Galaktischer Spalt,
Ruthpark
30397/1/37 SGC
15. November 2014
Ashia
Der verdammte Crownie-Merkanteer schwirrte mir unablässig im Kopf herum. Seit seinem Auftauchen auf Ruthpark hatte mein Instinkt mich ständig tiefer in die Irre geführt. Wohin sollte das noch führen? Das Leben nahm manchmal bizarre Wendungen!
Nachdem Kamir mich bei unserer letzten Zusammenkunft auf seiner Vinta mehr oder weniger in die Arme des Cektronns getrieben hatte, für den ich dieses mysteriöse Depot der Königreiche auf Ruthpark um jeden Preis beseitigen sollte, durfte ich diesmal das Kindermädchen für einen der beiden Crownie-Wissenschaftler spielen, den ich das letzte Mal beinahe eliminiert hatte – und ihn bei der Ausgrabung eines noch mysteriöseren Fundes auf Ruthpark beschützen.
Auch wenn es sich um eines der momentan wichtigsten Individuen im Roten Nebel handeln sollte, was ich beim Anblick dieses tatterigen Greises beim besten Willen nicht nachvollziehen konnte, war mir mein gefühlter Niedergang auf der Straße des Ruhmes noch nie so deutlich vor Augen geführt worden wie in diesem Moment.
Hinzu kam dieses mit Organisationstechnologie aufgerüstete Exemplar in der Begleitung des Synccs, das sich mir irgendwie zu Dank verpflichtet fühlte – dafür, dass ich es schwerverletzt aus der Höhle gerettet hatte – nachdem es vorher nur knapp dem Tod durch meine Killbees entkommen war.
Das Schiff der Unsichtbaren Flotte sprang. Die Welle der Übelkeit schwappte vorüber – ich nahm sie kaum noch wahr – und wir hatten das Ruthpark-System wieder erreicht. Die Erste Händlerin war nicht verstimmt gewesen über den anfänglichen Mangel an Respekt, den ich ihr bei unserem ersten Treffen im Arbeitsraum von Kamir entgegengebracht hatte – im Gegenteil. Im Nachhinein schien sie mich bedauert zu haben. Das Schiff für den Transport des Crownie-Wissenschaftlers nach Ruthpark wirkte wie eine Art der Wiedergutmachung. Es war außerordentlich großzügig und die neue Ausrüstung für Lumidor und mich war erstklassig – so nah an der führenden Technologie der Königreiche wie nur möglich.
»Der Träger ruft uns, Toreki«, meldete der Landsucher des Kreuzers dem Kapitän der Esteer.
Im zentralen Holodisplay war das Gesicht eines Organisationsoffiziers zu sehen, Nebendisplays zeigten Anflugbahnen von schweren Drohnen hinter dem Schiff.
»Da gab es einen soliden Kampf«, sagte Lumidor, den Blick in zusätzliche Anzeigen versenkt.
Ich sah hinüber und erkannte großräumig verteilte Trümmerwolken im System, selbst der Schildverband über einem der Pole von Ruthpark flimmerte wie ein Edelstein in einer Wolke aus Kristallen.
»Certeer, ich bin Syncc Marwiin. Merkanteer Keleeze hat uns angekündigt«, meldete sich der Crownie-Wissenschaftler. »Weist dem Kapitän dieses Schiffes einen Anflugkorridor zu, ich muss schnellstmöglich hinunter.«
Der Landsucher der Esteer nickte seinem Kapitän zu, als Zeichen, dass er die Informationen bereits erhalten hatte, und begann das notwendige Manöver auszuführen.
»Das Boot befindet sich im Anflug, Syncc. Certeer Kereel erwartet Euch auf der Oberfläche!«
Ich sah zu Lumidor hinüber. Sein distanzierter Blick traf meinen – er würde mir so schnell nicht verzeihen.
Dieser Planet hier deprimierte mich. Ich brauchte dringend eine Aufgabe – eine echte Aufgabe.
Dann los! Worauf wartest du?, schrie etwas in mir.
*
Kapitän Om’Lees wirkte verunsichert, als ich ihm befahl, das Ruthpark-System wieder zu verlassen und eine Sprungserie nach Xee zu initialisieren. Das Landungsboot mit dem Organisationswissenschaftler und seinem Mündel hatte erst vor Sekunden das Dock der Esteer verlassen.
»Darüber liegen mir keine Befehle vor, Dawn«, wich er aus.
»In diesem Moment habt Ihr den Befehl, Toreki – von mir! Der Auftrag der Ersten Händlerin ist ausgeführt. Ihr seht selbst, dass wir hier nicht gebraucht werden, die Königreiche haben ausreichend Material zum Schutz des Wissenschaftlers in diesem System.«
Om’Lees wechselte einen Blick mit seinem Landsucher. »Dies ist ein Kreuzer der persönlichen Garde der Ersten Händlerin, Dawn – Ihr habt hier keinerlei Befehlsgewalt.«
Ich holte tief Luft – diese trotzigen Kapitäne lagen mir langsam quer.
»Karbedi mas Boroudy hat mir in einem persönlichen Gespräch vor unserem Abflug den Auftrag erteilt, den Organisationswissenschaftler mit allen Mitteln zu schützen«, begann ich geduldig. »Sie hat diesen Auftrag weder auf spezielle Mittel noch Regionen beschränkt. Ich habe auf Xee eine Extraktion durchgeführt und durch Nachforschungen in den Gildenarchiven einen begründeten Verdacht, dort etwas übersehen zu haben, was sich im schlimmsten Fall als sehr nachteilig für den gesamten Roten Nebel herausstellen kann – und damit auch für diesen alten Mann.«
Der Kapitän wurde nachdenklich.
»Ich werde das, was Ihr sagt, vom Stab der Ersten Händlerin bestätigen lassen, Dawn.«
»Tut das, Kapitän, und bestätigt im Gegenzug Eure Demission gleich mit. Ich kann niemanden in einer Aufklärungsmission gebrauchen, der meine Befehle anzweifelt«, fügte ich in möglichst gleichgültigem Ton an und wandte mich dem zentralen Navigationsholodisplay zu.
Es dauerte fast zehn Sekunden, bis ich an den Positionsänderungen darin ablesen konnte, dass dem Kapitän eine Aussicht auf seine Degradierung nicht behagte.
»Sprungsequenz über drei Transfersysteme, Dawn. Damit verlieren wir die Hälfte unseres Treibstoffes«, meldete sich der Landsucher.
»Das ist weit mehr, als wir dann noch benötigen werden«, antwortete ich und drehte mich zu Lumidor, der an der Lehne eines Konturensessels in der Nähe des Landsuchers lehnte und die schwere Luft einer Tapet einsog. Endlich verzogen sich seine Mundwinkel zu einem schwachen Grinsen.
*
Als drei in das Xee-System vorausgeschickte Aufklärungsdrohnen nicht zurückkehrten, nicht einmal ein einziges Signal entsandten, wusste ich, dass die zu erwartenden Schwierigkeiten noch weit größer werden würden als angenommen.
»Ich war nie im Extraktionscorps, Dawn – aber ist es nicht etwas ungewöhnlich für ein final extrahiertes System, wenn dort gleich drei Aufklärungsdrohnen verschwinden?« Kapitän Om’Lees hatte die Esteer, fünf Lichtminuten vom letzten Sprungpunkt entfernt, in Verteidigungsbereitschaft versetzt, nachdem auch die dritte nicht zurückgekehrt war.
»Ein außerordentlich effektives Abwehrsystem – die Drohnen konnten kein einziges Signal absetzen, sie wurden bereits im Prozess des Wiedereintritts zerstört«, Lumidor ließ in einem Nebendisplay die Übertragungsdaten der letzten durchlaufen, »- unmöglich, in der kurzen Zeit zwischen Freund oder Feind zu unterscheiden.«
»Als hätte jemand diesen Sprungpunkt dichtgemacht«, dachte ich laut. »Haben sie uns damit entdeckt?«
Om’Lees schüttelte verneinend den Kopf. »Nicht unbedingt. Wir verwenden zuerst immer einfache, neutrale Drohnen – für jeden zu erwerben, Wachsysteme registrieren lediglich ein Eindringen. Bei dieser Reaktionszeit können sie nicht unbedingt unterscheiden, ob es sich um einen Asteroiden oder ein Schiff gehandelt hat. Wenn der zur Abwehr benötigte Energielevel unterhalb ihrer Toleranzgrenze lag, gab es möglicherweise keinen Alarm.«
»Dann haben wir jetzt die Wahl«, sagte Lumidor, »stärkere Drohnen – und jemanden da drinnen auf uns aufmerksam zu machen, diesem Jemanden die Zeit zu geben, Verstärkung zu holen oder -«, er lächelte, »wir gehen sofort möglichst massiv hinein, sehen uns um und sind wieder weg, bevor sie gemerkt haben, wer da vorbeigeschaut hat.«
Kapitän Om’Lees sah mich an.
»Allein das Vorhandensein dieser Abwehrsysteme bestätigt meinen Verdacht, Toreki. Wir müssen nachsehen!«
»Ich kann mir nicht vorstellen, Dawn, dass die Erste Händlerin eine Verwicklung dieses Schiffes in einen aktiven Kampf in Betracht gezogen hat, als sie Euch ihre Unterstützung zusagte.«
»Habt Ihr jemals in Eurem Leben ein Schiff kommandiert, das an einem Kampf beteiligt war, Kapitän?«, fragte ich ihn möglichst teilnahmslos.
Es funktionierte – wie immer. Die Röte schoss ihm ins Gesicht. »Fünf Antimaterie-Rumbler auf unterschiedlichen Beschleunigungskurven«, wies er seinen Landsucher an. »Wir springen zehn Sekunden später!«
Na also! Ich schloss das Visier meines Exors. Lumidor war von der Brücke in Richtung Ausrüstungsraum verschwunden, um in seinen Panzeranzug zu steigen.
Die Esteer hatte ihre Systemtriebwerke auf maximalen Schub gebracht, die Rumbler beschleunigten ihrerseits am Limit ihrer Trägheitsfelder für unbemannte Schiffe und entfernten sich rasch vom Kreuzer in Richtung Sprungpunkt. Zwei Fregatten dockten aus und fielen zurück. Sie würden uns den Rücken freihalten und nicht mit springen. Der Countdown im zentralen Display meines Visiers zeigte noch vier Minuten bis zum Sprung.
Der Kapitän vertraute seinem Schiff – trotzdem stieg er in seinen Exor-Panzeranzug, der mit denen der anderen Brückenmitglieder in seitlichen Nischen aufbewahrt wurde. Zehn Sekunden Abstand zu den Rumblern war das Minimum, um den Sprung abzubrechen, falls wir die falschen Signale von den Antimateriedrohnen bekommen sollten. Würden sie nicht auf ein unüberwindliches Verteidigungssystem stoßen, wäre die Esteer nur Augenblicke später zur Stelle, um zu unterstützen.
Unser Countdown erreichte die Zehn-Sekunden-Marke, die Rumbler sprangen. Acht – ich erhielt Lumidors Statussignal aus dem Dockbereich des Kreuzers. Vier – wir empfingen Signale von wenigstens zwei Antimateriedrohnen aus dem Xee-System – das genügte uns, die Abwehr war überwunden. Eins – der Landsucher löste den Sprung aus.
Null – die Welle der Übelkeit kam über mich und verstrich.
*
Die Daten des Xee-Systems erfüllten die Holodisplays. Zwei der fünf Rumbler sendeten Positionsdaten, von den übrigen empfingen wir nur noch harte Gammastrahlen – sie hatten ihre Ziele bereits getroffen.
»Kapitän! -«
Der Landsucher stockte.
Der Hauptplanet des Systems, der Farmplanet – Ort meiner Schande – zog als einsamer Punkt seine Bahn, zweiunddreißig Grad über unserem Schiff, ungefähr zweihundert Millionen Kilometer von uns entfernt. Seine Atmosphäre war von dunklem Staub erfüllt, urzeitliche Gewitter von der Ausdehnung halber Kontinente entluden sich – eine direkte Folge des finalen Meteoriteneinschlags zum Abschluss unserer Extraktion.
Xee II lag aus unserer Richtung vor der Systemsonne in fünfzig Millionen Kilometer Entfernung, fünfundzwanzig Grad über uns. Xee III zog draußen vorbei, mehr als eine Lichtstunde von uns entfernt und weit außerhalb der Bahnebene der inneren Planeten. Soweit verhielt sich alles genau so, wie es sein sollte.
Unerwartet war die Hyperaktivität im Raum um Xee III. Der Planet war im Anzeigennebel nicht zu erkennen. Abertausende von nicht kategorisierten Schiffen erfüllten die Region um den äußersten Planeten. Die Feuerleit-KI der Esteer produzierte unaufhörlich neue Daten über Bahn, Größe, Qualität und Status der Objekte um Xee III sowie im übrigen System.
»Wie viel Zeit haben wir, Landsucher?«, fragte ich.
»Kann ich noch nicht abschließend sagen, Dawn. Der innere Radius von zehn Minuten um die Esteer scheint sicher. Es sind so viele Schiffe, die Feuerleit-KI hat noch immer nicht alle erfasst.«
»System-Aufklärungsdrohnen starten! Alle, die wir haben«, Kapitän Om’Lees hatte sich aus seinem Sessel erhoben und war zu mir an die, das zentrale Navigationsholodisplay umgebende, Brüstung getreten. Seine innere Unruhe konnte er nicht mehr verbergen. »Die verbleibenden Antimaterie-Rumbler mit einer sprungtauglichen Aufklärungseinheit aufrüsten und dorthin schicken!« Er markierte eine besonders helle Region im Signalnebel um Xee III.
»Bringt die Esteer zurück auf Sprungposition, Landsucher, Sensoren auf das Potentialende, ich möchte nicht überrascht werden!«
Er sah mich an. »Ich nehme an, bei Eurem letzten Besuch sah es hier anders aus, Dawn?«
Ich nickte wortlos. Hatte ich das übersehen? Unmöglich!
»Habt Ihr irgendeine Erklärung?«
Hatte ich eine? Xee – Kriegerprogramm zur Begegnung der Bedrohung durch die Organisation, las ich zum wiederholten Mal die Archiv-Aufzeichnung aus meinen Augenschilden. Hatte ich mit meiner ersten Interpretation falsch gelegen – war damit nicht die von mir extrahierte Kultur gemeint gewesen – sondern das?
»Nein, Kapitän, keine, die das da erklärt«, sagte ich. »Es gibt Spuren von Informationen über eine Art Ausbildungslager. Nur sollte es dem Zentrum – also uns – gehören. Und bei meinem letzten Besuch –« Ich stieß die Luft hilflos durch die Lippen.
»Achtung!«
Die Warnung des Landsuchers kam nahezu zeitgleich mit einer nicht abreißenden Serie von Einschlägen mehrerer Objekte in die äußeren Schildebenen der Esteer. Wir waren noch nicht einmal zwei Minuten hier im System. Wie konnte etwas den Zehn-Minuten-Radius so schnell durchqueren?
Das Dekompressionswarnsignal ertönte. Ich spürte feine Schwankungen der Schwerkraft.
»Die waren getarnt – keine Vorwarnung. Sprung!«, schrie Om’Lees neben mir den Befehl.
Ich verriegelte meinen Exor. Die Alarmsirenen verstummten. Dafür ertönten neue, Erinnerungen an Ruthpark kamen hoch. Die Welle der Übelkeit erfasste mich stärker, als sie es tun sollte – dann war auch sie vorüber.
*
»Was haben wir an Daten aus dem System? Konnten die modifizierten Rumbler noch starten?« Die Stimme von Kapitän Om’Lees kam über den allgemeinen Kanal in meinen Helm. Das abgehackte Zirpen des Strukturalarms zeigte deutlich, dass wir zwar aus dem Xee-System entkommen waren – aber zumindest einen Teil der Probleme mitgenommen hatten.
»Die Fregatten melden schwere Schäden an unserer Außenhaut, Kapitän, da bohrt sich etwas in uns hinein – die Schiffs-KI schaltet den Hauptantrieb an!« Der Landsucher steuerte die Esteer mit dem Schub der Positionstriebwerke weg von den beiden Fregatten.
Ich konnte im Heimvisier deutlich sehen, wie sich die abgesprengten Wasserstofftanks schnell von uns und voneinander entfernten. Mehrere Eindringlinge befanden sich innerhalb des Rumpfes der Esteer, wahrscheinlich autarke Kampfdrohnen, die sich knapp vor dem Sprung innerhalb des Schutzfeldes in Sicherheit gebracht hatten und nun das Schiff von innen heraus auseinandernahmen.
»Unbekannte Technologie, Ashia.« Lumidor verfolgte eine der Drohnen auf ihrem zerstörerischen Weg durch die sterbende Esteer, zeichnete alle Daten auf, der er mit den Anzugsensoren bekam. »Sehr effektiv und sehr schlau. Die verschwenden keine Zeit mit unwichtigen Komponenten, lassen sich nicht ablenken. Das Schiff können wir vergessen.«
Ich sah, wie er die Koordinaten der Drohne ins Feuerleitsystem seines Exors einspeiste. Die Wirkung der Ixus war messbar – lenkte die Aufmerksamkeit der Drohne jedoch nur auf Lumidor.
»Meine Schilde sind auf zehn Prozent nach einem einzigen Streifschuss – ich denke, die Retro-Tropfen-Anzüge halten mehr aus!«, schrie er in empörtem Ton, nachdem eine doppelte Salve des Disruptors aus seinem Delta-Gleitschild der Drohne ein Ende gemacht hatte. »Vier Stück davon haben diesen Kreuzer auseinandergenommen, Ziit, Ashia – das ist ein echtes Problem!«
Ich schaltete mir eine Übersicht des Schiffes auf das Hauptdisplay meines Visiers. Noch immer waren zwei der Angriffsdrohnen in der Esteer unterwegs – aufgrund ihrer hohen Geschwindigkeit nur schwer zu stellen.
»Dawn, verlasst das Schiff und fliegt auf Eure Position«, hörte ich den Befehl von Om’Lees. »Wir müssen verhindern, dass auch nur eines dieser Dinger die beiden Fregatten erreicht.«
Diese Nachricht kam gerade rechtzeitig. Die erste Drohne hatte bereits entschieden, dass sie mit diesem Schiff fertig war, und sich aus dem Wrack heraus gekämpft. Im freien Raum gab es für sie keine Deckung, die übergeordnete Feuerleit-KI der näheren Fregatte ließ sie in einem konzentrierten Beschuss aller Exor-Anzüge verdampfen. Die verbleibende Drohne lernte daraus sehr schnell und floh in die entgegengesetzte Richtung, um sich in einem weiten Bogen auf die Schilde der zweiten Fregatte zu stürzen.
»Kommen wir mit einem einzigen Schiff zurück, Kapitän?«, fragte ich Om’Lees auf dem geschlossenen Kanal, während meine Antigravs nach massereichen Objekten suchten, um sich davon abzudrücken.
»Wie meint Ihr das, Dawn? – Ja, so gerade«, gab er sich selbst die Antwort.
»Dann lasst die Drohne weiter machen«, riet ich ihm. »Wir benötigen Daten!«
»Seid Ihr wahnsinnig? Wir müssen sie zerstören!«
»Wir benötigen Daten, Kapitän – diese Dinger haben wir heute nicht zum letzten Mal gesehen!«
»Senn! Die Drohne kann sich durch die Schilde kämpfen. Sobald sie den Rumpf erreicht, zerstörst du sie!«
Die Augen des Kapitäns auf meinem Visier waren angestrengt, sein Gesichtsausdruck ärgerlich. »Das muss reichen! Ich denke, es wird schwer genug, der Ersten Händlerin das zu erklären!«
Mein Visier übertrug die Welle kleinerer Implosionen aus dem Inneren der Esteer, als die Schiffs-KI die Selbstzerstörung der verbliebenen wichtigen Komponenten initiierte, sich eingeschlossen, und ein weiteres Wrack den Weiten des Raumes hinzugefügt wurde.
*
Es gab keine Pause. Nur wenige Minuten nach der Zerstörung der letzten Drohne kamen zwei unserer aufgerüsteten Rumbler durch den Sprungpunkt, mit einer Wolke weiterer Drohnen im Schlepp, und erwischten uns in einer exponierten Lage.
Die meisten Besatzungsmitglieder der Esteer befanden sich noch im Raum oder gerade im Dockbereich der zweiten Fregatte, welche zusammen mit dem Schwesterschiff bereits Kurs auf das zweihundert Millionen Kilometer entfernte Potentialende des nächsten Sprungpunktes des Transfersystems genommen hatte.
»In Deckung hinter den Schiffen!«, hörte ich Lumidor auf dem offenen Kanal. »Selbstzerstörung der Rumbler in fünf Sekunden!«
»Das ist zu nah!«, brüllte Om’Lees – aber es war bereits zu spät.
»Andocken, Ashia!«, sagte Lumidor und verriegelte unsere Anzüge miteinander, während der Systemantrieb seines Delta-Gleitschildes uns hinter der Fregatte in Sicherheit brachte. Die steuernde Feuerleit-KI des intakten zweiten Schiffes übermittelte uns allen die gleichen Daten. Achtundvierzig feindliche Drohnen nahmen unverzüglich Kurs auf beide Fregatten.
Fünf Sekunden waren fast schon zu lang. Als die Rumbler implodierten, erreichte ihre Gammastrahlenwelle nur knapp die Hälfte der feindlichen Drohnen – die anderen hatten die Gefahr erkannt und waren wie die meisten der Offiziere bereits hinter den Schilden der Fregatte in Deckung gegangen, die nun durch die Intensität der harten Strahlung stark geschwächt waren und den verbleibenden Drohnen den Angriff auf das Schiff somit noch erleichterten. Die erste Fregatte – ohne den Schutz ihrer Schilde – erzitterte in zahllosen Sekundärexplosionen und riss weitere Drohnen wie auch ihre Besatzung mit in den Tod.
Es wurde nicht mehr viel gesprochen. Die Optionen waren klar. Sollten die Drohnen die letzte Fregatte zerstören, würde es auch für uns keine Rettung geben. Der Kampf war ungleich und zugleich brutal. Wir mussten den nächsten Sprungpunkt erreichen – koste es, was es wolle. Durch die unerwartet notwendig gewordene Evakuierung der Esteer waren einige Schiffsoffiziere überrascht worden und ohne Delta-Gleitschild gestartet. Ihre Exor-Anzüge waren somit für den Kampf im Raum nur bedingt geeignet. Ohne ausreichend Planeten- oder Schiffsmasse in der Nähe, konnten die Antigravs uns nicht ausreichend antreiben und erst recht nicht während des Feuerns der Rail-Cannon stabilisieren. Somit blieb als effektive Waffe nur der Disruptor des Delta-Gleitschildes – und über den verfügten neben Lumidor nur acht weitere Offiziere – es waren auch die einzigen, die eine Chance aufs Überleben hatten.
Die Fregatte taumelte auf ihrem Kurs, ging auf Höchstbeschleunigung und kämpfte ihren eigenen, einsamen Kampf mit einigen bereits ins Schiff eingedrungenen Drohnen.
»Dawn!« Om’Lees gequältes Gesicht erschien in einem Ausschnitt meines Visiers, ein feines Blutrinnsal lief über seine rechte Wange in seinen akkurat geknüpften Bart. »Wir haben die Daten der Rumbler empfangen. Es scheint so, als hätten wir eine Art superkritischen Potentials auf Xee III entdeckt. Ich weiß nicht, wie es dort entstehen konnte, es gibt kein offenes Potentialende auf dem Planeten.« Er wirkte verwirrt. »Diese Daten müssen Überleben. Die Fregatte wird bei Erreichen des Sprungpunktes nicht warten«, er zögerte einen Augenblick. »Euer Gefühl hat Euch nicht fehlgeleitet, ich weiß nicht, was wir dort entdeckt haben, aber die Reaktion beweist, dass es für jemanden wichtig genug ist, um einen Krieg mit der Unsichtbaren Flotte zu beginnen.«
Mein Visier zeigte seine Position innerhalb des Rumpfes der Fregatte.
»Ich muss schnellstens den Dawn Cektronn informieren, die Erste Händlerin und auch Z-Zemothy. Wir kommen zurück, das verspreche ich!«
Eine sonderbare Leere entstand in mir. Vier Drohnen waren noch in der Umgebung – im Kampf mit genauso vielen Offizieren. Der Disruptor in Lumidors Delta-Gleitschild blitzte auf – noch drei. Mein Visier zeigte mir die Fregatte bereits vierzig Millionen Kilometer von uns entfernt, weiter beschleunigend – wir würden sie unter keinen Umständen einholen können.
Die letzten Drohnen wurden zerstört – zwei Offiziere fielen.
Ein Stern ging auf und erlosch nur Sekunden später – die Anzeige des Schiffes auf meinem Visier verschwand. Wir waren allein.