30. Dezember:
Manchmal ist es drinnen kälter als draußen
Caspar?«
»Hm?«
»Vielleicht sollten wir Yannick und Angel eine Weile ins Ausland schicken. Wenn alles vorbei ist.«
»Hab ich auch schon überlegt. Wäre gut für die Kinder und gut für uns. London?«
»Ich bin eher für Neuseeland. Wir haben doch diesen einen Kunden in Berlin, der hat ein Büro in Wellington. Er sagt, die Ecke ist sehr inspirierend. Und die Schulen sind wohl hervorragend.«
»Lass uns die beiden doch gleich mal fragen.«
»Da brauchen wir nicht fragen, Liliane. Das machen wir einfach. Die Kinder verstehen das sicher.«
»Ja, Liebling. Die verstehen das.«
*
»Frank. Fra-hank!«
»Hm.«
»Gib ma Kippen und Bier.«
»Haste nich schon genuch heute?«
»Nää. Gib ma. Und sach ma Patric, dass er seine Scheißmucke leiser machen soll.«
»Hört doch eh nich’ auf mich.«
»PATRIC! MUSIK! ZU LAUT! Frank, hast du’s bald ma mit mein Bier und mein Kippen?«
»Hm. Hier. Wo sind’n die Jungs?«
»Machen Fernseh.«
»Und wo is’ Angela schon wieder?«
»Keine Ahnung. Aber ich brauch die heute noch. Zu’n einkaufen. Ich bin ganz kaputt von den lang’n Tach.«
»Haste ihr schon Geld mitgegeben, wegen einkaufen?«
»Nää. Wieso?«
»Geld is’ alle.«
»War die das jetz’, oder was?«
*
»Mama?«
»Mhmmmh, mhmmmh …«
»Mama? Was singst du denn da?«
»Was? Ach … nichts. Gar nichts.«
»Mama, ich muss mit dir reden.«
»Was gibt’s denn, Katinkaschatz?«
»Mama, ich hör mit der Schule auf.«
»Schule ist wichtig, Katinkaschatz.«
»Ich hör lieber auf damit, Mama. Mir bringt das nichts.«
»Wie du meinst, mein Kind, wie du meinst.«
»Mama?«
»Mhmmmh, mhmmmh …«
»Was singst du denn da schon wieder?«
»Leilalalala, leileilalala …«
»Vielleicht solltest du doch irgendwann zurück nach Hause gehen.«
»Vielleicht, Katinkaschatz, vielleicht.«
*
»Man muss den Kaffee langsam rösten.«
»Arndt?«
»In der Trommel.«
»Arndt?«
»Gute halbe Stunde. Nicht nur so zehn Minuten in der heißen Röhre.«
»Arndt!«
»Geschmacklich ein Riesenunterschied.«
»ARNDT!«
»Ja, was denn?«
»Kannst du die Kleine für eine Stunde zu dir in den Laden nehmen?«
»Hab gerade einen Kunden am Telefon.«
»Kannst du die Kleine nehmen?«
»Wieso denn?«
»Ich muss weg?«
»Wohin denn?«
»Wegen Benny.«
»Was ist denn mit Benny?«
»Er hat Probleme.«
»Ich hab auch Probleme. Mein Kunde kauft gleich woanders ein.«
»Also, was ist jetzt mit der Kleinen?«
»Okay, gib her.«
»Hier. Hast du sie?«
»Jaja. So, jetzt bin ich wieder da. Wie gesagt, Trommelröstung, nur Arabicabohnen, ausgesuchte Erzeuger, Sie werden das schmecken. Wenn Sie möchten, liefere ich Ihnen auch Zigarren und Wein.«
»Arndt?«
»Rotwein, ja, kleinen Moment, bitte …«
»Arndt?«
»Ich hätte einen Italiener im Angebot. Aus Apulien. Achtzehn Euro neunundneunzig die Flasche.«
»A-harndt!«
»Zwölf Flaschen? Gerne, kein Problem, mach ich Ihnen fertig.«
»MANN, ARNDT!«
»Was denn?!? Kleinen Moment noch mal, bitte … Was ist denn schon wieder?«
»Die Kleine ist die Treppen wieder hochgekrabbelt. Ich muss echt los.«
»Benny geht mir so was von auf den Keks. Nur, weil der offensichtlich irgendeine Scheiße gebaut hat, kann ich jetzt nicht in Ruhe mit meinen Kunden telefonieren.«
»Arndt, bitte!«
»Ist doch wahr. Versager.«
*
»Gernot, ich mach mir solche Sorgen um Leander. Ich weiß überhaupt nicht, was werden soll. Muss er jetzt ins Gefängnis? Und wenn er ins Gefängnis muss, darf er dann noch Medizin studieren? Wie ist das denn, wenn man im Gefängnis war? Kann man danach noch Arzt werden? Er muss doch Medizin studieren. Er soll doch mal die Praxis übernehmen. Das geht doch nicht, dass er die Praxis nicht übernehmen kann. Wozu hast du die Praxis denn sonst aufgebaut? Was machen wir denn nur, wenn Leander die Praxis nicht übernehmen kann? Ich kann mir das gar nicht vorstellen, es ist doch alles darauf ausgerichtet, dass Leander das mal macht, du hast das doch alles schon geregelt, was machen wir denn nur …«
»Sybille?«
»Hm?«
»Seit wann interessierst du dich für so was?«
*
»Und wie geht’s jetzt weiter, Chastity?«
»Wie geht was weiter?«
»Das mit uns. Wie geht das mit uns weiter?«
»Ist das wichtig?«
»Ja, für mich ist das wichtig. Ich will dich nicht einfach so aufgeben. Ich mach so was nicht.«
»Das entscheidest nicht du allein.«
»Du auch nicht.«
»Ich bin, wie ich bin.«
»Menschen können sich ändern.«
»Warum sollte ich mich ändern?«
»Weil Veränderung Bewegung ist. Ohne Bewegung wartet nur noch der Tod auf dich.«
»Der wartet sowieso auf mich. Der wartet auf uns alle. Da kommst auch du nicht drum herum. Egal, wie groß du bist. Egal, wie schön du bist.«
»Aber ich kann versuchen, Spuren zu hinterlassen. Was hinterlässt du denn mal? Einen Berg voller Angst und Zigarettenkippen?«
»Und wenn. Na und? Ich bin nicht die Mutter deiner Kinder. Ich kann keine Kinder kriegen. Hab ich dir schon gesagt.«
»Da kann man doch bestimmt was machen.«
»Bist du bescheuert? Ich lass nicht an mir rumpfuschen.«
»Ich hab nichts von rumpfuschen gesagt. Ich sage nur: Wer will, der kann auch.«
»Ich will nicht.«
»Verstehe.«
»Also.«
»Also was?«
»Dann war’s das, oder?«
»Sieht so aus.«
»Na dann.«
»Mach’s gut, Chastity.«
»Mal sehen.«