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Machbarkeitsnachweis
Linda McKinney betrachtete eine fremde Welt durch den Schlitz ihres alles verhüllenden Niqab. Das restriktive Kleidungsstück fühlte sich an wie ein Schutz, etwas, wohinter sie sich verstecken konnte. Schließlich war Gaddani, Pakistan, ein Ort, der nie auf ihrer Reiseagenda gestanden hatte. Es lag etwa dreißig Meilen nördlich von Karatschi und war der drittgrößte Schiffsabwrackplatz der Welt – eine Industrie fast ganz ohne Schwermaschinen.
Vor ihren Augen rauschte jetzt ein hundert Meter langer rostiger Frachter auf den breiten Strand zu. Das Schiff lag hoch im Wasser, die Ladelinie sieben Meter über den Wellen. Durch die ermüdeten alten Stahlplatten zeichnete sich das innere Gerippe ab. Die Schrauben schäumten das Wasser auf, als der Frachter sich dem mit halbabgewrackten Schiffen, Kettenwinden, rostendem Altmetall und windschiefen Arbeiterbehausungen übersäten Strand näherte. Auf dem Sand reihten sich die Funkenkaskaden von Schneidbrennern bis in die Ferne. Scharen von Männern, ebenfalls mit Schneidbrennern, standen bereit, diesen Frachter in Empfang zu nehmen.
Mit einem hallenden, dumpfen Krachen und dem Ächzen ermüdeten Metalls pflügte das Schiff über den Sand – wie ein strandendes Bürohochhaus. Dann kam es mit einem Ruck zum Stehen. Noch ehe die Motoren schwiegen, machten sich die Männer daran, den Koloss mit Ketten und Winden zu sichern.
McKinney sah Odin und Foxy an, die ihr auf der Planenpritsche eines Bedford-Lastwagens gegenübersaßen, beide im Shalwar Kameez und mit einem schwarzen Shemagh-Tuch, das das Gesicht fast ganz verhüllte. Auf dem Schoß hielten sie kurze AKS-74U-Karabiner. Dass Leute mit nicht registrierten automatischen Waffen in der Öffentlichkeit herumliefen, war etwas, woran sie sich nie gewöhnen würde, aber andererseits wusste sie, Pakistan war ein unruhiges Land. «Wie weit gehen diese Abwrackwerften?»
Odin machte eine vage Handbewegung nach Norden hin. «Fünf Meilen mindestens.»
Sie blickte hinaus auf die Hügel von rostigem, zolldickem Stahl. Schlangen von Männern trugen frisch herausgetrennte Metallplatten die Haufen hinauf: Es war unheimlich, wie sehr dieses Bild an Blattschneiderameisen erinnerte. «Jetzt verstehe ich, warum es euch merkwürdig vorkam, dass ausgerechnet hierher große Chemikalienmengen verschifft wurden.»
Odin nickte, während er eine ausgedruckte Karte entfaltete. «Hier sind so viel Acetylen und andere flüchtige Gase in Verwendung, dass eine solche Chemikalienladung kein Aufsehen erregt.» Er blickte auf die Altmetallberge um sie herum. «Außerdem ist hier so viel Betrieb auf so großem Raum, dass man ein Drohnenbauprojekt leicht verbergen kann. Wenn hier etwas zusammengeschweißt wird, fällt das niemandem auf. Und hier wird rund um die Uhr gearbeitet.»
McKinney suchte misstrauisch den dunstverhangenen Himmel ab. «Könnt ihr eurem Kontaktmann vertrauen?»
Foxy und Odin nickten ohne jede Spur von Unsicherheit. Odin setzte hinzu: «Er gehört nicht zur Firma. Wir kennen Azeem schon seit Jahren. Syrer. Ex-Selbstmordattentäter.»
McKinneys Miene besagte, dass sie das auch nicht gerade beruhigte.
Odin zuckte die Achseln. «Es hat ihn desillusioniert, als er dahinterkam, wie viel Korruption da herrschte. Wo gekämpft wird, sind immer Kriminelle, die Profit aus dem Chaos schlagen. Gesetzlosigkeit ist für sie der ideale Nährboden. Viele gläubige junge Dschihadisten, die hierherkamen, fanden sich in übler Gesellschaft wieder – unter schwerbewaffneten Männern, denen mehr am Heroinschmuggel lag als an der Bekämpfung der Ungläubigen. Wir retteten Azeem vor einer Verbrechergang. Er hatte viel von seinem Idealismus eingebüßt. Er blieb in der Gegend, um andere Idealisten aus den Klauen dieser Leute zu befreien und nach Hause zurückzuschicken. Mein Oberkommando war von der Sache gar nicht begeistert, aber sie eröffnete Kommunikationskanäle.»
Im kleinen Gang ratternd, arbeitete sich der LKW durch ein Gewirr von unbefestigten Straßen, ein einziges Gewimmel von Leuten auf dem Weg zu oder von ihrer Arbeitsschicht und Straßenhändlern, die Lebensmittel, Telefonkarten oder Billigelektronik verhökerten. Die Karkassen halbzerlegter rostiger Frachtschiffe ragten aus der flachen, trockenen Landschaft. Es wirkte alles so dreckig und industriell, gar nicht, wie sie sich Pakistan vorgestellt hatte. Es machte ihr klar, dass das Leben seinen Gang ging, wo auch immer man gerade war. Sie sah die müden Gesichter paschtunischer Arbeiter, die am Straßenrand dahintrotteten, Schutzbrille auf der Stirn und Arbeitsgerät auf der Schulter. Manche hockten vor armseligen Hütten und erhitzten winzige Teekannen mit dem Schneidbrenner. Die wenigsten hatten Bärte – was wohl praktische Gründe hatte, schließlich verbrachten sie den ganzen Tag im Funkenregen. Es war offensichtlich, wie schwer diese Männer arbeiteten, und sie hatte keinen Zweifel, dass sie Familien in fernen Dörfern ernährten. Das Leben war ein Kampf.
McKinney hörte Smokeys Stimme in ihren Funkohrhörern. «Wir sind gleich bei Mantoori Industries. Ich sehe Azeem am Tor, mit zwei anderen Männern, beide bewaffnet. Er macht das Alles-klar-Zeichen.»
Odin nickte und blickte auf den Rover Tablet; der zeigte Videobilder aus der Perspektive von Hugin und Munin, die sie in der Luft begleiteten. «Ich sehe nichts Verdächtiges auf dem Gelände. Wirkt verlassen. Haltet die Waffen schussbereit, wir gehen rein.» Odin sah McKinney an. «Die Anwesenheit von Frauen ist hier unüblich, aber ich brauche dein Expertenwissen. Also sag bitte nichts und schau keinem dieser Männer ins Gesicht. Tu letztlich so, als ob du gar nicht da wärst. Wir beide werden uns unter vier Augen besprechen wie Ehemann und Ehefrau.»
McKinney verzog das Gesicht.
«Wir sind undercover. Das bringt nun mal so was mit sich.»
Der Laster bremste ab, bog gleich darauf ein und passierte ein bunt bemaltes, ramponiertes Rolltor. Hielt dann. Odin und Foxy öffneten sofort die Heckklappe und sprangen hinab, die Karabiner lässig, aber schussbereit in der Hand.
Mehrere junge Paschtunen, ebenfalls im Shalwar Kameez, kamen mit übergehängter Waffe auf sie zu. Ein gepflegter junger Araber von Ende zwanzig lächelte sie strahlend an; er hatte regelmäßige, makellos weiße Zähne. «Odin …» Die beiden Männer gaben sich die Hand und küssten sich auf die Wange.
Odin nickte. «As-salaam alaikum, Azeem. Kayf haalak?»
Azeem nickte ebenfalls. «Sehr gut, gottlob. Wir sollten englisch sprechen. Das verstehen meine Freunde hier nicht.»
Odin deutete auf seine Begleiter. «Foxy kennen Sie ja.»
«Natürlich, mein Freund …» Auch sie gaben sich die Hand und küssten sich auf die Wange.
Ripper, Mooch und Smokey stiegen aus der Fahrerkabine. Ripper war ebenfalls von Kopf bis Fuß verschleiert, aber mit einer hellblauen Burka. Immerhin musste McKinney diese Demütigung nicht allein erdulden. Azeem schüttelte den Männern die Hand, ignorierte die Frauen jedoch völlig.
Odin musterte bereits den großen Hof voller rostigem Stahlschrott und halbkaputten Gerätschaften. «Wie lange steht das hier schon leer?»
«Der Wachmann sagt, der Vermieter hat schon zwei Monate keine Miete mehr bekommen, und die Mieter sind weg. Sie haben sonst immer bar bezahlt.»
Einer von Azeems Begleitern, ein Paschtune in den Fünfzigern, sprach in einer Sprache, die McKinney für Paschtu hielt, mit einem älteren Mann, der eine veraltete AK-47 über der Schulter trug. Azeem hörte dem Gespräch aufmerksam zu.
«Er sagt, die Männer, die hierherkamen, waren schwarz gekleidet und hatten die Gesichter immer mit Shemaghs verhüllt, so ähnlich wie Sie, und sie haben sich über Dolmetscher verständigt.»
Odin wechselte einen Blick mit Foxy. «Weiß er, was für eine Nationalität sie hatten? Waren sie groß? Klein?»
Azeem schüttelte den Kopf. «Die Arbeiter auf den Nachbargeländen haben sich von ihnen ferngehalten, weil sie sie entweder für Extremisten oder für eine Drogengang hielten. Sie müssen wissen, die Arbeiter hier sind Leute, die in der Gesellschaft ganz unten stehen. Sie wollen keinen Ärger. Also haben sie Abstand gehalten.» Er deutete auf den rostigen Schiffsrumpf auf dem Strand hinter dem Grundstück. «Deshalb hat auch niemand das Abwrackschiff angerührt, das sie zurückgelassen haben. Sie haben Angst, dass diese Männer zurückkommen.» Azeem hörte wieder dem alten Mann zu. «Er sagt, Containertrucks sind zu jeder Tages- und Nachtzeit mit Lieferungen gekommen, und diese Leute haben sich nicht an Salah gehalten und auch an keine der anderen fünf Säulen.»
McKinney war aufgefallen, dass Odin dem alten Mann selbst zuhörte, und sie hatte den Verdacht, dass er auf Azeems Übersetzung nicht angewiesen war.
Odin musterte das Hohlblocksteinlagerhaus vor ihnen. «Sie haben sich überall umgesehen?»
Azeem nickte. «Ich weiß nicht, was sie hier gemacht haben, Odin, aber es war auf jeden Fall etwas Seltsames. Wie ein Drogenlabor sieht es für mich nicht aus. Der alte Mann sagt, sie haben Stahl geschnitten, aber nur nachts.»
«Warten Sie hier, Azeem.» Odin machte eine auffordernde Kopfbewegung zu seinem Team hin und ging auf das Lagerhaus zu.
McKinney folgte ihm und holte verstohlen den improvisierten Chemikaliendetektor hervor, den Tegu in Mexiko gebastelt hatte. Sie klappte die auf das alte Voltmeter verpflanzte Fühlantenne der Drohne aus und aktivierte das LED-Display.
Als sie das sechzig, siebzig Meter tiefe, fast leere Lagerhaus betraten, nahm sie fast sofort den schwachen Pfeffergeruch von Oleoresin capsicum wahr. Alle Teammitglieder wechselten Blicke.
«Den Geruch kennen wir doch.»
«Koloniepheromon.» Der Detektor in McKinneys Hand zeigte jetzt auch Milliardstelkonzentrationen von Perfluorcarbonen an, jenen farb- und geruchlosen Markierungsstoffen, die in der Natur nicht vorkamen.
McKinney zeigte Odin die rote LED-Anzeige. «Ist in dem Moment raufgegangen, als wir hier reingekommen sind.»
Foxy ging zur Seitenwand, wo leere Fässer achtlos gestapelt waren. «Hey! Schaut mal da.» Er beugte sich an die Fässer, wandte sich wieder ab. «Leere Fässer von dem guten ‹Wutsaft›, wie’s aussieht. Und wohl auch noch andere Chemikalien.»
Odin ging auf einen orangefarbenen Zwölf-Meter-Container zu, der mit offenen Türen an der gegenüberliegenden Wand stand. McKinney ging neben ihm her und las in Abständen die Anzeige laut ab. Odin brachte seinen Karabiner in Anschlag und bedeutete Smokey und Mooch, sich dem Container aus anderen Winkeln zu nähern.
Odin spähte über den Karabinerlauf in den Container.
Foxy rief: «Was ist drin?»
«Leere Metallregale.» Odin betrat den Container und untersuchte die Lagerregale. Sie wirkten wie eine Spezialanfertigung, mit merkwürdigen Maßen und Ein- und Ausschubrollen.
McKinney fuhr den Container mit dem Detektor ab, erhielt aber nur mittlere Anzeigewerte. «Nicht besonders viele Rückstände hier. Glaubst du, diese Regale waren für Drohnen bestimmt?»
«Schwer zu sagen.» Odin hatte etwas bemerkt und trat an die Wand des Containers. Er schlang sich den Karabiner um und umfasste die Griffe einer Art Schiebepaneel in der Containerwand. Mit einiger Anstrengung schob er es hoch: Es entstand eine ein Meter fünfzig breite und sechzig Zentimeter hohe Öffnung. Er sah Foxy an, der sich vorsichtig näherte.
«Versteckte Öffnung.»
Odin nickte, während er eins der Regale genauer untersuchte. «Das hier scheint noch nicht fertig.»
«Vielleicht sind sie ja überstürzt aufgebrochen.»
McKinney war bereits auf dem Weg zur rückwärtigen Wand des Lagerhauses, die Detektoranzeige im Blick. «Hey! Hier gehen die Werte wieder hoch …»
Odin und die anderen folgten ihr, die Waffen im Anschlag. «Aufpassen, Leute!» Er machte eine kreisende Handbewegung in der Luft, und das Team zog sich zu einer Schützenlinie auseinander. Gemeinsam rückten sie auf ein Kipptor zu, das zum Strand hinausging. Das Tor war zu.
Als sie es erreichten, bemerkte Foxy eine lange rissige Glasfaserform, die in der Nähe an der Wand lehnte. Sie hatte eine tragflächenförmige Mulde. Er kippte sie mit seinem Gewehrlauf um, und die Form rollte noch ein Weilchen auf ihrer aerodynamischen Außenwölbung hin und her.
«Zum Abformen mit Kohlefaser?»
Odin untersuchte die Form, während McKinney sie mit dem Detektor abfuhr. Sie sah auf. «Da kommen meine Messwerte nicht her.»
«Machen wir das Tor auf. Achtung.» Odin wartete ab, bis sich die Teammitglieder beidseits des Verladerampentors postiert hatten, und drückte dann einen abgewetzten Knopf an der Wand. Unter Surren und Rasseln begann sich das Metalltor zu heben. Mit der frischen Luft drangen die Geräusche ferner Schneidbrenner und Dieselwinden herein. Hundert Meter weiter ragte die hintere Hälfte eines rostigen Frachters fünf Stockwerke hoch aus dem flachen Wasser, zu ihnen hin durch Knickschotten verschlossen.
Die Waffe im Anschlag, liefen die Teammitglieder hinaus auf den mit Metallabfällen übersäten Strand und auf verschiedenen Wegen um Schrotthaufen herum. Überall lag rostiger zolldicker Stahl, säuberlich in Vierecke geschnitten.
Trotz des Winds hatte McKinney auf der Anzeige plötzlich eine Perfluorcarbonkonzentration von einhundertfünfzig Teilen pro Milliarde – fast dreimal so hoch wie eben im Lagerhaus. «Jetzt steigt der Wert dramatisch an …» Sie versuchte, den beengenden schwarzen Sack, den sie trug, zu vergessen, und konzentrierte sich ganz auf den Detektor, während sie in Sandalen durch den Sand auf den gestrandeten Frachter zuging. «Es kommt von dem Schiff.»
Foxy zeigte auf den harten Sand hinab. «Komische Spuren da, Boss.» Er tippte mit der Stiefelspitze auf etwas, das aussah wie tief eingedrückte Schleifriefen.
«Lass uns vorgehen, Professor.» Odin schob sich an McKinney vorbei und stieg ein rampenartig herabgeklapptes Stück Rumpfwand hinauf. Die anderen folgten ihm auf den Fersen und blickten in ein dunkles Maul zum einzig verbliebenen Frachtraumabteil.
McKinney strich mit der Hand über den zolldicken Stahlrand der Öffnung. Ein sauberer, gerader Schnitt. «Sieht nicht aus, als hätte das jemand von Hand gemacht.» Sie zeigte auf die perfekten Schnittkanten, dann hinaus auf die Männer, die weiter weg mit ihren Schneidbrennern Schiffsrümpfe zerlegten. Was sie machten, sah wesentlich ungleichmäßiger aus.
«Was meinst du, Odin?» Foxy inspizierte die Schnittkanten. «Schiffschneidedrohnen?»
Odin leuchtete mit seiner kleinen Stablampe um die senkrechte Kante herum ins Dunkel. «Ich will nicht, dass wir da alle gleichzeitig reingehen. Von diesem Stahl prallen Kugeln ab wie Tennisbälle. Ihr kommt nach, wenn ich Entwarnung gebe.» Odin nahm das mit Isolierband umwickelte Ende der Taschenlampe zwischen die Zähne und trat in die Öffnung.
McKinney sah ihm nach. «Sei vorsichtig.»
Er verschwand im Dunkeln.
Die Waffe im Anschlag, beobachteten die Teammitglieder, wie sein Lampenstrahl einen dem Hall nach sehr großen Raum absuchte.
Nach einer angespannten Minute hörten sie seinen Ruf: «Alles sauber! Kommt rein!»
Die Teammitglieder wechselten Blicke und tauchten ins Dunkel. Foxy und Mooch schalteten eigene Taschenlampen an. McKinney folgte ihnen und fand sich gleich darauf auf dem Grund eines riesigen Frachtraums, partiell erhellt durch Tageslichtstrahlen, die durch eine ganze Reihe von Löchern weiter oben in der Rumpfwand und im Deck hoch über ihren Köpfen hereinfielen. Der Frachtraum war mindestens dreißig Meter hoch, mit herabbaumelnden Ketten und Tropfwasserpfützen auf dem rostigen Stahlboden, aber die Löcher in den Wänden waren genauso symmetrisch und regelmäßig wie das, durch das sie hereingekommen waren.
McKinney blickte auf die Detektoranzeige. Sie war jetzt bei eintausend Teilen pro Milliarde. «Guter Gott. Nach den Pheromonwerten hier drinnen sind wir jetzt in der Kolonie selbst.»
«Sie meinen in der ehemaligen Kolonie.»
McKinney blickte auf und sah, dass sich das Team um ein Etwas von der Größe eines Hundes scharte, das auf dem Rücken am Boden lag. Sie ging hin. «Was ist das?»
Odin und Foxy traten beiseite und gaben den Blick auf eine Art Metallgestell frei – offenbar keine komplette Drohne, sondern nur der Unterbau. «Kaputt. Sieht aus, als hätte sie Magnetfüße.»
«Vorsicht.»
Odin zeigte auf das Ding. «Demontiert, der obere Teil ist abgenommen worden. Sie hat keinen Motor. Keine Elektronik.»
McKinney beugte sich über das Gerät und zog sich den Schleier vom Kopf, um besser sehen zu können. Es sah aus wie die Gelenkbeine einer Weberameise an einem zentralen Rahmen – mit Magnetpads als Füßen. Alles andere fehlte. Sie hob das Gestell versuchsweise an: Es war leichter, als sie gedacht hatte.
Odin untersuchte die Magnetpads, verfolgte Kabel, die zum Rahmen führten. «Elektromagnete. Man kann die Magnete der Füße einzeln an- und abschalten, um Zug und Schub für Fortbewegung zu erzeugen.» Er beugte und streckte das Drohnenbein: Es war wie ein Federmechanismus, mit sehnenartig angebrachten runden Kunststoffsträngen. «Das habe ich schon mal gesehen. Elektroaktive Polymere. Kontrahieren wie Muskelgewebe, wenn sie unter elektrische Spannung gesetzt werden. Keine mechanisch bewegten Teile nötig.»
McKinneys Hände waren ölig. Sie wischte sie an ihrem schwarzen Gewand ab, strich dann über vier Aluminiumbehälter, ähnlich den Pheromon-Sprühkartuschen der Quadrocopterdrohnen in Colorado – nur dass diese Behälter bestimmt einen Liter fassten. «Da. Wieder die Anordnung von vier Pheromonsprühbehältern.»
«Aber fünfmal so groß.» Sein Blick sagte, dass sie mit ihrer Prophezeiung damals recht gehabt hatte.
Sie fuhr die Behälter mit dem Detektor ab, und über einem stieg die Anzeige auf zweistellige Tausenderwerte pro Milliarde. «Die Hauptquelle. Wir sollten diese Behälter mitnehmen.»
«Lass das Pfefferpheromon bloß hier. Sie sind schon wütend genug.»
«Wir sollten das alles mitnehmen.» Sie machte sich daran, die Behälter loszuschrauben. «Wozu diese ganze Mühe? Eine Drohnenkolonie auf einem Schiff. Ich verstehe nicht, was diese Dinger hier denen voraushaben sollten, die wir schon erlebt haben.»
Foxy deutete mit einer Kopfbewegung nach draußen. «Da war doch diese Flügelform drüben im Lagerhaus. Meint ihr, sie fliegen?»
«Ein fliegender Schiffschneideroboter.» Odin drehte das Ding mit seinem Stiefel um. «Wir sehen einfach nicht das ganze Bild.» Er blickte zu den Löchern in der Rumpfwand hinauf – quadratische Löcher. «Schiffsabwrackdrohnen.»
McKinney richtete sich auf. «Aber wozu das Ganze? Warum nicht einfach Schwärme von Drohnen mit Bomben oder Raketen?»
Odin schüttelte den Kopf. «Ich weiß es nicht. Aber klar ist, dass Schwärme von Stahlschneiderdrohnen bösen Schaden an Schiffen, Funksendemasten, Eisenbahnen und Brücken anrichten könnten. Jemand baut hier eine ganze autonome Kriegsmaschinerie auf, mit verschiedenen Drohnentypen, die konzertiert zusammenarbeiten. Jeder mit einer speziellen Aufgabe.»
McKinney nickte. «Wie der Polymorphismus der Ameisen.»
«Genau. Wir müssen sie aufhalten, bevor dieses integrierte System komplett ist. Wir wissen, dass ein paar tausend Fässer dieser Ausgangschemikalien hierher verschifft wurden, und jetzt sind sie weg – wie fast alles andere, was hier war. Und wie es aussieht, haben sie das alles in Schiffscontainer verladen. Foxy, frag Azeem, ob er noch Verbindungen zur Zollbehörde in Karatschi hat.»
Foxy nickte.
«Packt diese Behälter ein. Wir müssen herausfinden, wo die Container hingegangen sind.»