Symphonix

„I had nothing to do with the damn leads!“

Bob Katz in seinem Interview mit Geoff und Harry

Harry Robbins war der CEO und Vorstandsvorsitzende von Symphonix. Ich war Vizepräsident & Chief Technology Officer und Direktor. Wir hatten ein riesiges, leeres Bürogebäude. Während der nächsten zwei Wochen nach Abschluss der Verträge rannten Harry und ich morgens in Geschäfte für Bürobedarf, Möbelgeschäfte, Kunstläden, Gärtnereien und diverse andere, um alles, was unsere Firma benötigte, zu besorgen. Was reinpasste, luden wir in Harrys Auto, und alles andere ließen wir liefern. Unser Leben war voll mit Katalogen und Einkaufstouren für Bücherregale, Kopier- und Faxgeräte, die Hardware der Geschäftswelt. Harry kaufte die Kunstwerke.

Da die neuen Möbel erst noch geliefert werden mussten, verbrachte ich die nächsten zwei Wochen in einer Ecke unseres Gebäudes und saß auf einem Karton, den ich als Stuhl benutzte, direkt neben einem anderen Karton, der mir als Tisch diente und auf dem mein Klemmbrett und mein Handy lagen. Ich musste vor Ort sein, um die Arbeiter hereinzulassen, die die Arbeitsnischen, die Teppiche, die Fenster und die Türen installierten, um sicherzustellen, dass die richtigen Artikel geliefert wurden und um die Lieferscheine zu unterschreiben. Außerdem musste ich Lebensläufe nachsehen und versuchen, Vorstellungstermine festzulegen, und ich begann, die Laborbänke und die Ausstattung auszusuchen, die wir benötigen würden. Jedes Mal, wenn ein Arbeiter kam, um Teppiche zu verlegen oder um etwas anzustreichen, ließ ich sie ein und achtete darauf, dass sie die richtige Arbeit machten. Ich wurde oft seltsam angeschaut.

Einer der Arbeiter kam herein, sah mich einmal durchdringend an und bemerkte dann: „Sie sind also ganz alleine in diesem Gebäude?“

„Ja, Mr. Zumindest im Moment“, antwortete ich.

„Und Sie sitzen auf dem Karton?“, fragte er.

„Ja, Sir.“

„Also, so was hab ich ja vorher noch nie gesehen!“

Wie gesagt, er war nicht der Einzige, der mich seltsam anschaute.

Die Neuigkeit, dass wir unsere Firma einrichteten, machte mit Lichtgeschwindigkeit die Runde. Ich bekam unerbetene Anrufe von Leuten, die alles verkauften, was man auch nur möglicherweise für eine neue Firma gebrauchen könnte. Ich bekam allein bestimmt acht Anrufe von verschiedenen Telefonanbietern, sogar noch mehr von Fernverbindungsanbietern. Harry hatte mich damit beauftragt ein Telefonsystem auszuwählen, und schließlich entschied ich mich für ein System, welches er nicht mochte, da es ein bestimmtes Feature nicht hatte. Also fanden wir ein anderes System. Wir installierten alle Beleuchtungen. Die Möbel kamen endlich an, und ich bekam meinen Bürosessel (ich besitze diesen Sessel immer noch und sitze auf ihm, während ich dies hier 16 Jahre später schreibe). Harry organisierte alle Schreibtische für die zukünftigen Ingenieure, alle ausgestattet mit Stiften, mit fluoreszierenden, vergrößernden Beleuchtungsstativen, denn, wie Harry meinte, „Ingenieure, die lieben alle diese bekloppten Sachen!“ – auch wenn Ingenieure sie eigentlich nicht leiden können. Die gerahmten Kunstdrucke wurden an die Wände gehängt, künstliche Pflanzen verteilt, der Pausenraum eingerichtet. Das Ganze erinnerte mich an den ersten Schultag damals in der Serra Elementary. Alles rein und sauber und schön hergerichtet.

„Jetzt warten wir nur noch darauf, dass die Kinder kommen!“, alberte Harry.

Aber ich hatte ein Problem. Ich brauchte meinen Hauptprojektleiter.

Auch wenn Harry manchmal sehr lebhaft war und auch wenn er vielleicht etwas mehr brüllt und schreit, als viele es mögen, ich verstand Harry. Wir kamen miteinander klar, und er war perfekt. Ich konnte es nicht ausstehen, wenn er mich heruntermachte wegen Dinge wie der Antipa-Sache oder wegen anderer Punkte, die er aufgriff, um mich bloßzustellen. Aber Tatsache ist, dass Harry ein Klassetyp war und dass ich mir keinen besseren, dynamischeren CEO für ein Startup-Unternehmen hätte aussuchen können. Ich habe viel lieber einen überspannten, energiegeladenen CEO, der mich auch mal nervt, als einen, der in der Büroecke sitzt und den ganzen Tag im Internet CNN liest. Harry war ein großartiger Redner, ein hervorragender Motivator, intelligent, und er kriegte Dinge erledigt. Sicher waren viele Harry gegenüber kritisch. Aber die meisten seiner Kritiker hatten nie so eng mit ihm zusammengearbeitet wie ich. War Harry ein bisschen zu verliebt in Geld und sein Eigeninteresse? Vielleicht, aber das war nichts im Vergleich zu dem, was wir heute an der Wall Street erleben, so viel steht fest. Harry wünschte sich finanziellen Erfolg, aber er wollte auch Erfolg für Symphonix, für die Angestellten, und er wollte vor allem den Leuten helfen, die Symphonix-Implantate brauchten. Harry war ein echter Startup-Typ. Er war ehrlich zu sich selbst, was man sah, war auch genau das, was man bekam bei Harry. Er machte daraus kein Hehl. Ich war stolz darauf, mit Harry zu arbeiten, und ich würde jederzeit wieder mit ihm arbeiten. Ich stehe in seinem Schatten.

Es wäre nicht richtig gewesen, die Positionen für das Design- und Entwicklungsteam zu besetzen, bis wir die richtige Person gefunden hatten, um das formelle Entwicklungsprojekt zu leiten. Ich hatte Bewerbergespräche geführt und wir hatten Personalvermittler, die nach geeigneten Führungskräften suchten. Aber alles lief ziemlich langsam.

Der dritte Symphonix-Angestellte war Harrys Freund Peter Hertzmann. Peter wurde Vizepräsident für Klinische Angelegenheiten und Marketing. Diese Kombination in der Stellenbezeichnung war so ungewöhnlich, dass es mir sogar heute, Jahre später, schwer fällt zu glauben, dass dies wirklich sein Titel war. Aber Peter hat es hinbekommen. Peter war hochtalentiert. Er hatte der Universität Berkeley die „Peter Hertzmann Bücherei für historische chinesische Kochbücher“ gespendet. Ich traf Peter das erste Mal im Symphonix-Gebäude.

Harry stellte uns vor: „Peter, das ist Dr. Ball, der Erfinder.“

Wir gaben einander die Hand, und da ich blaue Bundfaltenhosen trug, sagte Peter zu mir: „Hübsche Hosen! Darin sehen Sie aus wie ein Busfahrer!“

„Ähm …, okay, … sicher.“ Dabei dachte ich: Was für ein Arsch!

Peter machte nicht den besten ersten Eindruck, gelinde gesagt. Er konnte so sein. Aber er stellte sich im Nachhinein als ein absoluter Gewinn für die Entwicklung von Symphonix in den frühen Tagen heraus, und er brachte nicht nur unsere klinische Arbeit in Gang, sondern erstellte auch hervorragende chirurgische Handbücher und Bilder und entwickelte mit dem Beitrag von Ärzten die gesamte Prozedur, um Soundbridge zu installieren. Also hatten wir Peter, und das war’s. Dank Peter habe ich nie wieder blaue Hosen getragen, nie wieder.

Peter, Harry und ich gingen jeden Tag gemeinsam Mittagessen. Harry redete über die Tage von Laserscope, erzählte die Geschichten über den CardioRhythm-Deal, Medtronic und so weiter. Er schien alle zu kennen, und er konnte einen ganzen Raum mit seinen Geschichten und seiner Leichtigkeit fesseln. Peter und ich saßen einfach nur da und hörten zu. Bei Harry war es nicht einfach, auch zu Wort zu kommen.

Gute Kandidaten für die Stelle des VP für Research und Development waren schwierig zu finden. Wir hatten fast einen Vertrag mit einer ehemaligen Führungskraft von Medtronic abgeschlossen, aber als seine Ehefrau die Immobilienpreise im Silicon Valley sah, die ungefähr dreimal so hoch waren wie in der Gegend um Minneapolis, setzte sie sich zurück in den Flieger und machte deutlich, dass sie nicht zurückkommen würde. Wir hatten fast sechs Wochen verschwendet! Der Typ hatte uns glauben lassen, dass er unser Angebot wohl annehmen würde. Jetzt, da der Deal geplatzt war, wurde unser Personalvermittler richtig lebhaft.

„Ich hasse den Typ! Ich kann nicht glauben, dass er uns das angetan hat! Er hat mir versprochen, dass alles klappen würde. Ich hasse es, wenn Leute mich anlügen!! Ich hasse es!“

Der Personalvermittler schrie mich durch das Telefon an, nachdem ich ihm berichtet hatte, dass der Bewerber das Angebot abgelehnt hatte. Letztendlich fand er, nachdem wir noch ein paar andere Kandidaten durchgegangen waren, Bob Katz für uns. Bob arbeitete in Colorado für Teletronix, eine Firma für Herzschrittmacherimplantate, die gerade Schwierigkeiten hatte. Wir flogen Bob zu uns und zeigten ihm die Örtlichkeiten. Bob lachte, als er den Styroporkügelchenspender sah, den Harry gekauft hatte und der in der Versandhalle von der Decke hing.

„Wer zum Teufel hat das Ding gekauft?“, wollte Bob wissen.

Ich rollte mit meinen Augen, antwortete: „Er war’s!“, und zeigte auf Harry.

„Wofür wirste das denn gebrauchen, Harry?“, stichelte Bob.

„Na kommt schon, Jungs, ihr wisst schon. Das ist um die Boxen aufzufüllen, wisst ihr, wenn wir die Sachen verpacken wollen und Füllmaterial brauchen“, verteidigte sich Harry.

Bob und ich sahen einander an, Bob zwinkerte mir zu und sagte: „Na gut, Harry, wenn du hier der Boss bist und du das sagst, dann hab ich KEIN Problem damit.“

„Dankeschön“, erwiderte Harry.

Ich fügte hinzu: „Und weißt du, Bob, wenn du erst mal für uns arbeitest und du je eine Box hast, die du versenden willst, Harry hier wird sie dir persönlich mit Styroporkügelchen füllen, damit da nicht eine Menge extra …“

Harry unterbrach mich: „Jetzt reicht’s aber! Mensch! Was ist nur los mit euch Jungs? Kann ich nicht einen Styroporkügelchenspender haben, wenn ich das will? Bob, fang gar nicht erst mit mir an. Ich krieg schon genug ab von Dr. Geoffrey!“6

Wir brachten Bob nach oben ins Vorstandszimmer, und das Erste, das Bob sagte, war: „Ich will sichergehen, dass ihr eine Sache versteht, ich hatte mit diesen verdammten Kontakten nichts zu tun, also fragt mich bitte nicht danach.“

Tele, sein ehemaliger Arbeitgeber, hatte ein riesiges Problem mit den Schrittmacherkontakten, die er für das Herzschrittmachersystem produzierte. Wir hatten darüber gelesen und es war ein großes Schlamassel.

Harry zwinkerte mir zu, ich schaute Bob in die Augen und sagte: „Also, Bob, Harry und ich, wir haben uns gefragt, ob du uns etwas über die Kontakte erzählen kannst?“ Bob starrte starr geradeaus. Er sah aus, als hätte er gerade ein Gespenst gesehen. Dann begann Harry loszulachen. Dann fing ich an zu lachen. Bob saß da und schaute uns an, als wären wir ein paar Verrückte, die ihn gerade von Colorado hierher geflogen hatten, mit dem einzigen Ziel sich über ihn lustig zu machen ... und dann lachte er auch laut los. Wir hatten unseren Mann gefunden.

Als er sich etwas entspannt hatte, lieferte Bob das beste Vorstellungsgespräch, das ich bis heute geführt habe. Er war intelligent, schnell, und er wusste genau, was wir brauchten. Wir schickten ihn hoch zu den VCs, damit sie ihm das Engagement hinter Symphonix erklären konnten. Die waren auch beeindruckt. Bob war jung, aber wir hatten das Gefühl, dass er der Aufgabe gewachsen war und das Projekt umsetzen würde. Bob trat dem Team bei und kam in Rekordzeit mit Sack und Pack nach Kalifornien. Schon in der Woche danach war Bob die vierte Person, die in unsere Büros einzog. Ich hatte mir eine Wohnung in den Orchard Parkway Appartements genommen, die gleich auf der anderen Straßenseite von Symphonix liegen, und Bob mietete sich auch dort ein. Ron hatte richtig gelegen. Ich wohnte gegenüber meiner neuen Firma, und ich war umgeben von unglaublich talentierten Leuten.

Harry, Bob und ich begannen dann, Ingenieure zu rekrutieren. Wir stellten Tim Dietz, Craig Mar und Chris Julian, als Wandler-Team und für den Implantat-Teil des Geräts ein. Wir heuerten für die Elektronik und Signalverarbeitung Bruce Arthur an (er hatte mit Bob bei Tele gearbeitet), außerdem Jim Culp und John Salisbury; dieses Team sollte bald um Eric Jaeger, Dan Wallace und Duane Tumlinson erweitert werden. Wir engagierten Steve Trebotich (den ich von ReSound kannte) für unsere CAD-Abteilung. Das waren die wichtigsten Männer, die das Gerät bauen würden. Pat Rimroth wurde bald danach für die Herstellung an Bord geholt. Bei unserer ersten Weihnachtsfeier im San Jose Downtown Hyatt waren ungefähr 20 Angestellte und alle Vorstandsmitglieder anwesend.

Das Ziel von Symphonix war es, das erste Mittelohrimplantat der Welt zu produzieren und zu kommerzialisieren. Wir nannten das Produkt Vibrant Soundbridge. Der Sinn von Vibrant Soundbridge ist es, Patienten, die aus medizinischen Gründen kein gewöhnliches akustisches Hörgerät nutzen können oder damit unzufrieden sind, eine Therapie für Gehörlosigkeit anzubieten. Vibrant Soundbridge ist ein Mittelohrimplantat mit „Direct Drive“, das die mechanischen Schwingungen der Kette der Mittelohrknöchelchen vervielfacht und dadurch ein verstärktes Signal an die Innenohrschnecke sendet. Die Nutzung von mechanischen Schwingungen anstelle von akustischem Klang bietet die Möglichkeit, ein genaueres und qualitativ besseres Signal an das Innenohr zu liefern. Geräte mit „Direct Drive“ können dieses Signal ohne Resonanz und Okklusion liefern und bieten so dem Nutzer einen signifikanten Vorteil, der zu einer deutlich verbesserten Lebensqualität führt.

Zu diesem Zeitpunkt hatten wir alle Informationen, wie ich sie in meinen Patentanmeldungen angegeben hatte, und die Daten von meinen Prototypen. Aber das war auch schon alles. Ziel war es, mit den Konzepten aus meinen ursprünglichen Patenten ein Gerät zu bauen, das halten würde, was es versprach, das wir in den Kopf eines Patienten implantieren konnten und das dann ein Leben lang funktionieren würde. Leicht gesagt, aber um ehrlich zu sein, so selbstbewusst wir auch waren und so gut die Technologie auf dem Papier und in den Patenten aussah, wir konnten nicht sicher wissen, ob wir all das je umsetzen könnten, bevor wir es nicht versucht hatten.

Am 2. Februar 1995 erhielt ich die Benachrichtigung von Peter Carroll, dass das Patent für den FMT vom Patentamt der Vereinigten Staaten genehmigt worden war. Für mein erstes Patent erhielt ich erstaunliche 56 Patentansprüche. Das Gerät wurde erst im Jahr 1992 erfunden, und jetzt, nur drei Jahre später, besaß es ein ausgestelltes Patent. Harry lud uns alle zum Mittagessen ein, und wir hatten eine tolle kleine Bürofeier in der Symphonix-Zentrale. Ich war begeistert.

Es hatte eine lange Weile gedauert, aber jetzt war ich umgeben von Leuten, die daran arbeiteten, das erste Mittelohrimplantat der Welt Realität werden zu lassen.

Es war ein besonderer Moment für mich und für die Millionen von Patienten, die dringend ein Implantat brauchten, um zu hören.

6 Wir haben den Styroporkügelchenspender nie benutzt. Er hing immer nur in der Versandhalle als ein Tribut an Harry.