Roter Nebel, Nebelwelten, Infinitum, Mausoleum der Urmütter
30397/2/16 SGC
11. Dezember 2014

 

 

Torkrage Treerose

 

Er schwebte langsam zwischen den mächtigen Statuen der ersten Urmutter Cestorine sowie ihres Gemahls, des namenlosen Urvaters, empor. Auf Höhe des Kopfes verharrte der schwere Kampfanzug, Sand wehte in Fächern durch die offenen Nahtstellen der beiden Halbzylinder und bedeckte bereits die weiten Kapuzen der Häupter und Schultern der Statuen. Dies war der erste Besuch eines Overteers der Organisation in dieser Stätte und der erste Besuch eines Königs von Restront sowieso. Die Augen des Mannes musterten ihn mit einem strengen und doch zugleich gütigen Blick – sicher, zu der Zeit war die Urmutter wahrscheinlich verträglicher zu ihrem Umfeld gewesen. An wen nur erinnerte ihn dieses Konterfei? Er wusste es nicht mehr.

Die durch die hohen Energien des Strahls ausgelösten Gewitterstürme verstärkten sich, als immer mehr kalte Luftmassen von weiter entfernten Regionen angesaugt wurden. Der Sand bildete außerhalb des Mausoleums bereits eine dichte Wolke und auch hier drinnen rieselte er auf die dicht aneinander gelagerten, halbkugelförmigen Felder der Expeditionsdrohnen, die am Boden des Mausoleums zwischen den beiden Statuen den äußeren Zugang des Archentunnels öffneten. Das einst lückenlose Schutzfeld des Mausoleums hatte kein Problem dargestellt, die Einheiten der Kirche hatten sich nach der überraschend massiven Präsenz der Schattentruppen völlig zurückgezogen. Durch die Strategieänderung hatten sie im Moment ein wenig Zeit gewonnen. Der zweite Eingang zur Arche lag knapp dreihundert Kilometer entfernt und wurde ebenso von den Expeditionsdrohnen bearbeitet. Sein Visier zeigte ihm, dass dort wesentlich festere Tore zu öffnen waren als hier im Mausoleum, wo soeben das äußere Siegel des Zugangs brach.

Knirschend begannen sich die beiden Statuen zu drehen, bis sie nebeneinander standen und vor ihnen eine breite Rampe in den Boden führte. Die Expeditionsdrohnen rückten nach und begannen ihre Arbeit am nächsten Siegel.

»Wir empfangen Organisationssignale von da unten, Siir.« meldete ihm einer seiner Schlacht-Certeers der Alstor-Garde irritiert. »Alte Codes – längst ungültig, könnten Truppen von Dominion sein.«

»Das sind keine Schattentruppen, wie wir sie kennen, Certeer«, antwortete er mit mahnendem Unterton. »Das sind assimilierte Kirchentruppen, wir zeigen keine Gnade!«

Schockwellen schwerer Explosionen zogen durch das Mausoleum, die Schilde der vordersten Expeditionsdrohne waren implodiert, die der nachfolgenden hatten die Energien nach oben abgeleitet. Ein Nebendisplay signalisierte ihm die Öffnung des zweiten Siegels. Sie würden nun in eine senkrechte Schachtanlage vordringen, die bis zu zehn Kilometer in die Tiefe reichte, wo sie in eine große Halle mündete. Von dort ging es nur noch seicht abwärts auf zwölf Kilometer, zum Eingang der Arche und der Mündung des zweiten Schachtes.

Die Expeditionsdrohnen übertrugen Sichtdaten. Er presste die Kiefer aufeinander.

»Sieht aus wie Falle, riecht wie eine Falle, ist eine Falle«, meldete sich Demm Zarkoon. »Natürlich gehen wir rein, Siir?«

»Deswegen sind wir hier, Certeer – Neuigkeiten von Syncc Marwiin?«

»Nein, Siir, bis jetzt nicht.«

Sie warteten weitere dreißig Minuten, dann signalisierten die Expeditionsdrohnen vom Fuß des Schachtes sicheres Vordringen. Zwei Trupps der Alstor-Einheiten flogen hinab, überprüften die große Halle in zehn Kilometer Tiefe und übertrugen faszinierende Bilder auf ein Nebendisplay von Treeroses Visier, während er langsam über die Allee der kleineren Statuen der Urmütter flog, gebannt von der Wucht der Geschichte, die ihn hier schlicht zu überrollen drohte.

»Zehn Minuten, Siir, dann müssen wir runter, wenn wir nicht riskieren wollen, dass Metcalfe uns den Rückweg abschneidet«, signalisierte Zarkoon.

Das würde ohnehin passieren, dachte Treerose bei sich, verfolgte das Voranschreiten der Öffnung der Arche, sah die Drohnen an einer Serie massiver Blendentore am westlichen Ende der kuppelförmigen Halle arbeiten und blickte ein letztes Mal über die mittlerweile halb im Sand begrabenen Statuen der verblichenen Urmütter.

Dann tippte er auf den von der Anzug-KI vorgeschlagenen Kurs, hinab unter die Oberfläche, sah, wie sich sein Geleitschutz vor und hinter ihm formierte und die Schattentruppen den Schutzring um die Arche noch ein wenig dichter zogen.

 

*

 

Die Bilder der Halle waren nicht annähernd ausreichend in ihrer Wirkung gewesen, verglichen mit dem Original. Widerwillig beeindruckt von der Gestaltungskraft der Künstler der Kirche flog Treerose eine Runde in der vierhundert Meter durchmessenden Kuppel, sah die plastisch reliefierte Geschichte der Nebelwelten, beginnend mit der Vereinigung von Cestorine und dem namenlosen Urvater. In der Mitte der Kuppel befand sich diesmal nur noch eine Statue, mehr als einhundert Meter hoch. Er war nicht überrascht gewesen, in ihr das Antlitz von Ramone wiederzuerkennen. Sie hatte die Lenkung der Nebelwelten vor langer Zeit übernommen und das sicher nicht im Sinne Cestorines.

Ein trockenes Knacken, gefolgt von einem kurzen, plötzlichen Temperaturanstieg um mehrere hundert Grad verkündete das Öffnen des letzten Blendentores. Der Weg hinab war frei.

»Die Strahlung im Tunnel ist hoch, Overteer. Durch den engen Radius können die Anzüge sie für maximal neunzehn Stunden kompensieren – falls wir nicht in Gefechte verwickelt werden, danach muss die KI sie spätestens abstrahlen oder die Schutzfelder implodieren«, hörte er die Ansage eines Aufklärers der Alstortruppen, der bereits tief in den Tunnel eingedrungen war.

Von der Planetenoberfläche rückten weitere in dichte Schutzfelder gehüllte Expeditionsdrohnen nach, die sich in Schildreichweite den Tunnel hinunter positionierten und dadurch die Schildbelastung der Schattentruppen bei ihrem Vordringen minimierten.

»Nachricht von Syncc Marwiin, Siir«, meldete ihm sein Adjutant. An der Betonung erkannte er, dass es nicht die erhofften Codes sein konnten.

»Overteer, leider gibt es keine Möglichkeit für Euch, die Arche zu entkoppeln«, sagte der Syncc Marwiin in der Aufzeichnung geradeheraus. Der Blick seiner Augen war ernst. »Die Sole-Sourcer haben einen biologischen Sicherungsmechanismus hinzugefügt, der sich nur von einem Sole-Sourcer entschärfen lässt.«

Eine Abfolge von Bildern einer kleinen Kammer erschien, mit markierten Bereichen, in denen zwei gebogene Nadeln und eine Art Handschuh zu erkennen waren. »Es wird jeden töten, der nicht über die Sole-Sourcer-typischen Merkmale im Blut verfügt. Eine andere qualifizierte Art der Entschärfung gibt es nicht. Ich sehe nur eine Chance, die Auslösung des Potentials auf Infinitum zu verhindern – möglicherweise.« Er kniff die Lippen zusammen. »Ihr müsst den Planeten zerstören, so wie Chitziin es mit Tektor gemacht hat – bevor das Potential sich selbst zündet – sprengt die Arche.«

Die Aufzeichnung endete. Niemand verspürte den Drang, etwas zu sagen. Treerose war wie erstarrt. Nicht über die Nachricht – über den Überbringer. Er hatte soeben in das Gesicht des Urvaters geblickt.

»Siir?«

Wortlos folgte er dem Leitstrahl des Aufklärers hinab, registrierte missmutig die hohe Konzentration an Offizieren auf diesem verhältnismäßig kleinen Raum, wusste aber auch genau, dass er es im Moment nicht ändern konnte.

»Warum verzweifelst du nicht ein wenig, Tork?« Das kalt lächelnde Gesicht Frere Metcalfes blickte ihn erneut von seinem Visier an.

»Der Moment wäre passend. Du kannst hier nicht rein, alle deine Truppen werden sterben und du wirst mir dienen, Tork – dreh um und fliehe – solange du noch kannst, höre auf den Syncc!«

»Sie hören uns ab, Siir!«, bestätigte Zarkoon.

»Er kennt unsere Taktiken – auch für diesen Fall, Certeer«, antwortete er. »KI – neue Verschlüsselung, neue Alternative zwei!«, befahl Treerose der Feuerleit-KI und signalisierte ihr gleichzeitig eine Handlungsempfehlung, die Metcalfe nicht kennen konnte. Neue Alternative zwei bedeutete lediglich, dass sie versuchen würden, maximalen Schaden anzurichten und anschließend durch den zweiten Zugang abziehen würden, durch den sich die Expeditionsdrohnen momentan noch gruben, anstatt wie ursprünglich vorgesehen, durch den ersten.

Er erreichte das Ende des Tunnels, der sich in einen quaderförmigen Raum von gut zweihundert Metern Kantenlänge öffnete. Die gegenüberliegende Wand des Raumes war stark nach innen gewölbt, eine lange Rampe führte auf halber Höhe in einen kleinen Eingang: das Portal der Arche.

Zu seiner Rechten befand sich ein mehr als zwanzig Meter hohes, beeindruckendes Tor mit einem wenigstens zehn Meter vorragendem Dach. Es war durch eine glatte Wand fugenlos geschlossen. Er verfügte seltsamerweise über keinerlei Übertragungsdaten von Aufklärungsdrohnen aus diesem Raum.

»Wir bekommen Besuch«, sprach Zarkoon in die Funkstille, bestätigte die Daten der Feuerleit-KI, die zeitgleich auf Treeroses Visier übertragen wurden.

Treerose blieb keine Zeit zur Antwort, die Hölle brach über sie herein.

Aus dem Portal der Arche schwärmten Kirchentruppen wie Bienen aus einem Bienenstock, das waren Od’Fer auf ihren kleinen wendigen Disks. Das große Tor begann sich langsam zu öffnen und dabei im Boden zu versinken. Aus der entstehenden Öffnung quollen eine Vielzahl von Kirchendrohnen, welche sich auf die knapp vierzig Offiziere der Schattentruppen stürzten und sie mit selbstmörderischen Attacken überzogen. Die Nachrichten der Feuerleit-KI dokumentierten gleichzeitige Angriffe auf die Bodenkontrolle, auf die Boe, auf die Alstor-Einheiten, die den Ausgang des Zugangstunnels sicherten, sowie jeden Punkt dazwischen.

Die Falle hatte zugeschnappt. Seine Garde hatte eine Kugel um ihn gebildet, die beiden anderen Abteilungen kämpften mit dem Rücken zur gewölbten Wand der Arche. Langsam bewegte er sich oberhalb der Rampe durch den nicht abreißenden Strom der Od’Fer auf das Portal der Arche zu, begleitet von drei Expeditionsdrohnen, die mit ihren Schutzfeldern die größten Energien der Angreifer aufnahmen. Er konnte sehen, dass sie mit keiner Unterstützung von oben rechnen konnten, der Tunnel war mittlerweile von Kirchentruppen verstopft und die kuppelförmige Vorhalle durch gewaltige Explosionen zum Einsturz gebracht worden. Wenn sie hier jemals wieder herauswollten, dann blieb ihnen jetzt nur noch der zweite Zugang.

Die vorderste Expeditionsdrohne explodierte, richtete im Moment ihres Todes die Energien der überlasteten Felder auf den Eingang der Arche, sandte einen Gammastrahlenburst hinein und verschaffte Treerose und den verbleibenden vierzehn Offizieren seines Begleitschutzes ein wenig Entlastung. Durch die enorme Energie des Gammastrahls und die kurze Entfernung zerschmolz ein großer Teil des Archenportals, das letzte Segment der Rampe bekam Risse und stürzte in die Tiefe, schlug hart auf den Boden des Zugangsraumes auf und atomisierte ein schweres kinetisches Geschütz der Kirchentruppen unter sich.

Verbissen musste Treerose erkennen, dass sie niemals die Arche betreten würden, nicht gegen diesen Widerstand. Frustriert gab er den Befehl zum Rückzug, formierte die Einheiten auf einen Fluchtkurs zum zweiten Zugang der Arche – durch das nun vollständig geöffnete Tor in den nichtkartierten Nachbarraum.

»Ziit!«

Er erkannte den Grund dieser Bemerkung eines seiner Aufklärer intuitiv beim Durchfliegen des Tores, dass sich bereits wieder hinter ihnen zu schließen begann, während der Kampf langsam abebbte, da nur wenige Od’Fer gefolgt waren. Der Raum, in den er mit seinem Begleitschutz und den verbliebenen Offizieren der Alstortruppen eingeflogen war, hatte die vierfache Größe des Vorraums. Knirschend schloss sich das Tor, schottete die Schattentruppen gänzlich vom Feuer der Od’Fer und der Drohnen ab, hielt sie jedoch gefangen für einen ganz anderen Gegner. Jemand hatte sie genau hier haben wollen.

Da standen sie und warteten auf ihn. Verblüfft starrte er auf die Meldungen seines Displays, zählte die Reihen und überschlug die Werte – es stimmte – natürlich. Viertausend Offiziere der Schattentruppen und ein Kommandeur-Anzug: Metcalfe! Er hatte sich nie an Bord des zweiten Schildverbands aufgehalten. Er hatte einfach hier gestanden und auf ihn gewartet.

»Die sind alle – tot, Siir!« Zarkoon hatte seine Stimme nur mühsam unter Kontrolle. In seinem Blut tobten wie bei allen anderen auch die Botenstoffe der Makrobots, Trauer zu empfinden oder Mitleid, war für einen Organisationsoffizier in der Schlacht praktisch unmöglich, dennoch zitterte seine Stimme, offenbarte einen Stresspegel nur unwesentlich unter dem tödlichen Limit.

Die Panzeranzüge der einstigen Schattentruppen trugen ausnahmslos riesige rote Stoffbahnen als Umhänge. Auf ihren Brustplatten neben den Disruptor-Eruptionsflächen erstrahlten die beiden ineinander verschränkten Hemisphären der Kirche. Die einstigen Waffenbrüder standen exakt ausgerichtet in acht gleichgroßen Feldern zu je fünfhundert Offizieren, nicht ein Lebenserhaltungssystem übertrug gültige Werte. Auch nicht das des Kommandeurs.

Treerose hörte das Blut in seinen Ohren rauschen. Was war hier los? Wie hatte er sie so täuschen können? Oder waren sie wirklich alle – tot? Sein Visier zeigte die Koordinaten des zweiten Zugangstunnels hinter der Rückwand dieses Raumes. Er markierte den Punkt und setzte sich in Bewegung, begann langsam und voller Entsetzen über die leblosen Hüllen hinwegzufliegen.

»Warte doch, Tork!«

Schlagartig setzten die Anzugsysteme aus. Treerose stürzte aus vierzig Metern Höhe ab, landete hart auf dem zehn Meter breiten Streifen zwischen zwei Abteilungen der toten Offiziere. Der deaktivierte Anzug federte den Sturz nicht im geringsten ab, schlug mit seiner gesamten kinetischen Energie auf der linken Seite auf, riss einen Waffenbehälter ab und ritzte mit dem linken Krallenfuß zentimetertiefe Furchen in den betonartigen Belag des Bodens. Dann kippte er langsam auf die Brust.

Benommen schüttelte er den Kopf, fühlte, dass nichts gebrochen war, die innere Dämpfung des Anzugs und die variablen Materialien des Innenfutters ihn vor ernsten Verletzungen bewahrt hatten.

Das Hauptdisplay erwachte zu Leben, die Anzug-KI begann den Neustart und fror nach wenigen Schritten ein. Er empfing keinerlei Signale der anderen Offiziere seiner Leibgarde. Nur ein Gesicht erkannte er auf dem Display: Frere Metcalfe.

»Steig aus, Tork, wir müssen uns unterhalten!«

Er hörte das dumpfe Knallen, als äußere Komponenten seines Anzugs abgesprengt wurden, hörte, wie die Notverriegelung des Anzugs aufsprang, die Schultern sich mit erheblichem Kraftaufwand quietschend auseinanderzogen, und spürte heiße, nach verbrannten, giftigen Materialien stinkende Luft von außen zu ihm vordringen.

Er zog die magnetischen Leitungsverbindungen zu den Sensoren seines Innenanzugs ab und wand sich auf dem Bauch aus dem Anzug, mit den Fingern vorsichtig einige glühend heiße Stellen der Anzugoberfläche meidend.

Treerose erhob sich, atmete flach. Nur wenige Meter vor ihm lag ein weiterer Anzug. Ein Aufklärer. Der Sensordom hatte sich in den Waffenaufbauten eines Zerstöreranzugs der toten Kirchentruppen verfangen und ihn mit umgerissen. Als er an dem Brustteil vorbeikam, dröhnte eine Serie kleiner Explosionen auf ihn ein, der Sensordom flog einen Meter zur Seite und knirschend begannen die Schultern sich zu senken.

Er kletterte über den rechten Arm hinauf und half seinem Adjutanten heraus.

»Die Anzug-KI ist hin, Siir«, sagte Zarkoon verblüfft. »Das ist der erste Fall in den letzten –« Er verstummte, als er Treerose langsam den Kopf schütteln sah.

»Helft den anderen, bereitet Euch auf einen Nahkampf vor«, sagte er eindringlich und setzte seinen Weg fort.

»Komm hierher, Tork«, dröhnte Metcalfes Stimme entfremdet aus der Nähe.

Er sah sich um, fühlte sich wie auf einer Allee in einem Wald voller Panzeranzüge. Seine Augen begannen in der brennenden Luft zu tränen. Er aktivierte seinen Schildring, während er der Allee folgte, bis er auf eine Kreuzung traf, auf der ein weiterer Anzug eines Schlacht-Certeers der Alstortruppen lag, der ebenfalls gerade aus der Notöffnung krabbelte. Mit einem energischen Handzeichen schickte er ihn in die Richtung Zarkoons.

Die leisen Arbeitsgeräusche eines aktiven Kampfanzugs verrieten ihm die Richtung, in der er Metcalfe finden würde. Mit einer leichten Drehung und Druck aktivierte er den schwarzen Waffenring auf voller Stärke.

Der Kommandeur-Anzug erwartete ihn einhundert Meter vor der ersten Reihe der toten Dominion-Offiziere, schwebte ein paar Meter auf ihn zu, als Treerose zwischen zwei Zerstöreranzügen hervortrat. Er würde jetzt nicht auf Metcalfe feuern, das hätte keinerlei Wirkung und er würde dann auch nichts mehr erfahren außer vielleicht seinem eigenen, sofortigen Tod.

Der rot behängte Anzug setzte lautlos vor ihm auf, die mächtigen Schultern senkten sich und machten Platz für die Ausstiegsöffnung im breiten Band der Sensorphalangen. Wenige Sekunden später sah er Metcalfe mit geübten Handgriffen herausklettern und auf der linken Schulter stehenbleiben.

»War das deine Idee, die Anzüge so zu dekorieren?«, schrie er ihm mit einer Stimme, in die Treerose seine ganze Verachtung hineinlegte, entgegen.

Mit einer einzigen, eleganten Bewegung sprang Metcalfe vom Anzug, landete nur einen Meter vor Treerose, federte leicht in den Knien und sah ihn lächelnd an.

Instinktiv feuerte der König von Restront einen Plasmastrahl auf ihn und wurde nur Bruchteile von Sekunden später von der Wucht der am Körperschild Metcalfes abprallenden Energien um Meter zurückgeschleudert.

»Gute Reaktion«, Metcalfe stand unvermittelt hinter ihm, ergriff mit einer übermenschlichen Kraft seinen linken Arm, ignorierte das Aufblitzen und Knattern der beiden kollidierenden Schutzfelder, drang mit seiner Hand hindurch und riss ihm den Waffenring von der implantierten Ringplattform seiner Finger, »aber dennoch viel zu langsam!« Dann stieß er ihn von sich.

Treerose stolperte, versuchte auf den Füßen zu bleiben und biss die Zähne zusammen. Er presste seine rechte Hand auf die blutende Wunde seiner gebrochenen Finger und justierte den Blutring. Der Schmerznebel vor seinen Augen klärte sich, die Verwirrung in seinem Denken nicht. Wie konnte Metcalfe so etwas tun? Das war unmöglich, er hätte sterben müssen bei einen solch intensiven Kontakt zu dem Feld – und diese überraschend schnelle Bewegung. Er sah zu ihm hin, sah das unmenschliche Grinsen auf diesem jungen Gesicht.

»Ihr seid nicht Metcalfe!«, sagte er schwer atmend und die Widersprüche klärten sich. »Ihr seid eine Maschine!«

Metcalfe sah ihm nach. »Ich bin Metcalfe, Tork, immer gewesen – zumindest im Geiste – und das ist es, was hier zählt.« Er tippte sich mit der rechten Hand an den Kopf. »Ich habe alle Erinnerungen, viel mehr Fähigkeiten und keine Schwächen, keine Skrupel, die er vielleicht hatte.«

Treerose blickte sich um, betrachtete die verkleideten, toten Schattentruppen.

»Ich bin sicher, Ihr habt keine Skrupel mehr, Maschine. Der Metcalfe, den ich kannte, wäre eher selbst gestorben, als seinen Offizieren so etwas anzutun.«

»Das stimmt, Tork, er ist tatsächlich dabei gestorben – durch mich!« Sein Tonfall hatte sich mit einem Schlag verändert. Das Gesicht war ausdruckslos geworden, der Blick hatte sich nach Innen gekehrt. »Sie war es! Sie tötete meine Garde während meiner Reinkarnation. Ich hatte keine Wahl – ich musste die übrigen töten, weil es sonst allen Schattentruppen so ergangen wäre, verstehst du? Sie verfügt über bessere Schilde als wir. Sie kontrolliert jeden in ihrer Umgebung mit ihren Gedanken – sie kontrollierte mich! Sie hätte eine Armee unbesiegbarer Schattentruppen zu ihrer Verfügung gehabt. Ich musste es tun, sie in ihrer Macht begrenzen. Sie ist stärker als alles, was wir je getroffen haben, Tork.« Der Blick des Androiden war plötzlich flehentlich. »Wenn du ihr je begegnen solltest, wird sie dich auch verwandeln – niemand kann ihr widerstehen.«

Den letzten Satz flüsterte er fast. Treerose war stehengeblieben, besah die Maschine, die so sehr aussah wie ein junger, dynamischer Frere Metcalfe in seinen besten Jahren. Er begann die Verzweiflung des da drin gefangenen Geistes zu erahnen. Der König von Metcalfe war den Verlockungen der Urmutter erlegen. Hatte ihren Schmeicheleien nicht widerstehen können, bis es zu spät für ihn gewesen war, er den Bruch zu den Königreichen vollzogen hatte. Zu dem Zeitpunkt, der eigentlich sein größter Triumph werden sollte, hatte sie ihn seiner Garde beraubt, anschließend seiner Menschlichkeit und ihm dann ihre ganze Macht gezeigt. Jetzt war er ihr Truppen- und Waffenbeschaffer, ihr Stratege, aber im Grunde ein Sklave.

Treerose lockerte den Griff um seine verletzten Finger probeweise, um zu sehen, ob die Makrobots die Wunden verschlossen hatten. Es hatte sich bereits eine feine Haut gebildet. Er streckte Metcalfe die Hand entgegen. Genauso war es seine eigene Schuld gewesen – er hatte seine gespürten Zweifel an Metcalfe zu lange ignoriert.

»Dann komm zurück, Frere. So wie dieses Gewebe kann dein Vertrauensbruch heilen. Wir werden dich vor Gericht stellen und verurteilen – aber du wirst den Respekt des Königreichs Metcalfe/Dominion bewahren können und irgendwann, irgendwann vielleicht einmal einen Teil deines Friedens zurückerlangen.«

Die Maschine stand regungslos für Sekunden. Das Kinn auf der Brust, in das feine rote Tuch seiner Kirchenuniform gewandet, wirkte sie auf Treerose, als weine sie.

Ruckartig hob Metcalfe den Blick, rote, sichelförmige Pupillen fixierten Treerose. »Du musst mit deiner Garde verschwinden, Tork. Sie kommt, ich kann es spüren. Sie war in den Reinkarnationslaboratorien, tief unter der Arche, hat alle Ergebnisse verpackt und wird diesen Planeten verlassen. Ihre Leibgarde besteht aus fünfhundert Od’Fer.«

Er drehte sich zu dem Kommandeur-Anzug um. »Nimm den, Tork, er ist voll einsatzfähig und mit den notwendigen Ortungseinrichtungen versehen – fliehe!«

Langsam tat der König einen Schritt auf den Androiden zu, horchte auf leise Geräusche, die sich in den letzten Minuten den Weg zu seinen Ohren gebahnt hatten – Kampfgeräusche.

»Sie ist nahe. Du musst fliehen oder sterben!«

Ein lautes Schleifgeräusch von oben lenkte Treerose ab. Für einen kurzen Moment war in der Decke hoch über ihm eine elliptische Öffnung zu sehen, aus der verwischte Schatten herausglitten und sofort unsichtbar wurden, als sie ihre Schilde aktivierten.

Er überlegte fieberhaft, was er tun sollte, entschied sich nach einem letzten Blick auf die geschlossenen Augen Metcalfes, den Anzug zu nehmen und sprintete darauf zu.

Sein Visier aktivierte sich und er hörte Zarkoons Stimme.

»Die Anzüge sind intakt, aber die toten Offiziere stecken noch drin – wir können sie nicht benutzen, Siir. Wir konnten jedoch die Infanteriedepots in den Waden öffnen!«

Damit verfügten sie zumindest über mobile Anzüge mit Lebenserhaltungssystemen und schwere Handwaffen, ein Anfang. Er sprang auf den Oberschenkel des Anzugs, zog sich so schnell an den Griffen empor wie noch nie in seinem Leben, rutschte mit den Füßen voran in die Öffnung und schlug auf den Aktivierungsknopf. Die Schulterpartie hob sich, die ersten Treffer der angreifenden Od’Fer wurden von den Schilden des Kommandeur-Anzugs ohne Warnmeldung kompensiert. Die Displays zeigten ihm die Positionen aller Od’Fer, sowie die von Ramone als verbündete Einheiten. Die feindlichen Marker stammten ausschließlich von seiner eigenen Garde, die sich weit verteilt unter den Anzügen versteckt hatte und sich einen hoffnungslosen Kampf mit den unsichtbaren Od’Fer lieferte, auf die sie mit den Ravern blind feuerten.

Das gedachte er zu ändern. Er schalte sein Visier auf übertragen und scannte die Positionen der Kirchentruppen von seinen Anzugdisplays.

»Das funktioniert, Siir«, meldete ihm ein Certeer und Treerose konnte die Wirkung unmittelbar auf den Displays ablesen – die Od’Fer nahmen Verluste hin.

Er richtete einen Teil der Sensoren auf Metcalfe aus, der sich einer gelandeten, größeren Flugscheibe zugewandt hatte, umringt von zwei Reihen Od’Fer. Ein wolfsähnliches Tier sprang herunter, entblößte nadelspitze, lange Zähne, rannte in gestreckten Sätzen an dem großen Mann vorbei und verschwand unter den Anzügen der ersten Reihe.

Eine in weite, tiefrote Gewänder gekleidete Gestalt trat von der Scheibe und sprach zu Metcalfe. Treerose konnte das Gesicht unter der weiten Kapuze nicht erkennen, sah lediglich, das Ramone etwas zu Metcalfe sagte, der plötzlich schützend seine Arme hob, die jedoch mit einer einzigen, leicht wirkenden Bewegung der Urmutter weggewischt wurden. Dann fällte sie die große Gestalt Metcalfes mit einem Schlag ihrer Hand, dass er wie ein Stein zu Boden sank.

Treerose fluchte vor sich hin, die Feuerleit-KI des Anzugs weigerte sich beharrlich, Ramone oder die Od’Fer als Ziel aufzunehmen. Sie widersetzte sich ebenfalls der Anordnung, die Position der Urmutter zu überfliegen.

Ramone schien erst jetzt zu bemerken, das etwas mit dem Panzeranzug Metcalfes nicht stimmte, drehte ihm ihr Gesicht zu, warf mit einer anmutigen Bewegung ihre Kapuze zurück. »Was hast du getan, Hure?«, schrie er sie über die Schallprojektoren des Anzugs an. »Eine ganze Zivilisation in den Abgrund gestürzt, wofür?«

Ein leichter Kopfschmerz durchzuckte sein Hirn.

Torkrage Treerose!, materialisierten Worte in seinem Kopf.

»Das war ganz sicher keine Zivilisation, Lieber – «, sie sprang – nicht wie ein Mensch, sondern wie ein muskulöses, durchtrainiertes Tier – landete auf dem Oberkörper des Kommandeur-Anzugs, grub ihre krallenähnlichen Finger tief in die Nano-Strukturen des Materials, während das Schutzfeld grelle Entladungsblitze in alle Richtungen entsandte, »wie ich sie verstehe!«

Endlich akzeptierte die Feuerleit-KI seines Anzugs den Feind, löste einen intensiven Disruptorstoß beider Eruptionsflächen aus. Fassungslos starrte Treerose auf das Bild, welches ihm im Visier angezeigt wurde.

Die Oberfläche des künstlichen Körpers der Urmutter veränderte sich innerhalb eines eigenen Schutzfeldes stromlinienförmig im Ansturm der polarisierten Ladungen, glühte weiß auf, loderte, riss jedoch nicht auseinander.

»Du kannst mich nicht töten, Lieber, ich bin jenseits deiner Vorstellung«, brüllte eine entmenschlichte Stimme in seinem Hirn, ließ ihn in krampfartige Zuckungen ausbrechen.

Willenlos musste er zusehen, wie sie einer lohenden Fackel gleich Stück für Stück den Anzug hinaufkletterte, hörte das entfernte und doch unglaubliche harte Einschlagen scharfer Klingen auf die Sensorenphalanx sowie die Schulter-Laser und Drohnenbehälter.

Die Krämpfe ließen nach. Vor seinem inneren Auge entstand das Bild einer jungen Frau mit blassem Teint und glänzendem, schwarzem Haar, die ihn durch filigrane Pupillen in der Form der beiden ineinander verschränkten Hemisphären der Kirche warm anlächelte. Ein breiter Strich roter Farbe verlief senkrecht über ihre Lippen.

Das Lächeln Ramones verwandelte sich in ein Strahlen. Ihre bezaubernde Schönheit und Wärme war mit einem Mal so real. Der letzte Kopfschmerz wich einem süßen Balsam. Die roten Augen blickten freundlich und klar zu ihm auf.

Ich kann Euch gut gebrauchen, Lieber, tötet Eure Garde!

Der magische Moment wollte nicht bleiben. Etwas in ihm wehrte sich aufs äußerste gegen den Befehl. Er würde gern ihre Liebe erfahren, er wollte sie nicht enttäuschen – doch warum sollte er diese wehrlosen Individuen exekutieren?

Ihre lächelnden Augen gewannen an Intensität, seine letzten Zweifel wurden hinweggespült, die Disruptoren des Kommandeur-Anzugs feuerten.

Eine große Leere breitete sich in ihm aus. Ramones Wärme erfüllte ihn vollkommen, brannte in seinem Geist.

Danke, Lieber!

Er wollte ihr nahe sein, schlug ungeduldig auf den Öffnungsknopf des Anzugs, nahm den entfernten Lärm dröhnender Explosionen nicht wahr, ignorierte die neuen, gegnerischen Marker, die abrupt zu Hunderten auf seinen Displays erschienen, als er sich bereits aus dem Anzug zog, die glühend heißen Stellen ignorierend, auf die Schulter stieg und mit Tränen der Zuneigung auf die gleißende Fackel sah, die sich langsam abkühlend einer menschlichen Figur wieder annäherte. Glühende Trümmer der Decke schlugen in die Reihen der am Boden stehenden Dominion-Truppen ein, das stakkatohafte Sirren von Hochgeschwindigkeitsprojektilen aus Linearbeschleunigern erfüllte den riesigen Saal, betäubte seine Ohren. Od’Fer starben zu Dutzenden im konzentriertem Drohnenhagel, bevor sie ihre Disks erreicht hatten.

Lebt wohl, mein lieber König!

Ramone sprang in einem rückwärts gestreckten Salto auf ihre Flugscheibe, streifte die Flammen ab und verwandelte sich in einen glänzenden weiblichen Körper. Umringt von den verbliebenen Od’Fer ihrer Garde schoss sie durch eine weitere elliptische Öffnung im hinteren Teil des Raumes, die sich hinter ihr sofort hermetisch schloss.

Endlich wich die Schulterpartie des Anzugs zurück, konnte er aus seinem Gefängnis heraus. Treeroses verbrannte Finger griffen ins Leere, sie durfte ihn nicht allein zurück lassen! Sein Verstand klärte sich quälend langsam, konfrontierte ihn mit grauenvollen Fakten. Erschöpft hockte er sich hin, ließ seinen Tränen freien Lauf.

»Nein!« Ein langer, qualvoller Schrei entwich seiner Kehle, beinahe verlor er das Gleichgewicht, hielt sich im letzten Moment an dem Lauf eines von Ramone zerstörten Lasergeschützes fest, rutsche kraftlos über die glühend heiße Brustpartie des Anzugs und stürzte auf den Boden vor die Krallenfüße.

»Overteer, seid Ihr das, Siir? Torkrage Treerose? Passt auf!«, hörte er eine unbekannte Stimme eindringlich warnend im Ohrhörer seines Visiers.

Er öffnete den tränenverhangenen Blick, sah einen gestreckten Körper mit leisem Zischen unter der ersten Reihe der Panzeranzüge direkt auf sich zu sprinten, rotglühende, geschlitzte Augen, ein geöffnetes Maul mit langen, scharfen Zähnen.

Das hochfrequente Sirren, begleitet vom schrillen Geheul des Animoiden, der nur einen halben Meter neben ihm von zwei Reihen Mikroprojektilen durchsiebt, rutschend zum Liegen kam, brachte ihm sein Bewusstsein voll zurück. Er holte tief Luft, griff intuitiv nach seinem Waffenring, berührte die von Schorf bedeckten Finger, erinnerte sich, sah sich um, wischte mit einer entschlossenen Bewegung die Tränen aus dem Gesicht.

Eine verschwommene Silhouette landete neben dem Körper des Wolfs, materialisierte zu einem Z-Zemothy-Gel-Anzug mit Delta-Gleitschild und aufgesetzten Drohnenbehältern, sandte einen letzten Projektilstoß durch den Kopf des Animoiden und drehte sich langsam zu ihm um. Zwei grüne Augen erschienen hinter dem hochfahrenden Visier und musterten ihn kritisch.

»Ich denke, das war der allerletzte Moment. Overteer, ich sollte mich bei Euch melden«, sagte Ten O’Shadiif förmlich, wobei es ihm nur unzureichend gelang, ein schadenfrohes Lächeln zu unterdrücken.

 

*

 

Treerose kniete schmerzerfüllt am Rand des zehn Meter durchmessenden Kraters, den der Disruptortreffer hinterlassen hatte, mit einen beinamputierten Zerstöreranzug der Metcalfe-Einheiten in der Mitte, unter dem Demm Zarkoon Deckung gesucht hatte. Von seinem Adjutanten gab es keine Spuren mehr zu finden, außer denen in seiner eigenen Seele. Er konnte sich nicht bewusst daran erinnern, den Feuerknopf gedrückt zu haben, das machte es dennoch nicht erträglicher für ihn. Der Panzeranzug des Cektronns von Z-Zemothy regte sich neben ihm.

»Die Urmutter hat die Arche aktiviert, Siir. Wir können den Countdown nicht stoppen. Die Messungen des kritischen Potentials deuten auf einen Explosionszeitpunkt in ungefähr zehn bis zwölf Stunden hin. Wir müssen hier dringend weg.«

Er hatte nicht zugehört. Das Echo dieses unglaublich süßen Gefühls von der Berührung Ramones in seinem Geist war noch so nah.

»Siir?«

Treerose erhob sich langsam, stützte sich auf dem Delta-Gleitschild des Cektronns ab, schüttelte den Kopf, klärte sein Denken. Dann betätigte er den Signalknopf seines Visiers und beantwortete den drängenden Ruf der zentralen Feuerleit-KI.

»Mir geht es gut. Z-Zemothy hat mich gerettet. Wir kommen raus.«

Das Bild von Narg Laurenz erschien vor ihm. Der ernste Blick seiner unter buschigen Brauen verborgenen Augen sagte mehr als jeder Dialog.

»Wir haben hier den Rückzugsektor unter Kontrolle, Tork. Die Kirchentruppen kämpfen verbissen, aber ohne strategische Leitung, sonst hätten wir dich nie erreicht. Wir müssen nach Xee, Keleeze helfen. Die Unsichtbare Flotte zieht dort alle Kräfte für den finalen Angriff zusammen, ich habe die Chrunus-Einheiten bereits dorthin befohlen.«

»Ja«, antwortete er müde. Sprechen fiel ihm noch so schwer.

»Bring uns Metcalfes Anzug mit, Tork. Ich denke, er hat die Ortungseinrichtungen für die neuen Schilde der Kirchentruppen?«

Er nickte, erinnerte sich an den Tod desjenigen, was die Erinnerungen von Metcalfe gewesen waren. »Das, was übrig ist.« Langsam drehte er sich um, ging los, sah zurück durch die Schneise der Verwüstung, welche die Disruptoren des Kommandeur-Anzugs unter den inaktiven, von keinen Feldern geschützten Kampfanzügen der Dominion-Truppen angerichtet hatten. Er musste große Umwege gehen, um zu seinem Ausgangspunkt zurückzukommen, dort, wo die zusammengesunkene Gestalt Metcalfes lag.

Er ging vor dem Androiden in die Hocke, berührte dessen Hand. Er konnte mit seinen bis auf die Knochen verbrannten Fingern nichts fühlen, glaubte jedoch, dass Metcalfes Hand sich warm anfühlen würde, menschlich. Dennoch war er außerstande, den Unterarm auch nur um einen Millimeter anzuheben. Trauer erfüllte ihn für einen Mann, der mit allen Chancen ausgestattet, allein an seiner Ungeduld und Impulsivität gescheitert war – und dann diesem Monstrum begegnet war. Er konnte ihn jetzt verstehen.

»Wir nehmen ihn mit, Cektronn, diese Technologie beruht auf Sole-Sourcer-Komponenten, die bisher nur Dominion und der Urmutter zur Verfügung standen«, sagte er knapp, erhob sich schwankend und sah Ten O’Shadiif an.

»Wie konntet Ihr und Eure Truppen Ramones Kräften widerstehen, Toreki?«

Der Cektronn lächelte knapp. »Es gibt eine Substanz, die bei richtiger Dosierung das Gehirn gegen telepatische Angriffe wirkungsvoll schützt. Es nennt sich Blaues Papit. Ich erhielt es von Raoula, der Benedictine, bei unserem letzten Zusammentreffen. Es ist innerhalb kürzester Zeit tödlich bei Überdosierung, da es die synaptischen Botenstoffe in eine Art Klebstoff verwandelt, welcher die Synapsen verbrennt. Wir mussten etwas experimentieren, um die richtige Dosis zu ermitteln.«

Der bohrende Blick Treeroses entging ihm nicht.

»Wir hatten nicht viel Zeit – aber ausreichend Kirchenoffiziere.«