13. Kapitel

Eine Zeit läuft ab

Diamon kam zu sich, er hielt sich seine Wunde in der Brust, während Nomaid sich bereitmachte für den nächsten erbitterten Angriff.

Sour zog seine, nach außen gebogenen, Klingen und wetzte sie aneinander. Nomaid lächelte hinterlistig und wetzte seine Lichtklinge, ein Kurzschwert, was hell aufleuchtete und dessen Griff mit Topasen besetzt war.

Sour und Nomaid stürzten aufeinander los und ich hörte, wie die Klingen, mit lautem Getöse, sich trafen. Ich drehte mich wieder zu Diamon und hielt seinen Kopf hoch.

„Meine … Tasche …, gib sie mir …!“

Ich sah mich um und erblickte die Tasche neben seinem Kelpie, ich öffnete sie und gab sie Diamon. Er kramte mit der rechten Hand nach irgendwas. Schließlich nahm er eine kleine Schatulle heraus und öffnete sie, eine Sanduhr kam zum Vorschein. Doch deren Sand lief schneller als gewöhnlich ab, er glitzerte silbern.

Diamon öffnete den Deckel und nahm vom oberen Teil der Sanduhr eine Handvoll silbernen Sandes heraus und verschloss sie wieder. Er streute den Sand auf seine verwundete Brust. Zusehends verschloss sich die Wunde und nur noch eine silberne Narbe glänzte an der Stelle.

Ich blickte ihn fragend an.

„Das erkläre ich dir später!“

Ich nickte, dann legte ich meinen Zeigefinger und Daumen an meine Lippen. Ein schriller Pfiff entwich und ein erdbebenartiger Krach schloss sich an. Mein Tigrex kam angetrampelt mit lautem Gebrüll. Er breitete seine Hautlappen unter seinen Klauen aus, dabei fauchte er gefährlich.

Währenddessen kämpften Sour und Nomaid miteinander. Sour hatte es sehr schwer, mit Nomaid mitzuhalten, eben wollte er einem der vielen Hiebe ausweichen und wurde dabei am Rücken erwischt. Ein blutiger, tiefer Schnitt zeichnete Sours Rücken, er atmete schwer.

Nomaid stürmte heran und sprang in die Höhe, Sour sprang drei Schritte zurück und Nomaid krachte zu Boden. Zurück blieb ein tiefes Loch, wo er gelandet war.

Diamon erhob sich ächzend und zog sein gewaltiges Schwert, an dessen Griff ein Totenschädel prangte. Seine Klinge war kurz unter dem Griff gespalten und verlief sich in zwei Zacken. Diamon sprang zwischen Sour und Nomaid und verteidigte seinen Gefährten.

Ich gesellte mich zu Sour, zeigte vorher aber meinem Tigrex, dass dieser Diamon helfen sollte. Energisch schnappte er nach Nomaid, doch er war viel zu flink und wendig, er wich jedem Angriff des Tigrex aus und grinste hämisch. Er blies jäh in ein blaues Horn. Ein dumpfer Klang ertönte, aber es passierte nichts. Und so sehr sich Diamon auch mühte, er traf seinen Gegner nicht.

Plötzlich verspürten wir einen kräftigen Windhauch und ein großes grünes, vogelartiges Monster landete vor Diamon. Schnell kramte ich in der Tasche nach dem Buch, von einem Mengopeco war dort die Rede.

Das Mengopeco kann das Gebrüll vieler Arten nachahmen und sie damit zu Hilfe rufen. Der Schnabel des Mengopeco ist eher rund geformt, wie ein Horn, die Brust ist rot und er kann sich aufblähen.

Der Mengopeco sprang von rechts nach links und flatterte wie verrückt. Diamon schaute verblüfft und wusste gar nicht, wie ihm geschah, als das Monster ihn mit den Klauen an den Flügeln wegstieß. Diamon machte eine Rolle rückwärts und ließ sein Schwert über den Boden gleiten.

Nun holte er aus seiner glänzenden Rüstung einen kleinen runden Metallball. Ein Druck in dessen Mitte – und dieser schlug auf wie ein Fächer und formte sich zu einem stabilen Schild. Diesen hielt er sich vor die Brust und harrte der nächsten Reaktion des Mengopecos.

Ich legte derweil ein großes Blatt auf den Rücken von Sour, der schmerzlich aufschrie. Plötzlich brüllte der Mengopeco zum Himmel, mit lautem, grölendem Klang, welchen ich wohl kannte. Plötzlich donnerte es zurück, ich blickte zum Himmel und sah einen männlichen Wyram, welcher sich im Sturzflug befand. Ich bedeutete meinem Tigrex, sich direkt in die Flugbahn des Wyram zu stellen.

Dieser warf sich auf meinen Tigrex, der jedoch dem Angreifer standhielt. Diamon blickte derweil zu Nomaid, welcher sich auf seinen Mengopeco gesetzt hatte und seine Klinge in der Hand drehte.

Diamon setzte sich auf seinen Kelpie und beide ritten aufeinander zu. Ich schloss meine Augen, plötzlich vernahm ich ein dumpfes Geräusch, beide waren aufeinandergeprallt.

Sour malte ein Zeichen auf den Boden, doch dieses Mal war es nicht rund wie sonst. Ein sichelförmiger Mond war entstanden, in welchen er etwas in einer für mich unverständlichen Sprache schrieb. Dann schlug er eine seiner Sichelklingen in die Zeichnung. Diese fing an zu leuchten und aus der Erde kam ein Monster gestiegen.

Es war ein riesengroßer blauer Löwe mit Drachenflügeln und einer emporragenden Stirn, geformt wie eine Hornplatte. Sein Schweif war gezackt und die Haut eher schuppig. Das Löwenmonster brüllte laut auf und stürzte sich ebenfalls auf den Wyram.

Der Wyram blickte zum Löwenmonster und spie Feuer in dessen Richtung, doch der Löwe wich aus und mein Tigrex sprang auf des Wyram Rücken und biss sich in dessen Nacken fest. Der Wyram brüllte laut auf und schüttelte sich, der Löwe biss in dessen Kehle und zwang ihn zu Boden. Der zappelte da und schnappte immer wieder nach meinem Tigrex.

Dieser riss am linken Flügel des Wyram, worauf der Löwe fester in die Kehle biss. Plötzlich knackte es laut, der Löwe hatte seinem Gegner den Hals durchgebissen hatte.

Regungslos lag der Wyram da, der Löwe brüllte fürchterlich und rannte auf Sour zu. Der zog einen kleinen Dolch aus seiner Seitentasche und ritzte in das Monster eine kleine Wunde. Er nahm von dem Blut und ließ es seinen Rücken hinunterlaufen. Seine Wunde heilte in Windeseile und er kam wieder zu Kräften, liebevoll streichelte er den Löwen.

„Danke, Lunara!“

Ich lächelte erleichtert und blätterte eilig im Buch.

Der Lunaro ist ein in Vulkanen und Wüsten lebender Drachenältester. Er stößt ein entflammbares Pulver aus und verteilt es mit seinen Flügeln, bevor er es entzündet. So erlegt er seine Beute. Das Männchen ist rot, während das Weibchen, Lunara genannt, leuchtend blau gefärbt ist. Beide sind immer nur Nachts unterwegs und wenn der Vollmond hell leuchtet paaren sie sich nur.

Ich blickte auf und zu Diamon hinüber, welcher immer noch verbittert mit Nomaid kämpfte. Ich stieg auf meinen Tigrex und wir näherten uns den beiden. Ich befahl ihm, er sollte den Mengopeco angreifen. Er nahm Anlauf und schnappte nach ihm, dieser taumelte und wich aus und schnappte zurück.

Während der Mengopeco den Hals streckte, schlug Diamon zu und durchtrennte ihn mit einem sauberen Schnitt.

Nomaid sprang ab, als der Torso des Mengopeco zu Boden stürzte und das Blut in die Umgebung spritzte, der Kopf landete ein paar Meter weiter hinten. Diamon stand jetzt Nomaid direkt gegenüber. Er stieg von seinem Kelpie ab und hielt sein Schild vor seine Brust.

„Morael ist nicht dein Vater! Deine Mutter hieß Helena und war eine weiße Fee und dein Vater … bin ich. Was meinst du sonst, woher du deinen Namen und deine Flügel hast?“

„Lügner, Lügner, du bist ein elender Lügner!“, schrie Nomaid.

„Lies mal deinen Namen rückwärts!“, forderte Diamon ihn auf. Nomaid überlegte einen Augenblick, dann sprang er mit einem Satz auf Diamon zu. Diamon hielt ihm sein Schwert entgegen, ich schloss ängstlich die Augen. Plötzlich vernahm ich ein Keuchen und öffnete sie wieder … Diamons Klinge hatte Nomaids Brust durchstoßen.

Dieser blickte traurig zu seinem Vater und streckte die Hand nach ihm aus, doch er erreichte Diamon nicht mehr.

„Vater …“, hauchte er nur noch. Ein letzter Atemzug streifte über Diamons entsetztes Gesicht, dann wurde es still. Diamon ließ Nomaids Leib zu Boden gleiten und fiel vor ihm auf die Knie.

„Nein …, Morael! Was hast du ihm angetan?“, brüllte er in den Himmel. Dann fing er an, laut zu weinen, und brach über seinem toten Sohn zusammen.

Ich klammerte mich an Sour und selbst Melek, auf Sours Schulter, blickte betrübt.

Als einige Zeit verstrichen war, gesellte ich mich zu Diamon und legte meine Hand auf seine kalte Schulter. Er drehte sich zu mir und nahm mich zum ersten Mal in den Arm. Er weinte bitterlich, nun hatte er wirklich alles und jeden verloren.

Diamon tat mir unendlich leid, so versuchte ich, ihn auf andere Gedanken zu bringen.

„Was war das für eine Sanduhr?“

„Meine Lebenssanduhr“, erwiderte er, „wenn der Sand durchgelaufen ist, muss ich sterben. Je mehr Sand ich also aus dieser Uhr hole, desto weniger kann hindurchrieseln. Das heißt, desto eher muss ich sterben. Wenn ich nahe am Tod bin oder mich mit dem Sand heile, läuft die Uhr schneller ab. Du weißt ja, dass mich diese Lichtklingen umbringen können. Mir bleibt nicht mehr viel Zeit …“

Ich blickte ihn erschrocken an und Tränen rollten über mein Gesicht.

„Wie viel Zeit bleibt dir denn noch?“

„Fünf Tage …“, antwortete Diamon matt.