Einführung
Historisches
Seit wann genau auf unserer Erde gewürfelt wird,
kann heute niemand mehr mit Sicherheit sagen, aber eines ist
gewiss: Es muss eine ganze Weile her sein, seit der erste Würfel
gefallen ist! Das Würfelspiel ist eine der ältesten überlieferten
Spielformen überhaupt und ist in vielen Kulturen verbreitet, von
Europa über Asien bis hin nach Amerika. Einen berühmten
Würfelspieler der Antike kennen wir jedenfalls: Julius Cäsar!
Leider ist nicht genau überliefert, wie seine Würfel gefallen sind,
als sie gefallen sind, denn sonst hätte dieser historische Wurf
seinen Ehrenplatz in diesem Buch gefunden. Aber nichtsdestotrotz:
Von den Römern wissen wir, dass das Würfeln in damaliger Zeit
durchaus keine ehrenwerte Beschäftigung war, schon gar nicht für
Kinder! Es galt als unschicklich, unmoralisch und
charakterschädigend, mit einem Wort also: verwerflich. Offiziell
gestattet war es nur an den Saturnalien, einem römischen Fest zu
Ehren des Gottes Saturn, das in etwa mit unserem heutigen Karneval
vergleichbar ist. Gewürfelt wurde um Geldbeträge, der Überlieferung
zufolge mit drei Würfeln. Wer die höchsten Zahlen hatte, war der
Sieger. An diesem Prinzip hat sich bis heute nicht viel geändert.
Dass das Würfelspiel verboten war, änderte übrigens nichts an der
Tatsache, dass es quer durch alle Gesellschaftsschichten mit großer
Leidenschaft und Hingabe gepflegt wurde.
Im Laufe der Zeit wurden noch mehrere Versuche
in verschiedenen Ländern unternommen, den Würfeln abzuschwören, sie
ganz und gar zu verbannen. Zeitweise wurden Gesetze gegen das
Würfeln erlassen unter Androhung empfindlicher Strafen bei
Zuwiderhandeln. Den Erfolg dieser Aktionen sieht man heute – nicht
zuletzt an diesem Buch. Dies führt natürlich unweigerlich zu der
entscheidenden Frage:
Warum wird gewürfelt?
Warum ist das Spiel mit diesen kleinen Dingern
mit sechs Grundflächen so überaus beliebt?
Die Antwort liegt nahe: Weil es ein vorzüglicher
Zeitvertreib ist und eine kurzweilige Unterhaltung bietet, manchmal
sogar mit etwas Nervenkitzel dabei.
Darüber hinaus bietet das Würfeln eine ideale
Gelegenheit, neue Leute kennen zu lernen, bekannten Menschen näher
zu kommen und einfach mal Spaß zu haben. Durch Würfeln erlernt man
den spielerischen Umgang mit Zahlen, schult den Geist, und wenn es
sein muss, lässt man die Würfel in einer schwierigen Situation für
sich entscheiden. Letzteres übrigens wird man wohl eher selten tun,
wenn man einmal einen kurzen Blick auf die Gesetze der
Wahrscheinlichkeit geworfen hat.
Mit einem Wort: Würfeln ist eine durch und durch
menschliche Beschäftigung und will auch gar nichts anderes sein.
Von der Vorstellung, das Würfelspiel sei göttlicher Herkunft – die
Römer betrachteten es noch als einen Wink des Schicksals, wenn die
Würfel fielen -, hat die moderne Gesellschaft heutiger Zeit Abstand
genommen. Albert Einstein hat es auf den Punkt gebracht: »Gott
würfelt nicht!« Oder vielleicht doch? Einem unerfahrenen Spieler,
der während des Spiels einmal eine längere Pechsträhne hatte,
kommen zumindest Zweifel, ob nicht doch eine höhere Macht die
Finger im Spiel hat. Ein erfahrener Spieler dagegen lässt diese
Fragen mit einem Augenzwinkern offen im Raum stehen und wendet sich
den wirklich wichtigen Dingen im Leben zu:
Wie wird richtig gewürfelt?
An dieser Frage, das zeigt sich immer wieder an
heftigen Diskussionen, scheiden sich die Geister. Aus der Hand oder
aus dem Becher? Mit Holz- oder Plastikwürfeln? Alle mit denselben
Würfeln oder jeder mit seinem eigenen Satz? Diese
Grundsatzdiskussionen sind mitunter sehr vergnüglich. Das
anfängliche Philosophieren, das Erörtern von Vor- und Nachteilen
dieser oder jener Variante sind ein wichtiger Bestandteil des
Spiels und gehören einfach dazu. Am Schluss einigt man sich doch
immer irgendwie, weil man endlich mit dem Würfeln loslegen möchte.
Falls die Diskussion doch einmal in Streitereien ausarten sollte,
hier ein Vorschlag zur Güte: Wie wäre es damit, die Entscheidung
einfach auszuwürfeln? Wie gesagt: Nur ein Vorschlag! Überall dort,
wo die Art des Würfelns zwangsweise durch die Besonderheiten des
Spiels festgelegt ist (z. B. bei verdeckten Spielen oder beim
»Knipsen«) stellt sich diese Frage glücklicherweise nicht. Dafür
aber eine ganz andere:
Was wird gespielt?
Die Auswahl an Spielen auf den folgenden Seiten
garantiert, dass für jeden etwas dabei ist. Ein Tipp: Prinzipiell
sind alle Spiele, die Sie hier finden, als unterhaltsame
Familienspiele geeignet, vielleicht mit einer Einschränkung: Die
komplizierteren Rechenspiele setzen den sicheren Umgang mit den
Grundrechenarten voraus. Bei allen anderen Spielen kommen auch
schon die Kleinsten auf ihre Kosten – mal mit mehr, mal mit weniger
Unterstützung.
Verschiedene Spielklassen
Um Ihnen die Wahl zu erleichtern, ist dieses
Buch in verschiedene Spielklassen unterteilt, wobei die Zuordnung
nicht immer ganz eindeutig ist. Es gibt Überschneidungen, weil
manche Spiele in mehrere Klassen eingeordnet werden können! Den
Anfang machen die einfachen Glücksspiele, die gleichzeitig die
Grundlage für viele komplexere Spiele bilden. Als Grundregel kann
man sich merken: Je einfacher das Spiel, desto mehr Bedeutung
gewinnt das Drumherum. Den Glücksspielen folgen die
Verfolgungsspiele, die alle eine Gemeinsamkeit haben: Die Spannung
steigt bis zum Schluss, wenngleich die Chancen – rein statistisch
gesehen – nicht immer ganz gerecht verteilt sind. Danach die
Klassen »Spiele mit Würfelkombinationen«, »Wurf um Wurf«, »Spiele
mit Einsatz«, »Rechenspiele«, »Einer gegen alle« und zu guter Letzt
die »Kategoriespiele«. Was fehlt in dieser Reihe, sind die
»Kneipenspiele« im vorletzten Kapitel. Sie ließen sich zwar in die
anderen
Kategorien einordnen, aber die meisten dieser
Spiele sind so bekannt, dass sie sich ein eigenes Kapitel verdient
haben. Zudem ist diese Einteilung auch als Zugeständnis an all jene
zu verstehen, die oft und gerne spielen, und das bevorzugt im
Wirtshaus. Bei den Kneipenspielen findet man als leidenschaftlicher
Zocker alles Wissenswerte auf einen Blick. Wenn Sie sich selbst zu
dieser Gruppe zählen, sei Ihnen auch das letzte Kapitel wärmstens
ans Herz gelegt, denn hier geht es noch einmal um Taktik.
Vielleicht wird nach der Lektüre der letzten beiden Kapitel noch
die Neugier auf mehr geweckt. Sollten Sie (noch) zu den Amateuren
gehören, können Sie einfach ziellos oder aber auch ganz
systematisch schmökern. Im Register finden Sie noch einmal alle
Spiele alphabetisch sortiert.
Philosophisches – Grundlagen des Würfelspiels
In der Antike galt der Würfel – nach der Kugel –
als der perfekteste geometrische Körper. Wirft man ihn, bleibt er
auf einer Fläche liegen, sodass die gegenüberliegende Fläche nach
oben zeigt. Das Besondere daran ist – vorausgesetzt es handelt sich
um einen perfekten Würfel -, dass bei einem normalen Wurf keine
Seite bevorzugt wird oder anders ausgedrückt: Alle möglichen Würfe
treten mit derselben Wahrscheinlichkeit auf. Auf den üblichen
Zahlenwürfel übertragen bedeutet dies: Die Chance, eine bestimmte
Zahl zu würfeln, beträgt genau ein Sechstel. Aber Chancen hin oder
her: Es ist dennoch bemerkenswert, welche Faszination von diesem
kleinen unscheinbaren Spielgerät ausgeht, und welche Vielzahl von
Spielen es mittlerweile gibt, die allesamt auf einer einzigen
Grundlage beruhen: Mindestens einer Seite (bei den meisten Spielen
allen Seiten) wird eine bestimmte Eigenschaft zugeordnet, und wenn
nach einem Wurf diese Seite oben liegt, zieht man daraus eine
Schlussfolgerung, welcher Art auch immer.
Ein einfaches Beispiel: Der Seite mit dem
einen Punkt (die Eins) wird die Eigenschaft zugeordnet, dass sie
sofort verliert. Mehr braucht man eigentlich nicht. Das Spiel, das
sich daraus ableitet: Eine beliebige Anzahl von Spielern würfelt so
lange mit einem Würfel, bis die Eins zum ersten Mal fällt. Der
Spieler, der sie gewürfelt hat, verliert. Alle anderen möglichen
Würfe bleiben ohne Konsequenzen.
Versuche, das Glück zu beeinflussen
Ob die Menschen, zumindest all jene, die sich
etwas näher mit den Würfeln befasst haben, jemals daran geglaubt
haben, dass Würfelspiele tatsächlich reine Glücksache sind, darf
zumindest bezweifelt werden. Ganz sicher steht aber eines fest: So
alt wie die Würfel selbst sind die Versuche, dem Glück auf die
Sprünge zu helfen. Gemeint sind noch nicht einmal die zahlreichen
Betrügereien durch gezinkte Würfel oder in einer anderen Form
manipulierte Würfe, die mehr mit Geschicklichkeit als mit Glück zu
tun haben. Die Rede ist von den Spielregeln. Nehmen wir zum
Beispiel das oben beschriebene Spiel: Man möchte annehmen, dass
alle Spieler die gleichen Chancen haben, aber dem ist nicht so,
denn bei einer Konstellation, in der die Eins sofort verliert, hat
von vornherein der Spieler die besseren Chancen, der als Letzter
würfelt. Zugegeben, dies ist noch ziemlich einfach zu durchschauen.
Man muss sich nur vorstellen, dass 100 Spieler an diesem Spiel
teilnehmen. Die Wahrscheinlichkeit, dass der letzte Spieler
verliert, ist verschwindend gering. Chancengleichheit gäbe es bei
der Regel: Jede Eins verliert.
Es gibt jedoch zahlreiche weitere Möglichkeiten,
die Spielregeln so zu gestalten, dass die Gewinnchancen nicht mehr
so leicht zu überblicken sind. Einzelne Hinweise darauf finden Sie
in den verschiedenen Taktiktipps zu einzelnen Spielen. Eine
detaillierte Spieltheorie hätte jedoch den Rahmen dieses Buches
gesprengt. Hier nur die vier wichtigsten Möglichkeiten, wie die
Chancen durch Spielregeln und Spielausführung beeinflusst werden
können:
• durch die Anzahl der Mitspieler,
• durch die Anzahl der Würfe,
• durch die Anzahl der Würfel,
• durch die Anzahl der Runden.
Auf diesen Grundlagen bauen alle Würfelspiele
auf. Zur Ehrenrettung aller Spiele-Erfinder sei aber vermerkt:
Versuche, die Chancen des Spiels auszugleichen, sind ebenfalls
zuhauf unternommen worden, und die witzige Gestaltung rund um die
Spiele (da werden Könige gemacht, da wird gemalt, da werden
Gegenstände bewegt) lässt nicht die Spur einer bösen Absicht
erkennen!
Wahrscheinlichkeiten
Um ein Spiel hundertprozentig richtig
einschätzen zu können, muss man die Grundlagen und Berechnungen,
die dahinter stecken, kennen und verstehen. Dies ist von der
überwiegenden Mehrheit aller Spieler nicht zu erwarten, denn einige
komplexere Spiele basieren auf komplizierten
Wahrscheinlichkeitsrechnungen. Das gilt insbesondere für alle
Spiele, in denen verschiedene Würfe unterschiedlich gewertet
werden. Es ist aber auch gar nicht nötig, den totalen Durchblick zu
haben, denn in erster Linie geht es beim Würfelspiel – zumindest
bei den Spielen in diesem Buch – ums reine Vergnügen. Dieser
Abschnitt soll als eine kurze Einführung in die einfachen
Wahrscheinlichkeiten dienen, die Ihnen dabei behilflich sein will,
die häufigsten Denkfehler zu vermeiden. Als Beispiel dient ein Wurf
mit zwei Würfeln. Man kann sich leicht vorstellen, dass die
Wahrscheinlichkeit, z. B. eine Sechs zu würfeln, bei einem Würfel
ein Sechstel beträgt. Daraus wird nun der Schluss gezogen, dass bei
einem Wurf mit zwei Würfeln die Wahrscheinlichkeit, mindestens eine
Sechs zu werfen, doppelt so hoch ist, also zwei Sechstel oder ein
Drittel. Dies ist aber nicht der Fall! Die folgende Tabelle zeigt
alle Wurfkombinationen, die mit zwei Würfeln möglich sind.
Wichtig ist es, dass man jeden Würfel einzeln
betrachtet! Stellen Sie sich einfach zwei Würfel in
unterschiedlichen Farben vor. Zudem muss man sich jeden einzelnen
möglichen Wurf als ein mögliches Ereignis vorstellen. Bei einem
Wurf mit zwei Würfeln kann jedes Ereignis aus der Tabelle mit der
gleichen Wahrscheinlichkeit vorkommen. Dies sind genau 36 mögliche
Ereignisse! Nun müssen Sie einfach alle möglichen Ereignisse
zählen, bei denen mindestens eine Sechs dabei ist, und das sind
genau elf! Elf Ereignisse aus insgesamt 36 möglichen führen dazu,
dass mindestens eine Sechs gewürfelt wird. Die Wahrscheinlichkeit
beträgt also elf Sechsunddreißigstel, elf zu 36 oder anders
ausgedrückt 30,6 %. Der Fehler bei der einfachen Addition bestand
also darin, dass das Ereignis 6-6 doppelt gezählt wurde.
Und so kann man noch weitere Schlüsse ziehen.
Die Chance beispielsweise, dass genau eine Sechs im Wurf
enthalten ist, beträgt zehn Sechsunddreißigstel, die Chance auf
zwei Sechsen ein Sechsunddreißigstel usw. Entsprechend
ändern sich die Wahrscheinlichkeiten, wenn mehr Würfel dazukommen.
Für jeden zusätzlichen Würfel versechsfachen sich die möglichen
Ereignisse. Bei einem Würfel sechs, bei zwei Würfeln 36, bei drei
Würfeln 216 usw. (Bei drei Würfeln liegt die Wahrscheinlichkeit,
mindestens eine Sechs zu würfeln, bei 41,7 % oder 90 zu 216!)
Übrigens gibt es die gleichen Chancen bei zwei Würfen mit einem
Würfel, aber da wird die Sache schon komplizierter, denn es kommt
darauf an, aus welcher Perspektive man die Sache betrachtet: Vor
Spielbeginn oder nach dem ersten Wurf. Wertet man die Chancen
nämlich nach dem ersten Wurf neu, gibt es zwei Möglichkeiten:
1. Die Sechs ist schon im ersten Wurf gefallen,
dann braucht man keine Wahrscheinlichkeit mehr.
2. Die Sechs ist noch nicht gefallen. Dann ist
man wieder bei einem Wurf mit einer Chance von eins zu sechs.
Tipp: Bei der Spielbewertung kommt es
also immer darauf an, ob man ein Spiel von außen betrachtet oder
aus der Perspektive des Spielers, der gerade an der Reihe ist. Die
Empfehlung deshalb: Wenn Sie nicht gerade um Geld spielen,
beispielsweise im Kasino, dann beschränken Sie sich auf Ihre Sicht
der Dinge als Spieler und machen Sie sich das Leben nicht zu
schwer! Für alle, die sich näher mit diesem Thema auseinander
setzen wollen, gibt es spannende Fachliteratur.
Strategie und Taktik
Zum Schluss dieser kurzen Einführung möchte ich
noch ein paar Worte in eigener Sache loswerden an alle, denen der
eine oder andere Begriff zu ungenau ist. Bei manchen Spielen legt
man sich vor Spielbeginn eine Strategie zurecht, die beispielsweise
vorsieht, die eigenen Chancen immer so hoch wie möglich zu halten.
Innerhalb dieser Strategie kann man taktieren, indem man
beispielsweise beobachtet, wie das Spiel bei den Mitspielern
verläuft, und dann gezielt reagieren. Es besteht also ein
Unterschied zwischen Strategie und Taktik, der in diesem Buch aber
zugunsten der Verständlichkeit geopfert wurde, die absoluten
Vorrang hat. Ähnliches gilt für andere Begriffe, die bei den
Spielbeschreibungen nicht auftauchen. Einige finden sich jedoch im
kleinen Lexikon der Würfelsprache am Ende dieses Buches
wieder.