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O ja, Meister Siferlin.

Ich weiß noch jedes Eurer Worte auswendig: «Die Tochter der Hexe heißt Marthe-Marie Mangoltin. Sie lebt in Konstanz. Bevor du sie tötest, frag sie, in welchem Haus sie ihre Wurzeln hat. Dort wirst du deinen Lohn finden, den Wasserschlauch ihrer Mutter, er ist voller Gold. Doch vorher musst du sie töten, sie und all ihre Nachkommen.»

Ihr hattet Recht. Die Hexe hat noch eine in Sünde geborene Tochter. Und das Vögelchen ist in sein Nest zurückgeflogen gekommen – ganz wie Ihr es prophezeit hattet. Wie klug und wohl berechnet von Euch, sie mit dem Bildnis von Stadellmenins Mutter nach Freiburg zu locken. Mit Speck fängt man Mäuse.

Gewiss habe ich ihr einen Todesschrecken eingejagt, als sie diese kleine hässliche Flöte zerbrochen auf der Türschwelle gefunden hat. Nun hat sie erkannt, dass sie nicht unbeobachtet ihrem teuflischen Treiben nachgehen kann.

Ich weiß, es hat seine Zeit gebraucht, bis ich sie ausfindig gemacht habe. Aber ich wohne nun mal draußen vor dem Tor, und seit ich das Amt meines Vaters übernommen habe, muss ich in Wirtshaus und Kirche allein und auf meinem eigenen Stuhl sitzen. Da erfährt man nur noch wenig Neuigkeiten; es sind sich ja alle zu fein, mit mir zu sprechen, und sie haben Angst vor mir. Doch Geduld führt zum Ziel, das habe ich früh gelernt.

Wenn Ihr sie sehen könntet – diese zarten Rundungen ihres Fleisches, fast knabenhaft, mit den festen Brüsten, dazu wie bei ihrer Mutter das dichte schwarze Haar, in dem sich satanische Finsternis spiegelt. Dieser dunkle Blick, der die Sinne des Mannes vernebelt und vergiftet, ihn ins Verderben zu ziehen versucht.

Aber ich bin stärker als sie.

Ihr glaubt mir doch, Meister Siferlin, dass ich es nicht nur um des Goldes willen vollbringe? Ihr und ich, wir sind beseelt vom selben Feuer, vom selben Glauben an den Kampf gegen den Satan im Weib. Wir wissen, dass das Weib von Natur aus wild und triebhaft ist wie ein Tier, nur auf die Erfüllung seiner Begierden und Lüste bedacht. Und so bedient sich der böse Feind der Leiber schöner Frauen, um uns Männer zu den abscheulichsten Ausschweifungen zu verführen. Ekelhaft! Wie Ungeziefer im Garten muss diese teuflische Versuchung von unserer Erde getilgt werden. Muss ausgemerzt werden mit Feuer und Schwert. Denn steht nicht schon bei den Predigern geschrieben: Gering ist alle Bosheit gegen die Bosheit des Weibes?

Ich weiß, mein Freund und Meister, dass Ihr mich hören könnt dort droben im Himmelreich, dass Eure Seele mir zur Seite steht. Seid nur gewiss: In mir habt Ihr einen treuen und fähigen Nachfolger gefunden. Denn ein göttlicher Wille hat mir meine Bestimmung offenbart: Ich bin ausersehen, das Böse aufzuspüren und zu vernichten. Das Gefäß der Sünde, dieses verführerische Weib. Und ich gelobe Euch, ich werde meine Pflicht erfüllen und diese Mission zu Ende bringen.