Dick sagte, vor zwei Jahren, nur ein paar Monate, nachdem er in Mohlolobe angefangen hatte, hätte ein Mann namens Domingo Branca eine Nachricht für ihn an der Rezeption hinterlassen. Der Inhalt war lässig und freundlich: Ob er Lust habe, ein paar andere junge Leute in der Gegend kennenzulernen? Lass uns mal was trinken gehen am Samstagabend im Warthog Bush Pub, einer Kneipe am Flughafen neben dem Kiesweg nach Guernsey.
Es waren vier gewesen. Donnie Branca und Cobie de Villiers aus Mogale, David Baumberger vom Molomahlapi Private Game Reserve und Boetie Strydom von der Makutswi Wildlife Ranch. Anfangs war es ein netter, lockerer Abend gewesen. Sie hießen ihn im Lowveld willkommen, erkundigten sich nach seinem Hintergrund, plauderten über ihre verschiedenen Arbeitgeber, erzählten sich Geschichten über die sexuellen Gelegenheiten, die sich mit Touristinnen ergaben, von den merkwürdigsten Orten und Umständen, unter denen sie ihre entsprechenden Dienste geleistet hatten, und über das skandalöse Niveau im Rugby in Südafrika.
Ein typisches Gespräch unter jungen, unverheirateten Männern.
Branca war der Anführer der Gruppe; das war von Anfang an klar.
Baumberger war der Clown, Strydom der Erfahrene, der in der Gegend aufgewachsen war, und de Villiers sagte praktisch nichts.
Ein paar Stunden und etliche Biere später steuerte Branca das Gespräch in eine andere Richtung. Erst ein Jahr später, als er die anderen Geschichten hörte, hatte Dick begriffen, |246|wie geschickt das alles durchgezogen worden war. Von Tratsch, Sex und Rugby kamen sie auf Tiergeschichten, Naturschutz, die Sorge über die aktuelle Entwicklung, die stetige Zunahme an Wildfarmen, den Wettbewerb, das schlechte Management der Nationalparks, die Landforderungen, die wachsenden Bedrohungen für das Ökosystem. Sie machten es vorsichtig, ohne radikale Aussagen, keine direkten Vorwürfe oder politisch unkorrekte Bemerkungen. Nur ein erstes Antesten des Wassers: Wo stand Dick eigentlich, was alle diese Fragen betraf?
Und Dick stand eigentlich nirgendwo. Er war bloß ein ehemaliger Surfer aus Port Elizabeth, der einen Job gefunden hatte, der perfekt zu seinem Lebensstil passte. Er war den ganzen Tag draußen, er fand die Natur »cool«, und es gefiel ihm, wie die Touristen an seinen Lippen hingen, wenn er ihnen Sachen erzählte, die er irgendwann mal irgendwo aufgeschnappt hatte.
»Am nächsten Wochenende bin ich zurück in den Pub gegangen, aber sie waren nicht da. Und später begriff ich – ich war sozusagen durchgefallen, verstehen Sie? Die haben mich nie wieder eingeladen.«
In den Monaten danach begann er Gerüchte zu hören. Nichts Handfestes, aus verschiedenen Quellen und an den unterschiedlichsten Orten. Zuerst waren da die anonymen Warnungen an Farmer und Geschäfte wegen des Schadens, den sie der Natur zufügten. Später wurden die Briefe drohender. Sie waren immer mit den Initialen H. B. unterzeichnet.
Dann gab es mehr als Briefe.
Fotos von schwarzen Wildhütern, die einen Bock über dem Feuer brieten, wurden dem Management des Kruger-Parks zugestellt. Nachts geschahen Dinge. In Ga-Sekororo zwischen dem Lagalameetse Nature Reserve und der Makutsi Conservancy wurden alle Hunde eines Dorfes vergiftet. Auf dem Stammesland jener Gruppe, die eine Landforderung gegen eine berühmte Wildfarm aufrechthielt, wurden nachts Schüsse abgegeben.
Niemand wusste, wer dafür verantwortlich war. Wie immer |247|gab es Theorien und Vorwürfe, Schuldzuweisungen und Ignoranz. Die Buchstaben H. B. waren Grundlage der meisten Spekulationen. Hendrik Bester, der Bananenbauer, wurde so dermaßen angefeindet, dass er überlegte, zu verkaufen. Die Leute stritten sich, ob es eine Abkürzung auf Latein, Englisch, Afrikaans, Sepedi oder Venda war.
Die Zwischenfälle begannen zu eskalieren. Zwei mutmaßliche Wilderer wurden durch Schlingenfallen für Leoparden auf dem Fußweg schwer verletzt, den die Leute aus Tlhavekisa in der Nähe des Manyeleti Game Reserve benutzten. Eine Sägemühle außerhalb von Graskop, die ein Feuchtgebiet verschmutzt hatte, brannte nieder. Zwei Männer aus Dumfries wurden zusammengeschlagen und an die Impala gefesselt, die sie im Sabi Sands Game Reserve getötet hatten. Hunde wurden auf dem Feld erschossen. Ein Mann und eine Frau, die sich auf die Schlachtung von Tieren für traditionelle medizinische Zwecke spezialisiert hatten, wurden angegriffen. Wie die Impala-Diebe berichtete sie von der erschreckenden Stille und Effizienz der nächtlichen Attacke. Man hatte kein Wort zu ihnen gesagt. Die Angreifer waren maskiert. Zwei Methoden, mit deren Hilfe man Leute in diesem Teil der Welt identifizierte, Hautfarbe und Sprache, wurden so einfach eliminiert. Es gab nicht genug Zwischenfälle, um Panik oder Hysterie auszulösen. Sie waren sporadisch und verteilt über Monate, zwei Provinzen und Tausende von Quadratkilometern. Es dauerte, bis die Geschichten die Zungen lösten und die Spekulationen anfachten. Der einzige Hinweis war die Abkürzung.
H. B.
Das Gerücht, das sich am längsten hielt, besagte, dass die Buchstaben für honey badger standen – für eine Gruppe namens »Die Honigdachse«. Wer diese Theorie zuerst aufgebracht hatte, war unklar.
Viele Gerüchte waren darüber in Umlauf, wer hinter H. B. steckte, sodass Mogale und seine Leute in dem ganzen Durcheinander untergingen. Manchmal gerieten sie ins Scheinwerferlicht. Vielleicht weil sie kein Geheimnis daraus machten, |248|gegen die Landentwicklungen zu sein, gegen Umweltschäden und Wilderer. Vielleicht weil sie sich niemals ausdrücklich gegen die H. B.-Aktivitäten aussprachen. Vielleicht weil ihr zahmer Honigdachs der berühmteste in der Gegend war. Aber seit Cobie de Villiers von Augenzeugen bei hellem Tageslicht als Mörder der drei Geier-Killer und eines Sangoma identifiziert worden war, stand Mogale insgesamt unter Verdacht. Der Tod Frank Wolhuters hatte neue Gerüchte heraufbeschworen. Dass Frank das Gehirn hinter H. B. gewesen war, aber kalte Füße bekommen hatte und von seinen Kumpanen ermordet worden war. Dass eine Widerstandsgruppe von Schwarzen ihn umgelegt hatte. Dass der staatliche Geheimdienst hinter seiner Exekution steckte.
»Es ist Wahnsinn, Kumpel, was für einen Scheiß die Leute reden.«
»Warum steht dieser Scheiß noch nicht in der Zeitung?«
»Ein paar der Lokalzeitungen haben etwas darüber gebracht, aber keiner weiß, was wirklich los ist.«
»Warum ›Honigdachs‹?«
»Keine Ahnung, Kumpel. Ich habe nicht die geringste Ahnung. Vielleicht … Der Honigdachs ist ein sehr sturer kleiner Kerl, der sich von nichts und niemandem etwas bieten lässt. Marschiert einfach hin, wo er will, unsichtbar, im Unterholz, und er erlegt richtig fiese Biester wie Schlangen. Er ist ein echter Überlebenskünstler, irgendwie … Cooles Symbol, finden Sie nicht?«
»Cool«, stimmte ich zu. Ich fragte mich, was er sagen würde, wenn ich ihm erzählte, dass der Honigdachs Cobie de Villiers Lieblingstier war. »Aber Sie haben gesagt, in dem Busch-Pub wären noch andere Leute außer denen aus Mogale gewesen.«
»Ich glaube, es ist ein Netzwerk, Kumpel. So eine Art Geheimgesellschaft, bei der Mogale das Sagen hat. Nicht, dass ich Beweise hätte … Aber dieser Cobie ist ein echter Irrer.«
»Oh?«
»Der Typ sagt nie ein Wort, aber wenn man ihm in die |249|Augen guckt, irgendwie, und dann … das ist echt radikal. Voll irre.«
»Und Sie unterstützen deren Ziele nicht im mindesten?«
»Scheiße, nein, Kumpel. Ich meine, sehen Sie sich doch um! Wir sind mitten in einem Naturreservat, direkt neben dem größten verdammten Wildpark der Welt, fünfunddreißigtausend Quadratkilometer; das ist größer als Holland, Mann, hundertsiebenundvierzig Säugetiere und fünfhundertsieben Vogelarten. Sieht das aus, als müssten hier Leute erschossen werden?«
»Ich verstehe. Die Frage ist aber, warum sehen die es nicht so?«
»Nimm’s mir nicht übel, Kumpel, aber so seid ihr nun mal.«
»Ich?«
»Nein, die Afrikaaner. Immer ein oder zwei Radikale, die ihre Geheimgesellschaft haben müssen. Wissen Sie, wie viele es davon gibt? Ihr Leute habt eine Neigung dazu … Haben Sie von diesen Spinnern gehört, die sich Verbondsvolk nennen. Und die Dogters van Sion?« Er sprach es falsch aus.
»Nein.«
»Sie sind überall, Kumpel. Sie haben diesen toten Propheten, der die Zukunft gesehen hat, sie haben alle Kapitel mit Paul aus der Bibel gerissen, und sie glauben, sie wären das auserwählte Volk. Das ist einfach eine Erbkrankheit – es ist nicht anders zu erklären. Wussten Sie, dass es in Nelspruit eine Buren-Mafia gibt?«
»Nein.«
»Die kontrollieren alles, Kumpel. Man kann keinen Hektar bebauen, wenn sie nichts abbekommen.«
»Ich dachte, der ANC kontrolliert den Stadtrat in Nelspruit.«
»Geld regiert die Welt. Man kann alles kaufen.«
Aber eine Sache passte nicht. »Dick, wenn die Afrikaaner hinter all dem stecken – warum sollten sie dann einen englischen Namen wählen?«
»Das verstehe ich nicht, Kumpel.«
|250|»H. B. ist eine Abkürzung für ein englisches Wort … Honey Badger.«
Er schüttelte erstaunt den Kopf. »Radikal, Mann, total radikal.«
Dem hatte ich nichts hinzuzufügen.
Ich fuhr und dachte darüber nach, wie die Leute einen überraschen konnten.
Zuerst Jeanette Louw, ehemaliger Sergeant-Major, hart wie Stahl, lässt sich nichts bieten, lässt sich von niemand was sagen, bringt keinen Euphemismus oder ein mitfühlendes Wort über die Lippen. Aber als ich sie um einen Wagen bat, bekam ich einen teuren Audi A4 – sie hätte mir auch einen Nissan Almera oder einen Toyota Corolla geben können.
Ich wollte eine Schusswaffe, und sie gab mir eine Glock vom Schwarzmarkt ohne Seriennummer. Sie testet sie vorher auf dem Schießplatz und bringt sie persönlich. Sie hätte sie B. J. und Barry mitgeben können. »Mit dir ist alles in Ordnung«, sagt sie, als sie mich sieht. Aber auf dem Parkplatz befiehlt sie mir auf ihre despotische Tour: »Lemmer, jetzt sag mir, wie geht es dir?« Und die Besorgnis in ihrem Blick grenzte an Mütterlichkeit.
Jeanette, die sagte: »Sie ist zu mir gekommen und hat gesagt, sie wolle den Besten. Geld spiele keine Rolle. Deshalb habe ich dir den Auftrag gegeben.«
Ich glaubte immer noch, dass sie mich verarscht hatte.
Und jetzt Dick – Leitender Wildhüter. Auf den ersten Blick hatte ich ihn für einen arroganten, nervtötenden, Englisch sprechenden Blödmann gehalten. Doch dann fährt er mir hinterher, weil er auf Emma steht, und zeigt seine wahre Gesinnung: harmlos und … naiv, wollte man fast sagen.
Dass er auf Emma stand, überraschte mich nicht. Er war ihr Typ und musste ein instinktives Gefühl dafür haben. Sein Interesse war offensichtlich gewesen, vom ersten Mal an, wo er sie zu Gesicht bekommen hatte. Ich hatte bloß nicht damit gerechnet, dass er sich so viel Mühe gab. Und dann hatte er |251|auch noch herauszufinden versucht, ob Susan zur Verfügung stünde, um mich zu beschäftigen, während er sich an Emma heranmachte. Hatte eine hübsche junge Blondine in dieser Ecke Lowvelds so wenig Möglichkeiten, dass sie sich für Lemmer aus Loxton interessierte?
Während Dick mir von Susan vorschwärmte, konnte ich nur an die schwarze Mamba der Eifersucht denken, die ich an meinem Busen nährte. Das Bedürfnis, ihn am Kragen seines khakifarbenen Hemds zu packen und ihm zu sagen, er solle seine Wildhüterpfoten von Emma lassen.
Die Leute – sie überraschten einen immer wieder.
Wie Donnie Branca, der auf seinem kleinen Podium stand und mit so viel Kenntnis und Leidenschaft vom Überlebenskampf afrikanischer Geier erzählte. Jetzt war er vielleicht ein Ökoterrorist, der auf der Lauer lag, um mitten in der Nacht Wilderer zu verprügeln, Gesicht und Hände verdeckt, um seine Identität zu schützen. Konnte er einer der Angreifer am Bahngleis gewesen sein? Hatten sie deswegen Balaclavas und Handschuhe getragen? Um ihre Hautfarbe zu verbergen?
Vielleicht.
Aber Branca war keiner von ihnen gewesen. Ich hatte ihn mir genau angesehen. Ich wusste, wie er sich bewegte, wie er ging, wie er stand, wie er aussah. Er war athletisch, gelenkig und fit. Die Balaclava-Männer waren beide kleiner, und sie waren unsicherer auf den Beinen. Nicht wirklich ungeschickt, aber sie kannten sich nicht gut aus im veld; das war nicht ihre natürliche Umgebung.
Branca hätte sie schicken können. Er konnte Teil des Netzes sein, von dem Dick erzählt hatte.
Aber warum sollte Emma le Roux eine Bedrohung für ihn darstellen? Warum würde die H. B.-Gruppe drei maskierte Kerle ans Kap schicken, bloß weil eine kleine junge Frau bei Inspector Jack Phatudi angerufen hatte? Und woher wüssten sie überhaupt von dem Anruf? Was hätten sie von ihr gewollt? Und warum?
Der Angriff in Kapstadt und der Zwischenfall an den |252|Gleisen konnten zwei verschiedene Gruppen gewesen sein. Oder dieselben Leute. Jede Möglichkeit barg ihre eigenen Fragen und Implikationen. Jack Phatudi gehörte zu irgendetwas – oder auch nicht. Cobie de Villiers war Jacobus le Roux – oder nicht. Der Jeep war in Gauteng registriert. Es konnte aber auch ein gefälschtes Nummernschild sein.
Nichts ergab einen Sinn. Das Straßenschild nach Acornhoek hinderte mich daran, noch länger diesen Problemen nachzuhängen.
Ich bog am Bahnhof links ab, wie Dick es mir gesagt hatte, und plötzlich standen überall Polizeiwagen. Die staubige Straße war zu schmal, um zu wenden.
Es waren fünf SAPS Pick-ups und eine Horde blauer Uniformen. Der Audi fiel auf wie eine Nonne bei einem Sex-Therapie-Workshop. Alle schauten mich misstrauisch an. Die rosafarbene Betonmauer war ausgesprochen auffällig, und Jack Phatudi stand auf der Schwelle des einfachen Ziegelhauses. Er rief etwas und winkte, und ein Uniformierter rannte in meine Richtung und hob eine Hand. Stopp.
Ich fuhr von der Straße und stieg aus. Die Hitze war lähmend, kein Baum in der Nähe, der Schatten spendete. Phatudi kam gemessenen Schrittes durch das kleine Tor in der Betonmauer näher.
»Martin«, sagte er voller Abscheu.
»Jack.«
»Was wollen Sie hier?« Sehr aggressiv.
»Ich habe nach Ihnen gesucht.«
»Nach mir?«
»Ich wollte Ihnen einige Fragen stellen.«
»Wer hat Ihnen gesagt, dass ich hier bin?«
»Die Wache«, log ich. »Was ist hier los?«
»Edwin Dibakwane ist tot.«
»Der Wachmann?
»Ja, der Wachmann.«
»Was ist passiert?«
»Woher sollte ich das wissen, Jack? Ich komme gerade aus Mohlolobe.«
»Was wollten Sie da?«
»Unsere Rechnung war nicht bezahlt. Was ist mit Edwin passiert?«
»Das wissen Sie.«
»Weiß ich nicht.«
»Natürlich wissen Sie das. Er war derjenige, der Ihnen die Nachricht gegeben hat.« Phatudi kam näher. »Was ist vorgefallen? Wollte er Ihnen nicht sagen, wo der Brief herkam?« Der Inspector trat dicht vor mich. Er strahlte größte Wut aus. Oder war es Hass? »Also haben Sie ihm die Fingernägel ausgerissen, nicht wahr? Weil er es nicht verraten hat? Sie haben ihn gefoltert und erschossen – und dann in die Green Valley Plantation geworfen.«
Die schwarzen Constables kamen näher, eine Mauer des Misstrauens.
»Jemand hat ihm die Nägel ausgerissen?«
»Hat Ihnen das Spaß gemacht, Martin?«
Ich musste ruhig bleiben. »Sollten Sie nicht erst mal im SouthMed Hospital anrufen, Jack, und mein Alibi überprüfen?«
Er hob die Arme, und ich dachte, er würde mich schlagen. Ich war darauf vorbereitet, doch die Bewegung war nur eine Geste, die Enttäuschung ausdrückte. »Sie … Warum? Sie machen bloß Ärger. Sie und diese Frau. Seit Sie gekommen sind. Wolhuter … Le Roux im Krankenhaus. Und jetzt das! Sie haben uns diesen Ärger eingebrockt.«
»Wir, Jack?« Ich durfte nicht wütend werden. Ich holte tief Atem. »Sagen Sie, warum haben Sie Emma nicht von den maskierten Männern erzählt, die Hunde erschießen und Leute an tote Impalas fesseln? Warum haben Sie die Honey Badgers vorgestern nicht erwähnt, als ich Ihnen erzählt habe, dass die Männer, die auf Emma geschossen haben, Balaclavas trugen? Und jetzt erzählen Sie mir nicht, dass Sie die Verbindung nicht |254|hergestellt hätten, Jack. Sie hatten Ärger, lange bevor wir gekommen sind.«
Falls ich gedacht hatte, meine Worte würden ihn beruhigen, hatte ich falsch gelegen. Er blies sich auf wie eine Kröte. »Das ist nichts – nichts. Edwin Dibakwane … er hat Kinder. Er … Sie … Wer tut so etwas? Wer tut einem Mann das an? Alles, was er … einen Brief, das ist alles, was er … Sie …«
Ich hatte nicht viele Möglichkeiten. Ich war mir der Polizisten um uns herum genau bewusst. Und Phatudis Behauptung, dass Emma und ich Edwins Tod zu verantworten hatten, entbehrte nicht ganz jeder Grundlage. Ich hielt meinen Mund.
Er starrte mich voller Ekel an. »Sie …«, sagte er noch einmal, verkniff sich dann alles Weitere und schüttelte den Kopf. Er ballte seine großen Pranken und streckte sie. Dann wandte er sich um und ging zurück zu dem kleinen Haus, blieb stehen und starrte mich an. »Sie …«, sagte er und kam zu mir zurück. Er zeigte mit einem Finger auf mich, stemmte die Hände in die Hüften und schaute den Weg zum Bahnhof entlang. Er sagte etwas in einem lokalen Dialekt, zwei oder drei bittere Sätze, dann wandte er sich wieder mir zu. »Ordnung«, sagte er. »Das ist meine Aufgabe. Die Ordnung zu erhalten. Das Chaos zu bekämpfen. Aber dieses Land …«
Er konzentrierte sich wieder auf mich.
»Ich habe es Ihnen schon gesagt. Sie wissen nicht, wie es hier ist. Wir haben Probleme. Große Probleme. Dieses Land ist wie das veld bei Trockenheit – leicht entflammbar. Wir schlagen die Flammen aus. Wir rennen von einem Feuer zum nächsten Feuer und schlagen die Flammen aus. Und dann kommen Sie hierher und wollen alles in Brand stecken. Ich sage Ihnen, Martin, wenn wir es nicht verhindern, wird das Feuer so hell und so schnell und so weit brennen, dass alles darin zu Asche zerfällt. Niemand wird es stoppen können.«
Einige der Polizisten um ihn herum knurrten zustimmend und nickten. Ich war beinahe bereit, seine Seite der Dinge zu sehen. Dann wurde er persönlich.
»Sie müssen verschwinden. Sie und die Frau.« Phatudi spie |255|die Worte voller Hass aus. Und ich durfte nicht darauf reagieren – auf keinen Fall. »Sie haben Ihre Probleme hergebracht.« Sein Zeigefinger zielte wie eine Pistole. »Wir wollen diese Probleme nicht. Nehmen Sie sie und verschwinden Sie!«
Ich hörte die Wut in meiner Stimme. »Es sind Ihre Probleme, die zu Emma kamen. Emma wollte sie nicht. Aber sie kamen zu ihr und haben sie hergelockt.«
»Gelockt? Sie hat ein Foto im Fernsehen gesehen.«
»Emma hat Sie deswegen angerufen, und zwei Tage später brechen drei Männer mit Balaclavas ihre Eingangstür auf, um sie zu töten. Was sollte sie denn machen, Jack? Sagen Sie, was sie machen sollte.«
Der Inspector kam einen Schritt näher. »Sie hat mich angerufen?«
»Am selben Abend, an dem die Nachricht im Fernsehen kam, hat sie angerufen und gefragt, ob der Mann, nach dem Sie suchen, Jacobus le Roux sein könnte. Erinnern Sie sich?«
»Eine Menge Leute haben angerufen.«
»Aber sie ist die Einzige, die angegriffen wurde, weil sie angerufen hat, Jack.«
»Ich glaube Ihnen nicht.« Arrogant. Herausfordernd. Er wollte, dass ich außer mir geriet, die Kontrolle verlor.
Ich zog mein neues Handy aus der Tasche und hielt es ihm hin. »Rufen Sie Ihre Kollegen in Kapstadt an, Jack. Fragen Sie nach der Akte. Montag, 24. Dezember. Ein Angriff im Haus von Emma le Roux um zehn Uhr morgens. Rufen Sie an!«
Er ignorierte das Handy.
»Kommen Sie, Jack, nehmen Sie das verdammte Handy und rufen Sie an.«
Phatudi legte seine Stirn in tiefe Falten. »Warum hat sie mir das nicht erzählt?«
»Emma hielt es nicht für nötig. Sie dachte, freundlich um Hilfe zu bitten, würde reichen.«
»Sie hat nur nach den Fotos gefragt.«
»Sie hat auch nach den Geier-Mördern gefragt.«
»Das war ein laufendes Verfahren. Sub judice.«
|256|»Sub judice? Und warum? Um Ihren Arsch zu schützen?«
»Was?« Er kam einen Schritt näher.
»Vorsichtig, Jack. Hier sind eine Menge Zeugen. Emma sieht die Fernsehnachrichten. 22. Dezember. Sie ruft Sie an. Sie sagen, Cobie de Villiers könne nicht Jacobus le Roux sein, weil ihn hier alle kennen und er sein ganzes Leben hier war. Emma vergisst die ganze Sache, erzählt niemand davon. Am 24. Dezember bricht man bei ihr ein, und nur mit Glück entkommt sie. Am Nachmittag ruft jemand sie an und sagt etwas von ›Jacobus‹. Die Verbindung ist schlecht, sie kann den Anrufer nicht gut verstehen. Emma engagiert einen Bodyguard und kommt her. Sie wissen, was hier passiert ist.«
»Und?«
»Und die einzige Verbindung zu dem Angriff auf Emma sind Sie, Jack. Der Anruf bei Ihnen.«
»Masepa.«
»Was?«
»Blödsinn.«
»Blödsinn?«
»Ich kann mich nicht einmal daran erinnern, dass sie angerufen hat, Martin.« Jetzt war er in der Defensive.
»Wer war bei Ihnen?«
»Niemand.«
»Sind die Anrufe aufgezeichnet worden?«
»Wir sind die Polizei, nicht der Geheimdienst.«
»Haben Sie irgendjemand von ihrem Anruf erzählt?«
»Ich habe Ihnen doch schon gesagt, ich kann mich nicht einmal daran erinnern, dass Emma angerufen hat. Es waren … Ich weiß nicht, fünfzig oder sechzig … Die meisten der Anrufe waren Blödsinn.«
»Warum haben sie Emma nicht von den Honey Badgers erzählt? Neulich in Mogale?«
»Warum sollte ich?«
»Warum nicht?«
»Was wollen Sie sagen, Martin? Wollen Sie mich für etwas verantwortlich machen?«
|257|»Ja, Jack. Ich weiß noch nicht wofür, aber Sie stecken mittendrin in diesem Mist, und ich werde es schon herauskriegen. Und dann komme ich und schnappe Sie mir.«
»Sie? Sie sind bloß ein elender Knastvogel. Wagen Sie es nicht, so mit mir zu reden.« Phatudi stand nun direkt vor mir. Wir sahen aus wie zwei Kampfhähne, Brust an Brust. Ich wollte ihn schlagen, ich wollte all meine Wut überkochen lassen und an dem Mann vor mir abarbeiten. Ich wollte an diesen anderen Ort treten, wo die Zeit stillstand, in den Saal mit dem rot-grauen Nebel. Die Tür stand weit offen und lockte.
Hinterher fragte ich mich, was mich daran gehindert hatte. Waren es die anderen Polizisten gewesen?
Hoffentlich war ich kein Idiot. Hatte mich die Weisheit aller Knastvögel aufgehalten, die Erkenntnis: Du musst auf der anderen Seite wieder heraus, zurück in die Wirklichkeit, wo du teuer für dein Vergnügen löhnst? Und dass ich es mir nicht leisten konnte, diesen Preis noch einmal zu zahlen? Oder war es der Schatten einer Frau, die mit dem Gesicht im Regen und die Arme zum Himmel gestreckt da stand?
Ich trat zurück vom Abgrund – weg von Phatudi. Kleine, zögernde Schritte.
Dann wandte ich mich ab.