Seychellen

Die schönsten Strände liegen auf den Malediven», sagen die Einwohner der Seychellen. Für die Anreisenden kommt die Auskunft zu spät. Immerhin finden sie trotzdem Palmen, Wasser und Strand, der hier allerdings von Sandflöhen bissig als Eigentum verteidigt wird. Doch das gehört zum Weltnaturerbe. Als wesentliche Vorzüge der Seychellen gelten die ungefilterte UV-Strahlung, die hohe Luftfeuchtigkeit und der unvergleichliche Artenreichtum an Mücken.

Die teuersten Inseln

Die Seychellen liegen nicht alle nebeneinander. Ausgerechnet die schönste, auf der immer die Werbefotos gemacht werden, das Atoll Aldabra, liegt extra weit von der Hauptinsel entfernt. Um dieses Paradies mit smaragdgrünem Wasser und spielenden Delfinen zu sehen, müssen Reisende vom Flughafen Mahé aus über tausend Kilometer fliegen. Die meisten Neugierigen verzichten auf den Ausflug angesichts der einheimischen Klappermaschinen. Bleiben die Hauptinseln, die per Fähre erreichbar sind oder zu denen der Flug nicht ganz so riskant scheint. Das haarsträubende Preis-Leistungs-Verhältnis ist laut Tourism Watch auf die Ursprünge der Einwohner in Strandraub und Piraterie zurückzuführen.

Mahé.  Die Hotels liegen etwa dreißig Minuten vom Strand entfernt. Es empfiehlt sich die Fahrt mit einem der Tatas, der lokalen Busse, die ohne Fahrplan, dafür mit ausgeleierten Kupplungen und antiken Bremsen, über die Berge brummen. Die Wracks in den Schluchten stammen angeblich alle aus dem vorigen Jahrhundert. «Bei uns kommen mehr Touristen durch abstürzende Kokosnüsse ums Leben als durch abstürzende Busse», erklärt die Verkehrsgesellschaft. Andere verschwinden auf dem Weg zum Strand zwischen den Granitfelsen. Oder im Wald, wo die lispelnden Nachkommen der Sklaven und Piraten auf naive Wanderer warten. Auf Mahé wohnen die meisten Einheimischen, und zwar in der Hauptstadt Victoria (25 000 Einwohner, entspricht der Hälfte von Rheda-Wiedenbrück, auch hinsichtlich des Charmes). Hier gibt es so etwas wie Nachtleben, und zwar bis etwa 21.30 Uhr. Es findet in den Hotelbars statt. Da ein Bier rund acht Euro kostet, wird wenig getrunken.

Praslin.  Hierhin gelangt man per Schiff. Die Reederei empfiehlt, bereits vor der wellenreichen Überfahrt zu kotzen, denn die Klos sind gewöhnlich wegen Störung gesperrt oder dauerhaft von breithüftigen Markthändlerinnen besetzt. Auf Praslin wachsen die zwanzig Kilo schweren Nüsse, die erledigen, was auf Mahé die Busse nicht schaffen. Großzügig: Die fünfzehn Euro für den Eintritt in den Nationalpark der Seychellennüsse werden laut Satzung bei Erschlagung eines Reisenden an dessen Angehörige zurückgezahlt. Freunde des Tropenregens schwärmen von Praslin. Hier geht er mit ungebremster Heftigkeit am häufigsten nieder. Gut zu wissen: Das Gelbfieber ist nicht auf Praslin entstanden, es ist aus Afrika eingeschleppt worden.

La Digue.  Die ächzende Fähre von Praslin aus übersteht selbst der Kapitän nicht ohne Seekrankheit. Auf La Digue bewegt man sich per Ochsenkarren – oder per Fahrrad durch das, was die Ochsen abgeworfen haben. Die Fahrräder sind mit etwas ausgestattet, das wie Gangschaltung und Bremse aussieht, aber anders oder vielmehr gar nicht funktioniert. Alle Inselhopper strömen zu zwei Zielen: zum kolonialen Plantation House, an dem jedes Jahr bis zu zehn Werbespots gedreht werden. Und zum Strand Source d’Argent, auf dem sich nun endlich die Fotos machen lassen, bei denen Daheimgebliebene neidisch werden. Wenn kurz nach 18 Uhr die Sonne untergeht, fällt das Fehlen der Straßenbeleuchtung auf. In der sternenüberwölbten Dunkelheit erinnert man sich an die Empfehlung, eine Taschenlampe mitzunehmen.

Grande Sœur.  Hier sind die Wellen am umwerfendsten und die Sandflöhe am bissigsten. Wer sich auf Grande Sœur kurz am Strand ausruht, sieht wenig später aus, als hätte er Masern, und fühlt sich auch so. Die Flöhe sind laut neueren Forschungsergebnissen allerdings nicht verantwortlich für das auf den Inseln grassierende Chikungunya-Fieber. Dessen Ursache scheint ein Virus zu sein. Die Muskel- und Gliederschmerzen führen zu einer gekrümmten Körperhaltung, die die Fortbewegung erschwert und beim Rückflug hinderlich ist, jedoch mit ein wenig Ausdauer in deutschen Tropeninstituten geheilt werden kann.

Bird Island.  Die kleinen Flugzeuge, die hierher übersetzen, sehen malerisch aus, denn sie werden aus den Wrackteilen älterer Maschinen zusammengesetzt. Auf Bird Island gibt es wenige Menschen, dafür Schildkröten, deren Panzer bis zum Rand verkotet sind. Das gilt auch für die Touristen, wenn sie die Inseln wieder verlassen, denn bis dahin sind sie von den Birds flächendeckend bekleckst worden. Die angeblich seltenen Vögel schreien viel und ausdauernd und verdauen ständig, auch nachts, wie in den Schlafzimmern mit offenen Dächern unschwer zu bezeugen ist.

St. Pierre, Curieuse, Desroches, Alphonse, Cousin Island, Denis Island:  Laut Befragung haben Seychellen-Urlauber nach drei bis fünf Inseln die Nase voll, weil sie von der Sonne versengt sind (Lichtschutzfaktor dreißig reicht eben nicht), von der achtzigprozentigen Luftfeuchtigkeit niedergestreckt und vom Fieber gebeutelt sind. Gleichzeitig mit dem Deo versagt gewöhnlich auch das Mückenschutzmittel. Welche Tropenkrankheit von den Mücken übertragen wird, ist den meisten Urlaubern egal, wenn sie nur nach Hause dürfen.

So wird man lästige Mitreisende los

Ältere Mitreisende werden bereits auf der mindestens zwölfstündigen Anreise aus Mitteleuropa durch Thrombosen außer Gefecht gesetzt, die auf den Inseln nicht behandelt werden können. Andere erkälten sich in den auf zehn bis zwölf Grad heruntergekühlten Airporthallen der Zwischenstopps.

Überlebenden kann man empfehlen, einsame Strandspaziergänge zu unternehmen, gern mit Schmuck behängt. «Der glitzert in der Sonne so schön, Tante Julia!» Das mögen die Einheimischen. Und der Rat der Tourismusbehörde – «Wenn Sie vorhaben, allein auszugehen, informieren Sie bitte jemanden im Hotel darüber, wohin Sie gehen» – nützt im Nachhinein auch nichts mehr.

Auf Bird Island empfiehlt man lästigen Begleitern das vogelkundlich hochinteressante Aufspüren von Nestern. «Aber du musst allein gehen, sonst werden die Vögel misstrauisch.» Das werden die sogenannten Noddies sowieso. Sie greifen sehr schnell an, und zwar in wolkenartigen Schwärmen und unter Einsatz von Krallen und Schnäbeln. Natur hautnah!

Typisch Seychellen

Gelassener Umgang mit Raum und Zeit.  Auf Mahé gibt es eine Bushaltestelle in der Mitte von Victoria. Wo sich die anderen Haltestellen befinden, will jetzt eine neueingerichtete Behörde für Tourismus ermitteln. Die Busse verkehren offiziell von 5.30 Uhr bis 22 Uhr, in Wirklichkeit zwischen 10 Uhr und 18 Uhr. Danach nur noch, wenn es absolut nichts im Fernsehen gibt.

Brauchtum und Tradition.  Obgleich die Seychellen von Wasser umgeben sind, sprudelt aus den Leitungen reines Chlor. Es dient zur Desinfektion der Wasserleitung und zur raschen Entfernung des Säureschutzfilms der Haut. Die bei den Einheimischen auffallenden Hautkrankheiten sollen jedoch auf etwas anderes zurückzuführen sein: auf einen genetischen Defekt, den Vasco da Gama vor fünfhundert Jahren ins Land brachte. Er zählt seither zur Tradition.

Unverdauliche Landesspezialitäten

Trinkwasser, in Flaschen zu haben, ist teurer als Cola oder alkoholfreies Bier.

Die Vorspeisen bestehen aus Kokos, gestückelt, geraspelt oder gerieben, gewürzt mit Ingwer, Knoblauch, Zitronengras und Chili. Die Hauptgerichte bestehen aus Kokos und Fischstücken oder geschnetzelten Oktopusfüßen sowie kleingeschnittenen Flughunden, gewürzt mit Ingwer, Knoblauch, Zitronengras und Chili. Die scharfe Muschelsuppe Tec-Tec (wörtlich: «Du musst verrückt sein!») wird von Einheimischen gemieden, jedoch gern an Touristen ausgegeben, allerdings nur unmittelbar vor deren Abreise.

Die Desserts bestehen aus mit Zucker zusammengepappten Kokosraspeln. Daneben gibt es unreife Bananen und eine Magnolienfrucht namens Cherimoya, die nach nichts schmeckt, jedoch hartnäckige bräunliche Flecken auf der Kleidung hinterlässt, sogenannte Seychellen-Souvenirs. Die beliebte Jackfrucht sondert ein klebriges Sekret ab, das sich nicht mit Wasser von Fingern und Händen lösen lässt, sondern nur mit einem auf den Seychellen erhältlichen teuren Öl.

Die Spezialität zwischendurch: Teigtaschen, Samosas genannt. Womit sie gefüllt sind, bleibt das dunkle Geheimnis des jeweiligen Take-aways. Vorsichtshalber werden sie so scharf gewürzt, dass der mulchige Inhalt nicht mehr zu identifizieren ist, schon gar nicht nach Öffnung des Leichnams.

Das reicht für das Expertengespräch

«Bitte loben Sie die Einwohner als freundlich, warmherzig und bescheiden», bat der langjährige Diktator France Albert René. «Auch wenn Sie das Gegenteil erfahren haben, ja, gerade dann.» Die Einwohner sind also freundlich, warmherzig und bescheiden. Ihre Hintern sehen aus wie die zweigeteilten Riesenkokosnüsse an den Bäumen. Überdies erzählen Reisende gern, dass es auf den Seychellen anders regnet als in Europa, nämlich so, als hätte ein Requisiteur eine Regenmaschine aufgestellt: Sie wässert die Hälfte des Platzes – diejenige, auf der man steht – und lässt die andere Hälfte trocken. «Außerdem haben wir eine beinahe schon ausgestorbene Vogelart gesehen, den Magpie Robin, ähnlich wie eine Elster, aber mit dottergelbem Bauch und mit herrlichem Gesang!» Der Gesang ist ein hässliches Schnarren, aber das muss man nicht erwähnen. Besser: «Die Atolle werden bei weiterem Anstieg des Meeresspiegels bald untergegangen sein. Gut, dass wir sie noch gesehen haben.» Und die wichtigste Lüge: «Die palmengesäumten Strände sind das reine Paradies! Dass es so etwas noch gibt!»

Das meinen Kenner

«Man würde sich hier zu Tode langweilen, wenn die zahllosen Mücken nicht wären.»

– David Foster Wallace, Schriftsteller

 

«Wer die Seychellen mag, wird sich auch in der Hölle wohlfühlen.»

– Savitri Devi, Schriftstellerin

 

«Am spannendsten sind zweifellos die Schildkröten-Rennen, die die Einwohner veranstalten.»

– Hunter S . Thompson, Reporter