Die Finanzierung von Rückstellungen durch Schulden

 

»Die Altersversorgung des Öffentlichen Dienstes wird zusätzlich durch die personelle Ausweitung seit den sechziger und siebziger Jahren belastet, die damals eine Folge der gestiegenen gesellschaftlichen Anforderungen (insbesondere Schulen, Hochschulen, Innere Sicherheit) war und in den kommenden Jahren zu einer stark ansteigenden Zahl von Versorgungsempfängern führen wird. Vor diesem Hintergrund stehen gerade auch die Versorgungssysteme des Öffentlichen Dienstes vor der Aufgabe, die Finanzierung der Altersversorgung auf eine langfristig sichere Grundlage zu stellen. Die Menschen müssen sich auf einen gesicherten Lebensunterhalt im Alter verlassen können. Notwendig ist daher eine nachhaltige Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme. Allgemein wird von einem nachhaltig finanzierten Versorgungssystem gesprochen, wenn zur langfristigen Gewährleistung eines bestimmten Versorgungsniveaus keine steigenden Finanzierungsanteile (Beitragsund/oder Steuersätze) erforderlich sind bzw. wenn eine unveränderte Finanzierungsquote längerfristig nicht zu Leistungsrücknahmen führt.«[1]

So steht es fast ein wenig beschwörend im 3. Versorgungsbericht der Bundesregierung aus dem Jahr 2005. Weiter heißt es: »Das bisherige Versorgungsniveau wäre längerfristig ohne Steuererhöhungen oder erhebliche Umschichtungen innerhalb der öffentlichen Haushalte zugunsten der Altersversorgung nicht aufrechtzuerhalten.«[2] Für Steuererhöhungen gab es in der Vergangenheit sicherlich viele Begründungen, und es fällt immer noch schwer zu verstehen, warum beispielsweise ausgerechnet ein Großteil der Ökosteuer in die gesetzliche Rentenversicherung fließt. Ordnungspolitisch transparente und klare Strukturen und Benennungen, wofür welches Geld ausgegeben wird, sehen anders aus. Natürlich ist die Politik viel zu klug, mögliche Steuererhöhungen explizit mit der Besoldung und Versorgung von Beamten in Verbindung zu bringen. Eher diskutiert man heute das genaue Gegenteil: Steuern und Abgaben sollen am besten gesenkt werden. Aber Umschichtungen in öffentlichen Haushalten finden, wie wir im vorigen Kapitel gesehen haben, bereits heute und vor allem bei den Ländern in riesigem Umfang statt. Und diese Umschichtungen werden in den nächsten Jahren noch sehr viel größer werden, denn von einer »nachhaltigen« Finanzierung der Beamtenversorgung kann immer noch keine Rede sein. Deshalb muss das Thema auf die Tagesordnung und vor allem auch öffentlich diskutiert werden.

Eine Institution hat das in den vergangenen Jahren immer wieder mit aller Deutlichkeit getan: der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, die sogenannten »Fünf Wirtschaftsweisen«. Sie forderten im Frühsommer 2011wieder einmal, dass die Politik in den nächsten Jahren die »Rente mit 69« ins Auge fassen soll. »In den Jahren 2045 und 2060 wird vermutlich ein gesetzliches Renteneintrittsalter von 68 bzw. 69 Jahren erforderlich sein«, so die Experten. Auch für die Beamtenversorgung sollten die höheren Altersgrenzen gelten. Für spezielle Berufe seien auch Sonderlösungen denkbar. Bereits in ihrem Jahresgutachten 2003 / 2004 legte der Sachverständigenrat Berechnungen vor, wonach unsere Systeme der sozialen Alterssicherung einschließlich der Beamtenversorgung in keiner Weise nachhaltig finanziert sind. Seitdem ist in der Rentenversicherung zwar viel passiert, und bei den Beamten hat sich auch einiges getan. Doch wie immer steckt der Teufel im Detail. Es lohnt deshalb die Mühe, sich mit den kleinen und großen Tricks der Politik ein wenig zu beschäftigen, um zu erkennen, auf welch dünnem Eis man sich in einem so reichen Land wie Deutschland bei der Frage der Altersvorsorge für seine Staatsdiener bewegt.

Wir erinnern uns: Der Politik war bereits seit Mitte der sechziger Jahre bekannt, dass man auch bei der Beamtenversorgung nicht einfach auf den Langmut der Steuerzahler vertrauen darf.[3] Doch erst Jahrzehnte später, mit dem Versorgungsreformgesetz 1998 und dem Beamten-Versorgungsrücklagegesetz, gab es einen neuen Rechtsrahmen, wurde die Bildung von Versorgungsrücklagen bei Bund und Ländern gesetzlich vorgeschrieben. § 14a des Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG) hält die Bildung einer Versorgungsrücklage als Sondervermögen gesetzlich fest. Damit will der Staat seinen gigantischen Pensionsberg »untertunneln«.[4] Diese Rücklagen sollen im Wege verminderter Bezügeanpassungen von Beamten und Versorgungsempfängern aufgebracht werden. Damit haben – »endlich!«, möchte man ausrufen – Elemente der Kapitaldeckung auch Eingang in die Beamtenversorgung gefunden. Ein Umsteuern auf eine zumindest partielle Kapitaldeckung ist der Weg, der von der überwiegenden Zahl der Experten und Fachpolitiker als entscheidend und notwendig für die langfristige Stabilisierung und Sicherung der Beamtenversorgung angesehen wird. Dies beinhaltet die Ergänzung der reinen Umlagefinanzierung durch bereits im Aufbau befindliche Versorgungsrücklagen und durch versicherungsmathematisch berechnete, laufende Einzahlungen in Versorgungsfonds.

Das ist die Theorie – beim Bund zumindest. Vorgesehen war ursprünglich, die Besoldungs- und Versorgungsanpassungen vom 1. Januar 1999 bis zum 31. Dezember 2013 in 15 Teilschritten um jeweils 0,2 Prozentpunkte zu vermindern und den Unterschied gegenüber den nicht verminderten Anpassungen dem Sondervermögen »Versorgungsrücklage« zuzuführen. Doch der Ansatz hatte nicht lange Bestand. Wurde 1998 / 99 noch die Vorsorge für Beamte als große Errungenschaft gefeiert, richteten sich bald darauf die Augen der Verbandsfunktionäre schon wieder nur mehr auf die Gegenwart: Im »Versorgungsänderungsgesetz 2001« wurde festgelegt, dass die ab 2002 folgenden acht Anpassungen von 0,2 Prozentpunkten für die nächsten acht Anpassungen wieder ausgesetzt werden sollten. Im Gegenzug dafür wurde festgeschrieben, dass der Versorgungshöchstsatz für Ruhestandsbeamte gleichzeitig schrittweise um 4,33 Prozentpunkte von 75 Prozent auf 71,75 Prozent abgesenkt wurde. Der Versorgungsrücklage wird dabei die Hälfte der durch diese Maßnahme erzielten Einsparungen zugeführt. Nach der achten Anpassung wird der Aufbau der Versorgungsrücklage wieder mit durchschnittlich 0,2 Prozentpunkten je Gehaltsanpassung fortgeführt.[5]

Eine weitere Verminderung und zusätzliche Abführung an den Rücklagenfonds, so sieht es das Gesetz vor, soll erst im Anschluss daran wiederaufgenommen und in den verbleibenden Teilschritten fortgeführt werden. Bis dahin bleiben die aus den bisherigen Absenkungen der Bezügeanpassungen resultierenden Zuführungen an die Versorgungsrücklagen unberührt und werden in der bis jetzt erreichten Höhe weitergeführt. Zusätzlich ist die Hälfte der Verminderung der Versorgungsausgaben durch das Versorgungsänderungsgesetz 2001 (§ 69 e BeamtVG) der Versorgungsrücklage zuzuführen. Nach 2017 sollen die Versorgungsrücklagen zur Entlastung der öffentlichen Haushalte schrittweise wieder aufgelöst werden. Der derzeitige und für 2017 prognostizierte Stand der Versorgungsrücklagen im Bund ist im 3. Versorgungsbericht der Bundesregierung enthalten. Er betrug zum Anfang des Jahres 2009 etwa 2,3 Milliarden Euro.

Was furchtbar kompliziert klingt und auch ist, läuft auf eine wichtige Erkenntnis hinaus: Die Pensionen heutiger Ruhestandsbeamter sind im Vergleich zu dem, was ein aktiver Beamter Monat für Monat ausgezahlt bekommt, zu hoch bemessen. Wir werden dies auch bei einem Vergleich zwischen Pensionen und Renten noch sehen. Die Standesvertretung der Beamten hört das verständlicherweise nicht gerne. Es ist typisch, dass die Tarifparteien – hier der Staat als Arbeitgeber im Öffentlichen Dienst und dort der Deutsche Beamtenbund und ver.di – diese entscheidende Erkenntnis quasi befristet haben. Ab 2017 fließen dem Bund jährlich 500 Millionen aus dieser Rücklage für seine Beamten zu. Das klingt nach viel Geld, ist in Wirklichkeit aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Die wirklichen Versorgungsansprüche liegen um ein Vielfaches über der angesparten Summe.

Seit 2007 gibt es zudem beim Bund selbst und seinen nachgeordneten Behörden einen weiteren, zusätzlichen Fonds. Der kommt allerdings nur für künftige Pensionäre auf, die fast ihre gesamte Dienstzeit noch vor sich haben. Für die Pensionierungswelle in den nächsten Jahren ist das ohne Belang und bleibt hier auch weitgehend unberücksichtigt. Ähnlich sieht es in den Bundesländern aus.

Eine wirklich »nachhaltige« Rücklage, so drängt sich einem die Vermutung auf, sieht irgendwie anders aus. Um eine spätere Vollabdeckung der Versorgungsansprüche aus einem kapitalisierten Vermögen zu sichern, müssen nach Berechnungen von Versicherungsmathematikern für neu einzustellende Beamte – je nach Laufbahngruppe – rund dreißig Prozent der jeweiligen Brutto-Jahresbezüge in einen Versorgungsfonds eingezahlt werden. Die Personalkosten würden damit jeweils von der Generation getragen werden, die auch die öffentlichen Dienstleistungen der Beamten in Anspruch nimmt. Gleichzeitig würden die Versorgungsausgaben in die aktive Phase des Beamtenverhältnisses vorverlagert. Damit wäre auch zwingend ein Vorteil für die öffentlichen Haushalte beseitigt, der in der Vergangenheit so gerne genutzt wurde, nämlich, dass Beamte während ihrer aktiven Zeit deutlich kostengünstiger sind als Angestellte oder Arbeiter.[6] Doch in den Haushalten der Bundesländer lässt sich sehr gut erkennen, wie ernst es die Politik mit der nachhaltigen Sicherung der Ruhestandsbezüge für Beamte wirklich meint.

Die Pensionslüge: Warum der Staat seine Zusagen für Beamte nicht einhalten kann und warum uns das alle angeht
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