Ich glaube, die nächsten Tage habe ich hundertmal nachgesehen, ob ich eine neue E-Mail bekommen hatte. Aber es tauchte keine Nachricht von der Zeitungsredaktion auf. Sobald ich zu Hause war, blätterte ich außerdem schnell die Zeitung durch in der Hoffnung, dass sie die Spendenaktion gestartet hatten, ohne mir Bescheid zu geben. Aber es stand nichts davon drin. Vielleicht war meine Nachricht gar nicht angekommen? Oder sie glaubten, das sei nur Quatsch.

Doch dann klingelte das Telefon. Tante ging ran und sagte mir, da sei ein Mann, der mit mir reden wolle.

»Hallo«, sagte ich.

Der Mann nannte seinen Namen und sagte, dass er bei der Zeitung arbeite. Dann fragte er mich, ob ich die Person sei, die die Mail geschickt hatte.

»Ja«, bestätigte ich.

»Wir haben hier in der Redaktion mehrere Tage darüber diskutiert«, sagte er dann. »Denn wir finden, das ist eine gute Idee von dir, und wir waren ganz gerührt, was du für deine Mutter tun willst. Wir finden das einfach toll.«

»Wirklich?«

»Ja. Wir hoffen auch, dass es deiner Mutter bald wieder besser gehen wird. Aber wie gesagt, wir haben viel darüber diskutiert, und sind dann zu dem Ergebnis gekommen, dass wir so einen Spendenaufruf nicht starten wollen. Nicht, weil wir glauben, es würde kein Geld hereinkommen, das ganz und gar nicht. Aber wir finden, das wäre irgendwie nicht richtig. Das ist schwer zu erklären. Woran wir dabei denken, das ist die Frage, wie so etwas von den Lesern aufgefasst wird. Denken die Leute einfach nur, dass das gut ist, oder denken sie, dass wir mithilfe von jemandem, der krank ist, versuchen, mehr Zeitungen zu verkaufen? Ich weiß nicht, ob du verstehst, was ich meine?«

»Nein«, sagte ich.

»Nein, das ist auch schwer zu verstehen. Aber unsere Entscheidung ist jedenfalls, dass wir das nicht machen können. Deshalb kann ich nur sagen, dass es mir leidtut, und ich wünsche euch trotzdem viel, viel Glück. Und hoffe, du schaffst es. Ja, dann auf Wiederhören!«

»Auf Wiederhören.«

Ich ging in mein Zimmer und legte mich aufs Bett. Was sollte ich jetzt tun? Selbst Geld sammeln? Wie sollte ich das schaffen? Vielleicht Plakate in den Geschäften aufhängen?

Mama sollte in einer Woche nach Hause kommen. Bis dahin musste ich eine Lösung gefunden haben.

Ein paar Tage später traf ich eine der Frauen, mit denen Mama zusammenarbeitet. Sie stand im Flur, als ich ins Krankenhaus kam.

»Ich habe sie gerade besucht«, sagte sie. »Sie fehlt uns bei der Arbeit.«

Wir unterhielten uns eine Weile. Ich erzählte ihr von meinem Plan. Dem Plan von Paris und von der Zeitung, die kein Geld sammeln wollte.

Sie überlegte kurz.

»Ich verstehe schon, warum sie Nein gesagt haben«, erklärte sie dann. »Aber vielleicht können andere helfen. Willst du nicht morgen zu mir in den Betrieb kommen? Am besten direkt vor der Mittagspause.«

Ich bekam schulfrei, ohne dass ich eine Entschuldigung zeigen musste. Ich sagte dem Lehrer einfach, dass ich etwas wegen Mama besprechen müsste.

»Schon in Ordnung«, sagte er.

Mamas Kollegin saß in ihrem Büro, als ich kam.

»Schön, dass du da bist«, sagte sie. »Komm mit mir in die Kantine. Was meinst du, könntest du den anderen erzählen, was du mir gestern gesagt hast?«

Ich nickte.

»Klar, das kann ich.«

Sie kaufte mir einen Bagel und ein Glas Saft. Wir setzten uns zu vier anderen Frauen. Die fragten mich aus, wie es mir und wie es Lucy ging. Über Mama wollten sie nichts wissen. Das hatten sie sicher schon erfahren. Nachdem ich den Bagel gegessen hatte, nickte die Frau, die mich mit hergenommen hatte, mir zu. Dann klopfte sie mit einer Gabel an ihr Glas und stand auf. Sie sagte nur, dass heute ein Gast hier sei, der etwas Wichtiges zu erzählen habe.

Ich stand auf und berichtete von der Parisreise. Davon, dass Mama dort gewesen war, als sie jung war. Und von Lucy’s Song. Dem Cabrio. Dass ich mir wünschte, sie sollte das erleben. Als ich fertig war, klatschten alle.

Ich dachte, Mamas Kollegin würde den Leuten in der Kantine noch etwas sagen, nachdem ich mich wieder gesetzt hatte, aber das tat sie nicht. Sie strich mir nur über den Arm und sagte, das hätte ich prima gemacht.

Auf dem Heimweg überlegte ich, was sie wohl machen wollte. Vielleicht plante sie, im Betrieb Geld zu sammeln? Mit einer Spardose herumzugehen, in die die Leute das Geld stecken konnten? Ich hoffte, dass sie so etwas in der Richtung tun würde.

Kurz vor dem Essen klingelte das Telefon. Es war wieder Mamas Kollegin. Sie erzählte mir, dass sie in dem Betrieb eine Geldkasse hatten, eine Kasse, in die sie für die Weihnachtsfeier oder den Betriebsausflug im Sommer einzahlten. Der Betrieb bezahlte einen Teil und die, die dort arbeiteten, auch. Deshalb war ziemlich viel Geld in der Kasse. Und jetzt hatten sie beschlossen, dreißigtausend Kronen davon zu nehmen und sie mir zu geben. Damit ich die Parisreise für Mama organisieren konnte.

Nachdem ich den Hörer aufgelegt hatte, zitterten mir fast die Hände. Es sollte tatsächlich klappen, Mama würde ihre Reise bekommen.

Onkel und Tante saßen am Esstisch. Ich holte tief Luft und erzählte ihnen alles. Sowohl von der Zeitung als auch von meinem Besuch in Mamas Betrieb. Und von dem Geld.

»Meine Güte«, sagte die Tante.

»Na, das sind aber Neuigkeiten«, sagte der Onkel.

Dann schwiegen beide.

»Aber es ist trotzdem nicht sicher, dass es klappt«, wandte die Tante ein. »Deine Mutter ist immer noch sehr krank. Ich weiß nicht, wie schlau es wäre, ihr jetzt so viel zuzumuten.«

»Aber das ist doch, damit sie wieder gesund wird«, widersprach ich, »damit sie ihren Lebenswillen wiederfindet.«

»Ich weiß, ich weiß. Ich sage das nur, damit dir klar ist, dass es schwierig werden kann.«

»Wir müssen mit ihr drüber reden, wenn sie nach Hause kommt«, sagte der Onkel. »Trotz allem ist sie es schließlich, die entscheiden muss, was sie schafft und wozu sie Lust hat.«

»Natürlich hat sie Lust dazu«, beharrte ich. »Das hat sie ja gesagt. Dass sie fahren will.«