Roter Nebel, Zentrum, Xee,
Mestiif
30397/2/18 SGC
13. Dezember 2014
Keleeze
»Ihr könnt nicht mehr länger warten, Höchster. Ramone ist auf dem Weg nach Xee, wenn sie nicht schon bereits dort eingetroffen ist. Overteer Treerose konnte Infinitum nicht retten, das Potential wurde gezündet.« Syncc Marwiin sah mich prüfend an. »Kann ich Euch weiter vertrauen, Keleeze?«
Es war das erste Mal, seit wir uns kannten, dass er mich mit meinem Namen ansprach. Das Brennen in meinen Adern war einer angenehmen Wärme gewichen. Ich verstand den Hintergrund seiner Frage, verstand seine Befürchtungen und lächelte.
»Das könnt Ihr, Syncc. Mein oberstes Ziel ist die Zerstörung der Arche«, antwortete ich. »Ich erwarte die Chrunus-Einheiten der Organisation in den nächsten Stunden. Dann werden wir nach Xee zurückkehren, Overteer Laurenz wird die Rückendeckung übernehmen, sobald er eintrifft. Wir haben gute Chancen, wenn wir die Tarnschilde der Od’Fer neutralisieren können.«
»Die Entkopplungssequenz stammt aus dem Datenwürfel, den Oldo Merceer Euch hinterlassen hat, Siir. Ramone ist unwichtig im Vergleich mit den Folgen einer weiteren Potentialzündung! Nur Ihr könnt die Entkopplungssequenz in der Arche übermitteln. Mit der Zündung des Xee-Potentials bei aktivierter Kopplung würde eine Kettenreaktion initiiert, die sehr hohe Energien zu den laufenden Potentialwellen von Infinitum addieren und weitere Archen fernzünden würde. Die entstehenden Interferenzen wären unberechenbar. Sicher ist nur, dass innerhalb der nächsten zwei Jahre große Teile der Nebelwelten und der Königreiche entvölkert würden.«
Es würde auch Raum für ein neues Imperium schaffen, entstand ein neuer Gedanke in meinem Kopf, »ich werde den Raum finden«, sagte ich.
»Es hat eine weitere Infektion mit dem Sole-Sourcer-Virus hier auf Ruthpark gegeben, Höchster.«
Ein Stich durchfuhr mich.
»So?«
»Donavon – er hat sich auf dem Weg in die Arche erst mit dem Virus und im Kommunikationsraum mit den Pilz-Sporen infiziert. Mit dem Stamm des Originalvirus und der Ursporen. Es ist irreversibel, wenn Ihr versteht, was das bedeutet, Merkanteer!«
Eifersucht durchzog mich – vielleicht würde er es nicht überleben.
»Er wird den Sole-Sourcern am nächsten sein – er stammt aus der direkten Linie ihrer Nachfahren, verfügt über kein Makrobot-System, kann sich nicht wehren. Die Veränderungen durch das Virus werden bei ihm sehr viel schwerwiegender sein als bei Euch, Höchster.«
Ich würde auf ihn achtgeben müssen.
»Ohne Makrobot-System wird er den Veränderungen wehrlos gegenüberstehen.«
*
»Ich ernenne dich zum Schlacht-Overteer, Keleeze.«
Treerose sah schwer angeschlagen aus, dunkle Ringe lagen um seine Augen. Ich hatte seinen Bericht und den Narg Laurenz’ unverzüglich erhalten, nachdem sie geschlagen mit Hilfe der Z-Zemothy-Elitetruppen das Infinitum System verlassen hatten und das Potential nur wenig später zündete. Dass die Urmutter bereitwillig ihre Truppen zur Verteidigung eines zum Untergang verurteilten Systems zurückgelassen hatte, sagte entweder etwas über die Anzahl der ihr zur Verfügung stehenden Kräfte aus – und die mussten in dem Fall enorm sein – oder es war ein Indiz für den Grad ihrer Rücksichtslosigkeit – und die war in diesem Fall nicht weniger erschreckend. Ich bevorzugte die zweite Möglichkeit, stellte sie die bevorstehende Schlacht doch in einem günstigeren Licht dar.
Besonders ernst nahm ich Treeroses eindringliche Warnung vor den telepathischen Fähigkeiten der Urmutter und den Hinweis, dass der Cektronn von Z-Zemothy über eine chemische Substanz verfügte, die einen Schutz gegen diese Manipulationen darstellte, für meinen nächsten Angriff würde ich darüber noch nicht verfügen.
»Die zentrale Feuerleit-KI verarbeitet gerade die Daten aus Metcalfes Anzug«, sagte Treerose und ich bemerkte zum ersten Mal, dass er seinen schwarzen Ohrring nicht trug. »Sobald sie die Analysen der Feldstrukturen abgeschlossen hat, werden die Od’Fer sich nicht mehr verstecken können. Du solltest deinen Angriff so lange wie möglich aufschieben, Keleeze.«
Ich blickte starr in seine Augen.
»Sobald Ramone das Xee-Potential zündet, hat sie ihr Ziel erreicht, Torkrage«, entgegnete ich. »Jeder Offizier ist dann umsonst gestorben, es spielt dann nicht einmal mehr eine Rolle, ob wir sie selbst bekommen.«
Er nickte langsam. »Du hast recht, doch ich wünsche nicht, dass du die Urmutter stellst. Sie wird dich töten oder deinen Willen brechen, wie sie den von Metcalfe gebrochen hat. Du hast keine Vorstellung ihrer Kraft.« Er überlegte einen Moment. »Aber ich gebe dir keinen Befehl. Du musst die Lage beurteilen. Narg ist in sieben Stunden vor Ort. Wenn wir Anfangsverluste reduzieren können, ist das hilfreich. Wenn ein früher Angriff uns so viel Kraft kostet, dass wir anschließend selbst ohne Tarnschilde nicht gegen sie bestehen können, hat uns der frühe Angriff nicht geholfen.«
Ich sah seinen Punkt.
»Verwende die Lancer-Verbände der Unsichtbaren Flotte. Sie haben ihren eigenen simplen Charme beim Beschuss von stationären Zielen. Damit räumst du den Orbit um Xee großräumig von Kampfstationen, verursachst großen taktischen Planungsaufwand bei den kleineren Einheiten und bereitest die Oberfläche des Planeten zur Landung vor.« Er lächelte bitter. »Ohne Metcalfes Hilfe im Bereich der strategischen Planung wird sie zu alten Kampfmustern zurückkehren – müssen.«
*
Nach dem Eintreffen der Chrunus-Verbände begannen wir den zweiten Angriff wie den ersten, mit zwei asymmetrischen Schneiden einer gigantischen Schere. Massive Drohnenschwärme hatten zuvor die Einsprungsektoren aufgeklärt, Rumbler die identifizierten Ziele vernichtet, bevor die ersten Kreuzer gesprungen waren. Laurenz’ Truppen würden in vier Stunden auf dem Weg der schnelleren Verbände nachfolgen und das Kräfteverhältnis der beiden Scherenschneiden umkehren.
Die Od’Fer erwarteten uns diesmal auf der Hälfte der Strecke, nicht völlig überraschend. Die Unsichtbare Flotte hatte noch eine besondere Variante von Munition für die Lancer-Plattformen bereitgehalten: intelligente, kinetische Streumunition. Die eintausend Tonnen Projektile lösten sich in sicherer Entfernung von den eigenen Schiffen in zehntausende, untereinander kommunizierende Einzelgeschosse auf, die in einem vorher bestimmten Abstand zueinander einen kompletten Sektor durchflogen, sämtliche getarnte Einheiten aufgrund der eng beieinander liegenden Flugbahnen trafen und für die nachfolgenden Kampfdrohnen markierten, sofern die erste Kollision nicht schon zur Zerstörung geführt hatte.
Doch auch die Kirchentruppen waren für Überraschungen gut. Der Asteroidenbeschuss erfasste diesmal meinen stärkeren Teilverband mit einer brutalen Intensität aus der Richtung des Einsprungpunktes und zwang uns zu einem massiven Kurswechsel. Trotzdem verlor ich ein gutes Drittel meiner Schlagkraft, darunter einen der beiden für den Erfolg kritischen Landungsträger der Chrunus-Verbände.
Alle Offiziere auf der Brücke der Konnega zählten in Gedanken den Countdown bis zum Eintreffen der Organisationstruppen herunter, die zentrale Feuerleit-KI war noch immer mit der Verarbeitung der Felddaten beschäftigt. Als die Unterstützung endlich eintraf, kam sie von keiner der beiden erwarteten Seiten.
Wir bemerkten in den ersten Minuten nicht einmal, dass wir Unterstützung bekamen. Nur das kontinuierliche Versiegen der Angriffe der Od’Fer-Drohnen signalisierte einen Strategiewechsel der Kirchentruppen. Als die zentrale Feuerleit-KI eine Auswertung der Kursinterpolationen der sichtbaren Kircheneinheiten im Holodisplay anzeigte, war ich im ersten Moment sprachlos. Die gegnerischen Schiffe hielten auf ein Objekt zu, das in gerader Linie ausgehend von sekundären Sprungpunkt auf Xee zuhielt, mit einem Viertel der Lichtgeschwindigkeit, unbeirrbar dem Kurs meines schnelleren Verbandes folgte und sämtliche Kircheneinheiten im Umkreis von zwei Lichtsekunden zerstörte.
»Ashia, du musst da schleunigst weg!«, sagte ich mahnend. Doch der Kommandant des Verbandes hatte seine eigene, gleichlautende Schlussfolgerung bereits in die Tat umgesetzt. Die schweren Kreuzer passierten die Zwei-Sekunden-Abstandslinie nur wenige Augenblicke, bevor das Objekt den Verband überholte und mehrere Korvetten, Drohnen und eine Lancer-Plattform als Wracks zurückließ.
»KI, das ist der Sole-Sourcer im Anzug eines Mega-Tempus«, sprach ich meine Gewissheit aus. »Wir werden ihn nicht beschießen!«
Das konnte nur der Paramount, der oberste Sole-Sourcer des Dritten Imperiums sein, genau wie Oldo Merceer es mir vorhergesagt hatte. Er war den weiten Weg von Tektor hierher geflogen, ohne auf den Ortungsschirmen irgendeiner Aufklärungsdrohne erschienen zu sein. Nun hatte er die Urmutter ausgemacht und war auf dem Weg, seine persönliche Rechnung mit ihr zu begleichen. Nur – würde ich davon profitieren? Ein unbekanntes Gefühl der Verbundenheit begann sich in mir zu regen, ich musste ihn sehen.
»Kapitän«, rief ich den Kommandanten, »wir folgen dem Tempus, er klärt den Weg hinab zum Planeten, die Lancer sollen seinen Kurs schützen.«
Es’Zuutil nickte und gab die entsprechenden Befehle. Dann kam er zu mir und sagte: »Wenn die Organisationsverbände nicht pünktlich sind oder im System aufgehalten werden, kommen wir nicht mehr raus, wir haben keine Rückendeckung, Siir.«
Ich deutete auf die von Kircheneinheiten geklärte Zone, die sich rasend schnell Richtung Xee erweiterte und die Fluchtvektoren der sichtbaren Kircheneinheiten. »So eine Chance bekommen wir nicht zweimal, Kapitän. Wir müssen sie nutzen. Narg Laurenz wird kommen.«
Die Konnega und ihr Verband hielten auf den leeren Korridor zu, der zweite Landungsträger rückte langsam in den vorderen Teil des Verbands vor, die Module der Bodenkontrolle begannen mit der Initialisierungssequenz.
»Schildverband ist eingetroffen«, signalisierte die zentrale Feuerleit-KI gut vierzig Minuten später und verursachte ein kollektives Aufatmen auf der Brücke der Konnega.
»Wir gehen jetzt runter, Crownie«, hörte ich Ashia auf der persönlichen Leitung.
Im zentralen Navigationsholodisplay der Brücke erschienen fortlaufend freundliche Marker am sekundären Einsprungpunkt, Organisationstruppen rund um die F9, das Flaggschiff von Narg Laurenz’ Schildverband, mehrere Verbände der neuen Nova-Zerstörer und eine überraschende Vielzahl an Z-Zemothy-Kampfschiffen mit allein an die vierzig Lancer-Plattformen, die unmittelbar den Beschuss Richtung Systemsonne aufnahmen, um den Weg für den Schildverband freizumachen.
»Der Cektronn hat sich Laurenz angeschlossen«, sagte ich zu ihr. »Er arbeitet seine Schulden in hohem Tempo ab – sei vorsichtig!«
Sie lächelte. »Ich hatte nie zuvor so ein großes Rodonn, Keleeze.« Dann schien sie sich an etwas Dunkles zu erinnern. »Es gibt aber noch eine offene Rechnung mit diesem System. Es wird keine weitere Niederlage geben. Wir sehen uns unten!«
Die F9 drehte zur System-Sonne hin ab. Laurenz würde die Sonnenstation und die Linsensysteme etablieren.
»Feldstrukturdaten verfügbar«, meldete die zentrale Feuerleit-KI von Difthon. Ich sah neugierig auf das Navigationsholodisplay der Konnega und schloss für ein paar Sekunden elektrisiert die Augen. Als ich sie wieder öffnete und die Darstellung unverändert fand, hörte ich meinem Kopf die vertraute Stimme des gefallenen Blaak Ferkuiz: Das nenne ich riskant, Keleeze!
Ich war mir sicher, das hätte er in diesem Moment uneingeschränkt stehengelassen. Der Planet Xee war verschwunden. Sein Orbit bis in eine Höhe von fast drei Millionen Kilometern war innerhalb von drei elliptischen Rotationskörpern mit feindlichen Markern gespickt, in einer Dichte, dass die Schiffs-KI die sich vielfach überlagernden Einheiten in Gruppen unterteilte, diese wiederum zu Hauptgruppen zusammenfasste und diese schließlich mit gewichteten Kampfkraftindikatoren dargestellte.
Ich hatte in meiner Erwartungshaltung für die Motivation der Urmutter falsch gelegen – sie verfügte über mehr als genug Truppen. Dies waren die herangezüchteten und nur für den Kampf ausgebildeten Truppen der zweiten Ruthpark-Kultur, die ehemaligen Nachbarn der Coruumer. Nun trafen sie nach eintausend Jahren wieder auf die Nachkommen eben jener Coruumer, die in den Reihen der Organisation die Huds gebildet hatten.
»Warte, Keleeze!« Narg Laurenz sah mich auf meinem persönlichen Visier an. »Wir benötigen das Linsensystem. Vorher kommen wir da nicht durch – auch du nicht, wenn du dem Sole-Sourcer jetzt folgst.«
Ich sah auf die berechnete Position des Paramounts. Selbst sein Vorstoß wurde durch diese Massen an Gegnern gebremst. Ohne Kursänderung hielt er nach wie vor geradlinig auf Xee III zu, auf einen Konzentrationspunkt der Od’Fer zielend, jedoch mit deutlich reduzierter Geschwindigkeit von immer noch zehntausend Sekundenkilometern.
»Das ist unsere Chance, Overteer. Wir sehen die Od’Fer. Ende des Versteckspiels. Die Kircheneinheiten konzentrieren sich vollständig auf den Tempus. Wenn die Sonnenstation etabliert ist, haben wir die Rückendeckung, die wir benötigen, um wieder herauszukommen. Wenn wir ihm jetzt nicht folgen, müssen wir uns da selbst durchkämpfen.« Und der Paramount könnte Hilfe benötigen.
Ein schmales Lächeln machte sich bei ihm breit. »Dann geht, aber macht einen weiten Bogen um die Urmutter. Markiert ihre Position, wenn es möglich ist, und bewahrt Eure Wärme!«
*
Die Lancergeschosse hatten die Umgebung der Arche auf Xee III in eine vorgeschichtliche Region zurückverwandelt, wie sie vor Hunderten von Millionen Jahren zur Zeit der ersten Gebirgsauffaltung des jungen Planeten ausgesehen haben mochte. Die Atmosphäre war undurchdringlich, voller dunkelrotem Gesteinsstaub, verflüssigten Metallen und auf mehrere hundert Grad aufgeheizten Gasen. Zyklone mit Geschwindigkeiten von fünfhundert Stundenkilometern und mehr tobten über erdteilgroßen Gebieten, ihre elektrischen Entladungen irritierten einige Drohnen.
Die Lancer hatten sich nicht die Mühe gemacht, das Abfeuern der kinetischen Masse-Geschosse zu unterbrechen, als die Region der Arche von der Planetenrotation aus ihrem Feuerbereich getragen wurde – sie hatten dem Planeten einen neuen, glühenden Äquator auftätowiert. Der einstige, größte Ozean war im Moment über die halbe Landfläche verteilt, verwandelte gigantische Krater-Ketten in Seen aus kochendem Wasser und heizte die Atmosphäre mit Kubikkilometern Wasserdampfs weiter an.
Die Bildaufbereitung der Aufklärungsdrohnen zeigte eine Geistermetropole oberhalb des Archenkomplexes. Der Paramount hatte sein Tempo weiter drastisch reduzieren müssen, er wütete in einer halben Million Kilometer Entfernung unter den Einheiten der Od’Fer, offenbar verfügte er noch nicht über alle Informationen für die Wahl eines geeigneten Landeplatzes.
»Sonnenaufgang in zehn Sekunden«, hörte ich die Warnung der Feuerleit-KI für die Aktivierung des Linsensystems. Das war deutlich schneller erfolgt als erwartet. Die Od’Fer hatten den Fehler gemacht, sich nur auf den Sole-Sourcer zu konzentrieren – doch der würde in wenigen Augenblicken nicht mehr ihr primäres Problem sein.
Die Einheiten meines Landungsträgers waren weiträumig aus dem Kurs des Sonnenstrahls geleitet worden. Als er in zehntausend Kilometern Entfernung in Richtung auf die verleibenden Kampfstationen des Archenkomplexes vorbeizurauschen begann, wusste ich, dass wir die Raumschlacht gewonnen hatten.
*
Der Archenkomplex auf Xee III stellte sich vollständig anders dar als die der bisherigen. Die kugelförmige Arche war nicht unter Kilometern von Gestein in der Tiefe versteckt sondern befand sich an der Oberfläche des Planeten im Zentrum einer großzügigen, an einem Ozean gelegenen Metropole, die von ihren Ausmaßen her auf Restront über vier bis fünf Millionen Einwohner verfügt hätte.
Sie hatte sich hinaufbewegt. Die geologischen Informationen zeigten klar den verschütteten, neunzehn Kilometer tiefen Tunnel unter ihr, der einen Anschluss an ein vulkanisches Schachtsystem besaß, der bereits vor längerer Zeit ausgekühlt war. Diese Arche hatte einen Durchmesser von einem guten Kilometer und war damit deutlich größer als die bisherigen. Außerdem handelte es sich bei ihr laut Syncc Marwiin um eine Arche des Zweiten Imperiums und damit um eine wesentlich jüngere und modernere als die anderen beiden. Ihre matte Kugeloberfläche ragte zweihundert Meter über das umgebende Erdreich hinaus, das nach den bisherigen Treffern des Linsensystems zu einer Hälfte aus verbrannter Vegetation und zu einer Hälfte aus kochendem Wasser des nahen Ozeans bestand. Die Bilder meines Visiers waren digital aufbereitet, echte Bilder gab es in den kilometerhohen Wolken grauschwarzen Wasserdampfs nicht.
»Das Linsensystem soll den Beschuss der Zwei-Kilometer-Zone einstellen«, befahl ich und wusste, dass der Strahl erst in neun Minuten abreißen würde, wenn die letzten, in diesem Moment aus Richtung der Systemsonne auf die Reise geschickten Quantenpakete hier eingetroffen waren.
Die Od’Fer ignorierten uns fast völlig. Unter geringsten Verlusten drangen die Verbände des Landungsträgers bis zur Umlaufbahn von Xee III/A vor, starteten die Einheiten der Bodenkontrolle und begannen mit der Invasion.
»Hier unten sind massive Störstrahlungsfelder. Möglicherweise eine Folge der hohen Ladungsdichte innerhalb der Arche. Bis jetzt fast kein Widerstand durch Od’Fer«, meldete sich Ashia zeitgleich zu den im Navigationsholodisplay eintreffenden Meldungen der Expeditionsdrohnen. »Der Eingang ist versiegelt, sollen wir ihn aufbrechen?«
»Nein, wir haben die Codes«, sagte ich energisch. »Die Archen-KI soll ihre Abwehrmaßnahmen nicht aktivieren.«
»KI, sende die Zugangsdaten, die Syncc Marwiin für diese Arche überspielt hat«, befahl ich.
Nach einer knappen Minute zeigten die Aufnahmen der Drohnen, dass die Codes richtig gewesen waren. Im Zenit der sichtbaren Kugeloberfläche begann ein großer Krater einzusacken, als rinne Sand durch eine Fuge unter den Fußboden.
Ich verließ den Träger zusammen mit meiner Garde. Das Schiff zog sich in den Schutz des Schildverbands zurück, wo bereits die Konnega mit den anderen Verbänden wartete. Mein Hauptdisplay übertrug mir das schlechter werdende Bild von Ashias Sensorenphalanx, während sie mit ihrem Rodonn auf eine kreisrunde Öffnung im Zentrum des mittlerweile auf einen Durchmesser von fünfzig Metern angewachsenen Kraters zusteuerte.
Störschleier begannen durch mein Visier zu wandern. Statisches Rauschen zerhackte eine Nachricht, die seltsamerweise auch von der Anzug-KI nicht wiederhergestellt werden konnte.
»Siir?« Ein Certeer meiner Garde wies mich auf eine Strahlungsanomalie hin, der ich bisher auf einem Nebendisplay keine Beachtung geschenkt hatte.
Wir passierten die glühenden und abstürzenden Reste einer Planetenorbitalstation, welche wohl die letzte Verteidigungslinie der Kirche oberhalb der Oberfläche dargestellt hatte. Meine Anzug-KI lokalisierte die Strahlungsquelle in Form einer unbekannten Aufklärungsdrohne an einer Stelle unterhalb dieses Wracks, von der aus sie unsere Anzüge anvisierte.
Ein Zerstörer- und ein Aufklärer-Anzug meiner Garde nahmen die Position gleichzeitig von zwei Seiten unter Feuer, vaporisierten mit ihren Disruptoren große Teile der einstigen Station, ließen auch die Drohne verschwinden.
Nur wenige Momente später erreichte ich die Arche. Dort lag sie unter mir, ein gigantisches Energiereservoir, bereit, in einer kosmischen Explosion das kritische Potential in ihrem Inneren zu zünden, um dadurch eine unkontrollierte Verbindung zum Nebenraum zu schaffen, durch welche sich die lokalen unterschiedlichen Potentiale schlagartig ausgleichen würden. Eine Abfolge ungeheuerer Schockwellen würde durch den Normalraum und den Nebenraum entsandt, deren Energien, den Potentiallinien folgend, in einer verheerenden Abfolge von Kettenreaktionen weitere Archen kollabieren lassen und am Ende den Roten Nebel in seiner heutigen Form vernichten würden.
Ich blickte auf die Codes für den Entkopplungsmechanismus auf einem Display. Wenn ich die Arche nur entkoppeln würde, wäre das Xee-System immer noch dem Untergang geweiht, ich musste sie entschärfen, um sicher zu gehen.
»Keleeze! Wir werden angegriffen!« Ashias Stimme schrie und fluchte lautstark in meinem Helm.
»Der Countdown für die Zündung des Potentials läuft! Die Störstrahlung ist ein Seiteneffekt des wachsenden Ladungswertes. Wenn du hier etwas entkoppeln willst, musst du dich sehr beeilen!«
Ich stimmte innerlich in ihre Flüche ein und erhöhte mein Tempo.
»Ach so, mein Crownie«, hörte ich ihren spöttischen Unterton. »Ich hoffe, du hast deine feuerfeste Wäsche an. Mit Euren Angeberanzügen kommt ihr hier nicht mehr durch!«
Das konnte allerdings zu einem Problem werden. Ich erreichte den Krater und flog langsam in den dahinterliegenden Raum. Er bot zwei von den Kampfanzügen Platz, das Blendentor ins Innere der Arche maß zwei mal drei Meter – das war zu klein.
Ashia war bereits mehrere hundert Meter weit in sie vorgedrungen, befand sich aber immer noch in der Schicht der äußeren Transferkugel. Ihre Signale erreichten mich nur über mehrere Aufklärungsdrohnen, welche als Relaisstationen dienten. Meine Sensoren litten ebenfalls unter der harten Strahlung. Die Übertragung war sehr schlecht geworden, die Anzug-KI riet mir von einem Ausstieg ab.
»Zwei Offiziere kommen mit«, sagte ich und gab der Anzug-KI den Ausstiegsbefehl.
Mein Anzug setzte so dicht vor dem Blendentor im Vorraum auf, wie es ging, erzeugte ein maximales Schutzfeld, das sich mit den Feldern der beiden Aufklärer-Anzüge verband, die eng neben mir landeten. Innerhalb der Anzug-Felder konnte ich mich frei bewegen, brauchte ihren Schutz aber vor allem, um die Infanterieausrüstung aus den Fächern an den Waden des Anzugs zu entnehmen und anzulegen.
Ich setzte den Sensorhelm auf und hörte den Verriegelungsmechanismus arbeiten, gefolgt von dem Einströmen frischer Luft. Die Infanterieanzüge der Organisation waren leichte Kampfanzüge, bestanden aus extrem belastbaren Monofasern und waren für den Betrieb durch Muskelkraft ausgelegt. Einziger Luxus neben dem Lebenserhaltungssystem war die optionale Flugeinheit, eine kleine Drohne, welche den Anzug an den Schulteradaptern greifen konnte und uns somit eine schnellere Fortbewegung ermöglichte als zu Fuß.
Die Handschuhe erlaubten mir, meine Ringe zu bedienen. Ich aktivierte das Schutzfeld, ergriff die Raver-Stop-Gun und gab der Flugeinheit über mein Visier den Befehl zum Start. Die Anzug-KI meines Kommandeur-Anzugs würde meinen Weg beobachten und den Zugang verteidigen. Mehr konnte ich hier drinnen nicht erwarten.
Wie kleine Würmer in einem Stück Obst, folgten wir dem Tunnel durch die äußere Schicht der Arche. Ashias Signal wurde stärker und nach einer knappen Minute mündete der Tunnel in einen großen elliptischen Raum, in dessen Mitte zwei Statuen auf ihren Thronen saßen. Ashias Exor schwebte im hinteren Brennpunkt des Raumes am Ende einer kleinen Rampe: dem verschlossenen Zugang zur Substanzkugel der Arche. Die zehn Soldaten ihres Rodonns hatten sich im Zugangsraum verteilt und warteten auf Anweisungen.
»Ohne ein neues Zauberwort kommen wir hier nicht weiter, Keleeze«, sagte sie, lächelte mich schelmisch an und wackelte ungeduldig mit dem Kopf.
Ich lenkte die Drohne an den Fuß der Rampe, ließ sie mich absetzen und befahl ihr, in der Nähe zu bleiben. Die beiden Statuen waren Sole-Sourcer. In Analogie zu Ruthpark waren es wohl die beiden höchsten Sole-Sourcer von Xee zum Zeitpunkt der zweiten Potentialkatastrophe gewesen. Ihre Köpfe fehlten und auch sonst hatte das zähe Material, aus dem sie erbaut waren, gelitten.
»Offensichtlich waren sie nicht nach dem Geschmack der Urmutter.« Ashia landete neben mir, schubste mich mit ihren Delta-Gleitschild einen Schritt zur Seite, öffnete ihr Visier und lächelte mich an. »Ich hoffe, die Anzüge halten ein wenig aus?«
Das Knistern meines Schutzfeldes und die verbrannte Oberfläche ihres Schildes an der Kontaktstelle ließ ich als Antwort stehen, rief über die Anzug-KI des Kommandeur-Anzugs die Archencodes ab und wartete darauf, dass sich das Tor zur Substanzkugel öffnen würde. Das Blendentor am Ende des Tunnels, durch den wir diesen Raum erreicht hatten, schloss sich knirschend.
»Ziit!«
Mit einem lauten Knall zerbarsten die beiden Statuen und ich spürte den Einschlag mehrerer fester Körper auf meinem Anzug. Mein Visier war mit einem Mal erfüllt von feindlichen Markern, die durch eine Vielzahl von Öffnungen in Decke, Wänden und Fußboden gekommen waren und alle in heftige Kämpfe verwickelten. So schnell ich konnte, rannte ich an den Fuß der Rampe, benutzte sie als Rückendeckung und feuerte dreimal mit der Raver, reduzierte die Anzahl der Angreifer um genau diesen Betrag.
Mein Schutzfeld kompensierte mehrere Treffer, blieb im unkritischen Bereich. »Gegenangriff, Certeers!«, befahl ich und sah bereits, dass wir die Oberhand gewannen.
»Keleeze, was ist los?« Laurenz erschien in meinem Visier. »Das Blendentor hat sich verschlossen, wir öffnen es jetzt.«
»Kleiner Überraschungsangriff, wir haben ihn abgewehrt«, antwortete ich und ging an den dunkelroten Anzügen mehrerer toter Od’Fer vorbei, auf einen an Boden liegenden Exor zu, an dessen Seite ein weiterer Soldat mit geöffnetem Visier kniete.
Es war Ashia. Ihr Anzug wies einige plastische Deformationen auf, Blutfäden rannen über ihr Gesicht. Als sie mich sah, bewegte sie die Lippen, ohne dass ich ein Wort verstand. Der Soldat erhob sich, ich erkannte Lumidor, den Anführer ihres Rodonns.
»Zufallstreffer eines Trümmerteils, Siir. Sie muss hier raus.«
»An alle da drinnen, weg vom Schott! Öffnung erfolgt in fünf Sekunden!«
Wir begaben uns seitlich neben die Mündung des Tunnels, Lumidor nahm Ashia auf seine Arme. Mit einem lauten Knirschen bewegten sich die Blenden kurz, verkeilten sich und dann flog das gesamte Tor quer durch den Raum und landete donnernd am Fuß der Rampe.
In reichlich schwarzen Rauch gehüllt, schob sich eine Expeditionsdrohne aus dem Tunnel, schwebte über unsere Köpfe und veränderte ihren Querschnitt auf den natürlichen Durchmesser. Mehrere Exor-Anzüge erschienen, einer kam direkt auf mich zu.
»Grüße von Overteer Laurenz, Siir. Es wurde ein zweiter Zugang gefunden. Er befindet sich unterhalb der Arche, der Tunnel dorthin wurde zum Einsturz gebracht. Er wird ihn öffnen, um schweres Material hier herein zu bringen. Er bittet Euch, den Entkoppelungsmechanismus zu finden. Die Berechnungen Eurer Wissenschaftler sagen einen gewaltsamen Ausgleich innerhalb der nächsten drei Stunden voraus. Wenn das kein Himmelfahrtskommando für uns werden soll, müssen wir in zwei Stunden hier weg.«
Das war Ten O’Shadiif. Er nickte mir zu und flog zu Ashia. Wenig später brachten zwei Soldaten ihres Rodonns sie hinaus. Ich atmete langsam durch. Meine Certeers sahen mich an. Ich sendete die Öffnungscodes und starrte gespannt auf das Schott oberhalb der Rampe – nichts passierte.
»KI – die Drohne soll das Schott öffnen«, befahl ich resigniert. Wenn diese Codes bereits jetzt nicht mehr gültig waren, wie sollte ich die hermetisch abgeschotteten inneren Bereiche der Arche erkunden? Wir konnten zwar alle Schotts knacken, die Transferkugeln zu drehen, würde schon nicht funktionieren, erst recht nicht, sie zu durchbohren, dafür würden wir Monate benötigen!
»Da kommen wir nicht rein!« Laurenz sah mich auf meinem Visier an. »Kommt zurück, Keleeze. Das untere Schott ist versiegelt, wir müssten uns durch die halbe Kugel bohren, es tut mir leid, das zu sagen, aber wir haben keine Chance. Es ist sinnlos sich zu opfern, Ramone hat sich in der Arche eingeschlossen.«
Ich konnte ihm ansehen, wie schwer es ihm fiel, das zu sagen.
»Ich habe den Rückzug befohlen, die Sprungpunkte werden sich verschieben, wenn das Potential zündet, wir müssen dann längst weg sein!«
Ich sah einen Gel-Anzug zurückbleiben. Er kam langsam auf mich zu, die grellen, gelben Antigravs durchdrangen selbst den dichten Qualm im Vorraum.
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass Ramone hier sterben wird, Siir«, sagte der Cektronn auf der privaten Leitung. »Ich denke, sie wird herauskommen – und das rechtzeitig vor dem Knall – schließlich ist sie nicht verrückt – nur berechnend.«
Ich nickte ihm zu. »Dann erwarte ich sie doch lieber außerhalb, in meinem Anzug«, sagte ich, befahl meine Flugeinheit zu mir und wir verließen die Arche hinter allen anderen als letzte, nur die arbeitende Expeditionsdrohne zurücklassend, bis wir in mehreren Kilometern Höhe anhielten.
Die Od’Fer ließen sich nicht sehen, obwohl ich davon überzeugt war, dass sie sich irgendwo versteckten. Sie mussten eine Fluchtmöglichkeit vorgesehen haben – aber wie?
»Ihr seid die letzten, Siir. Die Verbände fliegen ab, Systemtriebwerke für Euch warten auf Xee III/A.«
Dann erschütterte eine schwere Explosion die Atmosphäre. Eine glühend heiße Wolke aus Gesteinsstaub, Wasserdampf und Legierungen kam von der Oberfläche auf uns zu, rollte über uns hinweg, die Felder meines Anzugs verloren schlagartig mehr als die Hälfte ihrer Kapazität.
»Jetzt geht es los«, sagte Ten O’Shadiif keuchend, sein Exor hatte weitaus stärker gelitten.
»Sie kommt heraus!«
Verwundert sah ich auf meine Displays.
»Nein, Toreki, die letzten Signale der Drohnen dort bedeuten das Gegenteil – etwas geht hinein«, sagte ich mit Nachdruck.
Der Countdown für die berechnete Potentialzündung betrug siebenundachtzig Minuten. Etwas in mir ließ mir keine Wahl. Ich musste ihn sehen. Nur Sekunden später schwebte ich über der einstigen Öffnung der Arche. Jetzt fehlte dort der obere Teil der Kugel. Im ultravioletten Bereich leuchtende Trümmerspitzen gaben mir einen visuellen Eindruck der Energien, die hier vor kurzem gewütet hatten.
Ein kreisrunder Schacht führte im Zentrum der Verwüstung senkrecht nach unten. Ohne zu überlegen, flog ich hinein, folgte dem Schacht bis zu einer Biegung zweihundert Meter in die Tiefe, folgte ihm weitere zweihundert Meter in einem stumpfen Winkel und erreichte eine Halle, in der eine schwarze Statue in bronzenen Licht auf mich wartete. Ich sah, dass ein weiterer Marker mir gefolgt war und sich seitlich versetzt hinter mir hielt. Der Cektronn schwieg.
Meine Anzug-KI warnte mich vor diversen Sensorstrahlen, die meinen Anzug erfasst hatten. Sie glichen den Scannerstrahlen, die mich von Bord der zerstörten Raumstation erfasst hatten.
Ich konnte den Paramount nicht klar sehen, das, was ich für eine Statue gehalten hatte, veränderte ständig seine Form, war für meine Sensoren nicht greifbar – so, als ob er nicht vollständig in dieser Dimension vorhanden wäre.
»Das Ding ist nicht wirklich hier«, raunte Ten O’Shadiif, »es ähnelt sehr den Beschreibungen von Phänomen der Troyian-Zepter.«
»Paramount!«, sagte ich auf dem offenen Kanal. »Ich kann dir helfen!«
Eine Welle der Bewegung durchlief die schwarze Silhouette.
Das große, schwarze Gesicht einer hübschen Frau erschien auf meinem Visier. Schwarze, längliche Augen hinter Schilden musterten mich.
»Warum?«
»Ich habe Oldo Merceer getroffen. Ich will die Potentialzündung verhindern! Ich bin ein Freund!«, sprudelte es aus mir hervor.
»Ein Freund der Sourcer? Dann musst du hier sehr einsam sein«, antwortete sie, kam näher. »Du kanntest den letzten Paramount?«, die schwarze Silhouette materialisierte zu einem fast zehn Meter hohen Tempus, überladen mit fremden Komponenten.
Ich ließ den Anzug aufsteigen.
»Gib mir deine Hand!«
Ich verstummte, erwartete sie von mir, hier auszusteigen? Ich warf einen prüfenden Blick auf die Atmosphärenanzeigen – die Temperatur betrug achthundert Grad. Bevor ich eine Antwort gegen konnte, zog etwas meinen Anzug an sie heran, verschiedene Anzeigen flackerten und gaben intensive Warmmeldungen von sich – aber ich konnte absolut nichts machen.
Dann spürte ich einen aufflammenden Schmerz, sah, dass mein Anzug ein Loch hatte, durch das eine Art Stachel in meine linke Schulter eingedrungen war. Ich presste meine Kiefer aufeinander – tat das weh! Dann zog sich der Stachel zurück, überließ der Anzug-KI wieder die Steuerung die zuerst das Leck abdichtete.
»Ich kannte einen Ruf Astroon, Bruder«, sagte sie in einem traurigen Alt. »Er sprach gut über die Königreiche und ihren Herrscher, Torkrage Treerose. Aber er sagte auch, dass ihr mit allen Mitteln verhindern wolltet, dass die Sourcer die nächste Potentialkatastrophe überleben.«
»Sie werden sie überleben, Paramount«, antwortete ich aus tiefsten Herzen, »ich muss die Arche entkoppeln, aber die Codes, die Oldo Merceer mir gab, funktionieren nicht mehr!«
Sie schwieg einen Moment.
»Die Arche ist entkoppelt, ich habe das auf meinem Weg herein bereits erledigt. Es wird keine Kettenreaktion geben – doch wird uns das nicht mehr retten.« Sie sah mich intensiv an, als suche sie etwas in meinem Gesicht.
»Ich kann sehen, dass du die Wahrheit sprichst, Bruder – das Blut des letzten Paramounts ist in dir.«
Das schwarze Gesicht veränderte sich. Wie eine sich auflösende Schutzschicht wich das Schwarz zurück und entblößte ein feines, von kunstvollen Make-Up-Strichen verziertes Frauenkonterfei.
»Gehe jetzt, Bruder. Das hier ist nicht länger dein Krieg, du kannst gegen die Verräterin nicht bestehen. Kehre in deine Welt zurück und herrsche!«
Das Schwarz kehrte zurück, die Konturen des Mega-Tempus lösten sich auf, die schwarze Silhouette bewegte sich zurück zur Mitte der Halle. Aufflackernde Warnungen meiner Anzug-KI erstarben, als etwas die Fernsteuerung übernahm und den Exor des Cektronns wie auch meinen Anzug umgehend zur Oberfläche steuerte.
Gut zwei Kilometer außerhalb der Arche bekam ich die volle Kontrolle über meinen Anzug zurück, der Cektronn war an meiner Seite, sein Delta-Gleitschild schien unbeschädigt.
Schweigend flogen wir mit Höchstgeschwindigkeit zum Mond von Xee, ich dockte in das Systemtriebwerk ein und verankerte Ten O’Shadiif auf der Passagierseite. Dann ging es weiter, Richtung sekundärem Sprungpunkt – schweigend, in schwermütige Gedanken vertieft.
Der Countdown lief ab, als wir zehn Minuten vom Sprungtor entfernt waren. Wir würden die Explosion der Arche, des Planeten und die vollständige Vernichtung des Systems erst später aus den Aufzeichnungen der Aufklärungsdrohnen sehen können.
»Ich hoffe, der Sole-Sourcer hat Euch nicht belogen, Siir«, sagte Ten O’Shadiif, kurz bevor wir an Bord des wartenden Nova-Zerstörers landeten. Und bevor ich eine passende Antwort finden konnte, setzte er grinsend nach: »Ich werde interessiert verfolgen, wie Ihr herrscht!«