3

Am folgenden Nachmittag, bald nach der Lunchzeit, kam Jonny in Horsham an. Keiner, der die kräftige Gestalt die Horsham Road hinaufschreiten sah, hätte vermutet, daß er vor weniger als achtundvierzig Stunden noch in einer Sträflingszelle gesessen hatte. Er war gekommen, den letzten Verzweiflungskampf um sein Glück auszufechten. Wie er ausgehen würde, welche Gründe er anführen sollte - er wußte es nicht. Es gab einen, nur einen einzigen, doch den konnte er nicht geltend machen.

Als er in die Down Road einbog, sah er dort zwei große Limousinen, eine hinter der andern, stehen. Das Gutshaus Manor Hill stand etwas abseits vom Dorf. Es war ein solider, roter Backsteinbau, an dem Klematis emporrankte, was ihm einen heiteren Anstrich gab. Jonny vermied die vorderen Eingänge und benützte einen Seitenpfad, der zum großen Rasenplatz hinter dem Haus führte, auf dem, wie er wußte, Peter sich um diese Tageszeit zu sonnen pflegte.

Hinter dem Haus blieb er stehen. Ein hübsches Stubenmädchen sprach mit einem ältlichen Mann, der die Livree eines Butlers trug. Sein faltiges Gesicht legte sich vor Unbehagen in noch tiefere Falten. Den Kopf hielt er horchend vorgebeugt, obgleich selbst ein Tauber hätte hören können, was das Mädchen auf ihn einredete.

»Ich weiß nicht, bei was für Leuten Sie gedient haben, ich kann Ihnen nur eines sagen - wenn ich Sie nochmals in meinem Zimmer dabei ertappe, wie Sie in meinen Sachen kramen, sage ich es Mr. Kane. Ich verbitte mir das!«

»Ja, Miss«, erwiderte der Butler mit heiserer Stimme.

Jonny wußte, da er ihn kannte, daß nicht etwa die peinliche Situation es war, die diese Heiserkeit verursachte. Barney Ford war schon immer heiser gewesen, sozusagen heiser zur Welt gekommen.

»Wenn Sie Einbrecher sind und nicht aus der Übung kommen wollen, gut, das kann ich verstehen«, schalt das Mädchen zornig weiter, »aber Sie sollen ein anständiger Mensch sein! Ich mag dieses heimliche Schnüffeln und Schleichen nicht, verstehen Sie? Ich will es nicht!«

»Nein, Miss«, bekräftigte Barney heiser.

John Gray machte die Szene Spaß. Er kannte Barney gut. Als Peter Kane es angezeigt fand, sich von seinem gefahrvollen Beruf zurückzuziehen, hatte auch Barney die dunkleren Pfade des Lebens verlassen. Der Exsträfling, Exeinbrecher und Exboxer hatte seine Vergangenheit gewissermaßen wiedergutgemacht durch die Anhänglichkeit, die er seinem Brotgeber auch unter den veränderten Umständen bewahrte, obgleich man sich kaum einen schlechteren Haushofmeister als ihn denken konnte.

Natürlich schnüffelte Barney - eine alte Gewohnheit, die einst recht nützlich gewesen sein mochte. Doch jetzt vertrieb er damit nur die Dienstboten aus dem Haus. Peter fluchte und drohte vergeblich, er konnte seinen Diener nicht mehr ändern.

Das Mädchen war hübsch. Dunkelblondes Haar, schlanke Gestalt, ihr Gesicht glühte vor Ärger, die dunklen Augen schossen Blitze. Sie bemerkte Gray nicht, als sie sich rasch abwandte und ins Haus lief. Barney sah ihr versunken nach.

Jonny trat hinter ihn.

»Sie haben Sie aufgebracht!«

Barney Ford fuhr herum und glotzte, sein Unterkiefer sank herab.

»Guter Gott, Jonny! Wann sind Sie aus dem College herausgekommen?«

Gray lachte leise.

»Gestern lief mein Termin ab. Was macht Peter?«

Der Diener schneuzte sich erst heftig, ohne den Blick von dem unverhofften Besucher zu lassen.

»Wie lange sind Sie schon hier?« fragte er endlich unruhig.

»Ich kam gerade zum Schluß Ihrer Unterhaltung«, antwortete Jonny belustigt. »Barney, Sie haben sich nicht gebessert!«

Barney Ford verzog das Gesicht, bis es etwas wie Verachtung ausdrückte.

»Was weiß die vom Leben? - Sie haben also Peter noch nicht gesehen? Er ist im Haus. Ich will es ihm gleich sagen. Ihm geht es ganz gut. Völlig hin von seiner Tochter! Küßt den Boden, den sie betritt. Es ist unnatürlich, seine Kinder so zu lieben. Ich hab' es nie so gemacht ...«

Sie hörten Schritte auf dem Steinboden des Flurs und wandten die Köpfe. Auf der obersten Treppenstufe stand, weißhaarig, noch immer kerzengerade mit seinen sechzig Jahren, Peter. Er runzelte die Stirn, zögerte, aber dann streckte er die Hand aus. Mit einem strahlenden und doch verwirrten Gesicht eilte er herbei.

»Well, Jonny, mein Junge, du hast eine schlimme Zeit hinter dir?« In seiner Stimme klang, wie früher, Zuneigung und Stolz.

»Recht schlimm, aber jedes Mitleid mit mir ist deplaciert. Persönlich gebe ich Dartmoor vor Parkhurst den Vorzug - die Arbeit ist schwer, doch gibt es weniger Schwachköpfe.«

Peter nahm Grays Arm und führte ihn zu einem Stuhl unter dem großen Sonnenschirm, der in der Mitte des Rasens aufgespannt war. In seinem Verhalten lag eine gewisse Verlegenheit.

»Jonny, mein Junge, hast du - dort - jemand getroffen, den ich kenne?«

»Legge.«

Sie sahen sich an.

»An den dachte ich gerade. Was macht er?« Peters Frage sollte gleichgültig klingen, aber er wartete gespannt auf die Antwort.

»Er ist seit sechs Monaten draußen - wußtest du es nicht?«

»Seit sechs Monaten?« Peters Gesicht verfinsterte sich. »Bist du sicher?«

»Ja.«

»Ich wußte es nicht.«

»Ich dachte, du hättest von ihm gehört. Er kann dich nicht leiden!«

»Das weiß ich. Hast du Gelegenheit gehabt, mit ihm zu sprechen?«

»Sehr oft. Er war im Waschhaus und bestach zwei Wärter, so daß er tun konnte, was er wollte. Er haßt dich, Peter. Er sagte, du hättest ihn ins Loch gebracht.«

»Er ist ein Lügner. Ich würde meinen ärgsten Feind nicht ins Loch bringen. Er hat sich selbst hineingebracht. Die Polizei gilt als schlau, aber in Wahrheit verhaftet jeder zweite Verbrecher sich selbst. Die wenigsten sind wirklich klug. Sie tragen Handschuhe, um keine Fingerabdrücke zu hinterlassen, und dann schreiben sie ihre Namen ins Fremdenbuch ein. Legge und ich erbrachen die Stahlkammer der Orsonic und entkamen mit hundertzwanzigtausend Pfund in amerikanischer Währung. Das war mein letztes Geschäft. Zu entkommen war kinderleicht gewesen, doch Emanuel begann damit zu renommieren, was für ein schlauer Bursche er wäre, vor allem, wenn er einen Schluck zuviel getrunken hatte. Ein ehrlicher Mann kann trinken und trotzdem in seinem eigenen Bett aufwachen -ein Dieb jedoch, der trinkt, sagt dem Kerkermeister guten Morgen.« Peter Kane brach das Thema ab und fragte: »Jonny, du bist doch nicht etwa traurig, oder -?« Er legte ihm die Hand auf die Schulter.

Jonny antwortete nicht.

»Oder doch?«

»Marneys wegen? Nein, nur ...«

»Alter Junge, ich mußte es tun.« Peter sprach eindringlich, beschwörend. »Du weißt, was sie für mich bedeutet. Ich mochte dich gut genug, um nichts dagegen zu haben. Aber als sie dich fortschleppten, hab' ich es mir ernstlich durch den Kopf gehen lassen. Bedenk doch, wenn sie danach noch deine Frau geworden wäre, es hätte auch sie zugrunde gerichtet. Es stand sowieso schon schlimm genug. Und da kam dieser Bursche, ein solider Kerl, ein Gentleman. Er wird dir gefallen. Und sie liebt ihn.«

Eine Stille trat ein.

»Ich habe nichts gegen ihn. Das wäre auch sinnlos. Nur, bevor sie heiratet, möchte ich sagen ...«

»Bevor sie heiratet? Jonny, hat Barney dir nichts gesagt? - Sie ist heute früh getraut worden.«

»Getraut?« wiederholte Jonny mechanisch.

Marney verheiratet - das war unglaublich und unbegreiflich!

»Heute morgen getraut, ja. Er wird dir gefallen. Keiner von uns, alter Junge, er ist anständig wie ... Well, du verstehst, was ich meine? Ich habe all die Jahre für sie gearbeitet. Es wäre eine Niederträchtigkeit von mir gewesen, wenn ich ihre Zukunft aufs Spiel gesetzt hätte.«

Peter Kane wußte, daß er diesen Mann tödlich verwundet hatte, und suchte ständig nach neuen Rechtfertigungen.

Jonny hielt die Hand vor die Augen, als ob ihn die Sonne blende.

»Ich hätte telegrafieren sollen ...«

»Das hätte nichts geändert - nichts ließ sich ändern, Jonny, nichts. Bis vor fünfzehn Jahren bin ich ein Dieb gewesen. Sie weiß es nicht. Selbst wenn du unschuldig verurteilt worden bist - die Ungewißheit hätte ich nicht ertragen. Lassen wir es also. - Craig ist heute hier.«

»Craig - von der Kriminalpolizei?«

»Wir sind gute Freunde, schon seit Jahren.«

Sie sahen den Butler herankommen.

»Peter«, flüsterte er mit seiner heiseren Stimme, »es ist noch ein Heimkehrer gekommen - alle kommen sie heute .«

»Wer?« »Emanuel Legge - widerlicher als je.«

Kanes Gesicht wurde starr wie eine Maske.

»Wo ist Miss Marney - Mrs. Floyd?«

»Sie zieht ihren Hochzeitsstaat und den Schmuck wieder an«, berichtete Barney. »Sie hatte alles schon abgelegt, aber soeben kam der Fotograf und stellte seinen Kram im Vordergarten auf. Ich sagte zu Marney ...«

»Du bist ein alter Schwätzer«, unterbrach ihn Peter finster. »Laß Emanuel herein! - Willst du ihn sehen, Jonny?«

Gray erhob sich.

»Nein. Ich will unterdessen durch deinen sogenannten Rosengarten wandern. Ich mag nichts hören und sehen, was mich an den ›Ort der Qual‹ erinnert.«

Er verschwand durch eine Öffnung in der Buchsbaumhecke am unteren Ende des Rasenplatzes. Gleich darauf erschien Barney mit dem Besucher.

Emanuel Legge war ein kaum mittelgroßer Mann von schmächtiger Gestalt, mit hagerem Gesicht, spärlichem, grauem Haar und einer Hornbrille. Er trug einen schäbigen, zerknitterten Anzug. Um so auffallender wirkten die offensichtlich neuen, grellgelben Schuhe. Einige Sekunden lang blieb er stehen und betrachtete mit erhobenem Kinn und zusammengekniffenen Lippen den Schauplatz. Zuletzt faßte er den Hausherrn ins Auge. Seine blaßblauen Augen blinzelten kalt.

Peter Kane brach zuerst die peinliche Stille.

»Well, Emanuel, komm und setz' dich!«

Legge kam langsam näher.

»Ein hübsches Gut, Peter, gar nicht übel - alles vom Besten, wie? Das glaub' ich! Du hast auch noch den alten Barney, wie ich sehe. Hat er sich auch gebessert? So heißt es doch, nicht wahr - gebessert?«

Er sprach mit einer dünnen, klagenden Stimme.

»Er stiehlt nicht mehr, wenn du das meinst«, sagte Peter.

Das Gesicht des Besuchers verzog sich.

»Du solltest dieses abschätzige Wort nicht in den Mund nehmen, Peter. Wie lange wohnst du schon hier?«

»Gegen vierzehn Jahre.«

Legge zog seinen Sessel herum, bis er Kane nahe gegenübersaß.

»Ah!« Er seufzte. »Ein sehr bequemes Leben, reichliches Essen, Ausgehen und Heimkehren, wann es einem paßt. Solche vierzehn Jahre laß ich mir gefallen. Besser, als wenn jeden Nachmittag um vier ein Schlüssel sich hinter dir herumdreht. Princetown ist immer dasselbe alte Nest ... Ach, ich vergaß, du bist nie dort gewesen.«

»Ich bin im Auto durchgefahren«, sagte Peter mit Überlegung.

»So, du bist im Auto durchgefahren!« Legge lachte höhnisch. »Warum hast du's nicht angekündigt? Ich hätte flaggen lassen! Du bist also durchgefahren!« Er spie diese Worte buchstäblich aus.

»Eine Zigarre?«

»Nein, danke.« Eine wegwerfende Handbewegung. »Hab's mir abgewöhnt. In fünfzehn Jahren gewöhnt man sich vieles ab. Manches gewöhnt man sich auch an. Fünfzehn Jahre sind eine lange Zeit.«

»Der Mann, auf den du geschossen hast, wäre mit weniger zufrieden gewesen. Er starb nach zwei Jahren.«

»Hoffentlich ist der verdammte Hund in der Hölle!« Die dünnen Lippen zuckten, die schmächtige Gestalt verkrampfte sich vor Wut. »Und du? Ist es dir nicht gut gegangen? Ein schönes Haus, Bediente, Autoreisen - du hast es verstanden!« »Ja.«

»Man läßt seinen Kameraden im Stich und macht sich aus dem Staub, wie? Jeder ist sich selbst der Nächste, das ist das Gesetz der Natur, nicht wahr? Und wenn man fürchtet, daß er schwatzen könnte, schickt man ein Wörtchen an die Stelle, die sich mit dem Fall befaßt, läßt ein paar Hunderter springen und prost Mahlzeit!« Er wartete, bekam aber keine Antwort. »So hat man's doch gemacht, nicht wahr?«

Kane zuckte die Achseln.

»Ich weiß nicht - man ist nie zu alt, um etwas dazuzulernen.«

»Aber so hat man's gemacht?« wiederholte Legge. »So kommt man nicht in den Kasten, wie?«

»Ich will nicht mit dir streiten«, sagte Peter.

»Du hast dieses Haus nicht für ein Butterbrot gekauft. Ich bin ein schlechter Rechner. Was ist die Hälfte von zweihunderttausend?«

Peter Kane schwieg.

»Hunderttausend, nicht wahr? Ich habe sechzigtausend erhalten - du schuldest mir noch vierzig.«

»Wenn du die Sache mit dem Schiff, der Orsonic, meinst, es brachte uns keine vollen hundertzwanzigtausend Pfund ein. Du hast sechzigtausend erhalten, also mehr als deinen Anteil. Ich zahlte sie auf deine Bank ein an dem Tag, als du dich auf die Reise machtest.«

Ein skeptisches Lächeln erschien auf Legges Gesicht.

»In den Zeitungen stand - eine Million Dollar.«

»Du glaubst doch nicht, was in den Zeitungen steht, wie? Du wirst kindisch, Emanuel! Was hast du vor? Heraus damit!«

»Ich verlange nur, was recht und billig ist.« Als Peter höhnisch lachte, fuhr ihn Legge an: »Komisch, nicht wahr? Du kannst dir erlauben, über einen alten Kameraden zu lachen, der fünfzehn Jahre im Kasten saß!«

»Wenn du fünfzig Jahre in der Hölle gesessen hättest, ich würde trotzdem lachen.«

»Du würdest lachen? Wirklich? Nun hör mal zu! Du hast eine Tochter, nicht wahr? Sie ist jung. Hat heute Hochzeit gemacht, nicht?«

»Ja.«

»Ein feiner Mann, wie? Geldheirat. Und er weiß nicht, wer du bist, Peter?«

»Was willst du damit sagen? Glaubst du, auf diese Weise vierzigtausend kriegen zu können?«

»Du hast nie in einer dumpfen Zelle gesessen, in der der Sumpfnebel an den Wänden hängt, und gedacht, gedacht -. Ich habe einen Sohn, und ich weiß, daß man Menschen durch ihre Kinder treffen kann.«

Peter Kane richtete sich drohend auf.

»Wenn du das meinst - wenn du es darauf abgesehen hast ...« Er schlug sich mit der Faust wild auf die Brust. »An dem Tag - bringe ich dich um!«

Legge drückte sich besorgt in seinen Stuhl zurück.

»Was soll das Gerede von Umbringen? Ich verlange nur, was recht ist. Du bist nun mal in sie vernarrt, das weiß jeder. Dieser Gray war auch in sie verliebt. Dich, Peter, werd' ich kriegen - durch sie ...«

Weiter kam er nicht. Eine eiserne Hand packte ihn am Kragen, riß ihn aus dem Sessel und schleuderte ihn auf den Rasen. Peter Kane sprach kein Wort, er zog die gekrümmte Gestalt hoch und schleppte sie hinter sich her, am Haus entlang, durch den Garten, zum Tor. Ein kräftiger Stoß - Emanuel Legge taumelte auf die Landstraße hinaus.

»Komm ja nicht wieder!« rief ihm Peter nach und kehrte um.

Jonny Gray hatte von den beiden Männern und ihrem Auftritt nichts sehen und hören können. Unterhalb der Buchsbaumhecke, durch die er sich verdrückt hatte, führte zunächst eine Treppe über drei Terrassen abwärts. Weiter unten zog sich ein sanfter Wiesenhang bis zu einem kleinen Fluß hinab. Ein wunderbares Gelände - Jonny setzte sich auf eine Marmorbank neben einer großen Libanonzeder. Er dachte an diese Heirat. Als er ein schrilles, hysterisches Geschrei vernahm, sprang er auf und eilte die breiten Terrassenstufen hinauf.

Es war Legge, der von der Straße her Verwünschungen und Drohungen gegen die Kane-Tochter ausstieß. Niemand war auf dem Rasen, nur Barney deckte im Garten einen Tisch. Jonny überquerte den Rasen, kam zum Haus. Aus einer offenen Verandatür schimmerte ihm etwas Weißes entgegen. Ein Mädchen im Brautgewand streckte ihm die Hände hin. Marney!

»Jonny!«

Dann fiel sein Blick auf das lächelnde Gesicht des jungen Ehemannes, dieses ›trefflichen‹ Menschen, dem Peter seine Tochter anvertraut hatte. Einen Augenblick trafen sich ihre Blicke. Gray zuckte mit keiner Wimper, als er mit einem Schlag alles begriff.

Der Gatte der Frau, die er liebte, war Jeff Legge, der Schurke und Banknotenfälscher, der sich zusammen mit dem alten Legge geschworen hatte, Peter Kane hereinzulegen.

Hatte er sich etwas anmerken lassen? fragte sich Jonny einen Augenblick. Ein Sturm von Gefühlen tobte in ihm. Das Gesicht des jungen Legge erschien ihm grotesk entstellt wie in einem Zerrspiegel. Er spürte den fast unwiderstehlichen Drang, sich auf ihn zu stürzen, doch äußerlich blieb er unbewegt. Und kein Beobachter hätte behaupten können, daß er blaß geworden wäre, denn in Dartmoor hatten Sonne und Wind sein knochiges Gesicht mahagonibraun gefärbt.

Die Erkenntnis hatte ihn wie ein Stoß und so unerwartet getroffen, daß er für eine ganze Weile weder etwas sagen noch sich rühren konnte. Major Floyd - Jeff Legge! Gray durchschaute den teuflischen Plan. Darin bestand Emanuels Rache - seinen Schurkensohn mit Peter Kanes Tochter zu verheiraten.

Jeff beobachtete Gray scharf. Peter Kane stieß mit besorgtem Gesicht zu der Gruppe, und in einiger Entfernung starrte Barney mit offenem Mund vor sich hin. Jonny hatte sich gefangen, er sah Marney an und lächelte mechanisch.

»Sind Sie glücklich?« fragte er leise.

»Ja, o ja, ich bin glücklich verheiratet - das meinen Sie doch, nicht wahr? Ich bin sehr ... Jonny, war es schrecklich? Ich habe immer an Sie gedacht, obwohl ich nicht geschrieben habe. Nachdem ... Hat es Sie sehr gekränkt, Jonny?«

»In Dartmoor darf man alles sein - nur nicht gefühlvoll. Sind Sie glücklich?«

Sie sah ihm nicht in die Augen.

»Sie stellen diese Frage zum zweitenmal in einer Minute. Wäre es nicht häßlich, wenn ich ja sagen würde? Wollen Sie nicht Jeffrey kennenlernen?«

»Natürlich will ich das.«

Er wandte sich Jeff Legge zu.

»Ich möchte dich mit Captain Gray bekannt machen -ein sehr alter Freund von mir«, sagte sie stockend.

Legge ergriff seine Hand.

»Ich freue mich, Sie kennenzulernen, Captain Gray. Es war nett von Ihnen, zu kommen. Meine Frau hat oft von Ihnen gesprochen.«

Er legte seinen Arm um Marney, ohne Jonny aus den Augen zu lassen. Er wollte beiden weh tun. Sie stand unbeweglich starr, blaß und gespannt.

Sie wußte alles! Dieser Gedanke traf Gray wie ein Schlag. Sie wußte, daß dieser Mann ein Schurke und Betrüger war. Sie kannte den Streich, der ihrem Vater gespielt worden war!

Peter Kane brach das peinliche Schweigen.

»Jonny, das ist der beste Junge für meine Tochter! Du mußt ihn näher kennenlernen. Ich will, daß du dich überzeugst .«

Jeff Legge lachte.

»Mr. Kane, Sie machen mich furchtbar verlegen. Ich bin bei weitem nicht gut genug für sie -.«

Er beugte sich ihr zu und küßte sie.

Marney riß sich los.

»Ich glaube, das macht Jonny gar keinen Spaß, Papa!«

Ihre Stimme zitterte. Sie war den Tränen nahe.

»Ich verliere nicht so leicht meine gute Laune. - Sie sind Kanadier, Major Floyd?« fragte Jonny.

»Ja - französischer Herkunft, wenn auch mein Name das nicht vermuten läßt. Meine Vorfahren gingen in den sechziger Jahren hinüber - nach Alberta und Saskatchewan, lange bevor es dort eine Bahn gab. - Sie sollten nach Kanada gehen, es würde Ihnen gefallen.«

»Davon bin ich überzeugt. Entschuldigen Sie meine Freiheit, Major Floyd, Sie haben ein sehr nettes Mädchen geheiratet.« »Das beste von der Welt.«

Barney kam und meldete, daß der Fotograf die Herrschaften erwarte. Peter reichte seiner Tochter den Arm.