2 - Die unbequeme Komplexität der Dinge
Nachdem wir durch Taans Hilfe, der uns einen gefahrlosen Weg aus den unterirdischen Bunkeranlagen der Qunoi zeigte, mühelos an Bord der Dilisa zurückkehren konnten, lenkte Sieraa das Schiff in den Orbit um Teragion III. Wir mussten zunächst unsere Kräfte sammeln und danach unser weiteres Vorgehen absprechen.
Erschöpft von meinem virtuellen Überlebenskampf in Taans geschickter Simulation und der emotional schwierigen Auseinandersetzung mit der Situation der Klone und des letzten Qunoi, blieb ich stundenlang auf meiner Kabine. Hier hing ich meinen Gedanken nach, während ich mich von den Anstrengungen erholte, die diese Reise mit sich gebracht hatte.
Wir waren eigentlich gekommen, um die WBE-Technologie für Dr. Tomasi zu finden, ein notwendiger Baustein zu Erschaffung der Nefilim und der Preis für seine Hilfe bei der Rückkehr in unsere Zeit.
Doch wir gingen mit leeren Händen.
Taan, der letzte Qunoi, verfügte selbst nicht über diese Technologie und blieb in der Kryostasiskammer gefangen, die seinen Körper erhielt. Nur durch die Verbindung zum Rechenzentrum in der Ruine konnte er sich seiner Umwelt mitteilen. Doch statt zu verzweifeln und den Freitod zu wählen, würde er nun meinem Vorschlag folgen und den Klonen das Wissen und das Erbe der Qunoi übergeben. Das war alles, was wir für ihn tun konnten und ich hatte sogar deswegen Bedenken. Was, wenn sich dadurch Veränderungen ergaben, die unsere Zukunft so beeinflussten, dass wir nicht zurückkehren konnten? Was, wenn sich bewahrheitete, was wir nur vermuten konnten, und sich ein neues Universum abspaltete, wodurch wir praktisch unsere eigene Zukunft vernichteten?
Aber ich hörte auf das, was mein Herz mir sagte. Ich hatte mich entschieden und würde diese Entscheidung nicht bereuen, gleich, welche Konsequenzen dies haben mochte.
Jedenfalls hoffte ich das.
Die Frage, die uns ebenfalls weiterhin begleiten musste, blieb also immer noch ungeklärt: War es überhaupt möglich, die Vergangenheit zu verändern? Oder folgten wir unweigerlich dem Weg, der für uns vorgezeichnet war?
Das Unklare an der Situation war frustrierend, aber ob die Rückkehr in unsere Ursprungszeit gelang oder ob wir durch unser Handeln ein neues Paralleluniversum erschufen, wussten wir erst, wenn wir durch das Wurmloch zurückkehrten. Und selbst das war nicht gewiss, denn in Bezug auf Zeitreisen gab es kein Wissen, keine Erfahrung, nur Legenden und Sagen.
Sicher war jedoch, dass ich Dr. Tomasi nicht vertrauen konnte. Der Mann hatte etwas Fanatisches an sich, das mir nicht gefiel. Und er war voller Angst und gierte gleichzeitig nach Macht. Eine nicht unübliche, wenn auch höchst unangenehme Kombination für einen Mann in seiner Position.
Wir konnten jedoch nicht anders, als mit ihm zu kooperieren. Einerseits brauchten wir seine technische Hilfe und Unterstützung, andererseits wollten wir nichts unternehmen, um die Entstehung der Nefilim zu gefährden, auch wenn das keine leichte Entscheidung war.
Die Macht der Nefilim lag in unserer Zeit, also in der Gegenwart, in welche wir zurückkehren mussten, überwiegend in Gerans Händen. Ich musste unbedingt einen Weg finden, ihm das Gerät zu entwenden, das ihm die Kontrolle über die Nefilim ermöglichte, sonst würde er früher oder später sicherlich wie eine Plage über die Claifex herfallen. Oder sich mit Aureol verbünden.
Was schlimmer war, konnte ich nicht abschätzen - beides führte unweigerlich in eine Zukunft, die nicht lebenswert sein würde. Es durfte einfach nicht geschehen. Ob die Vergangenheit nun beeinflusst werden konnte oder nicht, blieb unklar, und die Lösung dieses Problems überstieg das menschliche Fassungsvermögen, setzte unserer Macht womöglich eine natürliche und gesunde Grenze. Doch aus der Gegenwart heraus - der Zeit, in die wir zurück mussten - konnte ich jeden Weg wählen, der mir richtig erschien, um meine Zukunft zu formen.
Und Geran hatte in dieser meiner Zukunft keinen Platz.
Nach einigen Stunden des Grübelns zog es meine Gedanken zurück in die unmittelbare Gegenwart. Vor uns lag ein Ziel: Ranupa. Sieraas Welt mochte den Schlüssel zur WBE-Technologie bereithalten und unsere Reise ins Opial war damit unumgänglich, wollten wir Dr. Tomasis Unterstützung erhalten und die Entwicklung der Nefilim ermöglichen.
Die Gefahren dort waren nicht zu unterschätzen. Nach allem, was wir wussten, würden Kalimbari vor Ort sein, die mit Sicherheit kein Verständnis zeigten, wenn wir sie um eine Schlüsseltechnologie zur Erschaffung einer KI bäten. Die Bruderschaft war schließlich geschaffen worden, um genau das zu verhindern. Auch wenn sie in der Zukunft unter Garsuns Führung eine Verwässerung ihrer Ziele erfahren mochte, in dieser Zeit mussten wir mit dem massiven Widerstand der Kalimbari rechnen.
Geheimhaltung und diskretes Vorgehen waren also angemessen. Am besten erfuhr niemand davon, dass wir Ranupa betraten. Dabei musste uns Aristea mit ihren Fähigkeiten helfen. Die gesundheitlichen Probleme, die dadurch für sie entstanden, bereiteten mir jedoch große Sorgen. Wir mussten uns darüber klar sein, dass wir ihre Teleportationskräfte nur wenige Male nutzen durften und konnten, bevor sie einen neuerlichen Zusammenbruch erfahren würde. Am besten, so überlegte ich, wäre es, wenn wir direkt auf Ranupa landeten.
Aber nach allem, was Sieraa uns sagen konnte, waren in dieser Zeit noch deutlich mehr Forscher und Einwohner auf ihrer Welt unterwegs. Eine offizielle Landung dort würde nicht unbemerkt bleiben und die Aufmerksamkeit der Kalimbari vor Ort wecken. Das musste jedoch unbedingt vermieden werden. Da Aristea allerdings große Schwierigkeiten damit hatte, an gänzlich fremde Orte zu springen, blieb uns keine andere Wahl, als im Geheimen in das Ranupa-System zu fliegen, damit sie sich orientieren konnte. Darauf mussten wir uns vorbereiten.
Nach einiger Zeit des ergebnislosen Planens und Nachdenkens, das mir immer mühseliger erschien, wurden meine Augenlider schließlich schwer und ich gähnte. Ein Signal von der Tür riss mich aus dem sanften Übergang zwischen Wachsein und Schlaf.
»Komm rein, Zek, ich hab die Hände auf der Decke!«
Die Tür öffnete sich, doch es war Sieraa, nicht Zek.
»Ich wollte sehen, wie es dir geht.«
Ich setzte mich auf und streckte die Beine auf der Matratze aus.
»Müde, sonst in Ordnung.«
»Du siehst schwermütig aus.«
»Es muss vieles bedacht werden.«
Sie setzte sich auf die Bettkante.
»Bist du wütend auf mich?«
Ich sah sie verwirrt an.
»Warum?«
»Ich habe dich auf die Suche nach Truktock geführt und nun ... das.«
Ich lachte.
Schließlich schüttelte ich den Kopf. »Es war meine Entscheidung, diesem Weg zu folgen. Und es ist der richtige Weg gewesen.« Ich nahm ihre Hand. »Ich danke dir.«
Sie drückte meine Hand und wollte aufstehen, doch ich hielt sie fest.
Sie sah mich überrascht an.
»Ich lasse dich besser schlafen«, sagte sie und wandte sich ab.
»Bleib noch eine Weile ...«, murmelte ich.
Sie zögerte einen Moment, legte sich dann neben mich, bettete ihren Kopf auf meine Beine und umklammerte meinen Arm. Sie wirkte hilflos und verletzlich, wie sie sich an mich drückte und ich entdeckte eine Angst in mir. Die Angst, sie zu verlieren.
So verblieben wir schweigend - es gab keine Worte in dieser kleinen Welt, in die wir uns für einen Moment geflüchtet hatten.
Nach einiger Zeit musste ich wohl eingeschlafen sein und erwachte in einer abgedunkelten Kabine. Ich hörte Zeks leises Schnarchen und spürte, dass mein Bett nur mein eigenes Gewicht trug. Das unbestimmte Gefühl, das daraufhin durch meinen Bauch fuhr, war unangenehm. Vielleicht hatte ich gehofft, Sieraa wäre noch da.
Ich fiel danach in einen tiefen Schlaf der Erschöpfung und erwachte Stunden später durch ein fröhliches Singen und Pfeifen. Zek war in der Sanitäreinheit und intonierte ihre übliche Arie. Ihre krächzende Stimme war wenig dazu angetan, meine Laune vor dem ersten Kaffee zu verbessern und ich grummelte unwillig, als ich zum Replikator hinüberstolperte und mir einen Becher orderte.
Zek stiefelte wie erwartet nackt, bunt und unbekümmert aus der Sanitäreinheit, wühlte in ihren Sachen herum.
»Tut mir leid. Wollte eure Zweisamkeit nicht stören.« Sie hielt zarte Fetzchen Unterwäsche in die Höhe. »Ich dachte, du wärst eigentlich mit Ari zusammen.«
Ich seufzte.
»Ari und Sieraa sind zwei wichtige Personen in meinem Leben. Belassen wir es dabei, ja?«
Zek zog eine Grimasse.
»Wollte nicht zu privat werden ... jeder, wie er will!«
»Schon in Ordnung. Wenn der Rest der Mannschaft wieder bei Kräften ist, sollten wir eine kleine Sitzung abhalten und unser weiteres Vorgehen abstimmen.«
Zek schlüpfte in ihren schlechte Ausrede für einen Slip.
»Da fällt mir was ein, was ich mit dir besprechen will. Pauls Verhalten ... mir gefiel seine Art nicht. War es wirklich notwendig, den Klon ...«, sie schluckte und hielt inne, »... zu töten? Hätten wir nicht irgendetwas versuchen können, um ihn zu retten?«
»Mir ist seine Kaltblütigkeit ebenfalls aufgestoßen. Womöglich hätten wir tatsächlich etwas versuchen müssen, aber ich hatte nicht den Eindruck, dass es etwas genutzt hätte. Der Klon lag bereits im Sterben, Strahlungsschäden sind keine Kleinigkeit.«
»Trotzdem. Ich meine ... war das richtig?«
Ich schlürfte meinen Kaffee.
»Wir waren alle nicht in der besten Verfassung. Das nächste Mal, wenn wir in eine solche Situation kommen, werde ich an deine Worte denken. So ganz wohl ist mir dabei auch nicht gewesen. Ich hoffe nur, wir haben das Leiden des Klons verkürzt.«
Sie ließ zwei bunte Tattoo-Wirbel, die sich um ihre Brüste kringelten, unter einem Hemd verschwinden und grinste mich an, als sie meinen Blick bemerkte. »Hey! Sehr neugierig ...«
Ich räusperte mich und lächelte.
»Schöne ... Tätowierungen.«
Sie grinste und wusste genau, was ich eigentlich meinte.
»Danke. Es war übrigens richtig, was du zu Taan gesagt hast.«
»Was meinst du?«
»Ich finde es gut, dass er nun versucht, die Klone zu erziehen und ihnen eine Art Leben und ein Ziel zu geben.«
»Ehrlich gesagt bereitet mir die Sache Kopfschmerzen.«
»Warum?«, fragte sie und sah mich überrascht an.
»Was, wenn wir dadurch Ereignisse in Gang setzen, die unsere Zukunft verändern und die Rückkehr in unser Ursprungsuniversum verhindern?«
Zek zog ihre Hose über zwei bunte, wohlgeformte Pobacken und sah kurz über die Schulter, als ob sie meinen Blick spürte. »Wusste nicht, dass du so ein ... Tattoo-Fan bist.«
»Ich mag alle ästhetisch ansprechenden Dinge«, sagte ich grinsend.
»Verstehe ...« Sie fuhr kopfschüttelnd fort. »Die besten Wissenschaftler können die Frage nach einer möglichen Selbstkonsistenz des Universums nicht beantworten. Erst wenn wir zurückkehren, werden wir die Antwort darauf finden.«
»Wohl wahr. Am besten, wir kehren also möglichst bald zurück, denn mit jedem Tag, den wir länger hier verbringen, laufen wir Gefahr, größere Veränderungen zu bewirken.«
»Wenn wir das überhaupt können. Die zweite Möglichkeit bleibt genauso wahrscheinlich - es mag sein, dass wir nur das tun, was zu den zukünftigen Ereignissen führen wird.«
Ich ächzte.
»Stimmt. Was für ein paradoxer Haufen Scheiße.« Ich nippte an meinem Kaffee und betrachtete die Tattoos auf Zeks Hinterkopf. »Nachdem wir hier nicht fündig geworden sind, werden wir wohl ins Opial müssen.«
Sie fuhr sich mit einem Haarentferner über den Schädel. »Dem Admiral und Maya mag durchaus gelingen, was wir nicht fertiggebracht haben. Wer weiß, ob sie nicht etwas finden konnten?«
»Das glaubst du doch selbst nicht.«
Zek warf mir einen ernsten Blick zu. »Ich war von vornherein der Meinung, dass wir sofort dort hätten suchen sollen, wo die WBE-Technologie aller Wahrscheinlichkeit nach zu finden ist. Wir hätten die ganze Sache mit Taan nicht erleben müssen.« Sie hielt inne und warf mir ein schräges Grinsen zu. »Aber trotzdem möchte ich mich bei dir bedanken. Du hast mich nicht zurückgelassen, auch wenn die Mühen nur virtuell waren.«
»Warum habe ich dann so einen Muskelkater?«
Sie lachte und kam zu mir herüber, drückte mich kurz und gab mir einen freundschaftlichen Kuss auf die Stirn. »Danke.« Sie widmete sich wieder ihrer Kopfrasur und fuhr fort. »Ich werde gleich Kontakt zur Temborg aufnehmen.«
Ich schlürfte meinen Kaffeebecher leer und zog mich aus, was Zek vollkommen egal war, denn sie hatte andere Vorlieben als ich.
»Gut. Ich mach mich eben fertig. Rufst du die Leute auf die Brücke?«, fragte ich.
Sie hielt einen Daumen hoch und ich verschwand in der Sanitäreinheit.
Der private Augenblick in der kleinen Kammer ließ mich näher an meine eigenen Gefühle und Gedanken rücken, als mir recht war. Ich empfand eine tiefe Freundschaft für Sieraa - nein, viel mehr, gestand ich mir endlich ein. Doch auch Aristea hatte einen Platz in meinem Herzen gefunden, was eine eigenartige Situation war. Aber da war immer noch der dunkle Ort des Schmerzes. Ein Verlust, der eine Wunde hinterlassen hatte - Susannah.
Ich wusch mich mechanisch und schaltete die Sanitäreinheit mit einem abrupten Hieb ab. Gedanken, Gefühle, Grübeleien ... ich versuchte, sie zu verdrängen. Dennoch dachte ich an die Speicherkarte mit Truktocks Aufzeichnungen über die Jahre, in denen ich mich in Aureols Gefangenschaft befunden hatte. Wollte ich darin herumwühlen? Oder sollte ich einen Strich ziehen? Einen Neuanfang unternehmen?
Ich lachte bitter.
Erstmal musste ich diesen Wahnsinn überleben. Dann konnte ich weitersehen.
Zek war bereits fort, als ich mich anzog und die Kabine verließ. Ich ging zur Brücke hinauf und fand sie dort mit Sieraa und unserer Verstärkung von der Temborg. Nur Aristea war nicht da.
Sieraa entging mein suchender Blick nicht. »Sie liegt auf der Medi-Liege. Ihr Zustand verschlechtert sich von selbst. Wenn wir dafür nicht eine Lösung finden ...«
»Ich gehe zu ihr.«
Sieraa hielt mich zurück. »Nicht jetzt. Ich habe ihr etwas gegeben, damit sie schlafen kann.«
»Wird sie teleportieren können?«
»Die Frage ist nicht, ob sie kann, sondern was dann mit ihr geschieht. Auf jeden Fall sollten wir mit der Dilisa zunächst ins Opial vordringen. Aristea sagte mir vorhin, dass ihr ein Sprung von hier aus große Schwierigkeiten bereiten würde, wenn es ihr überhaupt gelingen sollte. Zudem kennt sie im Opial nur das System, durch das ich einen Abstecher machen musste, als wir vor Geran aus Raronea flohen.«
Ich fluchte aus mehreren Gründen. Mir lag Aris Wohlergehen am Herzen, doch ohne ihre Fähigkeiten war unsere Aussicht darauf, im Opial an die WBE-Technologie zu kommen, nicht unbedingt besser.
Zek kaute auf ihrer Unterlippe, als ich sie ansah, und schüttelte den Kopf. »Maya und der Admiral haben nichts Hilfreiches finden können. Es mangelt ihnen an Kontakten und die Sphäre spuckt nur Blödsinn von Verschwörungstheoretikern und anderen Mist aus.«
»Benaz gab mir diese Liste von Orten, an denen Ruinen und Hinterlassenschaften der Qunoi gefunden oder vermutet wurden.«
Zek winkte ab. »Die Qunoi verfügen nicht über die Technologie. Deswegen liegt Taan ...«
Ich hielt meine Metallhand hoch. »Ich weiß.« Ich sah Sieraa an. »Wir haben keine andere Wahl.«
Sie atmete schwer ein und aus. »Es muss eben sein.« Sie rief einen Plan von Ranupa auf einen großen Bildschirm und zeigte uns den systematischen Aufbau des künstlichen Planeten, nannte einige Details zu den Bewohnern dieser Zeit und zum Zweck bestimmter Einrichtungen.
»So, wie ich es sehe, ist damit eine direkte Landung ganz sicher ausgeschlossen«, sagte ich schließlich und verwarf zähneknirschend den Rest der Hoffnung, die ich diesbezüglich noch gehegt hatte.
»Können wir es nicht trotzdem versuchen, indem wir zum Beispiel eine Ablenkung unternehmen? Etwas sprengen ...«, sagte Paul.
Sieraa schüttelte vehement den Kopf. »Nein. Das Risiko, dass jemand verletzt wird, ist zu hoch.«
Er lachte. »Und was soll passieren, wenn wir jemandem begegnen? Sollen wir uns entschuldigen und darauf hoffen, dass schon alles in Ordnung ist?«
»Wir werden uns mit Betäubungswaffen ausrüsten.«
Er hielt die Hände hoch. »Betäubungswaffen? Ich gehe da ohne mein Gewehr nicht runter.«
Ich verstand Sieraas Problem, teilte aber auch Pauls Bedenken. Sie wollte natürlich vermeiden, dass Kalimbari litten, auch wenn die Reinkarnationstechnologie für niemanden ihres Volkes auf Ranupa den endgültigen Tod bedeuten würde. Explosionen als Ablenkung waren jedoch Unfug, auch wenn ich derartige Mittel bei anderer Gelegenheit in Erwägung gezogen hätte.
»Betäubungswaffen reichen für unseren Zweck aus. Es gibt keinen Grund, Dinge in die Luft zu jagen«, sagte ich und sah Paul fest in die Augen.
Er mied meinen Blick und zog schweigend eine Grimasse. Ich hoffte sehr, dass er nicht zu einem Problem werden würde, denn ich spürte eine zunehmende Tendenz zum Ungehorsam. Etwas gärte und kochte in ihm, doch ich wusste nicht, was es war. Auf der anderen Seite würde ich mich mit Betäubungswaffen allein auch nicht besonders wohl fühlen.
Paul murmelte wütend und verließ kopfschüttelnd die Brücke.
Zek schürzte die Lippen. »Naomi, Darius? Niemand hat diese Besprechung aufgehoben und ich will Pauls Verhalten nicht melden müssen. Bringt ihn zur Räson, bevor mir keine andere Wahl bleibt, verstanden?«
Die beiden nickten.
»Ich gebe euch Bescheid, was die weiteren Details anbelangt«, sagte Zek bissig und nickte zum Ausgang.
Als die beiden Menschen die Brücke verlassen hatten, ächzte sie. »Dieser Paul wird langsam anstrengend.«
»Ich hatte kein gutes Gefühl, als du diese Gruppe ausgewählt hast, Iason«, sagte Sieraa und rieb sich über den Mund.
»Naomi und Darius sind in Ordnung. Irgendetwas wurmt Paul. Er wird sich schon wieder fangen«, sagte ich und hoffte, dass dies der Fall sein möge, so dass ich mir keine weiteren Sorgen machen musste. »Wir machen es also so, dass wir in das System hineinfliegen, damit Aristea Ranupa anpeilen kann«, fügte ich hinzu, nicht wissend, wie wir dann fortfahren sollten.
Sieraa nickte. »Ich kann die Dilisa innerhalb des Ranupa-Systems vor den Sensoren verstecken. Auf diese Weise könnten wir von Bord der Dilisa herunterspringen und danach wieder zurückkehren.«
»Was, wenn das Schiff während unserer Abwesenheit entdeckt werden sollte?«
»Ich kann eine Botschaft vorbereiten, die uns als reisende Kzistaha ausgibt. Die verirren sich manchmal hierher und fliegen ein bisschen umher.«
»Und wenn das Schiff geentert werden sollte?«, fragte Zek.
Sieraa überlegte. »In dem Fall hätten wir ein Problem. Die Daten an Bord sind so sensibel, dass ich eine Form von Selbstzerstörung vorbereiten sollte.«
»Du willst das ganze Schiff in die Luft jagen?«, rief Zek ungläubig aus.
»Zumindest genug davon, damit kein Wissen aus der Zukunft in die Hände der Bruderschaft fallen kann.«
Ich nickte. »Das sollten wir auf jeden Fall vermeiden. Kannst du das machen?«
»Kein Problem. Ich werde eine einfache Vorrichtung installieren, die wir bei unserer Rückkehr deaktivieren müssen. Passiert das nicht, wird ein kleiner Sprengsatz den Rechner und die Datenbanken zerstören.«
»Simpel aber gut«, sagte ich. »Doch wird Aristea den Sprung zur Planetenoberfläche machen können?«
»Wir sollten versuchen, nur einmal nach unten zu springen und dann gleich unser Ziel zu erreichen, damit sie nicht mehrmals teleportieren muss. Das könnte sie überfordern.«
»Dann müssen wir genug Ausrüstung dabei haben.«
Sieraa nickte und wir legten eine Liste von Werkzeugen, Taschen, Geräten und tausend kleinen Dingen an, die wir mitnehmen sollten.
»Ein Haufen Zeugs«, murmelte Zek und ging die Aufstellung durch. »Wir brauchen große Rucksäcke.«
Anschließend besprachen wir unser weiteres Vorgehen auf Ranupa und suchten mehrere Routen aus, die uns zur unterirdischen Forschungsanlage führen würden, in der wir die WBE-Technologie stehlen wollten. Dabei wählten wir Wege, die uns möglichst unbemerkt dorthin brachten. Kritisch würde es erst beim Betreten der Räume, in denen wir unseren kleinen Diebstahl hübsch und diskret durchführen mussten. Wir besprachen verschiedene Szenarien, doch keines war wahrscheinlicher, als ein anderes.
»Am Ende müssen wir sowieso improvisieren«, sagte ich.
Sieraa nickte. »Hoffen wir, dass es nicht zu Komplikationen kommt.«
Ich seufzte.
Immer, wenn man von Hoffnung sprechen musste, neigten die Dinge zu unbequemer Komplexität. Am Ende flogen dann Leute und Gegenstände in die Luft und alles wurde furchtbar anstrengend.