VIER

ALS SICH DIE DUNKELHEIT ÜBER DAS LAND SENKTE, erwachten die Lebensgeister von Scott und Wanst. Zumindest die von Scotty-Boy. Wanst fühlte sich plötzlich nicht mehr so gut …

Ein wenig später hatten sie eine größere Drogenlieferung zu erledigen. Sie sollten eine Ladung Ware abholen – in diesem Fall pures, destilliertes PCP, das zu »Flake« verarbeitet werden sollte – und sie an einem der Hauptumschlagplätze kurz hinter Lockwood abliefern. Es war ihr größter Auftrag bisher und zugleich ihr lukrativster.

Normalerweise wäre Wanst bei der Aussicht auf einen solchen Batzen Geld für eine überschaubare Portion Arbeit ziemlich aufgekratzt gewesen. Aber …

Er steuerte den großen Pick-up sicher die Landstraße entlang, aus der Stadt heraus, doch seine Selbstsicherheit war gespielt, obwohl er angestrengt versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Irgendwas Übles liegt in der Luft diese Nacht, schossen ihm verworrene Gedanken durch den Kopf. Und er war sich sicher, dass es nichts mit ihrer Drogenlieferung später zu tun hatte.

Sie wurden erst in ein paar Stunden erwartet. Anders gesagt: Sie mussten noch einiges an Zeit totschlagen und Wanst wusste nur zu gut, wie Scotty-Boy bevorzugt Zeit und andere Dinge totschlug.

»Hey, Scotty-Boy? Was meinst’, machen wir heut mal was anderes, weil wir ja die Lieferung haben?«

Scott Tuckton fläzte zurückgelehnt auf der großen Sitzbank und trank Red White & Blue in großen Schlucken. Es war eine warme, milde Nacht und alles schien perfekt. Ein hoch am Himmel stehender, heller Mond. Kaltes Bier. Die Grillen zirpten. Warme Luft strömte durchs offene Fenster, während Elvis im Radio »Blue Moon« schmalzte.

Eine perfekte Nacht, mit anderen Worten, um zu töten.

»Was meinst’ mit was anderem?«, fragte Scotty-Boy und strich über seine Koteletten. »Wir reißen erst mal eine auf, oder nich’?«

»Äh …«, erwiderte Wanst und lenkte den Wagen um die nächste Kurve. »Wie wär’s, wir geh’n ins Sallee’s? Schau’n uns ’n paar Titten und Ärsche an.«

»Scheeeeeeiße«, entgegnete Scott. »Warum nur glotzen – in ’ner Tittenbar – wenn wir uns die guten Stücke direkt vor die Nase holen können?«

»Na gut, dann könn’ wir vielleicht ’n paar Nutten bestellen, ja? Im Sallee’s gibt’s Nutten. Oder wir hol’n uns welche im Crossroads. Könn’ wir uns ja leisten, besonders mit den Scheinchen, die wir für die Lieferung kriegen. Könn’ uns ’ne Menge Mädchen leisten.«

Scotty-Boy starrte ihn mit offenem Mund an. »Scheeeeeeiße«, wiederholte er mit der ihm eigenen Eloquenz. »Sich’s leisten könn’ is’ nich’ der Punkt, Wanstler. Wir sind Aufreißer, Mann. Wir zahlen nich’ dafür. Wir wer’n heut Nacht Spaß haben, klar, und wenn du vor der Lieferung noch ’n paar Barnutten klarmachen wills’, dann is’ das prima. Wir gabeln sie auf, besorgen’s ihnen, dann kriegen sie eins drauf und wir nehmen ihre Scheinchen, wie immer. Weiß nich’, wie’s dir geht, aber ich hab gewaltig Lust zu vögeln, aber es wird in der Hölle schnei’n, bevor ich dafür bezahle. Tatsache is’, hätt’ auch Lust auf ’nen richtigen Aufriss, wie ’ner Nutte den Schädel mit meiner Picke einschlagen, oder wie damals das eine Mal bei Nalesville. Weiß’ noch, Wanst? Als wir die Kleine klargemacht haben, die mit dem richtig tollen, langen, dunklen Haar bis über den Arsch?«

Wanst erinnerte sich gut, keine Frage. Sie hatten in der Nacht ebenfalls die Zeit vor einer Lieferung totgeschlagen, und da war diese scharfe Brünette gewesen; sie trampte auf der Old Governor’s Bridge Road. Wanst hatte ihr ins Gesicht gewichst, während Scotty-Boy sie im Dreck von hinten nahm und ihr dann in den Arsch pisste, nachdem er abgespritzt hatte. Sie besaß einen prächtigen, richtig hübschen Körper, aber der blieb nicht lange so. Denn, sehen Sie, sie hatte auch verdammt lange Haare, genau wie Scott sagte. Lange, glatte, dunkle Haare bis über den Arsch. Also hatten sie ihr die an die Anhängerkupplung des Trucks gebunden und waren die St. Stephen’s Church Road mit gut 100 Sachen runtergeheizt. War nicht mehr viel von ihr übrig, als sie mit ihr fertig waren. Was Scotty-Boy natürlich nicht davon abhielt, es noch mal mit ihr zu treiben, bevor sie die Leiche auf der stinkenden Deponie in Millersville abluden …

Was zum Aufreißen gab es praktisch überall, wo sich Anhalterinnen, Barnutten und ihresgleichen herumtrieben. Doch Wanst und Scotty-Boy gingen niemals in Crick City auf Tour, ihrer Heimatstadt, denn Crick City hatte, im Gegensatz zu den meisten anderen Käffern entlang der Landstraße, ein eigenes Polizeirevier und einen eisenharten Chief, mit dem Wanst und Scott sich lieber nicht anlegen wollten. Außerdem wollten sie lieber keine Huren im Krazee Sallee’s ausnehmen, denn Krazee Sallee’s, hatten sie gehört, gehörte einem großen, hässlichen Kerl namens Natter.

Nun war Wanst diesem Natter-Typen zwar nie begegnet, doch es hieß, dass auch er jemand war, dem man besser nicht in die Quere kam. Aber das war nicht das Problem, dass Wanst beschäftigte, während er den Pick-up steuerte. Es gab einige andere, eins davon waren Krankheiten. Wanst selbst wichste mindestens einmal am Tag und während einer schönen Aufrisstour gleich mehrmals. Es war nicht so, das Wanst das Gefühl seiner eigenen Hand den Mädchen vorzog – er wollte sich nur keine Krankheiten einfangen, wo doch die Sackratten inzwischen so groß waren wie die Krabben, welche die Bootsleute aus der Bucht fischten; und dann gab’s noch diese Penicillin-resistente Gonorrhö oder die neue Syphilis-Variante, von der man sich erzählte, die einem Eiterbeulen groß wie Walnüsse auf dem Pimmel bescherte; und natürlich AIDS.

Diese Überlegungen schienen vernünftig und naheliegend in diesen Tagen, doch Scotty-Boy schien das nicht die Bohne zu interessieren. »Ach, all das Geschrei von wegen AIDS, ist doch alles aufgeblasen, das. Weiß doch jeder, dass du das nur kriegst, wenn du ’ne Schwuchtel oder ’n Junkie bist. Tatsache is’, ich hab neulich erst im Enquirer was drüber gelesen. Da stand, die Army hat AIDS erfunden, um all die Arschficker und Süchtigen loszuwerden, weil die ja zu nix gut sind heutzutage und nich’ arbeiten oder Steuern zahlen oder ’nen Beitrag zur Gesellschaft leisten.«

»Aber Scotty-Boy«, wandte Wanst ein. »Nur weil wir keine Schwuchteln sind oder Drogen nehmen, heißt das ja nicht, dass wir das nich’ von ’ner Schnecke kriegen könn’, die mit so ’nem Typen rumgemacht hat. Laufen ja ’ne Menge von diesen Bisexuellen rum heutzutage.«

»Ach, Wanst, das is’ doch nur ’ne Menge Pferdescheiße«, gab Scott zurück. »Wär ein trauriger Tag, an dem ein echter Mann sich ’nen Killervirus einfängt, wenn er mit ’ner Frau mal richtig Liebe macht.«

Manchmal konnte Scotty-Boy der mit Abstand saudümmste Kerl sein, der jemals auf Erden gewandelt war, doch Wanst hielt lieber die Klappe. Wanst selbst war sicher kein Paradebeispiel für Moral und christliche Nächstenliebe. Er würde ’nem anderen Kerl jeden Tag für ’nen Zehner die Kehle aufschlitzen. Er würde, ohne eine Sekunde zu zögern, einer Fotze was über den Schädel ziehen und auf ihre Euter wichsen. Und für Schneedealer den Kurier machen war auch kein Problem für ihn. Wenn sie es nicht taten, dann machte es eben jemand anders. Aber er verfügte über eine Eigenschaft, mit der Scott »Scotty-Boy« Tuckton nicht gesegnet war, und das war etwas, das man gesunden Menschenverstand nannte.

Scotty-Boy gab auf kaum etwas auch nur einen feuchten Furz. Es war, als hielte er sich für unbesiegbar. Er kümmerte sich nicht um Herpes oder AIDS. Es scherte ihn nicht, dass man sie vielleicht eines Tages bei ’nem Aufriss sehen und an die Bullen verpfeifen könnte, oder dass die Bullen sie vielleicht mal bei einer Drogenfahrt hochnahmen. Und nicht mal einen leisen Furz gab er darauf, dass ihnen noch etwas viel Schlimmeres passieren konnte, wenn sie so weitermachten wie jetzt …

Früher oder später suchen wir uns die Falschen für ’nen Aufriss aus, dachte Wanst düster.

Es konnte passieren, sicher. Eines Tages raubten sie vielleicht einen Betrunkenen mit ihren Schlagringen aus und der Typ ließ ein Messer aufblitzen. Oder wenn sie das nächste Mal ’ne Bardame aufrissen, nun, was würde die davon abhalten, eine von diesen »Saturday Night Specials« aus der Tasche zu kramen und ihn und Scotty-Boy mit 25ern vollzupumpen? Wanst wollte bestimmt nicht im Staatsknast landen – nein, Sir – wo ein Kerl nicht mal ’ne Dusche nehmen konnte, ohne dass ein Haufen größerer Kerle ihn in den Arsch fickte oder ihn auf die Knie zwang, um fünf bis zehn Typen in Serie einen zu blasen. Ebenso wenig wollte Wanst mitten in der Nacht auf irgendeinem Parkplatz enden, schreiend wie ein abgestochenes Schwein, die Därme voller Einstiche oder Hohlmantelgeschosse. Nur ein Fehler, dann würden ein paar wirklich schöne Zeiten ihr jähes Ende finden …

Und genau jetzt, in eben dieser Minute, als sie im großen Pick-up die Old Dunwich Road entlangfuhren, wanderten Wansts Gedanken heimwärts. Mit einem Mal verspürte er dieses wirklich tiefe, krankhafte Gefühl ganz unten in seinen Eingeweiden, und das war entweder ein höchst ironischer Wink des Schicksals oder eine schreckliche Vorahnung, wenn man bedachte, was mit den beiden geschehen würde.

Phils Boss bei der Security-Firma ließ ihn ziehen, ohne auf eine Kündigungsfrist zu pochen, was er ziemlich rücksichtsvoll fand; Phil hatte genug Zeit auf das Bewachen von Stoffballen und Garnrollen verschwendet. Den restlichen Abend verbrachte er damit, seine Sachen in seinem neuen Zimmer in Old Lady Cranes Gästehaus auszupacken. Der Umzug war kein großer Aufwand gewesen: Er hatte einen Lastwagen für seine Möbel angemietet und den Rest sorgfältig in Kartons verpackt. Dann war er unterwegs, raus aus der lebhaften Großstadt, in der er die letzten zehn Jahre seines Lebens verbracht hatte.

Wieder zurück nach Crick City.

Das Zimmer war nicht gerade der Buckingham Palace, würde es aber fürs Erste tun. Der Rest seines Gesprächs mit Mullins früher am Tag hatte sich auf das Geschäftliche konzentriert. Sie hatten noch ein paar letzte Details geklärt.

»Cody Natter dealt mit PCP?«, fragte er ungläubig. »In Crick City?«

»Richtig«, sagte Mullins. »Und darum brauch ich dich, denn du besitzt Erfahrung. Außerdem hab ich keinen anderen.«

Bei diesem Kommentar fühlte Phil sich nicht unbedingt wie der Polizist des Jahres, aber er verstand Mullins’ Argumentation. »Was ist mit meinem Ruf bei der Metro?«, fragte er.

»Du hast gekündigt, bist niemals angeklagt worden. Ist mir scheißegal, was da in deiner Akte steht. Erschieß nur keine Kinder mehr mit Quad-Munition.«

»Moment mal, Chief.« Phil fühlte sich verpflichtet, das zu kommentieren. »Lassen Sie uns eines klarstellen: Ich habe niemals irgendwen mit Quads oder anderer illegaler Munition erschossen. Das wurde mir angehängt. Ein Typ namens Dignazio hat mich reingelegt, weil er meinen Job wollte. Zur Hölle, die einzigen Kugeln, die ich verschossen habe, hab ich über den Kopf des Jungen gefeuert. Dignazio hat den Jungen erschossen und es hinterher so aussehen lassen, als wäre ich’s gewesen.«

»Ja, sicher«, sagte Mullins schnell. »Wie auch immer.«

»Sie glauben mir nicht, oder?«

»Aber natürlich glaube ich dir«, sagte der Chief lächelnd. »Und selbst, wenn du’s getan hättest, wär’s mir egal. Was denn, soll es mich wirklich jucken, dass du irgendein degeneriertes Gettokid umgepustet hast, das für ’n Drogenlabor Schmiere stand? Wenn du mich fragst, hätten sie dir ’nen Orden verpassen sollen. Ich weiß nur, dass Cody Natter denselben Stoff in meiner Stadt verkauft. Und wenn ich mich nicht darum kümmere, dann stempeln wir beide bald die Uhr in der Bettlakenfabrik. Also willst du den Job, oder nicht?«

»Ja«, sagte Phil, ohne auch nur eine Sekunde nachzudenken. Eigentlich gab es auch nichts, worüber er nachdenken musste. Das mickrige Gehalt, das er hier verdiente, war immer noch höher als das eines Wachmanns, und er würde zumindest wieder als Cop arbeiten.

Doch es war weniger der Job als die erwähnte Krise, die den Ausschlag für seine Entscheidung gegeben hatte. Phil hatte ein großes Problem mit Drogen. In der Großstadt hatte er gesehen, was das Zeug bei den Leuten anrichtete und aus ihren Körpern, ihrem Verstand, ja, ihrem gesamten Leben machte. Es war das Böse in reinster Form, schlimmer als er es sich je vorgestellt hatte. Mein Gott, diese skrupellosen Mistkerle verkauften den Stoff an Sechsjährige auf dem Spielplatz. Je jünger sie waren, desto besser, denn dann konnten sie die Kinder Schnapsläden ausrauben oder sie auf der Straße anschaffen lassen.

Es war ein Geschäft, das die ständige Abhängigkeit zementierte, und die verdammten Gerichte machten sich in aller Regel mehr Sorgen um die Rechte der Dealer als um die unschuldigen Leben, die sie zerstörten. Crack, Heroin, PCP – die Art der Droge war egal. Sie waren alle unterschiedlich und doch alle gleich. Teil derselben Maschinerie, welche die Schwächen der Menschen ausnutzte und sie aussaugte, bis nichts mehr von ihnen übrig war. PCP ganz besonders. Sie verschnitten das Zeug mit industriellen Lösungsmitteln, um es billiger zu produzieren. Jeder Zug verursachte Hirnschäden, trieb einen dem Wahnsinn ein Stück weiter in die Arme. Phil dachte sich, wenn es überhaupt ein sinnvolles Ziel in seinem Leben gab, dann war es, einen dieser bösartigen Hurensöhne auf ewig in den Knast zu schicken. Und hier saß Mullins und bot ihm dafür eine zweite Chance …

»Ja«, wiederholte Phil. »Ich nehme den Job. Wann soll ich anfangen?«

»Sofort«, sagte Mullins und schüttete einen weiteren Schluck von dem ekelhaften Kaffee in seine NRA-Tasse.

»Chief, ich kann diesen Security-Job nicht einfach von jetzt auf gleich hinschmeißen. Ich muss meinem Boss Bescheid geben.«

»Scheiß auf ihn. Ich bin jetzt dein Boss. Sag ihm, er soll sich ’nen anderen Schimpansen für diesen Schwanzlosenjob suchen. Ich brauch dich hier dringender als er einen Aufpasser für sein Garn.«

»Gut, aber meine Wohnung ist 40 Meilen weg. Sie müssen mir schon Zeit geben, damit ich mir was in der Nähe suchen kann.«

»Ich hab schon was für dich gefunden. Old Lady Crane, kennst du die noch? Die alte Schachtel hat immer noch dieses abgeranzte Gästehaus draußen an der Landstraße und ich habe dort ein Zimmer für dich reservieren lassen. 35 Mücken pro Woche. Meinst du, die kannst du abknapsen, Playboy? Die erste Monatsmiete hab ich schon bezahlt. Also hör auf zu palavern und raus mit dir. Geh und lad das Stück Scheiße, das du Auto nennst, voll und zieh noch heute Abend ein. Ich setz dich in die Nachtschicht von acht bis acht, und ich zahl dir sogar für jede Minute jenseits der 40 Stunden was drauf, bis ich ein paar Leute mehr angeheuert habe.«

Phil fühlte sich völlig überrumpelt. »Chief, das geht alles viel zu schnell, oder? Zuerst mal brauch ich die Freigabe von der staatlichen Ausbildungsakademie, ist das nicht so?«

»’ne Freigabe hast du schon durch die Metro.«

»Ich brauche Uniformen, ich brauch eine Waffe, ich …«

Mullins deutete in eine Ecke des Raums. »Siehst du die große Kiste, die da steht? Da sind deine Uniformen drin. Und siehst du die kleine Kiste, die oben draufsteht? Das ist dein Dienstrevolver.« Mullins holte etwas aus seiner Schreibtischschublade. »Und siehst du diese klitzekleine Kiste hier?«

Phil nahm das kleine Kästchen aus Mullins’ Hand entgegen, öffnete es und holte den Inhalt hervor:

Ein brandneues Polizeiabzeichen.

»Da ist deine verdammte Blechmarke«, schloss Mullins. »Du bist wieder ein großer, böser Bulle. Wir schicken der Staatsbehörde gleich morgen deine neuen Unterlagen. Das Einzige, was ich noch brauche, ist ein Passfoto von dir für deinen Dienstausweis, dann bist du einsatzbereit.«

»Jesses, Chief.« Die Marke glänzte in Phils Hand wie hochkarätiges Gold.

»Jetzt schieb deinen Arsch hier raus und sieh zu, dass du deinen Scheiß herschaffst«, forderte Mullins, während er unbewusst in einem Pornokalender vom Vorjahr blätterte. »Siehst du nicht, dass ich zu tun habe?«

Phil hievte sich die Kartons auf die Schulter und ging zur Tür. »Okay, Chief. Bis morgen.«

»Klar. Oh, eine Sache noch.«

Phil drehte sich um.

Mullins’ Schnurrbart zuckte lächelnd. »Gut, Sie wieder bei uns zu haben … Sergeant Straker.«

Sergeant Straker ... Die Worte drifteten durch den Raum. Jetzt starrte er aus dem Fenster des winzigen Zimmers in Old Lady Cranes Gästehaus, das so unvermittelt zu seinem neuen Zuhause geworden war. Jawoll, Sergeant Straker, zurück im Streifendienst …

Was er draußen sah, war gewöhnungsbedürftig – Bäume, Felder und Hügel anstelle von Wolkenkratzern und Verkehr. Das Zirpen der Grillen ersetzte das übliche Sirenengeheul. Pinienduft statt Smog strömte ihm in die Nase. Crick City war zu Bett gegangen und die Nacht erblühte mit einer Art von Schönheit, von der er vergessen hatte, dass es sie gab. Vielleicht wird das hier gar nicht so schlimm, überlegte er.

Oder war das nur Wunschdenken?

Denn als Phil einschlief, träumte er …

Er träumte von seiner Kindheit.

Und den nebelhaften, halb-erinnerten Schrecken im Haus.

Früher oder später, dachte Wanst, werden wir uns mit den Falschen anlegen …

Scotty-Boy zerdrückte seine Bierdose, schleuderte sie aus dem Fenster und riss sofort die nächste auf. Sie schafften eine ganze Palette in einer Nacht, kein Problem bei gesunder Leber und guter jugendlicher Konstitution. Doch Wanst nuckelte immer noch an seinem ersten Bier.

»Was’n los mit dir?«, fragte Scott. Er war niemand, den es kalt ließ, wenn sein einziger Aufreißerkumpel Anzeichen von geistiger Unruhe zeigte. »Siehst aus, als würde dir irgendein Scheiß zu schaffen machen.«

»Ach, is’ nichts. Fühl mich nur was unwohl, das’ alles.«

»Na, da wer’n wir schnell was gegen tun könn’, wirst sehen. Zwei üble Aufreißer wie wir, wir haben’s drauf, klar? Gutes Bier, ’n gutes Paar Räder auf der Straße, und später wird jeder von uns ’nen dicken Batzen Bares in der Tasche haben, wenn wir mit dem Job durch sind. Jawoll, Mann. Wir haben’s fein raus.«

»Äh, klar«, entgegnete Wanst wenig enthusiastisch. Doch dann entschied er, dass es nicht schaden könne, seinen Gefühlen Luft zu machen. Er hatte ein komisches Gefühl heute Nacht, ein wirklich schlechtes Gefühl. »Aber ich hab nachgedacht, Scotty-Boy. Dass wir früher oder später beim Aufreißen an die Falschen geraten.«

»Scheeeeeiße«, rief Scotty-Boy. »Klar, und hätten Würmer Knarren, würden Vögel sich nich’ mit ihnen anlegen. Gibt niemand auf unserer guten alten Erde, der’s mit uns aufnehm’ kann. Wir sind üble Aufreißer, Wanst. Gibt kein’, der uns was kann. Warte – ich zeig’s dir! Schau dir das mal an!« Scotty-Boy zückte den riesigen Webley-Revolver seines Vaters und entsicherte den Ballermann.

Scotty-Boy lachte, schlürfte sein Bier und rieb sich hin und wieder den Schritt, da ihn der bloße Gedanke ans Töten ebenso scharf machte wie der Anblick einer heißen nackten Schnecke oder eines schön großen Paars wackelnder Glocken. Doch Wanst hatte immer noch dieses tiefsitzende, kranke Gefühl in der Bauchgegend. Das Gefühl wurde stärker und unangenehmer, je weiter sie fuhren. Der Mond über den Bäumen zog gemeinsam mit ihnen die Straße entlang, nicht ganz voll und seltsam gefärbt. Keine Wolke war am Himmel zu sehen, nur ein riesiger Haufen glitzernder Sterne. Je länger Wanst zu den Sternen hinaufstarrte, desto mieser fühlte er sich.

Ihm war heute einfach nicht danach, jemanden umzubringen.

»Scotty-Boy, schau mal, mir is’ einfach nicht nach ’nem Aufriss gerade. Ich mein’, wir haben gleich ’nen Job zu erledigen. Also warum machen wir nich’ was Schnelles, wie ’n paar Nutten kaufen oder so was?«

»Weil, Wanst, wie ich schon sagte, das kein’ Spaß macht. Das wär wie ’n Alkoholfreies trinken anstatt richtigem Bier, wie wir’s immer tun«, erklärte Scott und öffnete die nächste Dose. »Macht kein’ Spaß, wenn’s nich’ richtig kranker Scheiß is’, verstehste? Und warum Zeit verschwenden? Wir sind mit dem Job noch lang nicht dran, also machen wir uns ’ne gute Zeit bis dahin.«

»Äh, klar«, antwortete Wanst. Er sah, dass es keinen Zweck hatte. Wenn Scott »Scotty-Boy« Tuckton sich erst mal auf etwas festgelegt hatte, war er nicht mehr umzustimmen. Und was Scott mit richtig krankem Scheiß meinte, das war seine übliche Art von Aufriss, die irre, dreckige Art, die er liebte. Das richtig wilde, unchristliche Zeug, wie damals, als sie diese alte Frau mit den Krücken aufgemischt hatten, oder das eine Mal letzten Sommer, als sie das Mädchen im Rollstuhl gesehen hatten, während sie auf den Behindertenbus wartete. Sie hatten einfach angehalten, die Kleine hinten in den Truck geworfen und waren dann zu ihrer Lieblingslichtung im Wald gefahren, wo Scott alle möglichen krassen Dinge mit ihr angestellt hatte, bevor er sie abmurkste. Das meinte Scott mit richtig krankem Scheiß. Das war’s, was ihm den größten Kick gab: das wirklich »perverse« Zeug.

Das brachte Wanst auf eine Idee.

Ja, pervers. So richtig böser und dreckiger kranker Scheiß …

Es war etwas, wovon er immer wieder gehörte hatte, seit er klein war. Etwas über die Creeker. Sein Vater erzählte ihm davon, wenn er betrunken war, also praktisch jeden Abend. Yep, Geschichten, dass es ein Haus tief im Wald gab, das den Creekern gehörte, wo sich ein Mann ’ne Creekerbraut kaufen konnte, und diese Creekerinnen – Wanst musste über sein eigenes Wortspiel grinsen – waren alle total abgefuckt und missgebildet und so. Das war ein Ort, so erzählte man sich, wo ein Kerl hingehen konnte, wenn er mal richtig kranken Scheiß erleben wollte. Klar, Wanst selbst hatte nur selten mal ’nen Creeker gesehen, und was diesen Creekerpuff anging, so wusste er nicht mal, ob es den wirklich gab. Vielleicht war das nur ’n Haufen Scheiße, den sein Alter ihm erzählte, um ihm Angst einzujagen, doch wenn Wanst Scotty-Boy dazu bringen könnte, danach zu suchen, würden sie heut’ Nacht niemand nicht umbringen müssen, und für Wanst hörte sich das absolut prima an, denn er hatte immer noch dieses echt schlechte Gefühl wegen dem Töten. Dieses Gefühl wuchs in seinem Bauch, wie damals, als er schlechten Eichhörnchenauflauf gegessen und sich zwei Wochen lang wie ein kranker Hund durch die Gegend geschleppt hatte. Also entschied sich Wanst, es zu versuchen:

»Sag mal, Scotty-Boy, weißt du, seit ich klein bin, hör’ ich immer so Geschichten über’n echt abgefahrenes Hurenhaus irgendwo draußen im Wald, aber dieses Hurenhaus is’ anders als ’n normales, denn man sagt, das wär ’n Creekerpuff, wo die Mädchen komisch geformte Köpfe haben und mehr Titten, als sie sollten und so ’n krankes Zeug. Ich wette, wenn wir das finden würden, könnten wir da ’ne echt wilde Zeit haben, so richtig kranken Scheiß erleben wie nie zuvor, meinst nich’?«

»Komm schon, Wanst«, tat Scott ab. »Ich hab die Geschichten auch gehört, seit ich ’n Junge war, und das is’ einfach nur Pferdescheiße. Ich hab in meinem ganzen Leben keine fünf Creeker gesehen, will ich wetten. Also hör auf, mir den Abend zu vermiesen. Da sind keine Creeker und du kannst einen drauf lassen, dass es kein’ Creekerpuff gibt.«

Die Idee war für’n Arsch, dachte Wanst. Er wusste nicht mal, wohin er eigentlich fuhr. Er kurvte nur eine Straße nach der anderen entlang, während Scotty-Boy ihren Biervorrat vernichtete. Der Mond folgte ihm, blitzte zwischen den wuchernden Bäumen hindurch wie ein blinzelndes Auge. Doch dann …

»Leck mich am Arsch«, flüsterte Scotty-Boy und beugte sich nach vorn. »Siehst du auch, was ich seh’, Wanst?«

Wanst sah sie deutlich. Ein Mädchen ging in ein paar echt zerlumpten Klamotten die Old Dunwich entlang, gerade so schnell ihre Beine sie trugen. Sie drehte sich nicht mal um, als der große Truck sich näherte. Sie trampte nicht, sondern spazierte nur, und es war irgendwie unheimlich, wie sie da entlanglief, mit diesem seltsam gefärbten Mond über ihr.

Scott kicherte. »Die schnappen wir uns.«

Wanst stöhnte innerlich auf und dieses üble Gefühl in seinem Magen wurde noch schlimmer. Er zog mit dem Truck vor sie und stoppte. Scotty-Boy sprang blitzschnell aus dem Wagen. Er verpasste ihr einen kräftigen Hieb mit seinem Schlagring, zog sie ebenso schnell in den Truck und Wanst trat aufs Gas. Es hatte vielleicht fünf Sekunden gedauert, das Mädchen von der Straße aufzusammeln.

»Ooooooh Baby«, rief Scott beglückt. »Ich hab’s doch gewusst, dass wir uns heut Abend ’ne Schlampe fangen würden.« Er stieß das halb bewusstlose Mädchen in den Fußraum, verpasste ihr ein paar Ohrfeigen und lachte, mittlerweile völlig aufgedreht. »Jaaa, Wanst, lass uns schnell von der Straße runter, denn wenn ich diese dürre Schlampe nicht bald ficke, platzt mir der Schwanz, weißt’?«

»Äh, klar«, murmelte Wanst. Ein Stück weiter erreichten sie eine Abzweigung, die sie früher schon einmal benutzt hatten. Scotty-Boy schaltete die Innenbeleuchtung an. »Werfen wir doch mal ’nen Blick drauf«, sagte er und zog das Mädchen zwischen ihnen hoch, während Wanst den Truck auf der mondbeschienenen Lichtung parkte. Das Mädchen war immer noch weggetreten von dem Hieb mit dem Schlagring; ihr Kopf rollte herum, als habe sie kein Genick. Doch sie bekamen was zu sehen, als Scott anfing, ihr die zerlumpten Kleider vom Leib zu reißen. Sie hatte einen ordentlichen Körper und ein Paar erstaunlich große Tüten für ein so dürres Ding. Dafür war ihr schwarzes Haar irgendwie schlaff und zerzaust und –

»Jesus!«, stieß Scotty-Boy hervor.

Wanst sah es auch. Dieses Mädel, das war irgendwie verdreht. So hatte sie etwa keinen Bauchnabel und sechs Finger an der linken Hand, aber gerade mal drei an der rechten. Und ihre Fotze war völlig unbehaart. Doch das war nicht der Grund für Scotts Aufschrei. Es war ihr Gesicht …

»Verdammt noch eins, Wanst. Glaubst du das?«

Dieses Mädchen … Ihr Gesicht sah irgendwie schief aus. Die Nase wirkte zerquetscht, das eine Ohr hing tiefer als das andere und ihre völlig verdreckten Haare lagen über einer seltsam gewölbten Stirn. Doch das Seltsamste waren ihre Augen.

»Schau dir diese Augen an«, flüsterte Scotty-Boy.

Sie waren wirklich groß, doch eines davon war klar größer als das andere und saß höher in ihrem Gesicht. Und beide Augen besaßen eine seltsame rötliche Färbung, beinahe wie Blut. Wanst hatte noch nie eine solche Augenfarbe bei einem Menschen gesehen.

»Wanst, das is’ mit Sicherheit die abgefuckteste Alte, die ich je gesehen hab«, bemerkte Scotty-Boy.

»Sie is’ ’ne Inzüchtige.«

»’ne was?«

»’ne Inzüchtige, Scotty-Boy. Wie was ich vorhin erzählt hab. Das hier is’ ’ne Creekerin.«

Scotty-Boys Gesicht verwandelte sich in ein Musterbeispiel für Faszination. »Weißt, ich hab noch nie einen von denen von nah gesehen. Wie werden die denn so verdreht?«

»Kromerzonen«, antwortete Wanst. »Mein Alter hat mir mal alles drüber erzählt. Wir alle hab’n diese Dinger in uns, Kromerzonen. Hat was mit Genen zu tun …«

»Du meinst, wie wenn du müde bis’?«

»Nee, Scotty-Boy, ich mein was anderes. So Gene sind echt empfindliche Dinger. Sieht so aus, dass diese sauarmen Familien, diese Hügelleute draußen im Busch, die treiben’s mit jedem, weißt’? Väter ficken ihre Töchter, als wär nix dabei, und Brüder ihre Schwestern, und die Mütter wer’n von ihren Söhnen geschwängert, immer wieder für ’ne lange Zeit. Und davon wer’n diese Gene und Kromerzonen total durcheinandergebracht und die Kinder komm’ ganz verdreht raus, so wie das Mädel hier. Und diese Leute nennt man Creeker.«

»Creeker«, murmelte Scott und betrachtete das Mädchen. »Is’ das nich’ geil?«

Das Mädchen begann sich zu regen und seltsame Laute auszustoßen, die wie »’ilufe, ’ilufe« klangen. Ihre großen roten Augen schienen zu starren, ohne viel wahrzunehmen. Wanst, ganz der große Gelehrte, erklärte: »Die meisten Creeker sind echt langsam im Kopf, weil ihr Gehirn auch total verdreht is’. Könn’ kaum sprechen, die meisten von denen, und die paar, die’s können, nuscheln nur, als hätten sie das Maul voll mit Brei. Weil’s Creeker sind, sind die auch so saudumm.«

Der Mund des Mädchens bewegte sich. Ihre roten Augen blinzelten heftig, während sie sprach. »Fres-hauter, komm-kein-Schmerz.«

»Wie war das, Kleines?«, spottete Scott. Er lachte schallend und schlug ihr ins Gesicht. »Was sagst du?«

»Fres-hauter«, sagte das Mädchen.

»Ja, die is’ dümmer als Scheiße, alles klar«, stellte Scotty-Boy fest und grinste im Schein der Wagenbeleuchtung. Er begann, sich seine Hose aufzuknöpfen. »Hat auch ’ne ordentlich große Fotze, oder nich’? Leck mich, aber ich werd gewaltig in ihr abspritzen, oh ja. Oder gleich ein paar Mal, faul, wie mein Schwanz in letzter Zeit war.«

Wanst fühlte sich noch beschissener. Er schätzte, dass dieses Creekermädchen schon genug Probleme hatte, aber er traute sich nicht, seinem Kumpel vorzuschlagen, dass er sie gehen lassen sollte. Scotty-Boys Absichten waren klar wie Kloßbrühe und wenn er ihm erst mal stand, dann bekam man ihn nicht mehr runter. Zur Hölle, Wanst hatte es ihn ein paar Mal mit ’nem Schaf treiben sehen, oben auf Millers Wiese, wenn sie keine Mädchen zum Aufreißen finden konnten. »Ein Fick ist ein Fick, Halleluja«, hatte er verkündet und losgelegt. Wanst tat das Schaf leid.

Und mit Sicherheit tat ihm dieses Mädchen hier leid. Scott warf sie auf den Rücken und musste nicht mal Hand anlegen, um seinen Schwanz steinhart zu bekommen. Das Mädchen lag nur da auf der Sitzbank und blinzelte alle paar Sekunden mit ihren großen, schiefen roten Augen, während Scotty-Boy ihr die Beine auseinanderdrückte. »Wanst, warum wartest du nich’ draußen, weil hier drin kein Platz is’ für uns Drei, was? Ich will sie ’n paar Mal gut durchnehmen und ihr in diese kahle Fotze spritzen. Danach kannst du sie dir vornehmen, wenn du wills’, bevor wie sie umbringen.«

»Äh, klar«, gehorchte Wanst. Mit Gehorchen hatte er absolut kein Problem. Er war sonst immer ganz vorne dabei beim Aufreißen, aber hiermit wollte er nichts nicht zu tun haben. Es war nicht normal, es mit ’nem Creeker zu treiben. Also schlich er auf der Lichtung herum, trank sein Bier aus und warf die Dose weg. Er konnte Scotty-Boy im Truck laut johlen hören. Scheiße, dachte er mürrisch. Er kannte Scotty-Boy echt gut und wusste, wie er tickte, und so schätzte er, dass die Missbildungen des Mädchens Scotts Vergnügen noch mehr Pfeffer gaben.

Richtig kranker Scheiß, dachte er. Jeeesus …

Er sah sich auf der Lichtung um, schaute zum Mond hoch, starrte in den Himmel. Er wollte nicht darüber nachdenken, was im Truck passierte, aber das war gar nicht so einfach. Scott hatte die Innenbeleuchtung angelassen und Wanst konnte nicht verhindern, ein paar Dinge mitzubekommen. Er konnte die komischen Füße des Creekermädchens aufragen sehen; dann ihren Kopf, wie er aus dem Fenster hing, als Scotty-Boy sie umdrehte und es ihr von hinten besorgte. Da fing sie an zu kotzen und Scotty-Boy lachte und schlug auf sie ein. »Du musst mal diese dreckigen Haare loswerden, damit wir dein hübsches Gesicht seh’n können, mein kleines Fötzchen«, rief er und fing an, ihr das schmutzige, kohlschwarze Haar mit seinem Messer abzuschneiden, direkt an der Kopfhaut, und die Büschel kichernd durch den Wagen zu schleudern. Als er fertig war, standen nur noch einzelne Haarfetzen von ihrem großen, schiefäugigen Kopf ab.

Wanst setzte sich auf einen Baumstumpf und wartete. Mach schon, Scotty-Boy, dachte er. Wir haben noch ’ne Fahrt zu erledigen. Die Dealer, für die sie fuhren, würden es nich’ ganz so toll finden, wenn Wanst und Scotty-Boy zu spät kämen, aber natürlich war die Verspätung nur ’ne Ausrede. Er wollte nur hier weg, das war alles. Dieses tiefsitzende, kranke Gefühl im Magen war immer noch da, nich’ nur wegen dem, was Scott dem Mädchen da antat, sondern wegen allem ein bisschen. Die ganze Nacht fühlte sich schlecht an.

»Ah-nein-rette-mich!«, glaubte er das Mädchen aus dem Auto schreien zu hören. »Ona-prei-se!«

Wer weiß, was das Mädchen sagen wollte. Scheiße, möglicherweise wusste sie es nicht mal selbst, kaputt wie sie war von all den verdrehten Kromerzonen. Wanst vermutete, dass wohl irgendso ein Wissenschaftlertyp namens Kromer die Dinger entdeckt haben musste. Diese Kromerzonen, weißt’, sind so empfindlich, wenn Verwandte es dann lang genug miteinander trieben, so über Generationen, dann wurden keine Babys nich’ mehr richtig geboren. Nein, kein einziges. Hatte ihm zumindest sein Alter erzählt.

»Ah-nein! ’lfe! ’evernd! Bitte! Ona!«, heulte das Mädchen.

Scotts johlende Stimme schallte über die Lichtung. »Verdammt, Wanst! Das ist der Brüller! Die Fotze von der Kleinen is’ schon was, sag ich dir!«

Äh, klar, dachte Wanst. Er zappelte, als wenn er voller Ameisen wäre. Das schlechte Gefühl dieser Nacht … wie das kryptische Flüstern der Seher im alten Rom. Er stand wieder auf und begann, in der mondhellen Senke auf und ab zu gehen. Jedes Mal, wenn er zum Truck rüberschaute, tauchte Scotty-Boys teuflisches Grinsen im Fenster auf, während er das Creekermädchen weiter bearbeitete. Dann schrie Scott »Jawoll, Meister, ich werd so heftig abspritzen, dass es dieser nuschelnden Schlampe zu den Ohren rauskommt!«

»Hey, Scotty-Boy«, rief Wanst leise. »Wie wär’s, wenn du dich mal beeilst? Vergiss nich’, wir haben noch ’ne Fahrt zu erledigen.«

Doch Scotty-Boy, beschäftigt wie er war, hörte Wanst nicht einmal.

Die böse Vorahnung verstärkte sich. Wanst schwitzte jetzt, es juckte ihn und er kratzte sich im Gesicht, erfüllt von einem namenlosen Grauen. Der Pick-up schaukelte hin und her, das Creekermädel plapperte immer noch vor sich hin und Scotty-Boy begann ihren verformten Kopf – bumm bumm bumm! – mit einer Meile pro Stunde gegen die Tür zu schlagen. Plötzlich fühlte Wanst eine unerklärliche Furcht, wie er sie noch nie zuvor in seinem Leben verspürt hatte. Er duckte sich hinter einen Baum, ohne wirklich zu wissen, warum, und im selben Moment fing Scotty-Boy an zu schreien …

Binnen Sekundenbruchteilen drängten sich große, schnell huschende Schatten um den Pick-up und Scotty-Boy schrie immer noch – es klang nicht mal menschlich, eher so wie Cage Georges Plymouth Barracuda, als ihm beim Rasen die Ölpumpe abgefallen war – und im nächsten Moment bog ein weiterer Truck auf die Lichtung ein, nicht von der Landstraße, sondern aus einem unbefestigten Weg, der in die Wälder führte. Nur dass dieser Pick-up wirklich alt und verbeult war, mit verdammt trüben Scheinwerfern. Die Schatten zerrten Scotty-Boy aus dem Wagen und er brüllte weiter wie am Spieß. Andere Schatten hoben das Creekermädchen auf und trugen sie zu dem Truck mit den blassen Scheinwerfern, aber so wenig Licht sie auch verbreiteten, konnte Wanst trotzdem sehen, warum Scott so schrie …

Jeeeee-suuus …

Scotty-Boy hatte kein Gerät mehr zwischen den Beinen, nur noch ein blutiges Loch im Schritt, aus dem es wie aus einem Wasserhahn herauslief. Einer der Schatten hatte Scotts Schwanz und Eier glatt abgeschnitten. Scott schrie und zuckte im Staub, während mehrere der Gestalten ihn zu Boden drückten und einer von ihnen – klatsch klatsch klatsch – mit einem Montierhebel oder etwas Ähnlichem hart und schnell auf Scotts Arme und Beine einschlug. Knochen zerbarsten wie Bleistifte. Ein weiterer Schatten zückte das größte Jagdmesser, das Wanst je gesehen hatte, und begann, Scott an Ort und Stelle und bei lebendigem Leib zu skalpieren.

Noch mehr von diesem Creekergeplapper erfüllte die Lichtung, doch diesmal war es nicht das Mädchen. Es klang wie Männerstimmen.

»Ona-prei-se!«

»Ona-fer-Blut!«

»Fres-hauter-fer-den!«

»Ona!«

Wanst hätte schwören können, dass da noch eine andere Stimme war, aber die schien er nur in seinem Kopf zu hören, weißte, und nicht mit den Ohren, und was er hörte, war dies:

Erlöser, Heiler, segne uns …

Ah-no ah-no!

Dir bringen wir dar diese Gabe des Fleisches …

Ona!

Wanst fühlte sich wie ein Teil des Baumes, um den er herumspähte. Er konnte sich nicht rühren. Diese Schatten machten Scotty-Boy wirklich fertig, auf eine Art und Weise, die sogar Wanst den Magen umdrehte. »Wanst, um Himmels willen, hilf miiir!«, schrie Scott, zerschlagen und skalpiert, aber noch am Leben. Einer der Schatten besorgte es Scotty-Boy heftig von hinten, während der mit dem Messer Scott die Ohren abschnitt, die Haut von den Fingern abzog und ihm die Zehen wie Karotten für einen Eintopf abhackte. Wanst zitterte wie festgewachsen hinter seinem Baum, unfähig sich zu rühren. Doch er wusste, wenn er es nicht bald tat, würden diese Typen mit ihm sicher das Gleiche anstellen.

Mussabhauenmusshiersofortweg!

Nachdem der eine damit fertig war, Scott in den Arsch zu ficken, schob er ihm den Montierhebel ins gleiche Loch und bewegte ihn heftig hin und her. Der andere Kerl schlitzte Scott die Kehle so tief mit dem Jagdmesser auf, dass Wanst die Klinge über den Knochen schleifen hörte. Und das war es dann für Scott »Scotty-Boy« Tuckton. Jawoll, Meister.

Heute Nacht hatte er sich definitiv mit den falschen Leuten angelegt.

Als Nächstes schleppten die Schatten Scotty-Boys Überreste zu ihrem schrottreifen Pick-up und warfen sie auf die Ladefläche wie einen Futtersack. Dann –

Ein weiterer Typ trat aus der Dunkelheit.

Fuck, dachte Wanst.

Dieser Kerl war größer als die anderen und Wanst schätzte, dass er irgendwo in der Dunkelheit gestanden hatte, während seine Kumpels Scotty-Boy vermöbelten. Er stand einen Moment lang nur da und schien in der Luft zu wittern, dann drehte er sich im Mondlicht und …

Scheiße!, dachte Wanst.

… sah Wanst direkt an, wie er da hinter dem Baum hockte.

Wansts Augen traten hervor, als würden sie ihm gleich aus dem Kopf fallen, als dieser Killertyp ihn anstarrte, und er dachte, er würde einfach tot umfallen. Doch stattdessen pisste und schiss er sich gleichzeitig in die Hose. Er sah das Gesicht des anderen nur für eine Sekunde, doch eine Sekunde war mehr als genug. Ein Gesicht, noch übler zerquetscht als bei dem Mädchen, mit einem Ohr doppelt so groß wie das andere. Dazu ein Grinsen aus völlig schiefen Zähnen. Er deutete mit einem langen, verkrümmten Finger auf Wanst und starrte ihn aus Augen an, die denen des Mädchens zum Verwechseln ähnlich sahen.

Blutrote Augen …

Lauf, Bürschchen, hörte Wanst eine Stimme in seinem Kopf. Wir holen dich beim nächsten Mal …

Wanst rannte und hielt erst an, als die Sonne fünf Stunden später über den Hügeln aufging.