Die Werte der Jugend in Zeiten der moralischen Krise
Wie ein egozentrischer Individualismus Gemeinschaftswerte unterminiert
Der Begriff des Wertes ist historisch betrachtet ein relativ junges Phänomen. Sein Aufstieg steht im engen Zusammenhang mit der Entstehung des kapitalistischen Wirtschaftssystems in Europa. Mit dem beginnenden 19. Jahrhundert breitet sich ein ökonomisches Nützlichkeitsdenken aus, dessen zentrale Tugend die Kaufmannstugend ist, die gewinnbringende Produktion und Distribution von Waren und Dienstleistungen. Von nun an wird jede menschliche Handlung mit Blick auf ihre ökonomische Nützlichkeit abgeklopft: Das Wertmaß allen Handelns und Tuns ist nun der Tauschwert, der Preis, den eine Ware am Markt zu erzielen in der Lage ist.
Obwohl der überwiegende Teil des Bürgertums von dem neuen Wirtschaftssystem profitierte, war einigen die totale Ökonomisierung des Lebens unheimlich. Sie versuchten ein Gegengewicht gegen die Allmacht des nationalökonomischen und betriebswirtschaftlichen Denkens dadurch zu etablieren, indem sie die ökonomischen Werte, die als Gebrauchswerte, Tauschwerte, Sachwerte, Handelswerte etc. auftraten, in dauerhaft gültige moralische Kategorien umdeuteten. Karl Marx spottete darüber, dass so versucht werde, ein inhumanes System der Verwertung und Mehrwertbildung hinter einer feierlich verzierten Fassade ideeller Werte zu verbergen (vgl. Straub 2010).
Bis heute kann die gesamte Wertediskussion ihre enge Verbindung mit dem Marktkapitalismus nicht verleugnen, ist sie doch von einem der wichtigsten Prinzipien des Marktes bestimmt, der permanenten Konkurrenz. Neben jedem Wert steht ein Gegenwert und zu jedem Wertesetzer tritt ein Gegner und Widersacher. Werte sind kämpferische Begriffe, die für spezifische Interessen stehen und auf den Märkten der religiösen, politischen, wirtschaftlichen Ideologien gehandelt werden. Wer einen Wert postuliert, versucht gleichzeitig, einen konkurrierenden Wert zu entwerten, die Wertlosigkeit der Werte des Rivalen herauszustellen. Ohne den unbedingten Kampf um ihre alleinige Gültigkeit sind Werte nicht denkbar, obwohl sie ihrem Wesen nach völlig beliebige ideologische Entwürfe sind. „Denn alles, was einem Einzelnen liebenswert oder wünschenswert vorkommt, kann zu einem Wert erhoben werden, sofern es genug andere gibt, die seine Erwartungen teilen. Außerdem schließt jede Behauptung eines Wertes unvermeidlich – wie auf dem Markt – die Negation anderer Werte als minderwertig oder wertlos ein. Werte sind deshalb kämpferische Begriffe, weil deren Vertreter im Pluralismus der Meinungen und Möglichkeiten Nachteile für sich fürchten, sofern es ihnen nicht gelingt, die Ansprüche anderer Werteverfechter abzuwehren.“ (Ebd.: 14)
Das Werte nicht unschuldige Heilsbringer, sondern tyrannische Herrschaftsinstrumente sind, darauf hat Nicolai Hartmann bereits 1926 hingewiesen. Aus seiner Sicht hat jeder Wert die Tendenz, „sich zum alleinigen Tyrannen des ganzen menschlichen Ethos aufzuwerfen, und zwar auf Kosten anderer Werte, auch solcher, die ihm nicht diametral entgegengesetzt sind“ (Hartmann nach Schmitt 2011: 48). Anknüpfend an Nicolai Hartmann hebt Carl Schmitt die Geltungssucht, die die Wertediskussionen beherrscht, hervor: „Wer Wert sagt, will geltend machen und durchsetzen. Tugenden übt man aus, Normen wendet man an, Befehle werden vollzogen; aber die Werte werden gesetzt und durchgesetzt. Wer ihre Geltung behauptet, muss sie geltend machen. Wer sagt, dass sie gelten, ohne dass ein Mensch sie geltend macht, will betrügen.“ (Schmitt 2011: 41) Und weiter argumentiert Schmitt, dass jeder höhere Wert den Drang hat, den niedrigeren Wert zu unterwerfen, und der Wert als solcher danach trachtet, den Unwert zu vernichten. Im Kern vertritt Schmitt die Auffassung, „dass die ganze Wertlehre den alten, andauernden Kampf der Überzeugungen und der Interessen nur schürt und steigert“ (Schmitt 2011: 49).
Gut in den Kontext dieser Argumentation passt, dass es in unserer Gegenwart in erster Linie missionierende Religionen sind, also solche, die gezielt versuchen, ihren spirituellen und weltlichen Einflussbereich auszudehnen, die den Wertebegriff und die Werteforschung als strategisches Instrument benutzen. Ein Beispiel dafür, dass der Wert ein moralischer Kampfbegriff ist, der immer auch auf einen Unwert verweist, der vernichtet werden muss, stellt die Aussage des neuen Papstes Franziskus dar, in der er die Ehe von Homosexuellen als ein Werk des Teufels bezeichnet. Im katholisch-christlichen Denken ist der höchste Wert Gott, der diesem Werte gegenüberstehende Unwert ist der Teufel. Mit seiner Aussage rückt der Papst homosexuelle Beziehungen in die Nähe des größten Unwertes den Christen kennen, in die Nähe des Teufels. Im Gegensatz dazu steht die heilige heterosexuelle Familie in einem Naheverhältnis zum höchsten Wert der Christenheit, zu Gott. Wie aggressiv die katholische Wertestrategie tatsächlich ist, zeigt sich daran, dass es für die Mehrheit der homosexuellen Paare nicht darum geht, von der Kirche anerkannt zu werden, sondern vom Staat. Auch in Argentinien, wo der Papst seinen Bannspruch über die Homosexuellenehe ausgesprochen hat, ging es nicht um das Ehesakrament der Kirche, sondern um die staatliche Anerkennung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften nach säkularem Recht. Keiner zwingt die katholischen Christen auf der ganzen Welt dazu, eine homosexuelle Beziehung einzugehen und diese vom Staat anerkennen zu lassen. Warum es aber auch all denen verweigern, die fern von der katholischen Ethik und Moral leben? Der Grund liegt in der Intoleranz, die dem Wertedenken prinzipiell und fundamental eingeschrieben ist. Denn wer Wert sagt, der will „geltend machen und durchsetzen“, und er will den andauernden Kampf bis zur endgültigen Durchsetzung seiner Überzeugungen und Interessen.
Heute sind Werte vielfach Gegenstand der Markt- und Meinungsforscher. Mit den Ergebnissen von Marktstudien wird versucht, die Verbreitung von Werten in der Bevölkerung zu objektivieren und damit bestimmten Werten Legitimität zu verschaffen. Ein stark umkämpftes Feld ist das der Zukunftswahrnehmung, denn die Zukunft ist der neue Götze einer gottlosen Zeit, die der Vergangenheit und ihren Traditionen kaum mehr eine Bedeutung beimisst. Vor auf Vermutungen gestützten, vor allem aber interessengebundenen Zukunftsentwürfen hat sich alles zu rechtfertigen, was heute getan und gesagt wird. Vielen Wertesetzern gemein ist das Bedürfnis, auf eine Jugend verweisen zu können, die optimistisch in die Zukunft blickt, denn eine zuversichtlich nach vorne blickende Jugend gilt als Beweis für die Richtigkeit der Gegenwart. Aber entgegen allem Wünschen und Wollen sind die Zukunftserwartungen der Jugend widersprüchlich, um nicht zu sagen inkonsistent und diffus. In der Soziologie spricht man vom „Optimismus-Pessimismus-Paradox“, wenn man die Zukunftsperspektive der heutigen Jugend diskutiert. Denn wir haben es mit einer Jugend zu tun, deren große Mehrheit (64 Prozent) der persönlichen Zukunft mit großer Zuversicht entgegensieht, unter der sich aber nur eine eklatante Minderheit (22 Prozent) findet, die der gesellschaftlichen Zukunft etwas Positives abzugewinnen in der Lage ist. Überspitzt formuliert sieht die Jugend in einer untergehenden Gesellschaft ihre persönlichen Interessen als durchaus verwirklichbar an. Eine wahrlich paradoxe Haltung. Zum „Optimismus-Pessimismus-Paradox“ passt auch, dass die Jugend insgesamt eine Tendenz zur Gesellschaftsskepsis und zum Gemeinschaftsoptimismus aufweist. Drei Viertel der Jugendlichen wollen sich in erster Linie für die engagieren, die ihnen nahe stehen, das Interesse an Politik als Repräsentation des großen gesellschaftlichen Kontextes ist gering, die Engagementbereitschaft für politische Parteien genauso. Wenn sich Jugendliche politisch einmischen, dann punktuell und in erster Linie, um auf Missstände hinzuweisen, die sie persönlich betreffen (z. B. die Aktion Uni brennt an der Universität Wien 2009/2010) oder in der aussichtslosen Position von idealistischen, hochmoralischen Weltverbesserern (siehe die Occupy-Bewegung), die im schlimmsten Fall dann, wenn sie wirklich etwas erreichen (z. B. Arabischer Frühling), von den alten Eliten im neuen Gewand oder neuen Eliten mit alten absoluten Herrschaftsansprüchen wieder zur Seite geschoben werden. Die rebellische Energie der Jugend wird von den Machteliten immer häufiger dazu missbraucht, Entwicklungen anzustoßen, die sie dann auf halbem Wege abstoppen oder in eine andere, meist wirtschaftskompatibel-reformistische Richtung kanalisieren.
Generell zeigt sich bei der Jugend ein neues Verhältnis in der Mischung von Pflicht- und Akzeptanz-Werten und Selbstverwirklichungswerten. Die Koexistenz der gegensätzlichen Wertebündel ist aber in der Regel nicht harmonisch, vielmehr spielen sich im Inneren der Jugendlichen permanente Kämpfe darüber ab, ob nun gesellschaftliche Notwendigkeiten oder persönliche Bedürfnisse in eine prioritäre Position kommen dürfen. Wie in der Gesellschaft so stehen sich auch im Inneren des Menschen die Werte mit dem absoluten Anspruch auf ihre Durchsetzung gegenüber. Entgegengesetzte Werte geben niemals Ruhe. Sie müssen permanent bearbeitet und kontrolliert werden.
Postmaterialismus oder Wertesynthese?
Die große Wende in den Werthaltungen der jungen MitteleuropäerInnen nach dem Zweiten Weltkrieg wurde durch die ’68er Bewegung symbolisiert. Sie war Ausdruck dafür, dass die so genannten „postmaterialistischen Werte“ an Einfluss gewonnen hatten. Der Amerikaner Ronald Inglehart, auf den der Begriff „Postmaterialismus“ zurückgeht, sieht vor allem die Jugend als Träger dieses Wertewandels, der im Kern aus einer Hinwendung zu den ethischen Grundsätzen einer nicht-instrumentellen Lebensführung besteht. Ästhetische Kreativität, individuelle Selbstverwirklichung, Schutz der Natur etc. treten an die Stelle von materialistischen Idealen wie Karriere, Reichtum, demonstrative Statusinszenierungen und überspitzte Sicherheitsbedürfnisse (vgl. Inglehart 1989: 90f.). Den jungen Menschen des postmaterialistischen Zeitalters der 1960er und 1970er Jahre geht es vorrangig um ein freies, selbstbestimmtes Leben, das weniger stark vom Einfluss tradierter Konventionen abhängt, und um eine authentische, nicht entfremdete, nicht primär an egoistischen Zwecken ausgerichtete Lebensführung.
Schon in den 1980er Jahren tritt der deutsche Soziologe Helmut Klages der Postmaterialismustheorie von Ronald Inglehart entgegen. Klages bestreitet nicht, dass postmaterialistische Selbstentfaltungswerte dabei sind, an Bedeutung zu gewinnen. Er glaubt nur nicht wie Inglehart, dass diese die materialistisch geprägten Pflicht- und Akzeptanzwerte radikal verdrängen würden. Vielmehr weist er aufgrund empirischer Untersuchungen auf die gleichzeitige Existenz von Selbstentfaltungswerten und Pflicht- und Akzeptanzwerten in einer mittelstarken Ausprägung hin. „Es kann heute zusammenfassend festgestellt werden, dass die Pflicht- und Akzeptanzwerte (…) keineswegs zerstört, ausgelöscht oder in die Bedeutungslosigkeit verdrängt wurden. Vielmehr ergaben sich Einbußen, die dazu führten, dass diese Werte, die vorher überwiegend hohe Ausprägungen besessen hatten, durchschnittlich gesehen auf mittlere Ausprägungsgrade reduziert wurden. Umgekehrt wurden die Selbstentfaltungswerte, die vorher überwiegend niedrige Ausprägungen gehabt hatten, im Gesamtdurchschnitt der Bevölkerung in mittlere Ausprägungslagen emporgehoben.“ (Klages 1988: 58)
Für Klages besteht die zentrale Problematik, deren Lösung für die Zukunft unseres Gemeinwesens entscheidend sein wird, darin, ob es einer Mehrheit der Menschen gelingen wird, zwischen Pflicht- und Akzeptanzwerten einerseits und Selbstentfaltungswerten andererseits eine Synthese herzustellen. Die Herausforderung für das Individuum besteht darin, einen Ausgleich zwischen Realitäts- und Lustprinzip zu finden (ebd.: 147). Zur Herstellung der Wertesynthese sind wertepolitische Rahmenbedingungen notwendig, die den Menschen gemeinschaftliche und gesellschaftliche Verantwortungsrollen anbieten und sie dazu motivieren, diese Rollen auch aktiv zu übernehmen. Für Klages ist das aktive Handeln der Menschen in gemeinschaftsbezogenen Verantwortungsrollen eine wichtige Voraussetzung dafür, die sie zur Wertesynthese befähigt, weil aktives Handeln in Verantwortungsrollen einerseits das Ausagieren von autozentrischen Selbstverwirklichungsbedürfnissen ermöglicht, andererseits aber auch die Einsicht in die Notwendigkeit von gesellschaftlichen Institutionen und die Akzeptanz allgemeingültiger Normen befördert (vgl. ebd.: 149).
Das ambivalente Erbe der ’68er
Trotz des guten Klangs, den die postmaterialistischen Programmatiken nach wie vor in den Ohren der egozentrischen Individuen der Gegenwart haben, und der hohen gesellschaftlichen Akzeptanz für die große Erzählung von der individuellen Selbstverwirklichung in gemeinschaftlicher Verantwortung, tritt immer stärker ein Diskurs in den Vordergrund, der auf die Ambivalenz des ethisch-moralischen Erbes der 1968er Bewegung verweist.
Diese Ambivalenz äußert sich im Gegensatz von positiv zu bewertender Demokratisierung der Gesellschaft in Folge der Durchsetzung von autozentrischen Werten der Selbstverwirklichung, die zu einer größeren Akzeptanz für die individuellen Bedürfnisse und Interessen der BürgerInnen von Seiten des politischen Systems geführt hat, und der negativ zu bewertenden Verstärkung von hedonistisch-individualistischen Tendenzen, die ein egozentrisches Individuum auszuprägen drohen, das sein Leben in erster Linie an Nutzen- und ästhetischen Selbstverwirklichungswerten ausrichtet. Im Zuge des postmaterialistischen Wertewandels, so die kritischen Kommentare zu einem sich mehr und mehr in puren Egoismus wandelnden Individualismus, beginnen sich Gemeinschaftsbindungen und kollektive Verbindlichkeiten zu lockern. Anstelle eng verbundener, langfristig stabiler Gemeinschaftsbeziehungen treten schwach gebundene soziale Netzwerke. Die Beunruhigung in den Sozialwissenschaften über diese Entwicklung ist zum Teil so groß, dass der deutsche Soziologe Ronald Hitzler in radikaler inhaltlicher Umkehrung der berühmten Aussage Immanuel Kants vom „Ausgang der Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit“ (Kant 1999: 20) die Notwendigkeit des „Ausgangs des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Mündigkeit“ (vgl. Hitzler 1997) postuliert. Das „überbefreite“ Individuum soll sich wieder mehr in die Gemeinschaften zurücknehmen, weniger Energie in die Selbst- und mehr in die Gemeinschaftsverwirklichung stecken.
Neo-Materialismus und Ökonomisierung des Sozialen
Schon in den 1980er Jahren beginnt sich zudem eine Tendenz zu zeigen, die darin besteht, dass die weiter aufstrebenden Selbstverwirklichungswerte in eine enge Beziehung mit einem neuen Materialismus treten. Selbstverwirklichung ist damit nicht mehr länger im Kontext eines selbstlosen, idealistischen Engagements für eine bessere Gesellschaft zu sehen, sondern unmittelbar mit der persönlichen Vorteilsgewinnung durch die Aneignung von materiellen Gütern und Dienstleistungen verbunden. Es ist nicht mehr die selbstlose Tat, die Ansehen und Ehre verleiht, sondern der materielle Erfolg in Verbindung mit dem demonstrativen Konsum von statusbildenden Waren und Dienstleistungen. Anstelle des ideellen Lohnes durch ein Ehrenamt tritt in konsequenter Realisierung des Grundsatzes, dass Anerkennung im Kapitalismus allein durch Geld ausgedrückt wird, ein materialistisches Belohnungsprinzip, in dem das Geld zum wichtigsten vermittelnden Medium zwischen den Menschen und der Gemeinschaft wird. Wo es früher in Staat und Gesellschaft um die Ehre ging, geht es heute um Geld und Macht.
Hintergrund dieses sich den Werthaltungen der Menschen nachhaltig aufprägenden Materialismus ist das, was Heitmeyer als den Wandel der Marktwirtschaft zur Marktgesellschaft beschreibt (vgl. Heitmeyer 2007). Dieser Wandel bewirkt, dass sich die Imperative des Marktes in alle gesellschaftlichen Diskurse einschreiben. Was das für das Gemeinwesen bedeuten könnte, soll ein kurzer Blick auf den Gesundheitssektor zeigen. Dort werden zukünftig in erster Linie solche Behandlungen und Medikationen zugelassen werden, die nach einer volkswirtschaftlichen Logik zweckmäßig sind. So wird wohl einer Siebzigjährigen eben kein neues Hüftgelenk eingesetzt werden, da sie nicht mehr in der Lage sein wird, den in sie investierten finanziellen Aufwand durch volkswirtschaftlich relevante Leistungen zu refinanzieren.
Bestätigung für die
Verallgemeinerung ökonomischer Prinzipien und deren Einschreibung
in die Diskurse unterschiedlichster Praxisfelder liefert auch der
gerade in letzter Zeit wieder aufflammende Versuch, die
Körperpraxen der Menschen dem ökonomischen Nutzendiktat zu
unterwerfen. Der menschliche Körper ist dafür prädestiniert, ins
Visier auch der einfachen Geister und Propagandisten des
neoliberalen Nutzendenkens zu geraten. Einer der kleinen Ideologen,
in deren Argumenten sich die ökonomistischen Prinzipien des
Neoliberalismus widerspiegeln und der das ökonomische Paradigma
unverhohlen gegen eine individuelle, selbstbestimmte Körperpraxis
der Menschen in Stellung bringt, ist der Tiroler
Bodybuilding-Consultant Dr. Kurt Moosburger. Er fordert eine
„Dickensteuer“, um die durch Übergewicht verursachten Kosten im
Gesundheitswesen auf diese Weise refinanzieren zu können, und
erntet damit durchaus Zustimmung in Teilen der Politik. „‚Eine
Diskussion über eine Dickensteuer ist längst fällig‘, meint Sport-
und Ernährungsmediziner Kurt Moosburger, der sich für mehr
Aufklärung und Bewegung einsetzt. Denn Adipositas kostet uns
jährlich laut Apothekerkammer bis zu 1,1 Mrd. Euro.“ (http://www.oe24.at/oesterreich/chronik/Experten-fordern-
Dicken-Steuer/21914188, 24. April 2011) Vor dem Hintergrund
solcher, von einzelnen politischen Entscheidungsträgern wohlwollend
zur Kenntnis genommenen Forderungen entlarven sich politische
Diskurse, die von der zunehmenden körperlichen Selbstbestimmung des
Menschen handeln, als PR-Manöver mit geringem Wahrheitsgehalt. Denn
im Gegensatz dazu geht es offensichtlich heute mehr denn je um die
Unterwerfung der individuellen Körperlichkeit des Menschen unter
das Diktat eines sich als Gemeininteresse ausgebenden ökonomischen
Nützlichkeitsdiskurses.
Wenn wir über Fragen der Ethik und der Moral diskutieren wollen, ist es notwendig, einige Schlüsselbegriffe zu klären, in unserem Kontext vor allem die Begriffe „Wert“ und „Norm“. Die Diskussion über Werte, Wertewandel und Werteverlust taucht in Zeiten der Unsicherheit und der starken Strukturumbrüche häufig auf. Gerade in solchen Perioden verlangen die Menschen nach allgemeinen, immer und überall gültigen moralischen Grundsätzen, um durch sie wieder klare ethische Orientierungen und praktisch nützliche Weltdeutungskriterien zu haben.
Einer der wichtigsten Wertetheoretiker der Gegenwart ist der deutsche Soziologe Hans Joas. Er unterscheidet zwischen Werten und Normen. Für Joas stehen im Mittelpunkt des Wertebegriffs „attraktiv-motivierende“ Momente, während der Charakter der Norm „restriktiv-obligatorisch“ ist (vgl. Joas 1999: 288). Dies bedeutet, dass Werte immer auf ein Sollen gerichtet sind und damit eine für die Gesellschaft als Ganzes, aber auch für einzelne kleine Gemeinschaften Regulierungs- und Orientierungsfunktionen haben, „die auf die Einsicht der Menschen, auf ihre Selbstbindung und Selbstverpflichtung zählen“ (Fenner 2010: 7). Im Gegensatz dazu sind Normen verbindliche Regelungen, deren Übertretung Rechtsverletzungen darstellen, die zum Beispiel durch die staatliche Gerichtsbarkeit negativ sanktioniert werden können.
Ganz im Kontext der Definition von Joas steht auch der amerikanische Strukturfunktionalist Talcott Parsons. Für ihn drücken Werte keine Wünsche aus, sondern das, was wünschenswert ist. „A value is not just a preference but is a preference which is felt and/or considered justified.“ (Zitiert nach Joas 1999: 32) Normen sind für Parsons Spezifizierungen von allgemeinen Werten, die sich verbindlich auf bestimmte Handlungssituationen beziehen, d. h., Normen sind im Gegensatz zu Werten nicht allgemeingültig, sondern nur in Bezug auf eine bestimmte soziale Konstellation relevant (vgl. ebd.: 32ff.). Auch bei Jürgen Habermas ist die Unterscheidung zwischen Werten und Normen in erster Linie eine Frage der Reichweite ihrer Gültigkeit. Für Habermas haben Werte, im Unterschied zu Parsons, nur eine eingeschränkte Gültigkeit. Diese beschränkt sich auf eine bestimmte kulturelle Gemeinschaft und erscheint dort in der Form von Riten und Ritualen. Im Gegensatz dazu sind bei Habermas Normen Pflichten von universeller Gültigkeit. Eine typische universelle Norm sind die Menschenrechte. Sie gelten überall, über alle kulturellen Grenzen hinweg (ebd.: 33).
Aber noch ein wichtiger Aspekt der Habermas’schen Werte- und Normendiskussion ist hervorzuheben. Für Habermas sind Normen nicht von ewiger Gültigkeit und sie existieren nicht, wie zum Beispiel in der materialistischen Wertetheorie von Max Scheler, ohne Zutun der Menschen als Absolutum, das von außerweltlichen, metaphysischen Instanzen ausgeht. Normen entstehen nach Habermas im Diskurs durch die Zustimmung der von ihnen betroffenen Personen und sind im Zuge eines diskursiven Verfahrens auch wieder veränderbar. Habermas nennt deshalb seine Werteethik auch Diskursethik (vgl. Horster 2009: 108ff.).
In welchem Verhältnis stehen Werte nun zum Handeln der Menschen? Welche handlungstheoretische Bedeutung haben sie? Sind sie, wie Klages meint, tatsächlich „handlungsleitende Führungsgrößen“ (zitiert nach Tamke 2008: 193) oder sind es ganz andere Instanzen, die das menschliche Handeln motivieren? Als zu den Werten alternative Handlungsmotive in der wissenschaftlichen Literatur stehen vor allem Triebe, Zwänge und rationale Nutzenüberlegungen zur Disposition (vgl. ebd.).
Rationale Nutzenüberlegungen werden vor allem von der philosophischen Schule des Utilitarismus als zentrale Handlungsmotive in Stellung gebracht. Im Gegensatz zum Normativismus, der ein wertegesteuertes menschliches Sein postuliert, gehen die Utilitaristen davon aus, dass das menschliche Handeln durch persönliche Nutzenüberlegungen, Interessen und Präferenzen bestimmt ist (vgl. Horster 2009: 40ff).
Auf einen Widerspruch zwischen Wertediskurs und der Handlungspraxis der Menschen weist Michael Stocker mit seiner These von der „Schizophrenie der modernen Ethik“ hin. Stocker meint zu sehen, dass in der Handlungspraxis des postmodernen Menschen Handlungsgründe und Handlungsmotive (Werte) auseinanderzufallen beginnen respektive dieses Auseinanderfallen schon in den modernen ethischen Theorien angelegt ist (vgl. Stocker 1998: 26).
Viel radikaler bringt die Unvermitteltheit von Wertediskurs und Handlungspraxis Niklas Luhmann zum Ausdruck, indem er nicht ohne Ironie feststellt, dass Werte wie Luftballons sind, die das Jahr über irgendwo aufbewahrt werden, um sie dann zu hohen Feiertagen steigen zu lassen. „Werte sind also nichts anderes als eine hochmobile Gesichtspunktmenge. Sie gleichen nicht, wie einst die Ideen, den Fixsternen, sondern eher Ballons, deren Hüllen man aufbewahrt, um sie bei Gelegenheit aufzublasen, besonders bei Festlichkeiten.“ (Luhmann 1998: 342) Sowohl Stocker als auch Luhmann weisen zumindest implizit darauf hin, dass Werte auf der deklamatorisch-diskursiven Ebene stecken bleiben können und damit ohne orientierende Wirkungen auf das menschliche Handeln bleiben. Werte wären dann nichts anderes als eine moralische Aufhübschung für utilitaristisch handelnde hedonistische Egoisten, die in ihrer eigenen Lust die einzige Rechtfertigung für ihr Handeln sehen (vgl. Stocker: 23ff).
Wertewandel und Werteverschiebung
Die Wertediskussion der letzten Jahrzehnte ist vom Begriff des Wertewandels geprägt. Dabei stellt sich die Frage, inwieweit sich hinter dem Begriff des Wertewandels nicht eine fundamentale Verschiebung innerhalb des Wertetableaus verbirgt. Für Ottfried Höffe hat eine Theorie der Tugend (die Begriffe Wert und Tugend werden in der Literatur häufig als Synonyme verwendet) bei der Unterscheidung zwischen instrumentellen/funktionalen und moralischen Tugenden oder Werten anzusetzen (Höffe 1998: 46ff.). Instrumentelle Tugenden bezeichnet Höffe als sekundäre Tugenden im Gegensatz zu moralischen oder primären Tugenden. Als primäre Tugenden gelten Hilfsbereitschaft, Toleranz, Gerechtigkeit oder Tapferkeit. Unter sekundären Tugenden werden Pünktlichkeit, Fleiß, Ordnungsliebe, Sparsamkeit etc. verstanden (vgl. ebd.). Für Höffe stehen die sekundären Tugenden im Kontext des von Max Weber konstatierten Geistes des Kapitalismus, der Diskurse und Handlungsweisen privilegiert, die sich entlang der ökonomischen Logik des kapitalistischen Systems bewegen. Aufgrund ihres rein funktionalen Charakters können die Sekundärtugenden als reines Mittel zum Zweck außerhalb des Rahmens einer moralischen Ordnung angewendet werden. Sie können als Handlungsgrundlage genommen werden, ohne dass sie sich an einem moralischen Prinzip, wie zum Beispiel dem der Gerechtigkeit, messen lassen müssen. Zudem besteht bei sekundären Tugenden die Gefahr, dass sie kritischen Diskursen entzogen werden, indem sie quasi als naturgegebene, überzeitlich wirksame Sinn- und Regelhaftigkeiten dargestellt werden. „Es droht – so ein zweites Element einer Theorie der Tugend – jene Verschiebungsgefahr, die statt der Primärtugenden die Sekundärtugenden in den Vordergrund rückt.“ (Ebd.: 47)
Konsequent weitergedacht führt an dieser Stelle kaum ein Weg an der These vorbei, dass das in den Vordergrund Treten der Sekundärtugenden und die gleichzeitige Herabstufung der Primärtugenden zur Feiertagsphraseologie mit der Ökonomisierung des Sozialen zusammenhängen muss. Im Kontext einer zweckrationalen Ökonomie, in der der Zweck nahezu jedes Mittel heiligt, geraten die sekundären Tugenden dem Einzelnen zu hochgradig funktionalen Handlungsprinzipien, die aufgrund ihrer moralischen Neutralität keinerlei Schuld- oder Schamgefühle bewirken können. Alle Handlungen sind erlaubt, die zum selbstdefinierten Ziel führen. Und keine noch so drastische Handlungsfolge kann das Gemüt bedrücken. Der Mensch ist frei, nach seinen Lüsten und Zwecken zu handeln, und dem „hedonistischen Egoisten“ wird die Tür zum dominierenden Handlungstypus weit geöffnet (vgl. Stocker 1998: 23).
Zur Synthese von
„self-regarding virtues“ und
„other-regarding virtues“
Wir leben in einer Gesellschaft, in der sich
Sinnkrisen und subjektiv
empfundenes Unglück offenbar ausbreiten. Als Indikatoren dafür
können der massenhafte Gebrauch von Psychopharmaka und die sich
quantitativ stark ausbreitende Nutzung von Psychotherapie- und
Lebenshilfeangeboten herangezogen werden (vgl. Presseerklärung der
GKK-Salzburg: www.
geschaeftserfolg.at/lebensqualitaet/recherchen/pk/gkk.pdf; 29.
April 2011).
Ganz offensichtlich bewahrheitet sich hier die aristotelische Formel, dass der Mensch nur dann in den Genuss des eigenen Wohls kommen kann, wenn er in seinem Handeln gleichzeitig auch das Wohl der anderen berücksichtigt. Der Mensch hat zu vergessen begonnen, dass für ein erfülltes und glückliches Leben eine Synthese zwischen „self-regarding“ und „other-regarding virtues“ (vgl. Höffe 1998: 43) notwendig ist. Die aristotelische Glücksformel erinnert frappant an die von Klages vertretene Wertesynthese, in der es auch um die Verbindung von autozentrischen und nomozentrischen Werten geht (vgl. Klages 1988: 64).
Es ist offensichtlich, dass die Wertesynthese im Sinne von Helmut Klages und Aristoteles unter Jugendlichen genau so wenig gelingt wie unter Erwachsenen. Vielmehr zeigt sich immer häufiger ein auf die Gemeinschaft orientiertes Handeln, das nicht die Beförderung der Ziele des Kollektivs, sondern die Realisierung des individuellen Nutzens zum Zweck hat. An Gemeinschaften interessiert nicht mehr das, was diese selbst sind, ihre Ziele, ihre Werte etc., sondern nur mehr das, was man durch die Teilnahme an ihnen erreichen kann.
Es scheint zudem normal geworden zu sein, selbst die eigenen Mitmenschen dem Zweckprinzip zu unterwerfen. Der Wert des Menschen an sich tritt hinter dem Nutz- oder Tauschwert zurück, dessen Träger er ist. Der Mensch ist austauschbar geworden, ersetzbar durch einen anderen Menschen, der Träger nützlicherer Eigenschaften, Fähigkeiten oder Kontakte ist. Um es mit Michael Stocker zu sagen: „Individuen sind also nicht wichtig, sondern nur ihre Wirkung auf uns; sie sind vollkommen austauschbar – nämlich durch etwas anderes, das dieselbe Wirkung hervorbringt.“ (Stocker 1998: 24) In der Verzweckung der Zwischenmenschlichkeit, der Verwandlung des lebendigen Individuums in totes, austauschbares Sozialkapital, kommt die Dominanz der „self-regarding virtues“ über „other-regarding virtues“ zum Ausdruck.
Indem der egozentrische Individualismus den Wert der Gemeinschaftlichkeit zu überragen beginnt, wird Freundschaft immer weniger möglich, ist sie doch von der Vorstellung abhängig, „etwas um eines anderen willen zu tun oder sich um einen Menschen nur um dieses Menschen willen zu sorgen“ (ebd.). In der Verzweckung der Freundschaftsbeziehungen könnte durchaus auch der Grund dafür liegen, dass die jungen Menschen unserer Tage viele Bekannte und äußerst wenige Freunde haben, denn die verbreitete instrumentelle Zwischenmenschlichkeit ist in erster Linie oberflächliche, flüchtige Bekanntschaften zu generieren in der Lage. Hier kommt einem die facebook-Kultur in den Sinn, in der junge Menschen Kontakte sammeln und die Anzahl dieser Kontakte gleichzeitig über ihren Status in der Gleichaltrigengruppe entscheidet. „Desto mehr Bekannte, desto mehr Fame“, wie es ein Jugendlicher in einer Fokusgruppe einmal ausgedrückt hat. Zu den vielen Bekannten, die die Kids berühmt machen, halten sie Distanz, sie nutzen die Kontakte nur dann, wenn sie sie brauchen. In der Regel verwenden sie die Bekannten als anonyme statistische Masse zur Erhöhung des eigenen Ansehens.
Die Werte der Wiener Jugend und der Fall Strasser
„Self-regarding virtues“ sind auch das zentrale Antriebsmoment, die basale Motivation vieler AkteurInnen der Politik geworden. Das zeigen aktuelle Politikskandale rund um Ernst Strasser, Karl Heinz Grasser und den PR-Unternehmer und Politikberater Peter Hochegger (zu allen diesen siehe die entsprechenden Wikipedia-Chroniken). Ihr Handeln spiegelt Gemeinschaftsorientierung lediglich vor, wirklich getragen ist es vom puren Egoismus. Gemeinschaftstugenden sind bei Strasser und Co. als Handlungsmotive abwesend. An ihre Stelle tritt eine Grundorientierung, die von einem hedonistischen Egoismus geprägt ist, hinter den die Realitätserfordernisse der Gemeinschaftlichkeit zurückzutreten haben.
Dementsprechend gering ist das Vertrauen der Jugend in die Politik, wie eine Studie des Instituts für Jugendkulturforschung am Beispiel 16-19-jähriger WienerInnen zeigt. Lediglich eine Minderheit von 5 Prozent hat noch großes Vertrauen in die Politik. Vor allem bei den männlichen Jugendlichen ist das Misstrauen groß. Bei den jungen Frauen ist der Anteil derer, die noch über ein diffuses Grundvertrauen ins Parteiensystem verfügen, höher (Institut für Jugendkulturforschung 2011).
Vor allem die „Cash-for-Laws“-Affäre um den EU-Parlamentarier Strasser wurde von vielen Jugendlichen als eine große politisch-moralische Erschütterung erlebt. Insbesondere die Angehörigen der Bildungsschichten sind moralisch sensibel. 80 Prozent dieser Gruppe meinen nun, dass Leute wie Ernst Strasser in der Politik nichts verloren haben. Angehörige von bildungsferneren Milieus zeichnen sich durch eine geringer ausgeprägte moralische Sensibilität aus. Gerade einmal 50 Prozent sprechen sich dezidiert gegen einen Politikertypus, wie ihn Strasser repräsentiert, aus. Teile der anderen 50 Prozent bewundern sogar insgeheim erfolgreiche Gauner und Durchstecher wegen ihrer Coolness und ihres unverhohlenen Egozentrismus. Sie meinen, dass in solchen Personen die wahre Natur des Menschen (des Mannes?) zum Ausdruck käme. Es wäre zu fragen, auf den Einfluss welcher Sozialisationsinstanzen diese asozialen Ideale zurückgehen, Elternhaus, Schule, Arbeitsplatz, Medien, um die wichtigsten zu nennen, die zu dermaßen offensiv vorgetragenen positiven Bewertungen von asozialen Verhaltensweisen führen. Das Fatale am Fall Strasser besteht aber nun vor allem darin, dass die Jugendlichen ihn als pars pro toto sehen. Sie schließen vom Einzelfall auf das Ganze der Politik: 50 Prozent der Befragten meinen, dass Ernst Strasser typisch für die gesamte PolitikerInnenklasse sei.
Es zeigt sich, dass der Fall Strasser fatal für das Ansehen der Politik insgesamt ist. Gerade deshalb, weil es Strasser verstand, sich vor dem Skandal ein Saubermannimage aufzubauen, indem er sich als Volkstribun und Ehrenmann inszenierte. Aufgrund der großen Fallhöhe und der großen Differenz zwischen dem alten Schein und der neuen Wirklichkeit hat sein abrupter Absturz eine besonders starke Wirkung, die das Ansehen der Politik in einer Form schädigt wie schon lange kein Skandal mehr davor. Die negative Wahrnehmung des Falles Strasser ist auch deshalb so dramatisch, weil sich durch die über das Internet für jeden zugänglichen, mit geheimer Kamera aufgenommenen Videodokumente die moralische Verworfenheit und Kaltschnäuzigkeit der Vorgehensweise des Ex-Ministers in aller Authentizität zeigt. Durch die Videoaufnahmen wurde das, was sonst mutmaßlich hinter verschlossenen Türen passiert, ungeschminkt auf die Bühne der Öffentlichkeit gestellt.
Politik im Zeichen des hedonistischen Egoismus?
Einen weiteren Aspekt gilt es noch näher zu beleuchten. Er betrifft die Position der bildungsfernen Schichten zum Thema unmoralisches Handeln in der Politik. Wie die Studie des Instituts für Jugendkulturforschung zu den Werten der 16-19-jährigen WienerInnen zeigt, findet der von Michael Stocker in die Diskussion eingeführte Typus des „hedonistischen Egoisten“, der sich dadurch auszeichnet, dass er in seiner eigenen Lust die einzige Rechtfertigung seines Handelns sieht, unter einem großen Teil der bildungsfernen Jugend Akzeptanz (Institut für Jugendkulturforschung 2011). Ist man selbst nicht in der Lage, sich in der Rolle des hedonistischer Egoisten auf der großen Bühne der Gesellschaft zu inszenieren, so bewundert man zumindest jene, die die Möglichkeit dazu haben und mit aller Konsequenz nur vom persönlichen Nutzen geleitet agieren. Die hedonistischen Egoisten in der Politik führen quasi stellvertretend für die vom sozialen Aufstieg ferngehaltenen bildungsfernen Jugendlichen jene unmoralischen Rollen auf großer Bühne auf, die diese selbst nur auf der kleinen Nebenbühne ihrer Alltagsexistenz spielen können. Und so bewundert der kleine Gauner den großen Gauner, der ihm ein Vorbild ist, von dem er weiß, dass er es niemals erreichen wird.
Entsprechend dieser Bewunderung für unmoralisch-egozentrische Menschen in der Politik stimmen fast 35 Prozent der Wiener Lehrlinge der Aussage zu: „Ich finde Strasser gut, weil er für sich persönlich herauszuholen versucht hat, was geht.“ Im Gegensatz zu den Lehrlingen finden sich unter den Studierenden und SchülerInnen höher bildender Schulen sehr wenige (ca. 8 Prozent), die dieser Aussage etwas Positives abgewinnen können. Es steht die Befürchtung im Raum, dass ein großer Teil der Lehrlinge vom individualistischen Nutzendenken geleitet wird und damit noch keine oder kaum praktische, affektiv aufgeladene Erfahrungen mit dem aristotelischen Tugendprinzip gemacht hat, nach dem nur derjenige wirkliches Glück empfinden kann, der in seinem Handeln auch das Glück seines Mitmenschen berücksichtigt. Zudem kann davon ausgegangen werden, dass alle diese Lehrlinge noch niemals die Möglichkeit hatten, in einer Verantwortungsrolle zu handeln. Nach Helmut Klages ist ein solches verantwortliches Handeln eine unabdingbare Voraussetzung für das Gelingen einer Synthese zwischen Lust- und Realitätsprinzip, die die Voraussetzung für die Ausprägung von Primärtugenden und von Empathie für die Mitmenschen ist. Wie Aristoteles, der meinte, dass man das Spiel der Kithara dadurch erlernt, dass man sie spielt, entsteht für Helmut Klages Demokratiefähigkeit und Moralität dadurch, dass man in der Praxis demokratisch und moralisch handelt. Es folgt also nicht das Handeln aus dem Wissen, sondern das Wissen aus dem Handeln.
Handlungsgründe und Handlungsmotive
Dass das Handeln junger Menschen nicht von einem einzigen Handlungsgrund abhängt, zeigt die Frage nach den Handlungsmotiven in alltäglichen Lebenssituationen. Junge Menschen werden sowohl von ideellen Werten als auch von Gefühlen, persönlichen Nutzenüberlegungen und von materiellen Anreizen zum Handeln motiviert. Hervorstechend ist, dass nur noch für wenige Jugendliche Handlungsmotivationen von den Weltanschauungen einer politischen Partei oder den Werten einer Religionsgemeinschaft ausgehen. Offensichtlich handelt es sich sowohl bei Parteien als auch Kirchen um Institutionen, von denen kaum mehr moralisch-orientierende Impulse ausgehen.
Wir sehen deutlich, dass sich die Handlungsgründe der jungen Menschen breit aufgefächert darstellen. Der überwiegende Teil der Jugendlichen geht davon aus, dass je nach dem soziokulturellen Feld, in dem man sich bewegt, unterschiedliche Handlungsmotive wirksam sind. So zeigt sich, dass im persönlichen, familiären Umfeld eher aufgrund von Werten und Gefühlen gehandelt wird, im beruflichen Umfeld dagegen der persönliche Nutzen und das materielle Interesse stark motivierend wirken. Grob gesagt kann Familie als moralische Sphäre bezeichnet werden, in der in Anlehnung an das aristotelische Glücksprinzip Selbstverwirklichung durch altruistisches, am Wohle der anderen ausgerichtetes Handeln zu erreichen gesucht wird, während am Arbeitsplatz möglichst rücksichtslos und ohne Bedenken der eigene Vorteil auf Kosten der anderen angestrebt wird. Mit dieser moralischen Ambivalenz scheint ein kleinbürgerlicher Menschentypus umschrieben zu sein, der außerhalb der Familie Handlungsmaximen folgt, für die er sich schämen oder schuldig fühlen müsste, würde er nach ihnen auch innerhalb der Familie handeln.
Die Bindung an die Weltanschauung einer politischen Partei oder die Werte einer Religionsgemeinschaft unterliegen dem starken Einfluss des Bildungsstandes. Während man unter SchülerInnen und StudentInnen gerade einmal 10 Prozent findet, die sich in ihrem Handeln von politischen Weltanschauungen und religiösen Werten leiten lassen, ist es bei Lehrlingen und Berufstätigen immerhin fast ein Drittel. Es zeichnet sich hier das durchaus bemerkenswerte Phänomen ab, dass die Glaubwürdigkeit und Akzeptanz traditioneller Organisationen und ihrer Weltanschauungen stark an bildungsferne Lagen gebunden ist, während die bildungsnahen Milieus schon jetzt weitgehend von traditionellen politischen und religiösen Diskursen entkoppelt zu sein scheinen. Auf den Punkt gebracht könnte man sagen: Der überwiegende Teil der aufgeklärten Mittelschichten glaubt weder den PolitikerInnen noch dem Klerus auch nur ein Wort.
Wertedifferenzen zwischen soziokulturellen Milieus
Im Kontext eines durch religiöse Werte geleiteten Handelns zeigt sich im Vergleich von jungen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund, dass sich 40 Prozent der jungen MigrantInnen von den Werten ihrer Religionsgemeinschaft leiten lassen. Unter den jungen WienerInnen ohne Migrationshintergrund tun dies hingegen nur 12 Prozent (Institut für Jugendkulturforschung 2011).
Die Bindung an traditionelle Werte und Institutionen birgt aber auch eine deutliche Stadt/Land-Differenz in sich. Empirische Analysen machen deutlich, dass Wertewandel und Werteverschiebung in den Städten weiter vorangeschritten sind als auf dem Land. Ein gutes Beispiel ist die Einstellung der jungen ÖsterreicherInnen zur Wehrpflicht. In Wien treten zwei Drittel der 16-29-Jährigen für die Abschaffung der Wehrpflicht ein, in Oberösterreich lediglich knapp über 40 Prozent (vgl. tfactory 2011). Hinter dieser Differenz steht auch eine Wandlung in den vorgestellten Formen, wie Gemeinschaftsgefühl symbolisch und praktisch zum Ausdruck gebracht werden soll. Während im ländlichen Raum das Gefühl vorherrscht, einer von außen bedrohten Gemeinschaft anzugehören, die militärisch verteidigt werden muss, richtet sich das Wertedenken der urbanen Jugend an einem Gemeinschaftsengagement aus, das nach innen, also auf die Steigerung der inneren Qualität von Gemeinschaft gerichtet ist. Das relevante symbolische Zeichen für die Identifikation mit dem Vaterland ist für die ländliche Jugend nach wie vor die Uniform des Bundesheeres, während es für die städtische Jugend die Uniformen des Roten Kreuz, des ASB oder die Pflegermontur des Seniorenpflegeheims ist.
Bildungsnahe Schichten haben eine stärkere Affinität zu friedlichen Formen der Konfliktlösung. Dies wird offensichtlich gemacht durch eine 80-prozentige Zustimmung der 16-19-jährigen Wiener SchülerInnen und StudentInnen zur immerwährenden Neutralität Österreichs. Bei den Lehrlingen fällt die Zustimmung zur Neutralität deutlich geringer aus: Lediglich 50 Prozent befürworten sie. Im Gegensatz dazu meinen fast 30 Prozent der Lehrlinge, dass es für Österreich am besten wäre, in das militärische Verteidigungsbündnis NATO einzutreten. Daran wird der oben skizzierte Unterschied in Bezug auf Konfliktlösungsstrategien deutlich. Während bildungsnahe Schichten eher auf Diplomatie und Verhandlung setzen, stehen bildungsferne Milieus den militärischen Optionen der Konfliktlösung offener gegenüber (Institut für Jugendkulturforschung 2011).
Betrachtet man die Parteipräferenzen der 16-19-jährigen WienerInnen vor dem Hintergrund der Wertediskussion, so zeigt sich, dass die Bildungsschichten eher die Nähe jener Parteien suchen, die sich für postmaterialistische Wertorientierungen offen zeigen oder für Konzepte einer Wertesynthese zwischen Selbstverwirklichungswerten und Pflicht- und Akzeptanzwerten eintreten. Während die Grünen reine Postmaterialisten stark anziehen, ist die SPÖ für jene Gruppen attraktiv, die programmatische und praktische Versuche schätzen, materialistische und postmaterialistische Werte zu verbinden (Institut für Jugendkulturforschung 2011).
Im Gegensatz dazu stehen vor allem FPÖ und zum Teil auch ÖVP für jene Wählergruppen, die den Pflicht- und Akzeptanzwerten nahe stehen. Diese Wählergruppen, im Falle der FPÖ vor allem bildungsferne Schichten und bei der ÖVP das rechtskonservative städtische Bürgertum sowie die traditionsverbundene Landbevölkerung, vereinen ein hohes Sicherheitsbedürfnis mit der großen Angst vor Traditionsverlusten jeglicher Art. In beiden Gruppen herrscht ein großes kulturelles Identitätsbedürfnis mit Ausschließungscharakter vor. Man legt Wert darauf, dass klar zwischen einem kulturell „Richtigen“ und einem kulturell „Falschen“, zwischen einem kulturell „Drinnen“ und einem kulturell „Draußen“ unterschieden wird. Der aristotelische Altruismus ist vor allem im FPÖ-Milieu kaum verankert. Ansätze zu einer Wertesynthese im Sinne von Helmut Klages, die in einer Verbindung von Selbstverwirklichungswerten und Pflicht- und Akzeptanzwerten besteht und damit auch die Verantwortung gegenüber der Gemeinschaft beinhaltet, sind im konservativen städtischen Bürgertum zwar in Ansätzen erkennbar, auf der anderen Seite zeigt sich aber auch eine Entwicklung, die Wilhelm Heitmeyer als die Verrohung des Bürgertums bezeichnet, d.h. die Rückbildung traditioneller Formen des bürgerlichen Mitgefühls. Anstelle dessen tritt ein emotional abgestumpfter Egozentrismus, der, zu keinem Mitgefühl mehr fähig, seinen eigenen Vorteil über alles stellt und keinerlei Verantwortung für in Not geratene Menschen zu übernehmen bereit ist.
Handlungstheoretische Überlegungen
Hans Joas weist darauf hin, dass Werte etwas sind, „das uns ergreift, das wir nicht direkt ansteuern können, das aber, wenn es uns ergreift, zu einer spezifischen Erfahrung der Freiheit führt (…)“ (Joas 2010: 14). Durch die Verwendung des Verbums „ergreifen“ verweist Joas implizit auf die wichtige emotionale Dimension des Wertebegriffes, um später deutlich festzustellen, dass es sich bei Werten um „selbst emotional stark besetzte Vorstellungen über das Wünschenswerte handelt“ (ebd.: 15). Werte beziehen sich also in einer emotional hoch aufgeladenen Weise auf die moralische Qualität unserer Wünsche. Sie geben uns Orientierung darüber, ob unsere Wünsche ethisch legitim oder nicht legitim sind, und lassen uns handeln, indem sie vor allem unsere Gefühle ergreifen.
Demzufolge ist es wohl nicht schwer zu verstehen, dass Werte nicht im Rahmen eines vernünftigen Diskurses „theoretisch“ vermittelbar sind. Allein durch die Aufklärung der Menschen über die Sinnhaftigkeit und den Nutzen von Werten können diese nicht weitergegeben werden. Im schlimmsten Fall ist die Folge einer lediglich appellativen, in diskursiver Form an die Menschen herangetragenen Wertepropaganda die Ausprägung einer schizophrenen Wertebildung, die ein Individuum schafft, das sich einerseits auf der diskursiven Ebene positiv auf Werte bezieht und argumentativ für sie eintritt, dessen Handlungen andererseits aber von diesen Werten weitgehend unberührt bleiben. Die Schizophrenie eines solchen Handlungstypus besteht darin, dass er sein praktisches Handeln an eigensinnigen Nutzenüberlegungen ausrichtet, während er an Feiertagen der Werterhetorik von Volksvertretern und Klerikern frenetisch applaudiert. Wie aber können nun Werte vermittelt werden?
Auch hier hilft der Rückgriff auf die Tugendlehre des Aristoteles. Für Aristoteles ist der wertorientierte Mensch ein handelndes Individuum. Und dieses handelnde Individuum eignet sich sittliche Werte dadurch an, dass es im Sinne dieser Werte handelt. „Denn was man erst lernen muss, bevor man es ausführen kann, das lernt man, indem man es ausführt; Baumeister wird man, indem man baut, und Kitharakünstler, indem man das Instrument spielt. So werden wir auch gerecht, indem wir gerecht handeln, besonnen, indem wir besonnen, und tapfer, indem wir tapfer handeln.“ (Aristoteles 1999: 34f.)
Folgt man Aristoteles weiter, so kann ein tugendhaft handelnder Mensch nur dadurch entstehen, dass er innerhalb der Gemeinschaft im Sinne der grundlegenden Werte seiner Gemeinschaft handelt. Und auch die von Helmut Klages ins Treffen geführte notwendig zu erreichende Synthese zwischen autozentrischen und nomozentrischen Werten kann nur dann gelingen, wenn es ein genügend großes Angebot an Verantwortungsrollen für junge Menschen gibt, in denen sie aktiv handelnd ihre autozentrischen Bedürfnisse verwirklichen können und gleichzeitig aber lernen, Mitverantwortung für den größeren Zusammenhang des Gemeinwesens zu übernehmen. „Verantwortungsrollen disponieren zur Ausbildung der Wertesynthese. (…) Sie tragen auch dazu bei, dass ungleichgewichtige oder von Verlust geprägte Wertekonstellationen in Richtung der Wertesynthese weiterentwickelt werden. Man kann somit die These aufstellen, dass die Zukunftschance der Wertesynthese in einem hohen Maße von dem in einer Gesellschaft erschließbaren Potential an Verantwortungsrollen abhängen.“ (Klages 1988: 148f.)
Verantwortungsrollen müssen als ernsthafte Angebote für eine wirkliche Partizipation verstanden werden. Diese realen Formen der Partizipation müssen über Sympathiekundgebungen für PolitikerInnen, soziale Bewegungen, Opfer von Unterdrückung und Naturkatastrophen etc. in Internetforen und Online Social Networks hinausgehen. Auch hier geht es wohl darum, eine neue Synthese zwischen dem Handeln in der gesellschaftlichen Wirklichkeit und der Kommunikation in den virtuellen Welten des Internets zu finden. Das moralisierende Setzen von Zeichen der Bekenntnis auf facebook ist zu wenig, um es als relevantes Handeln mit moralbildenden Auswirkungen auf Individuen und Gesellschaft qualifizieren zu können.
Neben der Notwendigkeit des aktiven Handelns in sozialen Kontexten verweist der deutsche Soziologe Hans Joas auch auf die Wichtigkeit der Erfahrung von Selbstbildung und Selbsttranszendenz für die Wertebildung (Joas 1998: 252ff). Der Begriff der Selbsttranszendenz meint die Fähigkeit, über den engen Horizont der eigenen persönlichen Wünsche und Interessen hinauszudenken, und das Vermögen, die Grenzen des Egos in der Hingabe an eine gesellschaftliche Aufgabe oder andere Menschen handelnd zu überwinden. Die Fähigkeit zur Selbsttranszendenz ist von Lernerfahrungen abhängig, die nur dem aktiv in Verantwortungsrollen handelnden Menschen offen stehen.
Der Begriff der Selbstbildung setzt ein offenes, mit Freiräumen ausgestattetes Bildungssystem voraus, in dem jungen Menschen die Möglichkeit gegeben wird, sich die soziale Welt und die Diskurse über sie im Zuge eigenständiger, freier Reflexion anzueignen, welches zudem auch zeitliche Ressourcen zur Verfügung stellt, die es erlauben, Verantwortungsrollen an- und einzunehmen. Im Zusammenhang mit diesen Überlegungen kommt der Verdacht auf, dass das durch die Bologna-Reform durch und durch verregelte und verschulte Bildungssystem die ethische und moralische Bildung der Menschen mehr blockiert, als dass es sie fördert.
Tugenden müssen gelebt werden, sonst verbreiten sie sich nicht und erlangen keine Relevanz für das menschliche Handeln. Die Aneignung und Vermittlung von Werten, die erfolgreiche Synthetisierung konkurrierender Werte erfordert Zeit und Raum. Nur wer über zeitliche und räumliche Freiheiten verfügt, der kann sich in Verantwortungsrollen aktiv handelnd jene ethischen Werte und Prinzipien aneignen, deren Fehlen die Fälle Grasser, Strasser und Hochegger erst möglich gemacht hat.
Es geht um mehr, als jungen Menschen in Bildungsfabriken Sekundärtugenden und formalisiertes Wissen einzupauken. Es geht um ein anderes Verständnis von Bildung, das sein wichtigstes Ziel nicht nur in der Vermittlung von funktionalem, berufsrelevantem Wissen sieht, und um eine Politik, die signalisiert, dass es ihr mit ihren Partizipationsangeboten wirklich ernst ist. Durch eine total verzweckte, durch und durch formalisierte Bildung, das Eintrainieren von ethisch neutralen Sekundärtugenden, politische Pseudopartizipation und moralisierende Sonn- und Feiertagsreden wird die moralische Krise, in der sich unsere Gesellschaft ohne Zweifel befindet, wohl kaum überwunden werden können.