19. Kapitel
Zacarias de la Cruz war unbehaglich zumute. Und wenn ein Jäger wie er sich unwohl fühlte, war es an der Zeit, nach einer Gefahr Ausschau zu halten, weil sie nahe sein musste – oder nahte.
Drei Nächte. Diese Zeit müsste für Marguarita ausgereicht haben, sich vollständig zu erholen. Drei lange Nächte hatte er neben ihr gelegen und sie in den Armen gehalten, aber selbst so war die Welt finster und grimmig, wenn sie nicht die leeren Stellen in ihm füllte. Er fühlte sich wie betäubt und sehr allein. Wenn man das gewohnt war, wenn Emotionen und Farben nach und nach verblassten, war es leichter zu ertragen, doch alles auf einen Schlag zu verlieren, nachdem einen gerade noch Wärme und Licht erfüllt hatten, war weitaus schwieriger, als Zacarias erwartet hatte.
Trotzdem zog er es vor, draußen auf der Veranda auf und ab zu laufen, wo er der Luft die Informationen entnehmen konnte, die die Nacht mitbrachte, statt Marguarita wieder einmal zu wecken. Die Nacht verblasste schon, aber es widerstrebte ihm noch immer, seine Gefährtin aus dem Erdreich an die Oberfläche zu bringen. Weil irgendwas nicht ganz in Ordnung war. Er konnte es nicht bestimmen, merkte es weder am Wind noch am Verhalten der Insekten. Alles wirkte ganz normal, doch das war es nicht. Zacarias wusste einfach, dass etwas nicht stimmte. Deshalb verließ er die Veranda und trat auf den Hof hinaus, wo seine scharfen Augen sich auf die Suche nach einer winzigen Abweichung machten, die ihn auf eine Gefahr hinweisen würde.
Er brauchte Marguarita. Zacarias de la Cruz, der in seinem ganzen Leben noch nie jemanden gebraucht hatte, brauchte diese Frau. Und er wollte, dass sie glücklich war und sich ihm schenkte; er sehnte sich nach ihrem Lachen, ihrer Wärme, ihrem süßen weichen Körper. Fing er schon an, sich Dinge einzubilden, nur weil er fürchtete, ihr gegenüberzutreten? Aber Furcht war ein Gefühl, und ohne Marguarita kannte er eigentlich derartige Komplikationen nicht. Nein, da draußen war etwas, irgendetwas stimmte nicht. Es war nur eine Frage der Zeit, bis es offenbar werden würde.
Sein Körper war in Alarmbereitschaft und auf alles vorbereitet. Marguaritas Pferde stampften ruhelos im Stall. Sie vermissten sie, wie Zacarias sie vermisste. Von einem warnenden Frösteln angetrieben, entfernte er sich vom Hof und ging auf den an sein Land angrenzenden Regenwald zu. Dabei lauschte Zacarias aufmerksam den nächtlichen Geräuschen. Was er hörte, war jedoch nur der übliche Chor der Insekten, in den die Frösche einstimmten, das gelegentliche Muhen der Rinder und Stampfen der Pferde. Trotzdem war da ein Laut … oder auch das Fehlen eines Lauts. Vielleicht war es aber auch nur pure Einbildung. Doch egal, was er sich auch sagte, er wurde das ungute Gefühl nicht los. Irgendetwas stimmte nicht mit seinem Magen.
Die Sorge um Marguaritas Sicherheit stand jedoch im Vordergrund seiner Überlegungen. Seit Estebans und DS’ Tod war es auf der Ranch verhältnismäßig ruhig gewesen. Selbst Cesaro hatte sich vom Herrenhaus ferngehalten. Er hatte ihm Blut gegeben, wann immer Zacarias zu ihm gekommen war, und schien sogar ein wenig entspannter in seiner Gegenwart zu sein, doch Zacarias war nicht der Gesellschaft wegen zu ihm gegangen, sondern ausschließlich zur Nahrungsaufnahme. Zacarias’ Wachsamkeit erhöhte sich, als er jetzt um den Zaun herum zum hinteren Teil des Besitzes ging.
Zacarias suchte den Bereich nach leeren Stellen ab, die darauf hinweisen könnten, dass ein Vampir sich in der Nähe aufhielt. Aber alles schien zu sein wie immer, in perfekter Ordnung – zu perfekt vielleicht. Zacarias war sicher, dass ein Angriff unmittelbar bevorstand, doch aus welcher Richtung würde er kommen? War dies nur ein weiterer Versuch Ruslans oder eine echte, tödliche Attacke? Er hörte Geflatter in den Bäumen, und Vögel flogen auf. Ohne den Kopf zu wenden, ließ er den Blick über die dichte Baumgrenze gleiten, die den Regenwald umschloss. Glänzende Augen schauten zurück.
Augenblicklich durchflutete Zacarias Ruhe. Er erweiterte sein Bewusstsein und konzentrierte alle Sinne darauf, die Gefahr zu finden. Ja, diesmal war es nicht nur ein Versuch. Die unaufhörliche Bewegung im Blätterdach kündete von mehr und mehr Vögeln, die sich dort oben zu versammeln schienen. Zacarias wollte seine Gegner so weit wie möglich von der Hazienda wegführen, um weder Marguarita, die Arbeiter noch die geliebten Pferde seiner Frau bei dem bevorstehenden Kampf in Gefahr zu bringen. Er war froh, dass Marguarita noch in der Erde ruhte. Dort würde ein Vampir ihre Anwesenheit nicht spüren können.
Soweit seine Feinde wussten, hatte er keine Seelengefährtin. Und da er ohne sie die Gefühle nicht kannte, die die meisten karpatianischen Jäger erlangten, wenn sie die andere Hälfte ihrer Seele fanden, hatte Zacarias in dieser Hinsicht Glück und Pech zugleich. Sein Mangel an Gefühl würde ihm im Kampf jedenfalls eine große Hilfe sein. Mit den gleichen gemächlichen, geschmeidigen Schritten wie vorher ging er weiter und lockerte schon einmal die Muskeln. Sein Atem kam ruhig, sein Herz schlug gleichmäßig und stark.
Der Wind frischte auf, aber fast unmerklich nur. Die Wipfel der Bäume schwankten ein wenig mehr, und die Blätter raschelten leicht. Eine wellenförmige Bewegung ging durch das Gras: Sie war ohne Frage der einleitende »Schachzug«. Eine Schlacht war für Zacarias immer ein bisschen wie eine Schachpartie. Der Kampf war seine Welt, und er verstand etwas davon, kannte alle Feinheiten und war ein Meister der Strategie.
Für den Moment behielt er die entspannte Gangart bei und ging langsam immer näher auf den Zaun und die Bäume zu. Der Regenwald lag scheinbar still und dunkel da. Ein stetiger Regen fiel. Die kleinen Tropfen änderten ein wenig die Richtung, als der Wind von den Bäumen weg und zur Hazienda hinüberblies. Am Zaun entlang fiel der Boden ein wenig ab, und das Gras war etwas höher. Zacarias schlenderte langsam dort entlang und behielt die Vögel im Auge, die sich im Dunkel des Regenwaldes versammelten. Im Gehen ließ er die Arme locker an den Seiten baumeln, doch seine Hände woben in Wirklichkeit ein Muster.
Er bemerkte kaum den kühlen Regen, der stetig aus den dunklen Wolken über ihm herunterfiel. Dann aber fiel ein Tropfen auf seinen Nacken und verätzte ihm die Haut. Während Zacarias instinktiv den Schmerz verdrängte, warf er sich das Schutznetz, das er gewoben hatte, über den Kopf und rannte auf den Wald zu, damit der Kampf fern von der Ranch und Marguarita stattfand.
Eine Sintflut kleiner, säurehaltiger Tropfen stürzte vom Himmel herunter, während der Wind noch mehr auffrischte. Das Netz schützte Zacarias’ Kopf, doch der Wind trieb die ätzenden Tropfen auf seinen Rücken und seine Beine, als er auf den Schutz des Blätterdachs zurannte. Feuerbälle schlugen überall um ihn herum in die Erde ein; mehrere von ihnen trafen mit alarmierender Kraft seinen Schutzschild. Über Zacarias türmte sich eine riesige dunkle Wolke zu einer feurigen Masse roter und orangefarbener Pfeile auf.
Bei dem nächsten Schritt, den Zacarias tat, öffnete sich der Boden unter ihm, und er stürzte in einen langen, tiefen, an den Rändern ausgezackten Spalt hinein. Bei dem Sturz verlor er sein schützendes Netz, das in einiger Entfernung von ihm auf den Boden fiel. Der säurehaltige Regen und die feurigen Pfeile durchfuhren Zacarias, die Erde kam in Bewegung und begann, den vielleicht einen Fuß breiten Spalt über ihm zu schließen. Zacarias löste sich blitzschnell in winzige Moleküle auf und schoss nach oben, um dem sich schließenden Spalt zuvorzukommen. Das Geräusch, mit dem Erdreich und Gestein zusammenschlugen, war entsetzlich und musste meilenweit zu hören sein. Kleinere Vögel erhoben sich kreischend in die Luft, und große Raubvögel stürzten fieberhaft herab und suchten Beute.
Die Erdbewegungen wurden stärker, und ein heftiges Beben erschütterte jetzt die Fundamente der Ställe und Häuser der Hazienda. Zacarias erhob sich in die Luft. Sofort begannen die Vögel, aufgeregt zu kreischen. Ihre darauf programmierten Augen fanden die winzigen Moleküle in Regen und Wind und stürzten sich darauf wie Reiher durch eine Wasseroberfläche, um nach Fisch zu tauchen.
Zacarias blieb keine andere Wahl, als sich zu materialisieren, wenn er sich von den Vögeln nicht in Fetzen reißen und fressen lassen wollte. Er stürzte sich auf sie und begegnete dem Angriff, indem er sich aus Molekülen in einen Feuer speienden Drachen verwandelte, was er meist vermied, doch jetzt musste er den Himmel von den Raubvögeln befreien. Er schoss durch ihre Reihen, während sie an seinen Flanken zerrten und von allen Seiten mit ihren scharfen Schnäbeln auf ihn einhackten, bis rubinrote Blutstropfen von ihm herunterrannen.
Der Geruch des Blutes brachte die Vögel noch mehr in Raserei. Zacarias kreiste und flog in Schräglage über sie hinweg, um einen Strom von Feuer in den Schwarm zu schießen. Der Gestank brennenden Fleischs durchdrang die Nacht, verkohlte Vögel fielen wie Steine vom Himmel herunter. Die verbliebenen Tiere stürzten sich von Neuem auf den Drachen, aus Hunderten wurden Tausende, die mit ihren Schnäbeln und messerscharfen Krallen auf ihn einhackten und durch die dicke Haut an den Karpatianer darunter heranzukommen versuchten.
Allein das Gewicht der großen Vögel ließ den Drachen auf den Boden zutaumeln. Mit zerfetzter Haut und aus vielen Wunden blutend, fuhr Zacarias aus dem Drachenkörper heraus, bevor er auf der Erde aufschlug. Die meisten Vögel blieben bis zum Ende auf dem riesigen Kadaver und zerfetzten ihn in wilder Raserei. Zacarias erhob die Hände zum Himmel, rief die aufgewühlte Masse orangeroter Flammen herunter und schleuderte sie in großen Feuerbällen auf die Vögel. Kreischend versuchten die bösartigen Kreaturen, sich in die Luft zu erheben, aber lange Speere und winzige Pfeile aus Feuer sprangen von einem Vogel zum anderen über, bis alle rettungslos in Flammen standen.
»Willst du mit dieser lächerlichen Scharade weitermachen, Ruslan?«, rief Zacarias, als er in einem kleinen Gehölz auf der anderen Seite des Zaunes landete. Und auch dort zog er sich noch tiefer unter das Blätterdach des Regenwaldes zurück, um die Konfrontation weiter von Marguarita und der Hazienda zu entfernen.
Ein Donnergrollen war die Antwort. Schwere, schwarze Wolken türmten sich am Himmel. Die größte und dunkelste schoss in die Höhe, ein Turm aus Feuer und Schwefel, der wütend über den Himmel trudelte. Der Wind wurde lebhafter und rauschte durch die Bäume, vertrieb aber nicht die Wolken über ihnen. Äste schwankten wie große hölzerne Arme, die fast bis zum Waldboden reichten, als verbeugten sie sich – oder versuchten, jemanden mit knochigen Fingern zu ergreifen.
Eine dunkle Gestalt, deren Gesicht unter einer Kapuze verborgen war, trat langsam aus dem Stamm eines großen Kapokbaumes. Der Mann bewegte sich ohne Anzeichen von Eile. Es war ein Beweis für die Macht eines Meistervampirs, dass der Baum und umliegende Boden vor seiner Erscheinung nicht zurückschraken. Die Natur ertrug die Abscheulichkeit des Untoten nicht, ein wahrer Meister jedoch war so geschickt im Erzeugen von Illusionen, dass sich für kurze Zeit sogar Mutter Erde täuschen ließ.
Kein einziges Blatt oder Grashälmchen verdorrte. Der Mann war breitschultrig und von beeindruckender Größe, und er bewegte sich mit absolutem Selbstvertrauen. Als er in das Gehölz trat, wo das Baumkronendach den Waldboden schützte, schlug er die Kapuze zurück. Sein wallendes langes Haar war schwarz wie die Nacht, sein Gesicht jung und geradezu unerhört gut aussehend. Er lächelte und streckte die Hand nach Zacarias aus. »Mein Sohn. Ich hoffe, wir begegnen uns unter erfreulicheren Umständen wieder.«
Zacarias runzelte die Stirn. Was war Ruslans Spiel? Wollte er ihn auf die Probe stellen, um zu sehen, ob er Emotionen hatte? Ob er seine Seelengefährtin gefunden hatte? Alle anderen Brüder de la Cruz hatten eine Gefährtin. Ruslan hasste sie dafür vermutlich nur noch mehr. Er glaubte sich ihnen allen überlegen – warum also sollte nicht er die Frauen haben? Zacarias und seine Familie verdienten diese Gunst des Schicksals seiner Meinung nach nicht.
»Ich hätte dir mehr zugetraut, Ruslan, als solch einen müden Trick. Also lass dich sehen, und bringen wir es hinter uns!« Zum ersten Mal erkannte Zacarias, dass sein Mangel an Gefühl in Marguaritas Abwesenheit mehr sein konnte als ein Fluch. Schließlich konnte Ruslan nichts gefährden, wovon er nichts wusste.
Zacarias schwenkte mit echter Gelassenheit die Hand, als störte ihn dieses perfekte Abbild seines Vaters überhaupt nicht – und er empfand auch wirklich nichts beim Anblick des Mannes, der der Held seiner Kindheit gewesen war. Die lässige Handbewegung löste die Illusion auf und offenbarte Ruslans wahres Aussehen. Für eine Sekunde stand er in seiner ganzen Scheußlichkeit da: Jeder Attraktivität beraubt, war sein Körper verrottet von tausend Würmern, die durch ihn hindurchkrochen. Offene Stellen überzogen sein Gesicht, seine Augen waren eingesunken und seine Zähne, die spitz wie Eiszapfen durch seinen Gaumen stachen, schwarz und abgenutzt.
Im Bruchteil einer Sekunde wechselte dieses Bild jedoch, als wäre es nie da gewesen, und Ruslan stand vor Zacarias, wie er damals, vor all diesen Jahrhunderten, ausgesehen hatte. Jung, viril und mit einem Gesicht, das faltenlos und mehr schön als gut aussehend war. Im Vergleich zu ihm wirkte Zacarias viel mitgenommener und älter, da seine Stirn und seine Wangen von tiefen Linien geprägt waren und auch die eine oder andere Narben aufwiesen.
»Wie ich sehe, hat sich nichts an deiner Eitelkeit geändert«, bemerkte Zacarias zur Begrüßung. »Ich weiß noch, wie sehr du dein hübsches Gesicht liebtest. Wahrscheinlich war das zum Teil der Grund, warum du dich dazu entschiedst, Vampir zu werden.«
Ruslan strich das lange schwarze Haar zurück. »Zumindest kannst du noch hübsch von hässlich unterscheiden. Ich habe dich lange im Auge behalten, alter Freund. Du lehnst es ab, dich uns anzuschließen, und weigerst dich zu sterben. In all den Jahrhunderten bist du nie länger an einem Ort geblieben als eine Nacht oder höchstens zwei. Aber jetzt bleibst du auf einmal hier.« Er schwenkte den Arm in Richtung Hazienda. Sogleich wechselte der Wind die Richtung und nahm Dutzende kleiner Feuerbälle mit, um sie auf Weiden und Gebäude herabregnen zu lassen.
Zacarias sandte eine wahre Sintflut von Regen hinterher, der die kleinen Feuer augenblicklich löschte. Dann ließ er die Schultern rollen, die bis auf die Knochen schmerzten von den tausend kleinen Brandwunden des ätzenden Regens und der kieselsteingroßen Feuerbälle, die Ruslan jetzt gegen die Ranch einsetzte.
»Wir können die ganze Nacht so weitermachen, aber du glaubst doch wohl nicht, mich mit solch kindischen Spielchen beeindrucken zu können? Die spiele ich mit deinen Marionetten, die meine Aufmerksamkeit im Grunde gar nicht wert sind. Ich dachte, in dir würde ich endlich mal einen würdigen Gegner haben.«
»Du heilst deine Wunden ja gar nicht.«
War da ein Anflug von Eifer in Ruslans Ton gewesen? Zacarias zuckte erneut die Schultern. »Ich spüre solche Kleinigkeiten nicht, wozu also?« Er beobachtete Ruslan scharf und sah, wie der Vampir sich wiederholt die Lippen leckte. Ruslans Nasenflügel bebten. »Oder stört dich etwa der Geruch meines Blutes?«
Der Meistervampir schüttelte den Kopf. Einmal. Zweimal … Wie ein Zucken fast, das er nicht verhindern konnte. Genauso zwanghaft war die Art, wie er sich die Lippen leckte. »Nicht mehr als der Geruch des Blutes, das ich selbst zu mir nehme. Du hast heute Nacht noch nichts gehabt. Ich gebe dir gern etwas von meinem.«
»Wie zuvorkommend von dir!«, versetzte Zacarias mit einer kurzen, spöttischen Verbeugung. »Was willst du, Ruslan? Ich werde deiner Spielchen müde. Bist du gekommen, um Erlösung zu suchen? Gerechtigkeit? Ich werde dich mit größtem Vergnügen von dieser Erde tilgen, wenn es das ist, was du willst.«
»Gerechtigkeit ist ein gutes Wort aus dem Munde eines Mannes, der Freundschaft und Bruderschaft verraten hat. Du hast dich gegen uns gewandt und ein Bündnis mit diesem Flegel von einem Prinzen geschlossen, der noch schlimmer ist als sein Vater vor ihm.« Ruslan spuckte einen Mundvoll sich windender weißer Würmer aus.
Zacarias zuckte die Schultern. »Was willst du dann?«
»Ich habe lange gedacht, du würdest dich uns anschließen, aber du bist nie gekommen. Und dann hast du mich schwer beleidigt, indem du meine Armee fast vollständig vernichtet hast.«
»Das waren doch nur Schachfiguren, die du geschickt hast, um mich auf die Probe zu stellen. Du erwartetest von mir, dass ich sie töte. Sie waren Kanonenfutter, Ruslan, weiter nichts. Dein absurder Plan, Prinz Mikhail zu ermorden, hat nicht funktioniert. Das wurde zur Genüge bewiesen, als du ihn an mir und meinen Brüdern erprobt hast.«
»Du hättest gar nicht dort sein dürfen.« Ruslans Stimme wurde schriller, und seine hübsche Maske verrutschte ein wenig. Die Bäume erschauderten, als er den wachsenden Ärger herauskreischte. Er konnte die Wut kaum noch beherrschen und ballte die Finger zu Fäusten. »Du hältst dich nie bei deinen Brüdern auf. Du bleibst niemals an einem Ort. Warum warst du also da? Warum änderst du dein Verhalten nach so vielen Jahrhunderten? Wolltest du mich damit nur ärgern?«
»Du schmeichelst dir, Ruslan. Ich denke nicht so viel an dich, wie du zu glauben scheinst. Ich bin ein Jäger – nicht mehr und nicht weniger.«
Die ganze Zeit, während der Vampir sprach, erlaubte Zacarias sich nicht, sich voll und ganz auf Ruslan zu konzentrieren. Der Meistervampir hatte Fallen vorbereitet, die jeden Moment zuschnappen konnten. Zacarias entging nicht die kleinste Einzelheit, auch nicht der schon wieder auffrischende Wind. Es war kaum zu sehen, doch das Gras neigte sich ein wenig mehr in seine Richtung, und die Blätter der Bäume bewegten sich etwas stärker.
Der Wind fuhr über den Boden zu seinen Füßen und wirbelte das Laub und abgestorbene Pflanzen auf. Kletterpflanzen erzitterten. Blumen, die sich an Baumstämmen hinaufwanden, verloren Blüten. Für Zacarias sahen sie aus wie weißlich graue Asche, die zu Boden fiel.
»Du hast mir noch nicht erzählt, warum du hiergeblieben bist, alter Freund«, sagte Ruslan, nun wieder freundlich. »Das ist ein ungewöhnliches Verhalten für dich.«
Zacarias zuckte die Schultern und lockerte die Muskeln. »Ich war verletzt, doch es war nichts, weswegen du dich sorgen müsstest. Ich hatte jede Menge gute Nahrung zur Verfügung, während ich mich erholte. Also keine Bange, denn jetzt bin ich wieder kerngesund.«
Ruslan schnalzte mit der Zunge. »Das ist nicht das, was mir berichtet wurde. Meine Männer werden mir Rede und Antwort stehen müssen, denn mir wurde gesagt, deine Verletzungen seien immer noch sehr schwer.«
»Glaub doch solchen Unsinn nicht! Ich möchte nicht, dass du dir Sorgen machst um deinen alten Freund, Ruslan. Ich bin noch immer sehr gut imstande, jeden Untoten, der auf dieser Erde wandelt, seinem Richter zuzuführen.«
Flammen loderten in Ruslans Augen auf. Er verzog das Gesicht, und wieder verschob sich die attraktive Maske und enthüllte spitze schwarze Zähne und schmutziges, zurückgehendes Zahnfleisch. Seine Finger zuckten, dann schlossen sie sich wieder fest zur Faust.
Der Wind zerrte noch heftiger an den Ablagerungen auf dem Waldboden. Ein scharfer Schmerz durchfuhr Zacarias, den er augenblicklich unterdrückte, als irgendetwas Langes sein Bein durchzuckte. Als er den Blick senkte, sah er Schlingpflanzen vom Boden aufsteigen, die sich miteinander verflochten, um sein Bein wanden und wie Speere in sein Fleisch eindrangen, um es zu einem Teil der Pflanze zu machen.
Die Ranken waren mit Moos bedeckt, das mit kleinen Haken versehenen Schuppen ähnelte. Diese Schuppen waren aufgestellt, als das Ding sich an Zacarias’ Bein hinaufschlängelte, in sein Fleisch eindrang und sich darin verhakte. Als Zacarias das Bein bewegen wollte, merkte er, dass es durch die hindurchgewachsenen Ranken in der Erde fest verankert war.
Sofort wurde ihm klar, dass etwas Lebendiges in ihn eingeführt wurde, denn winzige Organismen bewegten sich unter seiner Haut, bohrten sich in Muskeln und Gewebe und wühlten sich immer tiefer hinein. Er ignorierte das Gefühl jedoch. Wahrscheinlich war der Zweck des Ganzen, ihn zu schwächen und auszubluten, bis er Ruslan nicht mehr effektiv bekämpfen konnte, während die Pflanze ihn buchstäblich an Ort und Stelle festhielt und zu einem Bestandteil von sich machte.
Der Meistervampir war zu erfahren, um Zacarias zu einem offenen Zweikampf herauszufordern. Er würde aus sicherer Entfernung Schläge austeilen und mit seiner Strategie fortfahren, Zacarias immer mehr zu schwächen, bis er sicher war, dass der Jäger sich nicht mehr verteidigen konnte. Erst dann würde er zum entscheidenden Schlag ausholen.
Diese Strategie hatte jedoch eine Schwachstelle. Zacarias war ein unbeirrbarer, konsequenter Jäger. Sein Körper bedeutete ihm nichts. Den Feind zu töten war das Einzige, das zählte, und er würde Ruslan Malinov umbringen. Nichts anderes durfte ihn im Moment belasten. Die Ranke, die sich schon bis zu seinem Schenkel hinaufgewunden hatte, ignorierte Zacarias, erhob die Hände in Richtung Regenwald und rief seine eigene Waffe herbei.
Der Wind wechselte die Richtung so schnell, dass er Ruslan ins Gesicht schlug und ihm keine Zeit für Schadenfreude ließ. Der Himmel um den Vampir verdunkelte sich, als tausend winzige Stechfliegen heranschwärmten und über Ruslan herfielen. Jede faulige Stelle in seinem Körper bot ihnen Zugang, und sie drangen auch in seinen Mund, in seine Augen und in seine Nasenlöcher ein. Illusionen zählten für sie nicht, sie sahen nur verwesendes Fleisch.
Wie winzige Missiles drangen sie tief in Ruslans Körper ein, legten auf dem Weg noch Larven ab und reproduzierten sich mit ungeheurer Schnelligkeit. Die Fliegen vermehrten sich sogar noch, während sie angriffen. Ruslan riss sich mit seinen messerscharfen Krallen Gesicht und Brust auf und gab Zacarias damit die nötige Zeit, sich die Schlingpflanze, die durch sein Bein wuchs, näher anzusehen.
Es war ein relativ einfacher Trick, der Meistervampir hatte nur benutzt, was bereits vorhanden war. Laub und abgestorbene Pflanzen bedeckten den Waldboden, und um ihnen Leben einzuhauchen, hatte Ruslan einen kleinen Teil von sich in diese toten Pflanzen einbringen müssen. Das Laub auf dem Boden fuhr fort, die Kletterpflanzen zu ernähren, sodass sie sich noch tiefer durch Haut und Muskeln bohrten, bis sie auf der anderen Seite wieder austraten.
Zacarias löste sich von seinem physischen Ich, um mit seinem Geist in seinen Körper einzudringen. Die Pflanzen wanden sich durch seinen Körper, stachen und bohrten sich durch Fleisch und Knochen und hatten nur ein einziges Ziel – das kleine Licht der Seele in ihm. Ohne Marguarita war es wirklich nur sehr schwach, doch es war da und half Zacarias, seine Ehre zu bewahren. Die winzigen Bazillen, die seinen Organismus aufzehrten, wurden jedoch auch von diesem Licht erhalten. Deshalb holte Zacarias tief Luft und ließ alles Leben in sich erlöschen. Für einen Moment stellte er die Tätigkeit von Herz und Lunge ein. Die Pflanze lockerte sich augenblicklich, doch sowie er seinen Körper wieder zwang zu arbeiten, fraßen die Mikroorganismen weiter.
Zacarias bestand größtenteils aus Finsternis, Schatten und Flecken und war mit Makeln behaftet wie nur wenige – falls überhaupt – andere Jäger. Doch gerade diese Dunkelheit ermöglichte es ihm, solch schwere Verwundungen und starke Schmerzen außer Acht zu lassen. Er war schon ein Teil von dieser Welt der Schatten. Sein Vater war ein legendärer Krieger mit bemerkenswerten kämpferischen Fähigkeiten gewesen, aber auch der einzige Karpatianer, von dem Zacarias wusste, dass er Schatten in seiner Seele hatte – bis sein Sohn geboren worden war und sie geerbt hatte.
Jetzt griff Zacarias nach diesen Schatten, begrüßte sie und ließ alles Licht in sich erlöschen, um aus dieser Dunkelheit zu schöpfen, die ihm eine so große Hilfe zu sein schien. Sobald der letzte Funke Licht in ihm erloschen war, starben die Bakterien nach und nach ab. Die Dunkelheit in ihm war zu groß, um sie am Leben zu erhalten. Die Pflanze konnte nicht länger wachsen, und da ihr Griff um ihn sich schon gelockert hatte, konnte Zacarias die äußeren Ranken abstreifen, auch wenn die Pflanze selbst noch in ihm blieb.
Es musste eine Quelle geben, um die abgestorbenen Blätter und Schlingpflanzen zum Leben zu erwecken. Als Jäger roch Zacarias den Untoten und wusste sofort, dass ein kleiner Teil von Ruslan seiner Schöpfung Leben einhauchte. Der Vampir konnte jedoch nicht an zwei Stellen zugleich sein, solange er den Angriff der Stechfliegen abzuwehren versuchte, und deswegen brauchte Zacarias nur Momente, um diese dunkle Kraft zu vernichten und die Kontrolle über die Pflanze in seinem Körper zu übernehmen. Konsequent ignorierte er Ruslans Wutschreie und Drohungen, veränderte die Moleküle der Pflanze, gestaltete sie um und verwandte die dicken Ranken in sich, um verlorene Muskeln und Gewebe zu ersetzen. Gegen den Blutverlust konnte er nichts ausrichten, alles Natürliche und Irdische beherrschte er jedoch und konnte es beeinflussen und steuern.
Sowie sein Körper sich regeneriert hatte, griff er ohne Zögern an, so schnell, dass seine Konturen verschwammen, als er zu dem Vampir hinüberschoss. Ruslan kreischte und stürzte auf ihn zu. Donner krachte und erschütterte die Erde. Blitze zischten wie grelle Peitschen über den Himmel, als die beiden Todfeinde aufeinanderprallten.
Tief stieß Zacarias die Faust durch das geschrumpfte Herz des Untoten. Ätzendes Blut überströmte seinen Arm und brannte sich durch Haut und Muskelgewebe bis zum Knochen durch. Er stieß jedoch gegen etwas Solides, das abrupt seinen Angriff stoppte und es ihm unmöglich machte, das schwarze Herz zu packen. Der Ruck durchzuckte Zacarias bis zur Schulter, und eine glühende Eisenzwinge legte sich um seinen Arm und sandte Schmerzwellen aus, die er schnellstens abschaltete. Die winzigen Stechfliegen erhoben sich in einem dunklen Schwarm in die Luft und umschlossen Vampir und Jäger. Es war schwierig, sie nicht einzuatmen. Ruslans messerscharfe Krallen bohrten sich in Zacarias’ Brust und rissen große Fetzen Haut und Muskelgewebe heraus.
Zacarias dematerialisierte sich und ließ sich vom Wind von Ruslan wegtragen, um Zeit für eine provisorische Heilung seiner Wunden zu gewinnen und zu verhindern, dass er zu viel Blut verlor. Ruslan leckte sich die Finger, mit einer langen, widerwärtig dicken Zunge, die gespalten war wie die einer Schlange. Sein Gesicht trug nicht mehr die schöne Maske, nun stand der echte Vampir, so wie er wirklich aussah, vor Zacarias.
Der erfahrene Jäger hatte unzählige verfaulende Körper gesehen, aber keiner dieser wandelnden Leichname kam Ruslan Malinov gleich. Seine Haut hing in Fetzen von ihm herab, Würmer krochen durch offene Stellen in seinem Fleisch, ein dunkles Loch klaffte dort, wo sich einst der Mund befunden hatte, und seine Augen waren hohl und eingesunken. Jedes Lebewesen schrak vor ihm zurück, das Gras verdorrte, Farne und Moos welkten. Sogar die Insekten ergriffen die Flucht vor dieser Kreatur. Nur die schwarzen Fliegen blieben, taten sich an seinem verfaulenden Fleisch gütlich und legten so viele Eier wie nur möglich in den geschwärzten Organen ab.
»Du hast dich aber wirklich gehen lassen, alter Freund«, bemerkte Zacarias. »Ich glaube, einer deiner Arme fällt gleich ab.«
Ruslan brüllte eine Drohung, die durch den Wald dröhnte und die Bäume in Bewegung brachte. Er hob die Hände zum Himmel und ließ sie wieder sinken, und überall um Zacarias herum erwachten raschelnd Blätter zum Leben und begannen einen irren Tanz in dem Chaos, das Ruslan erzeugte. Es war unmöglich, etwas durch das herumwirbelnde Laub zu sehen, das sich nun aufzustapeln begann und eine Kreatur nach der anderen hervorbrachte.
Zacarias streckte die Arme aus, schloss die Augen und vertrieb Tausende von störenden Blättern, die um ihn herum zum Leben erwachten, während er mit den anderen Sinnen nach der Bedrohung innerhalb des aufgewühlten Unrats suchte. Die Gestalten verteilten sich um den gesamten Bereich, bildeten einen lockeren Kreis darum und ließen noch mehr Kreaturen darin erscheinen, bis der ganze Wald von beeindruckenden Monstern bevölkert war. Die Schatten in Zacarias lockten die Finsternis in ihnen an. Ruslan hatte schnell gelernt.
»Ich fürchte, es ist unwichtig, wie ich für dich aussehe, Zacarias. Meine kleine Armee interessiert es auch nicht. Ich brauche keine Energie für deine letzten Momente aufzuwenden. Du hättest dich mir anschließen sollen. Im Grunde hast du schon immer die Finsternis in dir getragen – viel mehr als ich, mein Lieber. Sie war dein Erbe, das größte Geschenk deines Vaters, aber du wolltest es ja nicht annehmen.« Unverhohlene Verachtung lag in Ruslans Stimme. »Dir wurde Größe gegeben, doch du entschiedst dich, ein Märtyrer zu sein und allein zu leiden, während ich alles habe, was ich will.«
Zacarias schlug langsam die Augen auf und lächelte, wohl wissend, in welch krassem Gegensatz seine weißen Zähne zu Ruslans halb verfaulten schwarzen standen und dass dieses kleine Detail die Eitelkeit des Vampirs noch mehr verletzen würde.
»Ich kann dich nicht fürchten, Ruslan, und ich kann auch nicht fühlen, was du mir antust. Mich interessiert nichts anderes, als dich zu vernichten. Du glaubst, du wärst mir gegenüber im Vorteil, aber in Wirklichkeit bin ich dir überlegen. Du willst deine jämmerliche Existenz fortsetzen. Du gierst nach Macht und willst die Welt regieren. Den Prinzen töten. Mich umbringen.« Zacarias’ Lächeln wurde kalt wie Eis. »Das sind viele Wünsche, während ich nur einen habe. Deinen Tod. Du bist kuly – weiter nichts, ein Wurm, ein Dämon, der Seelen frisst. Du bist ein wahrer hän ku vie elidet – ein Dieb des Lebens, und deswegen spreche ich das Urteil über dich.«
Die tote, verrottende Vegetation, die sich in Hunderten von Jahren, vielleicht sogar Jahrtausenden angesammelt hatte, geriet in Raserei. Mit um sich schlagenden Armen und gebleckten Zähnen kamen die Kreaturen auf Zacarias zugeschlurft. Er schickte ihnen den Wind entgegen, der aber nicht die kleinste Wirkung auf sie hatte und sie nicht einmal ins Schwanken brachte.
Ruslans Gelächter musste jedem in Hörweite in den Ohren schmerzen. Fröhlich kichernd tanzte er herum. »Ich glaube nicht, dass ich es bin, der heute stirbt, Jäger.«
Die näher rückenden Kreaturen, die aus totem Laub bestanden, ließen die Luft nach Verwesung riechen. Zacarias brauchte etwas völlig Gegensätzliches, um Ruslans Kraft entgegenzuwirken und die nötige Zeit zu gewinnen, um den Vampir zu töten. Ruslan hatte ganz bewusst Zacarias’ schlimmste Geheimnisse ausgenutzt, diese Schatten, die seinen Körper durchzogen und seine Seele einnahmen.
Doch jetzt war nicht der Moment für Stolz. Oder Angst. Er war ein Jäger und hatte keine andere Wahl, als alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel einzusetzen. Ruslan Malinov war die größte Bedrohung für das karpatianische Volk. Ohne ihn würde die Armee der Vampire sich verringern, was Mikhail, dem Prinzen, Zeit verschaffen würde, seine Leute zusammenzurufen und sämtliche Verteidigungslinien zu verstärken.
Und so wagte Zacarias das Unvorstellbare. Marguarita. Du musst aufwachen.
Er konnte sich nicht erlauben, an sie und das zu denken, was sie vielleicht durchmachte, wenn sie unter der Erde erwachte. Sie war menschlich, und er hatte ihr ohnehin schon so viel abverlangt. Aber dieser Vampir war verantwortlich dafür, dass das karpatianische Volk vom Aussterben bedroht war. Er durfte nicht entkommen, egal, was es den Jäger – oder seine Seelengefährtin – kostete.
Tief unter dem Herrenhaus der Hazienda wurde Marguarita sich zweier Dinge bewusst: Sie war lebendig begraben, und Zacarias war in Schwierigkeiten. Sofort erwachte sie, und das Wissen durchflutete sie zusammen mit einem grauenhaften Hunger, der an ihren Eingeweiden zerrte. Fest entschlossen, nicht in Panik zu geraten, kniff sie die Augen zusammen. Zum Glück konnte sie Zacarias’ Geist in ihrem spüren.
Seltsamerweise konnte sie auch ihren eigenen Herzschlag hören, gleichzeitig jedoch kam es ihr so vor, als bewegte sich keine Luft durch ihre Lunge. Das Pochen echote gespenstisch durch ihren Kopf, aber sie konzentrierte sich auf Zacarias, ignorierte ihr Bedürfnis zu schreien und das Gewicht des Erdreichs, das auf ihrem Körper lastete. Behutsam und mit größter Vorsicht fand sie den Zugang zu Zacarias’ Bewusstsein. Jäher Schmerz erfasste sie – ein rasender, brutaler Schmerz, der durch ihren ganzen Körper schoss und es leicht mit dem aufnehmen konnte, den sie während der Umwandlung erlitten hatte. Schnell zog sie sich aus Zacarias’ Geist zurück, bevor sie sich verraten konnte oder gar ohnmächtig wurde von dem Grauen und der Qual, die er durchlitt.
Was hatte er gesagt? Er hatte ihr doch erklärt, wie sie das Erdreich öffnen und sich daraus befreien konnte … Du wirst die Erde mit deiner Willenskraft entfernen, hatte er gesagt. Indem du es ihr befiehlst. Stell dir einfach vor, dass sie dir gehorcht … Wenn du nicht in Panik gerätst, wird alles gut gehen.
Ihr erster Versuch brachte gar nichts, sie befiel nur wieder panische Angst, die sie jedoch schnell verdrängte. Nutz deinen Willen! Dein Vater sagte immer, du wärst stur genug, um Berge zu versetzen, wenn du es wirklich wolltest, also beweg auch dieses bisschen Erde hier!, befahl sie sich.
Im Geiste schrie sie auf, als ihre Finger sich bewegten. Ihr war deutlicher denn je bewusst, dass sie unter der Erde lag, doch sie hielt die Augen fest geschlossen und zwang sich zu der Vorstellung, dass sich das Erdreich über ihr teilte wie das Rote Meer. Als sie wieder Atem holen und zur Decke des Raumes aufblicken konnte, wischte sie sich Schweißtröpfchen von der Stirn und richtete sich auf.
Ich bin hier.
Komm zu mir! In mich hinein – auf deine Weise. Und falls das hier danebengeht, ziehst du dich sofort wieder zurück.
Sie zögerte nicht. Egal, wie wütend oder verletzt sie war, ein Mann wie Zacarias de la Cruz würde nie so etwas während eines Kampfes verlangen, wenn es nicht dringend nötig war. Sie fand das schon vertraute wilde Tier in ihm und verschaffte sich Zutritt, indem sie so behutsam wie nur möglich in ihn eindrang. Die Dunkelheit in ihm ließ ihr den Atem stocken. Es war pure Brutalität, was sie dort sah – töten oder getötet werden. Jeder Teil von ihm schien dunkel und beschattet zu sein, Wände aus purem Eis, ganze Blöcke davon, erfüllten seinen Kopf, und das gleiche Eis sah sie in seinen Adern.
Sein Inneres war übel zugerichtet, der Schmerz schier unerträglich, doch irgendwie gelang es Zacarias, ihn abzublocken, wofür sie dankbar war, auch wenn sie nicht verstand, wie er das machte. Sie wollte auch gar nicht wissen, wie all diese furchtbaren Verletzungen entstanden waren – oder wie er sich noch auf den Beinen halten und mit allen Sinnen darauf konzentrieren konnte, das Böse zu vernichten. Marguarita ließ Wärme in ihn einfließen. Liebe. Alles, was sie war. Sie ging völlig auf in ihm und erfüllte ihn, zwang die Dunkelheit, sich zurückzuziehen, und ließ ihr Licht auf jeden Schatten fallen.
Zacarias unternahm keinen Versuch, geistig mit ihr in Kontakt zu treten, aber sie spürte, dass er diesen Strom aus Wärme, Mitgefühl und Verständnis anzapfte und sich zunutze machte. Dann sandte er einen Ruf in den Wald hinaus, und sie spürte, wie er irgendetwas herbeizitierte. Nein, nicht wirklich herbeizitierte, es war mehr ein Hilferuf, eine Bitte, wie sie sie äußern würde. Es lag nichts Gebieterisches, keine Arroganz darin. Es war wirklich nur eine Bitte um Hilfe und Unterstützung.
Die Toten in dem Wald mussten von den Lebenden vernichtet werden. Es erstaunte sie, dass er solche Dinge wusste – dass er, umgeben von Kreaturen, die nur darauf aus waren, ihn in Stücke zu zerreißen, noch zu solch schnellem Denken fähig war. Zacarias brauchte freie Bahn zu Ruslan, und das war das Einzige, was ihn im Moment kümmerte.
Marguarita holte tief Luft, als die schaurigen, aus Laub bestehenden Gestalten angriffen, nach Zacarias ausholten und mit ihren Hieben durch seine Haut und Knochen schnitten. Er wirbelte mitten unter ihnen herum und nutzte alle verfügbaren Mittel, um sie in Schach zu halten. Feuer, Wind … Aber nichts half gegen sie, und die ganze Zeit über gab Ruslan ein schrilles, entnervendes Lachen von sich, das Marguarita in den Ohren gellte und ihr schrecklich auf die Nerven ging.
Sie zwang sich, sich von allem abzugrenzen, was Zacarias widerfuhr. Er war sehr ruhig, und sein Verstand arbeitete auf Hochtouren. All das war nur Ablenkung. Sie konnte sich nicht vorstellen, wie das helfen sollte, doch sie konnte nicht umhin, ihn zu bewundern, auch wenn sie große Angst um ihn ausstand. Er versuchte nicht, die Wahrheit vor ihr zu verbergen – dass sie in seinem Kopf, aber nicht in seinen Gedanken war. Sie war nur in ihm, weil er eine weitere Waffe brauchte, und er nahm sie nicht als Frau aus Fleisch und Blut, als seine Frau wahr. Zacarias hatte weder Angst um sich selbst noch um sie; das Einzige, was ihn bewegte, war der Drang, das Böse zu vernichten.
Eine Welle der Bewegung ging durch das Blätterdach des Waldes, und Affen sprangen von den Ästen herab auf die Rücken der Kreaturen, warfen sie um und rissen sie in Stücke, bevor sie zu den nächsten weitersprangen. Es dauerte einen Moment, bis Marguarita begriff, dass die von den Affen attackierten Kreaturen diejenigen waren, die Zacarias den Weg zu dem frohlockenden Ruslan versperrten.
Nur ein einziges Ziel im Sinn, schoss Zacarias durch die Bresche, die die Affen ihm geschlagen hatten. Er wusste genau, wo Ruslan stand und wo sich sein verdorrtes Herz befand. Er hatte Zeit gehabt, über das Hindernis nachzudenken, dem er bei seinem ersten Versuch begegnet war, und wusste jetzt, wie er durch diesen schützenden Panzer an das verschrumpelte Organ herankommen konnte.
Er war bei Ruslan, bevor dem Vampir die Zeit blieb zu bemerken, dass er schutzlos war. Zacarias veränderte wieder die Moleküle in seinem Körper und verwandelte sich im letzten Moment, um die Panzerung zu durchdringen, im Bruchteil einer Sekunde die Faust zu öffnen und das Herz zu ergreifen. Seine Finger bohrten sich durch Sehnen und Muskeln und rissen an ihnen, um an das Organ heranzukommen.
Ruslan kreischte auf und blies Zacarias eine Wolke seines faulen Atems ins Gesicht, während er gleichzeitig die Krallen beider Hände in Zacarias’ Bauch schlug und ihn so weit aufriss, dass sich ein Schwall von Blut auf den Boden vor ihnen ergoss. Halb wahnsinnig vor Wut, senkte er den Kopf und presste ihn an Zacarias’ offenen Bauch, um den Jäger mit seinen messerscharfen Zähnen bei lebendigem Leibe aufzufressen.
Zacarias riss Ruslan das Herz aus der Brust und wirbelte herum, um den Vampir abzuschütteln. Machtvolles karpatianisches Blut strömte über Ruslans Gesicht und Kinn, während sein eigenes schwarzes Gift sich bis zum Knochen durch Zacarias’ Hand und Arm hindurchfraß. Angewidert warf der Jäger das Herz weit von sich, packte mit beiden Händen Ruslans Kopf, brach dem Vampir mit einer schnellen, scharfen Drehung das Genick und schleuderte ihn von sich.
Dann presste er beide Hände auf seinen offenen Bauch und spürte, wie die Beine unter ihm nachgaben. Zacarias kam so hart auf den Knien auf, dass er ein paarmal tief durchatmen und den Schmerz ertragen musste, bevor er ihn beiseiteschieben konnte. Ruslan war nicht weit von ihm gelandet und rollte, mit bizarr verdrehtem Kopf, über den Boden.
Zacarias stöhnte, als er sah, dass Ruslan ausgerechnet auf seinem herausgerissenen Herz gelandet war. Der Vampir griff danach und erhob sich in die Luft. Schwarzes Blut tropfte und rieselte zu Boden, und er leckte sich die Finger in der Luft und versuchte, jedes Tröpfchen karpatianischen Blutes von seinen Armen und Händen aufzufangen, bevor er wie der Blitz davonschoss.
Als Ruslan angegriffen worden war, hatte er seine Energie aus der Armee der Toten bezogen, sodass Blätter und Äste jetzt wieder in ihrer ursprünglichen Form auf den Urwaldboden fielen. Auch die Affen schwangen sich in die Bäume zurück, und Zacarias ließ sich hinfallen und blickte zu dem Regen auf, der jetzt wieder ein sanftes Nieseln war, das ihm das Gesicht benetzte. Es kostete ihn große Mühe, die weißglühende Energie herabzurufen, um sich von dem Vampirgift zu befreien. Sowie es vollständig entfernt war, ließ er erschöpft die Arme sinken.
Ich komme zu dir. Marguarita versuchte nicht einmal, es wie eine Frage zu formulieren.
Zacarias ertappte sich bei einem Lächeln. Seine schöne kleine Närrin. Sie hatte jedes Recht, ihn zu verabscheuen, und allen Anlass, ihn zu fürchten, doch hätte er ihr befohlen wegzubleiben, wäre sie trotzdem gekommen. Eine solch ruhige Kraft wie die ihre war durch nichts zurückzuhalten, und er war nicht mehr in der Lage, es noch weiter zu versuchen. Marguarita machte sich nie auch nur die Mühe, ihm zu widersprechen, sondern handelte einfach so, wie sie es für richtig hielt. Außerdem blutete er aus unzähligen Wunden, und sich selbst zu heilen würde schwierig sein.
Vergiss nicht deine Kleider! Cesaro wird jeden Moment herbeigeritten kommen. Ich müsste ihn töten, und ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich der Aufgabe gewachsen bin.
Sie versuchte zu lachen, das musste er ihr lassen. Aber in ihren Augen standen Tränen, und er wusste, dass sie um ihn weinte und dass sie dafür in den kommenden Jahren wahrscheinlich noch sehr oft Grund haben würde. Ich hätte dich mit Liebe verwandeln sollen, Marguarita. Mit Behutsamkeit. Ich hätte dich halten sollen, als du so verängstigt warst. Aber ich bin schon so tief im Dunkeln verankert, dass es vielleicht gar keine Möglichkeit gibt, mich zurückzuholen.
Ich will dich nicht zurückholen, sondern dich nur retten, Zacarias. Das ist ein Unterschied. Um die Kleider wirst du dich selbst kümmern müssen. Ich schaffe das noch nicht. Ungeduld schwang in ihrer Stimme mit -und sie klang schon sehr viel näher als zuvor.
Zacarias hob den Kopf. Die Stute Sparkle galoppierte mit Marguarita auf dem Rücken auf ihn zu, und er dankte dem Himmel, dass das Pferd eine so ausgeglichene Gangart hatte. Marguarita war nackt wie am Tag ihrer Geburt. Zacarias schüttelte den Kopf. Sie erfüllte ihn langsam wieder mit ihrem Licht und vertrieb die Dunkelheit in ihm. Auch die Farben kehrten zurück, denn er konnte sehen, dass sein Blut, das bereits eine Lache auf dem Boden bildete, rot war.
Marguarita schwang sich schon vom Pferd und kam zu ihm gelaufen, während er noch die Hand schwenkte und sie bekleidete. Fast wäre sie über ihren langen Rock gestolpert, als sie auf ihn zurannte. Mit beiden Händen drückte sie einen weichen Stoff, den sie dabeihatte, gegen Zacarias’ Bauch. Leg dich hin und entspann dich einen Moment! Und lass mich nicht zu weit in dich hinein. Ich will nicht, dass du das spürst.
Zacarias ließ sich wieder zurücksinken und erlaubte sich, einfach nur dazuliegen und ihr Gesicht zu beobachten – dieses geliebte Gesicht, das so viel Sorge um ihn erkennen ließ. So viel Liebe – die er nicht verdiente. »Was meintest du vorhin, als du sagtest, du wolltest mich nicht aus der Dunkelheit zurückholen, sondern mich nur retten? Das ist doch das Gleiche.«
Sie schüttelte den Kopf, während sie schon mit beiden Händen das Erdreich aufwühlte, um das reichhaltigste und sauberste für ihn zu finden. Dann vermengte sie es mit ihrem Speichel, um eine Paste herzustellen. Es ist keineswegs das Gleiche. Die Dunkelheit in dir, die du so hasst, ist ein kostbares Geschenk, auf das du dich zu verlassen gelernt hast. Weil es dir ermöglicht, so zu jagen, wie du seit Jahrhunderten jagst. Es erhält dich am Leben, wo andere sterben würden.
Sie zuckte sichtlich zusammen, als sie die Paste, die sie hergestellt hatte, auf die Wunden auftrug. Zacarias berührte sanft mit den Fingern ihre Lippen. »Du glaubst, es ist ein Geschenk, nichts zu empfinden? Der Dunkelheit so nahe zu sein, dass jede Minute meiner Existenz ein Kampf ist?«
Ja. Es ist diese Dunkelheit, die dir das instinktive Wissen gibt, wohin deine Feinde als Nächstes gehen, und die es dir ermöglicht, ihnen immer einen Schritt voraus zu sein. Ihretwegen kannst du diese tödlichen Verwundungen überleben, die jeden anderen umbringen würden. Sie verheilen schon wieder, Zacarias – und du überlegst bereits, wo dieser Vampir sich bis morgen Nacht verstecken wird. Es ist kurz vor Sonnenaufgang, und du weißt, dass er auf der Suche nach einem Unterschlupf sein wird. Das ist es, was diese Schatten, diese Dunkelheit, bei dir bewirken. Sie erlauben dir, zu leben und zu handeln, wie du handelst. Kein anderer vermag zu leben, wie du lebst. Deshalb würde ich dir das niemals nehmen wollen.
»Aber du befürchtest, dass ich nicht zu dir zurückkommen werde.«
Sie reichte ihm ihr Handgelenk. Auch sie war furchtbar hungrig, doch viel wichtiger war, ihm zu geben, was sie konnte, um ihn zu stärken und ihm zu helfen, so schnell wie möglich wieder zu genesen. Du bist so gut darin, deine Erinnerungen zu verdrängen, dass ein kleiner Teil von mir denkt, dass du eines Tages nach dem Kampf vergessen wirst, dich an mich zu erinnern.
Er nahm ihr Handgelenk, ritzte es sehr behutsam auf und ließ ihr Leben spendendes Blut in seine Kehle rinnen. Auch ihr Blut war jetzt das eines uralten Karpatianers, machtvoll und stark, weil sein Blut in ihren Adern floss. Er konnte das überwältigende Verlangen seines Körpers danach spüren; seine Organe, Muskeln, Gewebe und Zellen schrien buchstäblich danach.
Ich werde immer zu dir zurückkehren – immer, doch ich kann nur der sein, der ich bin, Marguarita. Dir zuliebe möchte ich sanft sein und dir alles geben, was du verdienst. Ich werde natürlich stets erwarten, dass du dich nach mir richtest …
Ihre Augenbrauen schossen in die Höhe, und mit der freien Hand strich sie sich das Haar zurück. Glaubst du, das ist mir nicht bewusst? Ich will dich so, wie du bist, Zacarias, aber ich erwarte von dir, dass du dich an die Versprechen hältst, die du mir gegeben hast. Ich will geschätzt werden. Ich will, dass du mein Glück im Sinn hast, wenn du deine Entscheidungen triffst. Und du musst wissen, dass ich immer ich selbst sein werde. Ich werde meine eigenen Entschlüsse fassen, wenn ich das Gefühl habe, dass du dich irrst.
Mit einem Lächeln in den Augen blickte er zu ihr auf. Ich kann mir nicht vorstellen, mich zu irren. Nun ja – da war dieses eine Mal …
Er hörte ihr Lachen in seinem Kopf. Ein Mal? Aber ich werde es dir durchgehen lassen, weil du nach diesem Kampf vielleicht nicht ganz bei Sinnen bist.
Zacarias verschloss die kleine Wunde an ihrem Handgelenk. »Cesaro kommt. Er wird dir Blut geben, und du wirst es nehmen müssen, Marguarita. Ich muss weiter.«
Ihr stockte der Atem. Weiter? Das verstehe ich nicht. Wohin denn? Du musst in die Erde, wo ich auf dich achten und dich pflegen kann und wo deine Wunden heilen.
»Ich muss Ruslan verfolgen und zur Strecke bringen.«
Sie schüttelte unnachgiebig den Kopf. Nein. Das kannst du nicht, nicht heute Nacht. Es wird bald Morgen, und du könntest draußen von der Sonne überrascht werden.
»Du hast meine Erinnerungen an Dominic und seine Frau Solange gesehen, die mir von ihrem Blut gegeben haben.«
Ja, aber ich habe auch gesehen, wie er dich warnte, vorsichtig zu sein und deine Grenzen zu erforschen. Du hast den Rat nicht befolgt, und du hast selbst gesagt, je stärker die Dunkelheit in ihm ist, desto weniger verträgt ein Karpatianer die Sonne. Lass es, Zacarias! Mir zuliebe. Bitte verfolge Ruslan nicht!
Er streckte die Hand aus und strich Marguarita sehr zärtlich über das Haar. »Dieser spezielle Vampir ist ein Meister, der nicht seinesgleichen hat. Ich würde diese Chance in zehntausend Jahren nicht noch einmal bekommen. Bitte verlang das nicht von mir! Im Moment würde ich dir alles geben, was du willst – sogar das, Marguarita. Doch du darfst das jetzt nicht von mir verlangen.«
Sie schloss ganz fest die Augen. Kurz war ihr, als könnte sie nicht atmen. Sie musste ihn gehen lassen. Er konnte nichts anderes sein als das, was er war – ein Jäger. Dann sieh zu, dass du in einem Stück zu mir zurückkommst!
Zacarias stand auf. Seine Kleider waren zerfetzt und blutig, sein Körper bedeckt mit Schnittwunden und anderen Verletzungen. Der blutdurchtränkte Stoff fiel von seinem Bauch, doch die Wunde hatte sich bereits geschlossen. Zacarias ließ die Muskeln spielen. »Du wirst Cesaros Blut von seinem Handgelenk nehmen. Er wird dich beschützen, solange ich unterwegs bin.«
Dann nahm er ihr Gesicht zwischen die Hände und senkte den Mund auf ihren. Ohne sich darum zu scheren, dass Cesaro zusah, klammerte Marguarita sich für einen Moment an Zacarias, bis er sie widerstrebend zur Seite schob und sich in die Luft erhob. Kaum war er fort, verdrängte er sie aus seinem Kopf, schob sie sanft hinaus und hoffte, sich darauf verlassen zu können, dass sie draußen blieb. Er würde in dieser Angelegenheit nur eine Chance bekommen. Ruslan Malinov war ein zu gefährlicher Gegner, um ihn entkommen zu lassen.
Zacarias witterte sehr schnell den scheußlichen Geruch des Vampirs und folgte der Spur der schwarzen Blutstropfen, die Ruslan hinterlassen hatte. Zacarias hatte Jahrhunderte damit verbracht, das gesamte Amazonasgebiet zu erforschen, Grenzen zu überschreiten und von Land zu Land zu reisen. Er kannte jede Höhle, jeden Ort, den ein Vampir als Unterschlupf benutzen könnte, und wusste daher, wohin sein Feind sich höchstwahrscheinlich wenden würde. Außerdem hatte Marguarita recht gehabt mit ihrer Bemerkung, dass die Dunkelheit in ihm ihn in die Lage versetzte, wie die Untoten zu denken.
Ruslan wollte so schnell wie möglich von Zacarias wegkommen, aber er würde auch so leicht wie möglich Nahrung finden wollen. Es gab einige wenige Städtchen und Haziendas in der Gegend um die Höhlen. Zacarias kannte sie alle und war überzeugt, dass Ruslan sich für die unzugänglichste entscheiden würde, kaum mehr als ein Spalt im Fels, der einem Gestaltwandler, der sich klein genug machte, erlaubte, in den schmalen, steilen Tunnel einzudringen, der tief ins Innere der Erde hinunterführte. Natürlich würde Ruslan den Eingang sichern, wie nur ein Meistervampir es konnte. Deshalb musste Zacarias entweder vor ihm dort sein – vor dem Morgengrauen, um sich in der Höhle zu verstecken und abzuwarten -, oder es könnte Stunden dauern, die Schutzzauber zu deaktivieren, und dabei könnte er von der Sonne eingeholt werden.
Ruslan hatte einen Vorsprung, doch er war gerissen und würde wissen, dass ein Jäger wie Zacarias das Vampirblut im Wind wittern würde wie ein Wolf. Er würde falsche Fährten legen, auf der eigenen Spur zurückkehren und jeden Trick anwenden, den er kannte, um sein wahres Ziel vor dem Karpatianer zu verbergen, und das würde Zeit in Anspruch nehmen. Ruslan würde auch versuchen, die Sonne gegen den Jäger einzusetzen, und erst im letzten Moment unter die Erde gehen, um nicht zu riskieren, in seinem Unterschlupf erwischt zu werden. Zacarias musste eine Entscheidung treffen – entweder verließ er sich auf sein Bauchgefühl, also gerade auf das, was er am meisten in sich hasste, oder er folgte Ruslans Spur. Beides konnte ihn die Beute kosten.
Marguarita hatte gesagt, die Finsternis in ihm sei ein Geschenk. Sie vertraute ihr, weil sie ein Teil von ihm war. Zacarias dagegen betrachtete sie als etwas Übles, Böses. Er hatte seinen Vater nur als schlecht in Erinnerung; alles, was davor gewesen war, war für ihn nicht mehr präsent. Es war, als hätte dieser eine Moment das ganze vorherige Leben seines Vaters, Jahrhunderte der Ehre und der Pflichterfüllung, aufgehoben. Sein Vater hatte ihn alles gelehrt, was er heute konnte. Er hatte seine Seelengefährtin vor Übermut und Freude in die Luft geworfen und mit ihr gelacht. Er war hocherfreut über die Geburt eines jeden Sohnes gewesen und hatte getrauert und blutige Tränen geweint, als seine einzige Tochter den Kampf ums Überleben verloren hatte. Sein Vater war nicht immer böse gewesen.
Na schön, dann würde er sich also vom Dunkel leiten lassen. Zacarias verließ die Spur und machte sich auf den Weg zu der tiefsten Höhle, voller Eile jetzt, um sie noch vor Ruslan zu erreichen. Falls er sich irrte, hatte er seine letzte Chance vertan, aber er würde zumindest vor der Sonne sicher sein.
Vorsichtig bewegte er sich über den Felsvorsprung, wo ein gespaltener Fels das einzige Anzeichen für den Eingang zu dem schmalen Tunnel war. Er ging mit großer Schläue vor und ließ sich von einer leichten Brise über die bewusste Stelle treiben, um sich den Bereich von allen Seiten anzusehen. Ruslan schien die Höhle nicht vor ihm erreicht zu haben. Erst jetzt näherte Zacarias sich dem Felsen, wobei er darauf achtete, nicht einmal ein Steinchen zu bewegen, und untersuchte den Eingang. Doch dort war nichts, was ihn daran hindern könnte einzutreten.
Als dünne Rauchfahne schlüpfte Zacarias in den Berg hinein und schlängelte sich durch die lange Felsspalte in den schmalen Tunnel, dem er tiefer und tiefer bis unter die Erde folgte. Das Geräusch tropfenden Wassers wurde lauter, als Zacarias sich der kleinen Kammer näherte. Der Tunnel war noch schmaler geworden, sodass höchstens ein kleines Tier zu der größeren Höhle durchkommen könnte.
Ruslan war nicht vor ihm da gewesen. Einem Vampir haftete ein gewisser Geruch an, den selbst ein Meister nur für eine gewisse Zeit kaschieren konnte. Hieß das, dass Ruslan diese Höhle nie entdeckt hatte? Zacarias blieb keine Zeit mehr, sich den Kopf darüber zu zerbrechen. Er musste sich auf seine Erfahrung verlassen. Gründlich untersuchte er die kleine Kammer und fand mehrere Risse in der Decke und den Wänden. Von der Nordwand tropfte ständig Wasser, aber die Südwand bestand hauptsächlich aus Fels. Zacarias wählte eine der kleineren Spalten, um sich darin zu verbergen.
Sein Körper müsste dringend in die heilkräftige Erde. Gestaltwandeln kostete Kraft, und obwohl Marguarita ihm Blut gegeben hatte, blieb ihm nicht viel Zeit, bevor die Heilung in der Erde kritisch werden oder es sogar zu spät dafür sein würde. Nur wenige Karpatianer wären in der Lage, solch tödliche Verwundungen zu überleben und sich wieder auf die Jagd zu machen. Zacarias wusste, dass es die Dunkelheit in ihm war, die ihn befähigte, nicht einmal zur Kenntnis zu nehmen, was seinem Körper widerfuhr. Er kämpfte, er heilte sich selbst, und er machte weiter, ohne Schmerz oder Erschöpfung zu verspüren. Aber irgendwann würde auch sein Körper zusammenbrechen. Zacarias hoffte, dass der Zusammenbruch noch auf sich warten ließ, falls Ruslan diese Höhle wählte.
Minuten verstrichen. Er kannte die genaue Position der Sonne, und sie war dem Aufgehen schon sehr nahe. Zacarias spürte ihre Gegenwart wie eine brennende Lampe, die zu dicht in seiner Nähe stand. Er wusste, dass das Licht ihm immer schwer zu schaffen machen würde, selbst wenn Solanges königliches Blut ihm ein paar Stunden mehr im Tageslicht ermöglichte. Er würde sich im Hellen nie wohlfühlen, aber wenn es Marguarita glücklich machte, würde er es ertragen, wie er auch ihre menschlichen Freunde und Bekanntschaften ertragen würde.
Ein Steinchen rollte durch den Schmutz. Irgendetwas scharrte an der schmalen Tunnelwand entlang, die unmittelbar vor der Kammer lag. Zacarias blieb entspannt, um nichts von seiner kostbaren Energie zu verschwenden. Er war in einem schlechten Zustand. Zeigte er sich zu früh und Ruslan konnte kämpfen, konnte es für Zacarias gefährlich werden. Und dann drang auch schon der üble Geruch verwesenden Fleischs in die Kammer.
Sogleich durchströmte wieder die vertraute Ruhe Zacarias. Nichts anderes zählte jetzt als die Vernichtung dieses einen Vampirs, der dem karpatianischen Volk so viel Schmerz und Schaden zugefügt hatte. Dazu war Zacarias geboren worden und zum Kämpfen erzogen worden. Nur deshalb war die Dunkelheit in ihm so ausgeprägt – weil er seine Leute gegen die denkbar verdorbenste, bösartigste Kreatur verteidigen musste.
Er verhielt sich ruhig und beobachtete geduldig, wie Ruslan seine Schutzzauber anbrachte und dann zu seinem Ruhelager stapfte. Sein Kopf hing noch immer schlaff zur Seite, was Zacarias verriet, dass der Vampir genauso stark verletzt war, wie er selbst es gewesen war. Ruslan war zu eitel, um so etwas hinzunehmen, es sei denn, er musste mit seiner Energie haushalten. Zacarias regte sich nicht, als Ruslan sich hinlegte, die Arme über der Brust verschränkte und sich dem Schlaf der Toten überließ. Selbst dann noch wartete Zacarias, bis die Sonne aufzugehen begann. Er wollte sichergehen, dass sich Ruslan in dem bleischweren Zustand des Vampirschlafs befand.
Unendlich vorsichtig löste er sich aus der Spalte in der Wand und begann, sich dem Schlafplatz des Meistervampirs zu nähern. Sofort flogen Ruslans Augen auf, und er stieß ein hasserfülltes Fauchen aus. Ansonsten rührte er sich nicht, was jedoch nicht bedeutete, dass er dazu nicht fähig war. Zacarias blieb sicherheitshalber außer Reichweite.
»Wie ehrenhaft ist das denn, mich in meiner schwächsten Stunde zu überfallen?«, fragte Ruslan wütend.
Zacarias’ Augenbrauen fuhren in die Höhe. »Ehre spielt bei der Vernichtung von Ungeziefer keine Rolle. Nach einem Verhaltenskodex zu leben ist ehrenhaft, Ruslan. Das ist es, was du nie verstanden hast. Töten ist nichts Ehrenhaftes. Es ist nur die Arbeit, die ich verrichte. Und die Ehre verlangt, dass ich jedes Mittel nutze, jede Waffe, um das Böse zu vernichten – und du bist böse. Es liegt nichts Ehrenhaftes in der Methode des Tötens, nur in der Erfüllung einer Aufgabe, die erledigt werden muss.«
Ruslans schrilles Gelächter ging ihm durch und durch. »Du kannst mir hier in der Höhle das Herz herausreißen, doch du kannst nicht den Blitz so tief unter die Erde bringen. Wir werden sehen, wer bis morgen Abend überlebt.«
»Ich habe nicht vor, dir das Herz herauszureißen.« Nur mit äußerster Vorsicht näherte Zacarias sich der bleiernen Gestalt. Ruslan war ein mächtiger Vampir, und als Jäger respektierte er diese Macht, wohl wissend, dass der Meister nicht so leicht in den Tod gehen würde.
Ruslan schien verwirrt, aber seine eingefallenen Augen verrieten Hass und Hinterlist. Ohne Vorwarnung fielen Fledermäuse auf Zacarias herab, verbissen sich mit ihren scharfen Zähnen in ihn und versuchten, ihn für ihren Meister auszubluten. Würmer brachen durch die Erdwände, und Spinnen krochen auf Geheiß ihres Herrn aus Spalten und Rissen. Sogar ein paar Ratten streckten den Kopf aus dem Tunnel und starrten Zacarias mit ihren glitzernden Augen an.
Schnell löste er sich unter dem Gewicht der Fledermäuse auf und verwandelte sich, um auf die andere Seite des Raumes zu flüchten. Von dort aus sandte er gleißendes Licht durch die Höhle, einen grellen, sehr heißen Strahl, wie eine konzentrierte Sonne, die die Fledermäuse versengte und die Insekten und Ratten in die Flucht schlug. Er brauchte nur ein wenig Zeit.
»Das kannst du nicht ewig aufrechterhalten«, spöttelte Ruslan, »und diese Kreaturen gehorchen mir.«
»Das macht nichts.« Zacarias war im Nu bei ihm und hob das tote Gewicht auf seine Arme. Der übel riechende Atem, der ihm ins Gesicht schlug, machte ihn vorübergehend orientierungslos. Dieser konzentrierte Atem enthielt Gift, doch Zacarias verwandelte sich und nahm die verwesende Gestalt des Meistervampirs mit.
Was tust du?, fragte Ruslan und wechselte dabei zum gemeinsamen karpatianischen Kommunikationspfad. Offenbar war er zum ersten Mal ernsthaft alarmiert. Wo willst du mit mir hin?
An die Oberfläche. Deine Schutzzauber halten andere aus dieser Höhle heraus. Wir beide können sie aber verlassen.
Zacarias konnte den genauen Moment bestimmen, in dem Ruslan zu verstehen begann, was er vorhatte. Sowie sie den Tunnel und die schmale Spalte hinter sich gelassen hatten, wechselte Zacarias wieder die Gestalt und brachte sie beide in die aufgehende Sonne. Ruslans Mund öffnete sich weit zu einem stummen Schmerzensschrei. Mit letzter Anstrengung und von purer Willenskraft und Verzweiflung angetrieben, schlug er plötzlich die Krallen tief in Zacarias’ Fleisch.
Wenn ich verbrenne, dann verbrennst du auch.
Dem Ende seiner Kräfte nahe, ließ Zacarias sich mit seiner Last zu Boden fallen. Er würde nicht mehr in die Höhle hereinkommen, und das Brennen der Sonne auf seiner Haut sagte ihm, dass ihm auch nicht genug Zeit blieb, um Ruslans Schutzzauber zu deaktivieren.
Ich liebe dich, Marguarita, und ich bereue die Fehler, die ich bei dir gemacht habe. Stell eine Verbindung zu meinen Brüdern her! Sie werden dir beistehen, wenn ich nicht mehr bin.
Zacarias konnte sich nicht erlauben, daran zu denken, was aus ihr werden würde, oder sich Vorwürfe wegen seines Fehlverhaltens ihr gegenüber zu machen. Er wollte nur seine letzten Erinnerungen an sie festhalten, dieses Gefühl vollkommener, selbstloser Liebe, das sie ihm gegeben hatte.
Sag mir, wo du bist! Ich werde nicht zu dir kommen, keine Sorge, aber zeig es mir!
Sie war völlig ruhig. Das war Marguarita, und zum ersten Mal glaubte Zacarias daran, dass sie ihm geschickt worden war, um ihn vor sich selbst zu retten. Dass sie sein ganz persönliches Wunder war. Wenn ihn irgendjemand retten konnte, dann sie, doch er konnte sich nicht vorstellen, wie es ihr gelingen sollte. Es war schier unmöglich, dass sie ihn noch rechtzeitig erreichte. Er sagte es ihr jedoch nicht, denn was für einen Sinn hätte das?
Zacarias war müde und so erschöpft, dass er sich kaum noch bewegen konnte.
Wag es ja nicht aufzugeben!
Er liebte die leichte Schärfe in ihrer Stimme.
Worüber lächelst du?, wollte Ruslan wissen. Du wirst mit mir sterben. Beeil dich! Ich werde dir zeigen, wie du die Schutzzauber entfernen kannst und wir in die Höhle zurückkehren können, falls du noch die Kraft hast, mich aus der Sonne herauszubringen.
Zacarias schüttelte den Kopf. »Du wirst an diesem schönen Morgen sterben, Ruslan. Ganz gleich, was es mich kostet. Deine Niedertracht wird nie wieder diese Welt verderben.«
Ruslans Körper wand sich, wurde rot wie ein Hummer und erhitzte sich, bis er Zacarias’ Haut versengte. Seine Krallen steckten noch in den Seiten des Jägers, sodass sie aneinander gefesselt waren, als der Vampir zu zischen begann und seine faulige Haut Blasen schlug. Rauch stieg von ihm auf, und der Geruch nach verbranntem Fleisch durchdrang die frische Morgenluft. Ruslan stieß Schreie aus, die tief auf seiner Brust aufstiegen und die Vögel so erschreckten, dass sie sich in die nahen Bäume flüchteten.
Zacarias blickte auf. Geier kreisten schon über ihnen. Seine eigene Haut brannte nur, weil Ruslans Körper den seinen berührte. Zacarias versuchte jedoch nicht, dagegen anzukämpfen. Seine Glieder waren zwar noch nicht bleiern, doch seine Arme und sein Gesicht kribbelten und wollten nur noch von dieser aufgewühlten, glühend heißen Masse weg.
Überall an Ruslans Körper platzten Löcher auf. Der Gestank wurde so schlimm, dass Zacarias übel wurde. Die Krallen des Vampirs in seinen Seiten lockerten sich, und ohne die messerscharfen Nägel in den Wunden begannen sie, stark zu bluten. Eine kleine Pfütze Blut bildete sich um Zacarias.
Bleib bei mir, Liebster!, beschwor ihn Marguarita.
Ihre Ruhe erstaunte ihn. Sie müsste in Panik sein, aber ihr Verstand war sehr viel klarer als der seine. Zacarias war zu müde, um zu denken.
Gib dich in meine Obhut!, flüsterte sie. Vertrau darauf, dass ich dich beschütze!
Er hatte noch nie jemandem vertraut. Wenn er sich ihrem Willen beugte und seinen Geist in ihre Obhut gab, würde es nichts mehr geben, was sie nicht über ihn wusste. Seine Unfähigkeit, ohne sie etwas zu empfinden, beschämte ihn. Er würde nie die wahre Liebe seiner Brüder spüren, sofern Marguarita nicht in seinem Geist verankert war. Er würde sich in Gegenwart von Menschen stets unbehaglich fühlen. Er konnte diese Welt fast nicht ertragen, und Marguarita würde es erfahren. Sie würde sehen, dass er nicht einmal für die Menschen, die ihm dienten, etwas empfand. Sie würde zu viel über ihn wissen. Wie viel konnte eine Frau ertragen?
Gib dich mir anheim – aus freien Stücken, so wie ich mich dir anheimgegeben habe!
Sie durch den Tod zu verlieren war möglicherweise feiger, als sie das wahre Monster sehen zu lassen, dem sie sich geschenkt hatte. Er hatte sie für sich beansprucht, sie an sich gebunden. Bei all dem war sie es gewesen, die sich ihm immer wieder hingegeben hatte und all seinen Forderungen nachgekommen war.
Ruslan ging in Flammen auf. Er kreischte wie ein Irrer und schrie seinen Hass auf die Welt gellend laut heraus. Seine Krallen lösten sich nun endlich ganz von Zacarias, sodass der Karpatianer sich von dem brennenden Vampir wegschleppen konnte. Schwarzer Rauch schoss in den Himmel wie ein Leuchtfeuer.
Zacarias wartete, bis das Feuer jeden Zentimeter des Meistervampirs verzehrt hatte und feststand, dass das Herz vollständig ein Raub der Flammen geworden war und nichts von dem Vampir mehr übrig war. Erst dann ließ Zacarias den Kopf zurücksinken und wehrte sich nicht mehr gegen die völlige Kraftlosigkeit, die von ihm Besitz ergriff.
Aber er zwang sich, ruhig durchzuatmen und darauf zu vertrauen, dass Marguarita ihn trotz seiner dunklen Seiten würde haben wollen. Zacarias sandte seinen Geist aus seinem physischen Körper heraus in ihre Obhut, und als er gerade die Augen schließen wollte, hörte er das Geräusch eines Helikopters und lächelte. Dieses Fluggerät war etwas aus der modernen Welt – aus Marguaritas Welt. Vielleicht hatte diese Welt ja doch etwas für sich. Seine findige Gefährtin hatte offenbar seine Blutsbande mit Julio oder Cesaro benutzt, und Lea Eldridge flog sie nun zu seiner Rettung her.