoten ab. »Das war damit gemeint«, sagte er, indem er Pete die Scheine zuschob.

Pete nahm die Geldscheine, betrachtete sie wie Fabelwesen, drehte sie zwischen den Fingern und ließ sie auf den Tisch fallen.

»Wollen Sie das Geld nicht haben?« fragte Ashbury.

»Nicht, ehe Sie gesagt haben, daß es mir gehört.«

»Gut, die fünfhundert gehören Ihnen.«

»Warten Sie erst, was ich noch zu erklären habe«, sagte Pete.

»Nur zu!« forderte ich ihn auf.

»Nun ja — also damit Sie ganz im Bilde sind, muß ich Ihnen ein paar Geschichten erzählen und dabei bis in die Zeit am Klondyke zurückgreifen, als eine große Gesellschaft dort Goldadern entdeckt zu haben glaubte.

Da war also einer, der ein paar Stück Land verkaufen wollte. Die Firma meinte zwar, daß das Land für ihre Zwecke nichts tauge, doch dieser schlaue Fuchs erzählte ihnen so viel, daß sie beschlossen, Bohrungen durchzuführen.

Na, und gleich nach der ersten Versuchsbohrung wußten sie, daß eine gute Ausbeute winkte. Der goldhaltige Boden war ideal geschichtet. Oben ergab er wenig, unten aber, über dem Felsgrund, war der Ertrag gut. Sie kauften das Land, doch kurz bevor sie mit dem Baggern begannen, kam einer von ihnen auf den klugen Gedanken, nochmals einige Probebohrungen durchzuführen. Und siehe da — die erbrachten so wenig Gold, daß man's kaum mit Lupen entdecken konnte.«

»Und woran lag das?« fragte ich.

»Das Gelände war >gesalzen<.«

»Hatten die Käufer mit dieser Möglichkeit gerechnet?«

»Natürlich haben alle scharf aufgepaßt. Der Kerl >salzte< direkt vor ihren Nasen, ohne daß sie's merkten. Hier, ich werde Ihnen zeigen, wie das gemacht wird. Schon mal gesehen, wie man Gold mit Pfannen aussiebt?«

Ich schüttelte den Kopf.

Pete nahm eine Goldpfanne, die, wie üblich, abgeschrägte Seiten und umgebogene Ränder und am Boden rundum eine Rinne hatte, setzte sich auf die Hacken und hielt die Pfanne zwischen den Knien. »Nun passen Sie auf. So wird Gold >gepfannt<, wie man das nennt. Natürlich müßte ich Erde in der Pfanne haben.«

Er schüttelte die Pfanne, indem er nur die Handgelenke verdrehte. »Es wird unter Wasser gemacht, dadurch setzt sich das Gold auf dem Boden der Pfanne ab.«

Ich nickte.

»Und«, fuhr Pete fort, »wenn einer >salzen< will, dann raucht er bei dieser Arbeit. Das Recht, zu rauchen, hat man ja überall. Er zieht einen Beutel mit Tabak aus der Tasche und dreht sich die Zigarette selbst. Oder er raucht Zigaretten aus Päckchen. Ich jedenfalls rauche nur selbstgedrehte. Wenn ich plötzlich fertige rauchte, würde jeder, der mich kennt, mißtrauisch.«

»Weiter«, forderte ich ihn auf, da er schwieg.

»Na ja, das wäre eigentlich alles«, sagte Pete.

»Ich verstehe Sie nicht«, schaltete sich Ashbury ein.

»Ist doch die einfachste Sache, die es gibt! Der Tabak besteht zu einem Viertel aus Goldstaub. Ich nehme nur so viel Tabak für die Zigarette, wie ich will, und bestimme die Werte in jeder Pfanne durch die Länge der Zeit, die ich zum Durchschütteln brauche, da, während ich rauche, die Asche von meiner Zigarette in die Goldpfanne fällt. Kein Mensch denkt sich was dabei, bloß ich.«

Ashbury pfiff leise.

»Und dann gibt's noch eine andere Methode«, sagte Pete. »Man klettert auf den Bohrturm, nimmt einen Marlspieker, drückt die Stränge des Bohrseils auseinander und schüttet etwas Goldstaub in die Erweiterung, Das kann man am ganzen Seil entlang machen. Wenn morgens mit dem Bohren begonnen wird, werden durch das ständige Rucken des auf den Grund hämmernden Meißels die kleinen Goldteilchen aus dem Seil geschüttelt und fallen durchs Bohrrohr in das Loch.«

Ich sagte: »Schön, Pete. Wir möchten es so gemacht haben, daß soundsoviel mehr Gold herauskommt, wie Sie hineingetan haben, damit die Leute glauben, sie hätten eine reichhaltige Goldmine entdeckt. Aber es muß so vor sich gehen, daß die neuen Mengen erst zum Vorschein kommen, wenn sie tiefer gehen, als früher hier gebohrt wurde.«

»Mumpitz«, sagte Pete, »die wissen ja nicht, wie tief man damals gegangen ist. Diese Kerle verstehen nichts vom Fach, sie machen nur die üblichen Handgriffe, wie ich beobachtet habe.«

Ashbury und Alta mußten lachen. Ich schob Pete Digger die fünf Hundertdollarscheine über den Tisch zu. »Die sollen Sie nun behalten«, sagte ich.

Pete nahm die Scheine, faltete sie und steckte sie in die Tasche.

»Wann können Sie anfangen?« fragte Ashbury.

»Haben Sie's eilig?«

»Ja.«

»Ich habe da einen kleinen Vorrat Goldstaub aufbewahrt«, sagte Pete, mit dem Kopf auf ein Schränkchen deutend. »Den habe ich mir hier und dort aus den Gesteinstaschen zusammengeklaubt, aus Resten von Bohrkernen, die damals zurückgefallen waren. Für Ihre Zwecke reicht das Quantum vollkommen aus.«

»Wie wollen Sie denn auf das Bohrgelände kommen?« fragte ich ihn.

»Kleinigkeit«, sagte er. »Die haben schon vom ersten Tag an versucht, mich zur Arbeit heranzuziehen, weil sie zu wenig davon verstehen.«

»Sie dürfen aber nicht riskieren, daß der Goldertrag sofort steigt, nachdem Sie angefangen haben, mitzuarbeiten«, sagte ich. »Das wäre zu auffällig.«

»Überlassen Sie das nur mir. Ich werde heute nacht hingehen — wir haben ja Mondschein —, werde einen Marlspieker mitnehmen und das Bohrseil schön mit Goldstaub >salzen<, dann werden die Erträge von morgen ab allmählich steigen. Wenn ich mir das Seil vorknöpfe, genügt es schon.«

Ich sagte: »Sie machen das so lange, bis ich Ihnen Nachricht gebe, daß damit aufgehört werden kann.«

»Auf welche Weise wollen Sie mir die Nachricht geben?«

»Wenn Sie eine Postkarte bekommen mit der Unterschrift D. L. und dem Text >Erholen uns wunderbar. Wünschte, Du wärst auch hier<, dann heißt das >aufhören<, verstanden?«

»Okay«, sagte er. »In einer halben Stunde ziehe ich los.«

Wir verabschiedeten uns von ihm, und als wir ins Auto stiegen, sagte Ashbury: »Das haben Sie großartig eingefädelt, Donald.«