Um es gleich vorweg zu sagen: Dies ist kein »Beamtenhasserbuch«. Ganz im Gegenteil! Es gibt sehr viele und sehr gute Gründe, sich für das bestehende Berufsbeamtentum auszusprechen. Nicht zuletzt die Geschichte der letzten zwanzig Jahre hat gezeigt, dass die Probleme der deutschen Einheit und des Zusammenwachsens der Menschen in Ost- und Westdeutschland ohne einen gut funktionierenden Öffentlichen Dienst und ein professionell arbeitendes Berufsbeamtentum nicht hätten gemeistert werden können. Und auch die griechische Staatskrise zeigt: Ohne einen funktionierenden Öffentlichen Dienst ist im wahrsten Sinne des Wortes »kein Staat« zu machen. Bestenfalls kann man ihn zugrunde richten. »Mit schlechten Gesetzen und guten Beamten lässt sich immer noch regieren. Bei schlechten Beamten helfen die besten Gesetze nichts«, wusste bereits der »Eiserne Kanzler«, Otto von Bismarck. Auch unter seiner Regierung mussten die deutschen Länder erst einmal mühsam lernen zusammenzuwachsen.
Deshalb sollten dem Staat seine Beamten auch einiges wert sein. Ganz besonders dann, wenn sie in ihrer aktiven Zeit für und im Auftrag dieses Staates handeln. Heute aber ist es in Deutschland weitgehend umgekehrt: So richtig teuer kommen uns Beamte erst dann, wenn man nichts mehr von ihnen hat – wenn sie »im Ruhestand« oder »in Pension« sind. Da sind die Bezüge von Beamten etwas, das sehr schnell sehr viel Neid in der Öffentlichkeit weckt. Dies nicht ganz zu Unecht, wie wir noch sehen werden, auch wenn viele Beamte dies sicherlich nicht gerne hören. Doch die gesetzlichen Rentner und solche, die es bald werden, haben ihnen eine Erfahrung voraus: Sie haben gelernt, der Aussage der Politik »Die Rente ist sicher!«, mit der der ehemalige Bundesarbeits- und -sozialminister Norbert Blüm (CDU) sich lächelnd vor dem Plakat auf einer Litfaßsäule fotografieren ließ, zutiefst zu misstrauen. Beamten bleiben bis heute vergleichbare Ängste und Befürchtungen vor Altersarmut wie die der Rentner und Rentnerinnen erspart.
Doch spätestens seit der Staatsschuldenkrise in Europa sollten sich auch Deutschlands Beamten, ob bereits im Ruhestand oder noch aktiv, nicht mehr sicher sein, ob ihnen nicht ein ähnliches Schicksal droht, wie es die gesetzlich Versicherten erdulden müssen. Alle Zeichen deuten darauf hin, dass auch die Pensionen von Beamten längst nicht mehr so sicher sind, wie es das besondere Treueverhältnis zwischen dem Staat und seinen Staatsdienern in der Vergangenheit immer suggeriert hat.
Denn unsere Staatsdiener werden uns in den nächsten Jahren, wenn die geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand verabschiedet werden, teuer zu stehen kommen. Zwei Billionen Euro Staatsschulden hat Deutschland in Bund, Ländern und Gemeinden bereits jetzt angehäuft. Experten sprechen hier von einer »expliziten« Staatsverschuldung, die 2011 zum ersten Mal diese astronomische Höhe erreicht hat. Hinzu muss aber die »implizite«, die versteckte Verschuldung, gerechnet werden, die all das einschließt, was eben nicht »explizit« in den Haushaltsplänen aufgelistet wird, aber trotzdem bezahlt werden muss. Dazu gehören die Pensionszahlungen für Ruhestandsbeamte. Sie werden, wenn nichts getan wird, künftig einen erheblichen Teil der Haushalte auffressen – ähnlich wie es Zinsen für in der Vergangenheit getätigte Schulden tun: Der Steuerzahler zahlt, bekommt aber keine Leistung mehr dafür. Und die Politiker haben weniger Gestaltungsspielraum. Fachleute, denen wir auf den folgenden Seiten begegnen werden, sagen voraus, dass das eigentliche Drama der deutschen Staatsfinanzen nicht sosehr in unserer Vergangenheit zu suchen sei und schon gar nicht in der Finanz- und Bankenkrise der letzten Jahre. Viel besorgniserregender sei das, was in den kommenden Jahren noch vor uns liegt. Dort ticke eine gewaltige Zeitbombe: Der Schatten, der über allen öffentlichen Haushalten liegt, sind die Versorgungszahlungen für Beamte.
Um es noch einmal zu sagen: Dies ist keine Anklageschrift gegen zu hohe Beamtengehälter. Im Gegenteil: Wer sich einmal mit den Bezügen und Gehältern im Öffentlichen Dienst beschäftigt hat, weiß, dass hier die Einkommen alles andere als in den Himmel schießen. Und mancher Selbstständige und Freiberufler wird, wenn er die Nettogehälter von Lehrern, Richtern oder Polizei- und Justizbeamten sieht, nur verächtlich die Nase rümpfen. Anders sieht es aber bei den Ruhestandsbezügen aus. Zwar haben die Beamten in den letzten Jahren durchaus ihren Beitrag zur Etatkonsolidierung geleistet, und sie müssen heute auch mehr zur Altersvorsorge beitragen als früher. Dennoch sehen wir in den nächsten Jahren einer beunruhigenden Entwicklung entgegen.
Diese Entwicklung ist selbstverständlich nicht den Beamten anzurechnen. Auch die Höhe der Pensionen unserer Staatsdiener ist nicht grundsätzlich das Problem. Das Problem ist das Versäumnis des Staates, rechtzeitig Vorsorge zu treffen, dass die künftigen Verpflichtungen auch eingehalten werden können. Öffentlichkeit und Politik waren bisher immer nur auf die aus dem Ruder gelaufenen Sozialsysteme für Rente, Pflege und Gesundheit fixiert. Die »Rente mit 67« hat viele wütende Menschen auf die Straße gebracht und ist immer noch als Talkshow-Thema für hitzige Diskussionen gut. Nichts dergleichen gibt es zum Thema »Pension mit 67«, »68« oder »70«. Um die zweite große Säule unseres Alterssicherungssystems, die steuerfinanzierte Beamtenversorgung, ist es ungleich stiller. Doch geht gerade von dieser für die öffentlichen Haushalte eine sehr viel größere Bedrohung aus. Denn für die Beamtenpensionen hat die Politik weder durch Umlagen noch durch eine ausreichende Kapitaldeckung rechtzeitig im Sinne einer generationengerechten Haushalts- und Finanzpolitik vorgesorgt. Und schon gar nicht hat sie an Krisenzeiten gedacht, von denen wir heute wissen, dass sie schneller und unerwarteter kommen, als wir es uns haben träumen lassen.
Unsere Amtsstuben ergrauen rapide: Die geburtenstarken Jahrgänge im Öffentlichen Dienst, die Babyboomer, gehen ab 2015 in Pension. Dass sie dies in »Kohortenstärke« tun, wie es die Wissenschaftler gerne nennen, hat mit der demografischen Entwicklung in Deutschland zu tun und damit, dass vor allem in den sechziger und siebziger Jahren der Öffentliche Dienst auf Kosten nachwachsender Generationen in – dies muss man heute klar benennen – unverantwortlicher Weise ausgebaut wurde. Denn wen kümmerten vor vierzig oder fünfzig Jahren schon irgendwelche Pensionszahlungen im Jahr 2020? Die Rechnung für dieses Versäumnis bekommen wir – die Steuerzahler – jetzt und in den kommenden Jahren ausgestellt. Kaum etwas ist nun einmal so genau vorherzusagen wie die demografische Entwicklung der Bevölkerung in Deutschland. Bis 2030 müssen, wenn die Einstellungswellen der späten sechziger und frühen siebziger Jahre in massive Pensionierungswellen umgeschlagen sind, über 600 000 zusätzliche Pensionäre versorgt werden. Die Summe aller Versorgungszusagen, das zeigen wissenschaftliche Untersuchungen, wird bis 2040 die Marke von einer Billion Euro, sprich tausend Milliarden Euro, übersteigen. In einer im Januar 2012 in Berlin durch den Bund der Steuerzahler vorgestellten neuen Studie werden sogar noch höhere Zahlen genannt: 1360 Milliarden Euro kosten danach die Pensionen und – das wurde neu eingerechnet – die medizinischen Beihilfen und die Hinterbliebenenversorgung die öffentlichen Haushalte bis zum Jahr 2050. Bezogen auf das Jahr 2009, so heißt es bei den Autoren Bernd Raffelhüschen, Tobias Benz und Christian Hagist, müssten dann 55 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Beamtenversorgung ausgegeben werden. Die Lehman-Pleite ist nichts dagegen. Ein ordentlicher Kaufmann oder die berühmte »schwäbische Hausfrau«, die Bundeskanzlerin Angela Merkel in anderen Zusammenhängen gerne zitiert, hätten für solche Verpflichtungen über viele Jahre hinweg rechtzeitig Rückstellungen gebildet. Und nicht nur die schwäbische Hausfrau, sondern natürlich auch Merkels Vorgänger im Amt hätten dies tun müssen. Geschehen ist nicht viel. Deshalb ist das, was wir in den nächsten Jahren erleben werden, eine Katastrophe mit Ansage. Man muss nur einmal Torsten Albig fragen, seit einiger Zeit Oberbürgermeister von Kiel. Der ›Welt‹ sagte er: »Ich zahle heute über zwanzig Millionen Euro für Pensionslasten. Und die Menschen, die in den nächsten Jahren in Pension gehen, arbeiten zum Teil schon seit Jahrzehnten für die Stadt. Keinen Euro haben wir bisher dafür angespart.«[1]
Albig weiß, wovon er spricht. Er gehört zu den hoffnungsvollen und vor allem auch finanzpolitisch kenntnisreichen SPD-Politikern, war lange Jahre Sprecher von SPD-Finanzminister Peer Steinbrück und hat durchaus Chancen, eines Tages Ministerpräsident von Schleswig-Holstein zu werden. »Wir hätten dieses Geld seit vierzig Jahren zurücklegen müssen«, kritisiert Albig weiter. Auch das Pensionssystem ist letztendlich eine Art Umlageverfahren: Beamte verzichten nach dem Alimentierungsprinzip auf Lohn während der aktiven Zeit als Gegenleistung für sichere Pensionszahlungen im Alter. Aber statt das Geld dafür beizeiten zurückzulegen und anzusparen, wurde es von der Politik zumeist mit vollen Händen ausgegeben – im Zweifelsfall für noch mehr Beamte. Ein privatwirtschaftliches Unternehmen, das handelsrechtlichen Bestimmungen unterworfen ist, muss jederzeit für derartige Versorgungszusagen Rückstellungen in seiner Bilanz bilden. Der Bund und die Bundesländer taten dies aber lange Zeit überhaupt nicht und ignorierten die schwebenden Zahlungsverpflichtungen. Die bis heute vorhandenen staatlichen Rückstellungen für die Beamtenversorgung, durch deren Erträge die zukünftigen Pensionslasten abgesichert werden könnten, sind mehr als ungenügend. Im Bund sollen sie bis 2017 auf 28,5 Milliarden Euro ansteigen. Damit könnten ab dem Zeitpunkt gerade mal ein halbes Jahr lang alle Pensionen von Ruhestandsbeamten bezahlt werden.
Dafür geradestehen muss der Steuerzahler. Bei Ruhestandsgeldern und Pensionen handelt es sich um grundgesetzlich verankerte Rechtsansprüche. Es sind verbriefte Schuldtitel gegenüber den vom Staat beschäftigten Beamten. Sie sind zum aktuellen Schuldenstand aller deutschen Gebietskörperschaften – Bund, Länder und Gemeinden – hinzuzuaddieren. Aus diesem Obligo kann sich die Politik deshalb auch nicht so einfach herausstehlen. Doch genau dies ist vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklung in Europa nicht mehr ausgeschlossen und vielleicht schon bald sogar notwendig. Niemand kann vorhersagen, wie teuer den Steuerzahler die viele, viele Milliarden schwere Staatsschuldenkrise in Europa am Ende noch kommen wird. Die Bundesrepublik Deutschland steht mit Milliardenbeträgen für Bürgschaften und Kredite ein, die unter ungünstigen Umständen fällig werden können. Schlimmstenfalls kann dadurch auch die Bundesrepublik an den Rand der eigenen Zahlungsunfähigkeit geraten. »Die Politiker setzten mit dieser Politik unsere Rente aufs Spiel«, sagt etwa Hans-Werner Sinn, der Chef des ifo-Wirtschaftsforschungsinstituts in München, zum Verhalten der Bundesregierung in der europäischen Staatsschuldenkrise. Vielleicht hätte er besser sagen sollen: Die Politiker setzen zuallererst die Altersversorgung ihrer Staatsdiener aufs Spiel. Denn darum wird es als Erstes gehen, wenn Deutschland finanziell vor einem Scherbenhaufen stehen sollte – und erst danach um die Rentenversicherung.
Selbst wenn die Steuereinnahmen für die Bundes- und Länderfinanzminister nach der Finanz- und Wirtschaftskrise auch im Jahr 2012 und den Folgejahren auf Rekordniveau sprudeln sollten – an der Notwendigkeit zu sparen ändert dies nicht viel. Die ausufernde Staatsverschuldung muss begrenzt werden. Kein verantwortlich handelnder Politiker und keine Partei kann sich dem entziehen. Auch nicht die FDP mit ihren vielen Anläufen und Versuchen, die Steuern in Deutschland zu senken. Nicht nur die Ratingagenturen und die Finanzmärkte treiben die Politik vor sich her. Der Zug der staatlichen Ausgabenpolitik fährt seit langem in die falsche Richtung.
Wo aber die Gefahren für die Staatsfinanzen und damit die Nöte der Politiker immer größer werden, hat die Politik stets und zuallererst den Fokus auf den Öffentlichen Dienst gerichtet: In Griechenland wurden als Folge der Staatsschuldenkrise zuerst die Gehälter im Öffentlichen Dienst gekürzt – um zweistellige Prozentpunkte, neben einem generellen Einstellungsstopp, der Streichung von Sonderzulagen wie Weihnachts-, Urlaubs- und – man glaubt es kaum – dem Ostergeld. Parallel dazu wurden natürlich auch die Pensionen für Ruhestandsbeamte reduziert. Im durch die Bankenkrise schwer getroffenen Irland ist als eine der ersten Maßnahmen der 18 Milliarden schwere Pensionsfonds für die Beamten im Öffentlichen Dienst aufgelöst worden, um die Notlage des staatlichen Haushalts finanziell zu bewältigen. Auch in Deutschland ist dies, wie wir noch sehen werden, bereits geschehen – weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit. Spanien und Portugal kürzten in der Staatsschuldenkrise als Erstes bei den Staatsbediensteten: Die Einkommen spanischer Beamter wurden bereits 2010 um fünf Prozent gekürzt, im Jahr 2011 stand für sie eine Nullrunde an. Außerdem sollen insgesamt 13 000 Stellen abgebaut werden. Am Ende, das ist nicht schwer vorherzusagen, wird auch dies nicht ausreichen: Beide Staaten werden noch tiefer in Besitzstände im Öffentlichen Dienst einschneiden müssen!
Für unser Thema ist dabei nicht relevant, wie mehr oder weniger üppig der Öffentliche Dienst in den schwer verschuldeten südeuropäischen Ländern ausgestattet war. Sondern es geht darum, wie schnell sich in schwierigen Zeiten die Politik unter dem Druck der Gegebenheiten vom Treueversprechen gegenüber ihren Beamten verabschiedet. Auch in Deutschland sollte sich deshalb niemand darauf verlassen, dass der Staat seinen Staatsdienern bis zuletzt die Stange hält. Dafür hält auch unsere eigene Geschichte Beispiele bereit. Wie in Notzeiten der Weimarer Republik mit den Beamten umgegangen wurde, davon wird noch die Rede sein.
Erste Schritte, um die drohende Kostenlawine bei den Beamtenpensionen aufzuhalten, hat der Staat zwar unternommen, aber er hat sich dabei weder als Arbeitgeber noch als Sachwalter der Steuergelder seiner Bürger als vorbildlich erwiesen. Denn mit den seit wenigen Jahren eingerichteten Pensionsfonds für junge, gerade erst eingestellte Beamte nehmen es die deutschen Politiker nicht sehr genau. Mal werden solche Fonds zur schnellen Haushaltskonsolidierung aufgelöst, mal mit Schulden und merkwürdigen Arbitragegeschäften finanziert, manchmal spart man sich die jährliche Einzahlungstranche auch ganz einfach, weil sich dem Wähler die schnelle Schuldentilgung und ein ausgeglichener Haushalt besser verkaufen lassen.
Landesbeamte stellen in Deutschland rund achtzig Prozent aller Versorgungsempfänger. In den Ländern werden die meisten Beamten beschäftigt, weil die deutschen Bundesländer und Stadtstaaten unter anderem für so personalintensive Bereiche wie Schule, Polizei und Justiz zuständig sind. Die Bundesländer werden nach aktuellen Prognosen bereits ab dem Jahr 2030 gezwungen sein, bis zur Hälfte ihrer gesamten Steuereinnahmen allein für Personalkosten und Ruhestandsbezüge inklusive der Hinterbliebenenversorgung und medizinischen Beihilfen aufzuwenden. Vielen Steuerzahlern ist gar nicht bewusst, dass schon bald jeder zweite Steuer-Euro für Personalkosten im weitesten Sinne eingesetzt werden wird. Dazu kommen noch Kreditzinsen und Schuldentilgung. Es sind Ausgaben, für die dem heutigen und künftigen Steuerbürger keine echte Leistung mehr geboten wird. Manche Bundesländer, die schon heute so gut wie bankrott sind, werden diese Verpflichtungen an den Rand der vollkommenen Zahlungsunfähigkeit bringen. Besonders gilt dies für die deutschen Stadtstaaten. Beim Bund und bei den Kommunen sieht es ein wenig besser aus.
Um die Haushalte wird jedes Jahr aufs Neue gerungen. Bisher ließen sich die Ausgaben auf Länderebene – wie in der Vergangenheit – stets durch noch mehr Schulden stemmen. Doch genau dieser Weg ist inzwischen durch die gesetzlich verankerte Schuldenbremse versperrt. Es handelt sich hierbei immerhin um eine Vorschrift mit Verfassungsrang. Sie sieht vor, dass Bund, Länder und Gemeinden durch einen genau vorgegebenen, zeitlich gestaffelten Stufenplan wieder zu ausgeglichenen Haushalten zurückfinden müssen. Der rapide ansteigende Betrag für die Alterssicherung von Ruhestandsbeamten wird deshalb in den kommenden Jahren zu einer immer größeren Belastungsprobe für die meisten steuerfinanzierten Länderhaushalte werden. Die durch die Schuldenbremse vorgeschriebenen Einsparungen addieren sich zu den Altschulden der »Vergangenheitskosten«. Sie werden uns bei einem insgesamt absehbar geringeren Steueraufkommen in den kommenden Jahrzehnten noch teuer zu stehen kommen. Denn eine alternde Bevölkerung, wie wir sie in Deutschland zu gewärtigen haben, zahlt als »Rentnerrepublik« über kurz oder lang auch weniger Steuern.
Aktive Beamte und solche, die gerade in den Ruhestand treten, haben somit keine Garantie dafür, dass ihre Pensionen auch morgen noch unverändert fließen werden. Das Einzige, was Beamte haben, ist das Wort des Staates, für seine unkündbaren Diener zu sorgen. Aber diesem Versprechen werden in den nächsten Jahren immer engere Grenzen gesetzt werden. Politiker können nicht nur sparen, sondern müssen auch in die Zukunft investieren. Je mehr Geld jedoch für vergangene Verpflichtungen aufgebracht werden muss, umso weniger bleibt für zukunftsorientierte Aufgaben übrig. Ist es ein Zufall, dass die meisten Bundesländer im Westen beim gesetzlich vorgeschriebenen Bau von Kindertagesstätten und bei der Kleinkinderbetreuung die Vorgaben des Bundes auch nicht annähernd erfüllen – und das trotz Rechtsanspruch auf eine Kleinkinderbetreuung in einer Kita ab dem Jahr 2013? Deutet sich hier bereits der Generationenkonflikt an – auf Kosten von Eltern und ihren Kindern?
Machen wir uns nichts vor: Das große staatliche Streichprogramm hat gerade erst begonnen, auch wenn heute bereits – vor allem in vielen Kommunen – schon fleißig gekürzt und eingespart wird. Der deutsche Steuerzahler wird noch weitere Abstriche bei staatlichen Leistungen und Aufgaben hinnehmen müssen. Nicht umsonst wird derzeit von der Politik die Diskussion um das »bürgerschaftliche Ehrenamt« forciert. Doch allein damit wird sich der finanzielle Rückzug des Staates aus dem Alltag vieler Bürger nicht auffangen lassen. »Bleiben entschlossene politische Maßnahmen zur Verbesserung der Nachhaltigkeit aus, wird die Belastung aufgrund notwendiger Anpassungen entweder auf die zukünftigen Erwerbstätigen oder die zukünftigen Pensions- und Rentenempfänger abgewälzt, die vielleicht keine Vorkehrungen für eine niedriger als erwartete Altersversorgung getroffen haben«, meint die EU-Kommission in einem »Grünbuch« angesichts der angespannten Budgetlage und des prognostizierten Ansteigens der Staatsverschuldung. Sie kommt dabei zu einer unmissverständlichen Schlussfolgerung: Zwingend notwendige Budgetkonsolidierung und Einschnitte für alle Politikbereiche einschließlich Renten und Pensionen seien unausweichlich – in den einzelnen EU-Ländern wohlgemerkt, aber nicht zwingend bei den beamteten EU-Pensionären selbst. Auch davon später mehr.
Wenn der Bundesfinanzminister etwa in seinem Haushaltsentwurf für das Jahr 2012 ankündigt, so wenig Schulden wie schon lange nicht mehr aufnehmen zu wollen – nämlich »nur« 26 Milliarden Euro –, demonstriert er vor allem eins: Selbst in einem wirtschaftlich guten und vom Steueraufkommen her gesehen sogar glänzenden Jahr kommt Deutschland mit dem Geld seiner Steuerzahler hinten und vorne nicht aus. Wir leben als Staat, aber auch als Bürger, die wir Ansprüche an ebendiesen Staat stellen, seit Jahrzehnten über unsere Verhältnisse. Die Politik bekommt weder die staatliche Neuverschuldung noch die Pensionslawine in den Griff. Hier agiert sie ebenfalls halbherzig. Wenn nicht bald notwendige Schritte getan werden, dann werden spätere Einschnitte umso drastischer und schmerzhafter sein. Für alle Beteiligten.
Heute bekommen das bereits junge, gerade erst eingestellte Beamte schmerzhaft zu spüren. Sie sind es, die in erster Linie für ihre teuren Ruhestands-Kollegen leiden müssen. Junge Beamte und auch diejenigen, die erst gar nicht mehr verbeamtet werden, müssen Abstriche an ihren Bezügen und ihrer Alterssicherung hinnehmen. Viele von ihnen werden auch nicht mehr die Positionen im Öffentlichen Dienst erreichen können, die der Beamtengeneration vor ihnen zugänglich waren. Anderen wird der Zugang zum Öffentlichen Dienst aufgrund von Stellenkürzungen komplett versperrt bleiben oder sie landen in befristeten Angestelltenstellen.
Gleichzeitig erleben wir, wie Parlamentarier in Bund und Ländern bei Diätenanhebungen alles andere als zimperlich sind. Dieselben Menschen, die über die »Rente mit 67« und über alle Fragen der Grundsicheruing entscheiden, bekommen schon nach zwei Legislaturperioden monatlich rund 1700 Euro ab dem 60. Lebensjahr. Diese mehr als fragwürdige Altersalimentierung klappt nur deshalb, weil darüber so wenig wie möglich gesprochen wird. Deshalb bekommt auch der frühere Bundespräsident Christian Wulff nach nur knapp 600 Tagen im Amt einen lebenslangen »Ehrensold« von 199 000 Euro, obwohl er ganz offensichtlich aus persönlichen und nicht aus politischen Gründen zurückgetreten war. Die politische Klasse hält zusammen! Mit diesen Ungerechtigkeiten und großen politischen Fehlern handelt dieses Buch – von nicht mehr, aber auch nicht weniger.