13.

Lessa war ein klein wenig ungehalten, als sich Ruth mit Jaxom, Sharra und Oldive auf dem Rücken am Morgen des ersten Fluges zur Yokohama zu den drei großen Drachen gesellte.

»Sharra und Oldive haben sich erboten, das Fädenei zu sezieren«, erklärte Jaxom, ohne sich damit entschuldigen zu wollen, »und ich soll das Teleskop bedienen und Akki Vorder- und Rückansichten des Fädenstroms liefern.«

Er verkniff sich die Bemerkung, daß Ruth den großen Drachen vielleicht einige Hinweise zum Verhalten im freien Fall würde geben müssen. Bisher hatte keiner der grünen Drachen mit dem ungewohnten Gefühl der Schwerelosigkeit irgendwelche Schwierigkeiten gehabt. Die Feuerechsen kamen völlig ohne Angst, fast wie selbstverständlich mit, um zu sehen, was die Drachen, besonders Ruth, auf der Yokohama so trieben. Mirrim war an diesem Tag zur Arbeit auf den Algenfarmen der beiden anderen Schiffe eingeteilt, damit standen der Gruppe für den Transport von Brücke zu Brücke zwei erfahrene Tiere zur Verfügung.

Der unvermittelte Wechsel von Landings hellem Sonnenschein und seiner linden Luft in den großen, düsteren Frachtraum der Yokohama entlockte allen Neulingen laute Ausrufe des Erstaunens.

»Jaxom, hast du nicht gesagt, es gäbe Licht?« fragte Lessa.

»Gibt es auch.« Behende schwang sich Jaxom von Ruths Rücken und strebte mit exakt dosiertem Kraftaufwand auf die neben dem Lift angebrachten Schalter zu. Als er trotz der vielen Zuschauer ohne weiteres am richtigen Fleck ankam, war er sehr mit sich zufrieden. Da er wußte, wieviel Energie den Solarzellen in Kürze abverlangt werden sollte, aktivierte er nur die Lichtstreifen, nicht die stromfressenden Kugeln an der Decke.

»Erstaunlich!« Fasziniert sah sich Meister Robinton in dem riesigen, leeren Raum um.

Ramoth betrachtete mit träge schillernden Augen ihre Umgebung und ließ ein heiseres Krächzen hören. Mnementh beschnüffelte mit gesenktem Kopf die zerschrammten Decksplatten und spähte in aller Gemütsruhe in die Ecken. D'rams Tiroth streckte den Hals, bis er mit dem Kopf die Decke erreichte. Doch in diesem Moment spürte der große Bronzedrache, wie sich seine Füße langsam vom Boden lösten, und protestierte mit lautem Gebrüll.

Du bist im freien Fall, Tiroth, erklärte Ruth ungerührt. Jede Aktion löst eine Reaktion aus. Stoße dich mit der Schnauze ganz vorsichtig von der Decke ab. Siehst du? Das war doch nicht schwer.

Als nächste schwenkte Ramoth zu schnell den Kopf herum, um zu sehen, was mit Tiroth passierte, und hob ebenfalls ab.

Du darfst dich nicht dagegen wehren, Ramoth, sagte Ruth. Geh einfach ganz entspannt mit. Jetzt schwenke locker den Kopf zurück. Siehst du, das ist ganz einfach. Sieh mich an.

»Ruth!« warnte Jaxom. »Komm ja nicht auf die Idee, dich aufzuspielen!«

Ich spiele mich nicht auf, ich demonstriere! Ruth vollführte ganz gemächlich einen Salto nach rückwärts, die Flügel fest am Rücken angelegt, damit sie nicht störten. Hier oben wiegen wir nicht mehr als eine Feuerechse! Er drehte sich wie ein Quirl um sein eigenes Hinterteil.

»Ruth!« Jaxoms Stimme hallte von den Wänden des Frachtraums wider.

»Ich glaube, wir haben begriffen, Jaxom.« F'lar hatte Mühe, das Lachen zu unterdrücken. »Ganz locker, richtig?«

Vorsichtig schwang er sich von seinem gewohnten Sitz zwischen Mnemenths Nackenwülsten und stellte fest, daß er deckwärts schwebte. »Ein unglaubliches Gefühl. Versuch's doch auch einmal, Lessa. Ich weiß, du wiegst ohnehin nicht viel, aber ich fühle mich wie eine Feder! Nicht zu fassen! Robinton, Sie brauchen sich überhaupt nicht anzustrengen.«

Ein paarmal verschätzten sich die Neulinge bei ihren Experimenten. Sharra half Meisterheiler Oldive taktvoll vom Drachenrücken auf das Deck, und dann strebten die beiden dem Lift zu, um unverzüglich mit dem Pensum des heutigen Tages zu beginnen, einer eingehenden Untersuchung des Fädeneis in der Luftschleuse. Akki hatte ihnen empfohlen, es in die medizinische Station auf dem obersten Kälteschlafdeck zu bringen. Das dortige Labor war noch komplett erhalten, einschließlich eines so starken Mikroskops, wie man es auf Pern bisher nicht hatte bauen können. Der Sektor habe zwar ausreichend Luft, sei aber noch nicht zu warm, versicherte Akki. Für eine Maschine ohne Emotionen bestand er mit einer ganz eigentümlichen Hartnäckigkeit auf diesem nach Sharras Meinung relativ unbedeutenden Teil des Gesamtprojekts.

Sobald die anderen sich ein wenig mit den Tücken des freien Falls vertraut gemacht hatten, geleitete Jaxom sie auf die Brücke. Natürlich drängte es ihn, Lessa, F'lar, Robinton und D'ram vorzuführen, wie gut er sich auf der Yokohama auskannte, während Ruth es kaum erwarten konnte, allein die großen Drachen beaufsichtigen zu dürfen. Jaxoms Erwartungen wurden nicht enttäuscht: Als die Lifttür aufglitt, waren die Neulinge von der Aussicht auf Pern so hingerissen, wie er es sich nur wünschen konnte. Er ließ ihnen etwas Zeit, den großartigen Anblick des sonnenbeschienenen Kontinents und des strahlend blauen Meeres auf sich wirken zu lassen, dann schob er sie behutsam weiter, damit der Lift sich wieder schließen konnte. Dennoch hingen sie noch eine Weile am Geländer, um dieses Erlebnis zu verarbeiten.

Jaxom steuerte gekonnt den Kapitänssessel an, programmierte das Teleskop neu und warf einen Blick auf den Monitor für den Bereitschaftsraum, wo Sharra gerade dabei war, Oldive in einen Raumanzug zu helfen. Dann stellte er einen der Deckenbildschirme so ein, daß er das Labor überwachen konnte.

Mühsam riß sich F'lar von dem überwältigenden Panorama los, um sich das Sporenovoid anzusehen. »Es ist nicht so groß, wie ich dachte«, sagte er.

»Sie haben ganz recht. Deshalb würde es uns ja auch interessieren, wie ein so langer, dicker Faden in diese enge Hülle paßt«, antwortete Jaxom.

Lessa warf nur einen kurzen Blick auf das Ding, um sich dann wieder dem fesselnden Blick auf Pern zuzuwenden.

»Wie kommen wir ans Fenster?« fragte sie.

»Sie stoßen sich ganz behutsam ab - keine Angst«, fuhr er fort, als sie zu schweben begann und sich irgendwo festhalten wollte. »Einfach mitgehen. Nicht dagegen ankämpfen.« Sie geriet ins Trudeln, und als sie an ihm vorüberglitt, streckte er die Hand aus, stoppte die Drehung und gab ihr einen leichten Schubs, der sie bis zum Fenster trug.

Robinton hatte genau zugesehen und vermied es, ihre Fehler zu wiederholen. Bald schwebte er, die Füße eine Handbreit über dem Boden, neben ihr. D'ram zog sich stöhnend Hand über Hand zur nächsten Computerkonsole und schnallte sich dort in einem Sessel fest.

»Wie lange noch, bis der Strom die Bahn der Yokohama kreuzt?« fragte er.

Jaxom stellte seinen Bildschirm auf stärkste Vergrößerung und rief den betreffenden Sektor auf. Als das Bild wieder scharf wurde, fuhr der alte Bronzereiter zurück, und sein Gesicht wurde ganz starr vor Schreck. Er hatte nicht erwartet, den ausgefransten Saum der Sporenfront so dicht vor sich zu sehen.

»So nahe sind sie noch nicht, D'ram. Das ist eine Vergrößerung. Die Wirklichkeit sieht so aus.«

Jaxom veränderte die Einstellung, und nun war der Strom nur noch als sonnenbeschienener, rasch näherkommender Fleck im vierten Quadranten zu erkennen.

»Wie weit sind sie entfernt?« krächzte D'ram mit überschnappender Stimme.

»Laut Annäherungsüberwachung haben wir bis zum ersten Kontakt noch gut zehn Minuten«, sagte Jaxom.

F'lar hangelte sich vorsichtig auf D'ram zu und hielt sich mit fast waagerecht in der Luft schwebenden Beinen an dessen Sessellehne fest. Dann zog er sich in den zweiten Sitz und schnallte sich ebenfalls an.

Alles in Ordnung da unten?

Jaxom nahm möglichst unauffällig mit Ruth Verbindung auf, weil er nicht wollte, daß Ramoth mithörte.

Sie ist viel zu sehr mit dem freien Fall beschäftigt. Ruth schien sich bestens zu amüsieren. Trotz ihrer Größe stellt sie sich geschickter an als Mnementh oder Tiroth. Sie wendet weniger Kraft auf. Ich glaube, sie machen alle bessere Fortschritte, wenn ihre Reiter nicht zusehen. Paß auf deine Schwingen auf, Ramoth! Es ist ziemlich eng hier!

Jaxom grinste, dann bemerkte er eine Bewegung auf dem Laborbildschirm und erstarrte. Sharra und Oldive betraten den Raum. Sharra bewegte sich so elegant, wie die Magnetstiefel es zuließen. Mit einer Hand stützte sie Oldive, dem das Vorwärtskommen sichtlich mehr Mühe bereitete.

Wie gebannt beobachtete Jaxom ihre ersten Versuche, die harte Schale des Ovoids zu durchstoßen. Dann erschien Mirrim auf Path, ihrem grünen Drachenweibchen, auf der Brücke.

»Wen soll ich auf die Bahrain bringen?« fragte sie und grinste, als sie Lessa und Robinton mit ausgebreiteten Armen am Fenster kleben sah.

»Wer immer mit dir fliegen will«, sagte Jaxom.

»Lessa? F'lar?«

Lessa machte eine unbedachte Kopfbewegung und preßte sich krampfhaft gegen das Fenster. »Ich komme mit, Mirrim.«

Nein, Ramoth, das ist schon in Ordnung. Glaube mir, du würdest nicht einmal hier auf die Brücke passen, und auf der Bahrain erst recht nicht.

Lerne du nur da unten im Frachtraum, wo du Platz zum Manövrieren hast, das Gleichgewicht zu halten.

Jaxom bat Ruth, sich F'lar zur Verfügung zu stellen, und der weiße Drache ging prompt ins Dazwischen und erschien auf der Brücke.

»Sie kennen das Verfahren?« fragte Jaxom die Weyrführer von Benden.

Lessa streifte ihn mit einem giftigen Blick, während sie auf Path zuschwebte, aber F'lar lachte nur und versicherte gutmütig: »Wir haben fleißig geübt, Jaxom, da kannst du ganz beruhigt sein. Vielen Dank, Ruth«, wandte er sich dann an den weißen Drachen, glitt auf seinen Rücken und setzte sich zurecht.

»Nicht ganz so breit wie Ihr Koloß, was?« Jaxom grinste über das überraschte Gesicht des Bronzereiters. »Viel Spaß beim Fädenzerstören! Noch drei Minuten bis zum ersten Kontakt.«

»Wo kann ich mich hinsetzen, Jaxom?« fragte Robinton aufgeregt und stieß sich vom Fenster ab.

»Auf F'lars Platz.«

Jaxom juckte es in den Fingern, die Befehle selbst einzugeben, aber es machte mindestens ebensoviel Spaß, dem Harfner dabei zuzusehen. Wie damals die Schmiede, so zuckten auch Robinton und D'ram zurück, als die Ovoide auf das Fenster zugerast kamen. Sobald jedoch die ersten Eier zu Staub zerfielen, seufzte D'ram hörbar auf, verschränkte tief befriedigt die Arme vor der Brust und verfolgte das Schauspiel mit zusammengekniffenen Augen.

»Wissen Sie, D'ram, wir sollten Lytol wirklich animieren, mit hier heraufzukommen«, sagte Robinton. »Vielleicht täte es ihm gut, wenigstens einmal Fäden zerstören zu dürfen. Als Reiter hatte er ja nie Gelegenheit dazu.«

»Es könnte ihm auch sonst nicht schaden«, bemerkte D'ram nachdenklich.

»Akki?« Jaxom schaltete auf Sprechverbindung mit Landing. »Sind die Bilder scharf genug?«

»Ja, Jaxom, und die Dichte hat sich gegenüber dem letzten Regen um mehr als sieben Prozent erhöht.«

»Dann wird man die Vorabvernichtung sicher begrüßen.«

Jaxom wandte sich dem Bildschirm für das Kälteschlaflabor zu. Den beiden Heilern war es noch immer nicht gelungen, mit den mitgebrachten Instrumenten die Hülle des Fädeneis zu durchstoßen.

»Wir haben es mit Schlagen, mit Raspeln und mit Schaben versucht - die Oberfläche hat nicht den kleinsten Kratzer«, rief Sharra empört und schwenkte wütend und enttäuscht einen Meißel.

»Soviel zu den Befürchtungen, der Inhalt könnte auslaufen und uns verschlingen.« Oldive schien die vergeblichen Bemühungen eher zu verarbeiten. »Erstaunliches Futteral. Hält allem stand, womit wir glaubten, es mühelos durchschneiden zu können.«

»Ein Diamantschleifer?« schlug Jaxom vor.

»Das könnte tatsächlich die Lösung sein«, rief Oldive erfreut. »Nun, ich habe bestimmt nichts dagegen, noch öfter hier heraufzukommen. So gelenkig habe ich mich noch nie gefühlt.« Er nahm auf seine körperlichen Schwächen im allgemeinen keine Rücksicht, aber seine Beine waren infolge seines krummen Rückens und seines verformten Beckens verschieden lang, und er hinkte stark. Die Schwerelosigkeit glich das alles aus.

»In einem Fall wie diesem«, erklärte Akki sachlich, »wären die teleportativen Fähigkeiten der Feuerechsen außerordentlich nützlich.«

»Meer und Talla haben nicht die leiseste Ahnung, was ein Diamantschleifer ist«, bedauerte Sharra. Dann seufzte sie gereizt. »Außerdem habe ich meine Zweifel, ob selbst so eine Schneide diesem Ding hier etwas anhaben könnte. Die Kapsel ist undurchdringlich.«

»Nicht für Wärme«, erinnerte Jaxom.

»Baron Jaxom von Ruatha«, Sharra stemmte in altvertrauter Manier die Hände in die Hüften. »Du wirst uns ganz sicher nicht dazu bringen, das Ding hier aufzuheizen, um die Reibung beim Durchfliegen der Atmosphäreschichten zu simulieren! Übrigens könnte man in einem engen Raum wie diesem Labor ohnehin keinen Flammenwerfer einsetzen.«

»Sie verfügen nicht über die erforderliche Technologie, um einen dünnen Hitzestrahl nach Art eines Lasers zu erzeugen, der eine solche Kapsel perforieren könnte«, fügte Akki hinzu. »Noch ein Gebiet, auf dem Sie im nächsten Umlauf große Fortschritte werden machen müssen.«

»Oh? Wozu?« Jaxom bemerkte, daß auch Robintons und D'rams Interesse geweckt war.

»Es hat im Augenblick keinen Sinn, sich ausführlich über dieses Mittel und seinen Zweck zu äußern«, antwortete Akki. »Die Sache liegt in den Händen des Meisterschmieds, es gibt jedoch andere Projekte, die weitaus dringender sind.«

»Sonst hast du keine guten Ratschläge für uns?« fragte Sharra bissig.

»Mit dem Diamantschleifer werden Sie Erfolg haben.«

»Warum in aller Welt hast du uns dann nicht gesagt, daß wir einen mitnehmen sollen?«

»Die Frage wurde dieser Anlage nicht gestellt.«

»Das Problem ist, Akki«, fuhr Sharra streng fort, »daß du uns nur sagst, was wir deiner Meinung nach wissen sollten: nicht unbedingt, was wir wissen müssen oder wissen wollen.«

Alles schwieg, während sie und Oldive das Labor verließen und die Tür hinter sich verriegelten.

»Sharra hat recht«, bemerkte D'ram schließlich.

»Durchaus«, bestätigte Robinton.

»Aber hätten wir ihm denn geglaubt, daß ein Diamantschleifer nötig wäre, bei dem Sortiment an Schneidewerkzeugen, das Sharra und Oldive ohnehin schon bei sich hatten?« fragte Jaxom, obwohl er mit seiner Gefährtin voll und ganz einer Meinung war und sie für ihre Offenheit sogar bewunderte. Auffallend war auch, daß Akki den Vorwurf nicht zurückgewiesen hatte.

Robinton zuckte auf Jaxoms Frage nur die Achseln. D'ram jedoch zupfte nachdenklich an seiner Unterlippe.

»Diamantschleifer verwendet man zum Ritzen von Edelsteinen und Glas. Wie hätten wir auf die Idee kommen sollen, damit eine Fädenkapsel aufzuschneiden?« fragte der alte Weyrführer und rang hilflos die Hände.

»Meister Fandarel hätte es wissen können«, bemerkte Robinton. Dann seufzte er. »Es gibt noch immer so viel zu verstehen, zu lernen und zu erkennen. Wird das je ein Ende haben, Akki?«

»Was?«

Meister Robinton lächelte Jaxom spöttisch an. »Das war eine rhetorische Frage, Akki.«

Akki schwieg.

***

Als die Gruppe auf dem Landsitz an der Meeresbucht eintraf, war man sich einig, daß der Aufenthalt auf der Yokohama sehr erfolgreich verlaufen sei. Die Drachen hatten sich mit dem freien Fall angefreundet; die Menschen hatten die befriedigende Erfahrung gemacht, schiffsförmige Tunnel durch anrückende Fäden schneiden zu können, ohne sich selbst oder ihre Freunde in Gefahr zu bringen. Gleich nachdem die Reiter abgesessen waren, strebten die Drachen dem warmen Wasser der Bucht zu; und auch die Menschen hatten gegen ein erholsames Bad nichts einzuwenden. Zum Glück hatte Lytol mit diesem Wunsch gerechnet und das Essen so spät angesetzt, daß alle sich vorher erfrischen konnten.

Ramoth hatte sich inzwischen so an die Feuerechsen gewöhnt, daß sie keine Einwände erhob, wenn auch wilde Tiere kamen, um den Reitern beim Abschrubben ihrer Drachen behilflich zu sein. Sie behauptete sogar, wegen ihrer eigenen Größe brauche Lessa, die zudem noch kleiner sei als die anderen Reiter, mehr Hilfe. Außerdem hat Ruth Jaxom und Sharra, die sich um ihn kümmern, fügte sie gebieterisch hinzu.

Als Lessa Ramoths Bemerkung lachend wiederholte, verkündete Robinton, er sei durchaus bereit, eine Königin abzuschrubben. Worauf D'ram meinte, Lessa habe schon viel zu viele Feuerechsenhelfer, Robinton dagegen sei auf Tiroth zur Yokohama geflogen und folglich aus reiner Höflichkeit verpflichtet, den Bronzedrachen zu waschen. Schließlich wateten alle Lehrlinge und Gesellen, die auf dem Landsitz arbeiteten, ins Wasser und halfen mit, die fünf Drachen zu säubern. Nur Lytol schloß sich aus.

Nachdem man in angenehmster Gesellschaft ein köstliches Mahl verspeist hatte, machten sich Jaxom, Sharra und Oldive notgedrungen auf den Weg nach Ruatha. Jaxom hatte sich ebenso wie Sharra allmählich an diese verlängerten Tage gewöhnt. Die zusätzlichen Stunden erlaubten es ihm, seine Pflichten als Burgherr zu erfüllen und zugleich das volle Akki-Programm mitzumachen. Während Sharra und Oldive sich um die Patienten auf der Krankenstation der Burg kümmerten, suchte er Brand auf, sah sich die Stallerweiterung am Flußufer an und inspizierte die Baumaßnahmen an zwei kleineren Pachthöfen.

Damit hatte er einen Zwanzig-Stunden-Tag hinter sich gebracht und war nicht allzu begeistert, als Ruth ihn mitten in der Nacht weckte, um ihm eine dringende Nachricht von F'lessan zu übermitteln.

Golanth sagt, das Dach von Honshu sei eingestürzt, und man habe in einem geheimen Raum etwas sehr Seltsames und eventuell sehr Wichtiges entdeckt, wiederholte Ruth getreulich, was man ihm aufgetragen hatte.

Golanth hat auch Lessa, F'lar, K'van und T'gellan informiert. Außerdem hat man die Nachricht an Meister Fandarel und an Meister Robinton geschickt, damit der sie an Akki weitergibt.

Jaxom blieb eine ganze Weile reglos liegen, obwohl er sich in Gedanken eingehend mit dieser neuen Entwicklung auseinandersetzte. Er hatte seine Nachtruhe dringend nötig und wäre am liebsten gleich wieder eingeschlafen.

Golanth würde uns niemals ohne Grund stören, fügte Ruth fast zerknirscht hinzu.

Das weiß ich! antwortete Jaxom müde. Irgendein Hinweis, wie Akki auf die Information reagiert hat?

Wenn du nicht bei Akki bist, kann ich auch nicht hören, was er sagt. Ruth schwieg lange, während Jaxom innerlich mit sich kämpfte, ob er wirklich sein warmes Bett und seine schlafende Frau verlassen sollte, um auf diesen neuen Appell angemessen zu reagieren.

Tiroth bringt die drei vom Landsitz an der Meeresbucht nach Honshu, fuhr der weiße Drache schließlich fort. Lytol meint, die Sache könnte sehr wichtig sein. Akki hat verlangt, die Säcke möglichst bald zu untersuchen.

Ramoth und Mnementh kommen auch. Es kommen überhaupt alle, die man benachrichtigt hat.

Jaxom unterdrückte einen Seufzer und tastete sich vorsichtig aus dem Bett, um Sharra nicht zu wecken. Sie brauchte den Schlaf ebenso dringend wie er. Vielleicht dauerte es nicht lange, und er konnte zurück sein, ehe sie überhaupt merkte, daß er schon wieder fort gewesen war. Sie und Oldive konnten es kaum erwarten, mit dem Diamantschleifer auf die Yokohama zurückzukehren. Er wollte die beiden nicht gern enttäuschen, nur weil man anderswo nach ihm verlangte.

Er zog sich unter dem Reitzeug nur leichte Kleidung an, weil es in Honshu wärmer sein würde, und freute sich, daß er doch nicht zu verschlafen war, um an solche Kleinigkeiten zu denken. Allerdings kontrollierte er nicht, wie er es sonst häufig tat, das Reitgeschirr, das immer offen an einem Haken in Ruths Weyr hing, sondern legte Ruth mit routiniertem Griff die Riemen an, die er in einem Versteck aufbewahrte. Dann schob er die großen Weyr-Tore auf, folgte dem weißen Drachen hinaus auf den Burghof und stieg in den Sattel. Nur der Wachdrache, der Wachwher und ein paar zur Burg gehörige Feuerechsen beobachteten stumm, mit blanken, blau und grün leuchtenden Augen ihren Abflug.

Wie kann man die Leute nur zu nachtschlafender Zeit irgendwohin zitieren, dachte Jaxom, als Ruth sich in die Lüfte schwang.

Wie spät ist es in Honshu? wollte Ruth wissen.

»Wahrscheinlich geht gerade die Sonne auf!« antwortete Jaxom verdrießlich und stellte sich die Fassade der Besitzung vor, die F'lessan ihm so lebhaft beschrieben hatte.

Trotz seiner pelzgefütterten Reitjacke fröstelte Jaxom im Dazwischen. Zwei Atemzüge später schwebten sie im ersten Licht des Morgens über einer Nebeldecke. Wo man hinsah, klammerten sich andere Drachen an einzelne aus dem Dunst herausragende Felszinnen. Ruth landete auf dem nächsten freien Zacken und nickte den anderen zur Begrüßung zu.

»Und wo ist Honshu?« wollte Jaxom wissen.

Ramoth sagt, es liegt rechts von uns im Flußnebel versteckt. Ich wußte genau, wohin ich flog. Es ist nur noch nicht zu sehen, antwortete Ruth. Das wird ein wunderschöner Tag, nicht wahr? fuhr er überraschend fort und blickte nach Osten, wo der Himmel sich schon heller färbte.

Jaxom betrachtete die Aussicht und pflichtete ihm, wenn auch zögernd, bei. Zu seiner Linken standen die beiden Monde, halb voll, an einem ungewöhnlich klaren, und blauen Himmel.

Die Nacht wanderte nach Westen - wo auch sein warmes Bett stand, dachte er sehnsüchtig. Am liebsten hätte er sich im Sattel vorgebeugt, den Kopf auf Ruths Hals gelegt und weitergeschlafen, bis der Nebel sich lichtete.

Aber je länger er in den Tag hineinsah, der so schön begann daß Ruth so ins Schwärmen geraten konnte, war sogar ihm ganz neu -, desto schwerer fiel es ihm, sich von dem Anblick loszureißen.

Neue Drachen trafen ein, zogen überrascht Kreise in der Luft, weil sie nicht damit gerechnet hatten, daß ihr Zielgebiet so völlig verdeckt sein würde, und landeten schließlich, wo immer es ging.

Golanth bittet um Entschuldigung, teilte Ruth Jaxom mit.

Der Nebel hat sich erst bei Tagesanbruch vom Fluß heraufgewälzt. Sobald die Sonne aufgegangen ist, wird es aufklaren, sagt er.

Er will sich in der Nähe des eingestürzten Daches postieren.

Der weiße Drache wandte den Kopf in die angegebene Richtung, und Jaxom sah, wie Golanths bronzefarbene Gestalt sich aus dem Nebel erhob und sich auf einer noch unsichtbaren Fläche niederließ. Golanth sagt, unten warten heißer Klah und Frühstücksbrei auf euch. Außerdem steht uns eine hübsche Überraschung bevor, weil ja kaum jemand Honshu bisher gesehen hat. Er sagt auch, die Jagd im Tal ist ausgezeichnet vorausgesetzt, man sieht etwas.

Die Einschränkung weckte Jaxoms Sinn für Humor, und er lachte sich seine schlechte Laune von der Seele. In diesem Augenblick ging die Sonne auf und durchdrang den Nebel mit ihren hellen, warmen Strahlen. Ein leichter Wind hatte den Dunst rasch vertrieben, so daß endlich die Felswand von Honshu sichtbar wurde, und Golanth, der ganz oben in luftiger Höhe thronte.

Golanth empfiehlt uns, auf dem oberen Sims am Haupttor zu landen. Dort müßte genug Platz für alle sein. Das Dach könnte nämlich noch weiter einbrechen, und die Stallungen auf der unteren Ebene sind noch nicht ganz ausgeräumt. F'lessan möchte nicht, daß jemand die Besitzung von dort aus betritt.

Fast wie auf ein Stichwort stiegen die wartenden Drachen auf. Vielleicht zerstreute der Sog der großen Schwingen die letzten Nebelfetzen, jedenfalls war bis hinauf zur zweiten Fensterreihe alles klar, als die riesigen Tiere zur Landung ansetzten. F'lessan und die Weyrangehörigen, die Honshu wieder bewohnbar machen sollten, standen bereits im breiten Torbogen und jubelten den Neuankömmlingen zu.

»Vielen Dank, daß ihr so rasch gekommen seid«, grinste F'lessan. »Ich glaube, ihr werdet nicht enttäuscht sein. Tut mir leid, daß ich dich aus dem Bett geholt habe, Jaxom, ich weiß, du hattest einen langen Tag, aber du hättest es mir nie verziehen, wenn ich dir das vorenthalten hätte.« Der junge Bronzereiter legte Jaxom kameradschaftlich den Arm um die Schulter und sah ihn so besorgt an, daß Jaxom sich verpflichtet fühlte, ihn zu beruhigen.

»Sehr aufmerksam von dir, F'lessan, daß du für Klah und Essen gesorgt hast«, lobte Lessa auf dem Weg durch die Vorhalle, »aber zuerst möchte ich deine Entdeckung sehen.«

F'lessan zeigte auf mehrere Plastiksäcke auf einem langen Tisch im Hauptraum. »Ihr könnt euch auch die Geheimkammer ansehen, wenn es euch nichts ausmacht, euch über endlose Wendeltreppen hinaufzuschleppen.«

Alle eilten an den Tisch, nur Jaxom blieb auf der Schwelle stehen und betrachtete die eindrucksvollen Fresken, deren Farben noch so frisch waren wie am ersten Tag. Er erinnerte sich vage an eine Unterhaltung zwischen Lytol und Robinton über irgendwelche Wandmalereien in Honshu, aber so großartig hätte er sich das alles nicht vorgestellt.

»Umwerfend, nicht wahr?« F'lessan hatte sich wieder seinem alten Freund zugewandt und nahm sich ebenfalls Zeit, die Bilder zu bewundern. »Eigentlich ist die Besitzung für einen Weyr zu klein, auch wenn Golanth meint, es seien genügend geeignete Simse für die Drachen vorhanden. Und gutes Futter.«

»Der Süd-Weyr hatte ursprünglich nicht einmal das«, gab Jaxom zu bedenken.

»Gewiß. Aber der ist wie eine Burg organisiert. Ich möchte einfach nicht, daß hier jemand den Herrn spielt«, rief F'lessan stürmisch. »In einem Weyr wissen die Leute, daß sie nach Belieben kommen und gehen können. Aber du willst dir sicher ansehen, was ich gefunden habe. Und nachdem ich dich schon einmal hergelockt habe, werde ich dir auch die ganze Besitzung zeigen. Sie ist erstaunlich gut erhalten und quillt über von faszinierenden Werkzeugen und Instrumenten. Die Schmiede sind ganz hingerissen.«

»Jancis hat mir den gesamten Bestand aufgezählt.« Jaxom grinste spöttisch.

F'lessan hatte einen höchst ungewöhnlichen Fund gemacht: in den Plastiksäcken befand sich eine Flüssigkeit. Jeder Sack war gewissenhaft mit einem festen Band verschlossen, an dessen Ende sich ein breites Schild mit einem seltsamen Strichmuster befand. Weder Robinton noch Lytol hatten je etwas dergleichen in Akkis Archiv gesehen.

»Einen habe ich aufgemacht«, sagte Flessan und deutete auf einen Sack, den man in eine Wanne gestellt und oben vorsichtig umgeschlagen hatte, um an den Inhalt heranzukommen. »Zuerst habe ich es für Wasser gehalten, aber das ist ein Irrtum. Das Zeug hat einen ganz eigenartigen Glanz, außerdem wäre Wasser wohl schon längst verdunstet. Es riecht auch komisch. Gekostet habe ich es nicht.«

Lytol und Fandarel stießen fast mit den Köpfen zusammen, als sie sich vorbeugten, um an der Flüssigkeit zu schnuppern. Fandarel tauchte einen Finger hinein, roch daran und verzog das Gesicht.

»Trinkbar ist es mit Sicherheit nicht.«

»Wir sollten diesen Sack zu Akki bringen, um ihn untersuchen zu lassen«, sagte Lytol. »Ist das alles?«

»Nein«, antwortete F'lessan vergnügt. »Außer den sechsen hier gibt es noch vierunddreißig weitere. Aber nicht überall ist gleich viel drin. Ein paar waren ganz leer, sie waren wohl nicht dicht. Vielleicht sind auch die Tunnelschlangen drangegangen. Die Biester fressen einfach alles.«

»Sagtest du nicht etwas von einer Treppe?« fragte Lessa.

»Nun, die Stufen waren nicht ganz ausgehauen. Ab der letzten Biegung sind es eigentlich nur noch Kletterhilfen. Wir hatten dieses Stockwerk bisher nicht untersucht - bis Benmeth durch die Decke brach.«

»Du hast mir nicht einmal erzählt, ob sie sich verletzt hat oder nicht«, sagte Lessa vorwurfsvoll.

F'lessan grinste; die Launen seiner Mutter ließen ihn ziemlich kalt. »Sie hat sich das linke Hinterbein aufgeschürft, aber J'lono hat sie von Kopf bis Fuß mit Heilsalbe zugekleistert. Jetzt ist sie unten im Arbeitsraum.«

»Ich möchte diese Treppe sehen, Flessan«, sagte F'lar. Der junge Reiter zeigte auf eine Tür, und der Weyrführer von Benden ging darauf zu, dicht gefolgt von Fandarel, Lytol, K'van und T'gellan.

»O nein, Sie nicht.« Lessa hielt Robinton am Arm fest. »Freier Fall ja, Treppensteigen nein, Robinton. Und wie ich Sie kenne, haben Sie auch noch nichts gegessen.«

Jaxom, der keine Lust zu einem langen Fußmarsch hatte, unterstützte Lessa, und F'lessan erklärte, die Weyrbewohner würden es Robinton nie verzeihen, wenn er nicht auf der Stelle Platz nehme und die Gastfreundschaft von Honshu genösse.

***

»Es ist Treibstoff«, sagte Akki, und Robinton hätte schwören können, in seiner Stimme so etwas wie Jubel zu hören. »Treibstoff!«

»Ja, aber ist er denn nach so langer Zeit noch zu gebrauchen?« fragte Fandarel.

Vor seinem inneren Auge sah Jaxom die drei Fähren von der Schiffswiese abheben, schlug sich diesen Wunschtraum jedoch sofort als unerfüllbar aus dem Sinn. Diese Schiffe würden nie wieder fliegen. Pern hatte nicht die technischen Möglichkeiten, um die notwendigen Reparaturen durchzuführen.

»Das Alter kann diesem Treibstoff nichts anhaben, und die mitgebrachte Probe weist auch keinerlei Verunreinigungen auf. Da der Fund in Honshu gemacht wurde, der Besitzung von Kenjo Fusaiyuki, darf man annehmen, daß es sich dabei um einen Teil der Mengen handelt, die er zum persönlichen Gebrauch beiseite geschafft hatte. In den Aufzeichnungen von Kapitän Keroon findet sich eine diesbezügliche Erwähnung; man hatte auch in Honshu nach dem Lager gesucht, es jedoch nie entdeckt.«

»Aber der Schlitten ist so gut erhalten, könnten wir nicht…«, begann Fandarel aufgeregt.

»Der Schlitten wird mit Energiezellen angetrieben, nicht mit Treibstoff. Außerdem gibt es für die vierzig Säcke, die gefunden wurden, eine ausgezeichnete Verwendung«, entschied Akki.

»Wo? Warum? Wie?« wollte Jaxom wissen. »Sagtest du nicht, die Yokohama werde mit Antimaterie betrieben?«

»Nur über interstellare Entfernungen«, erklärte Akki. »Dieser Treibstoff wurde für Flüge innerhalb eines Sonnensystems benötigt.«

»Die Fähren auf dem Feld?« Die Vorfreude trieb Piemur die Röte ins Gesicht, und Jaxom merkte, daß er nicht als einziger irgendwelchen Wunschträumen nachhing.

»Selbst wenn Sie auf technischem Gebiet weiter fortgeschritten wären, die Fähren sind so altersschwach, daß keine Reparatur mehr möglich ist«, sagte Akki. »Dieses unerwartete Geschenk wird uns noch sehr gelegen kommen, doch zuvor sind sämtliche Alternativen gründlich zu prüfen.«

Jaxom und Piemur sahen sich entrüstet an.

»Laß mich raten, Akki«, sagte Jaxom. »Wir könnten den ganzen Treibstoff in die Tanks der Yokohama schütten oder auf alle drei Schiffe verteilen. Damit bekämen wir ein halbes G Schwerkraft und eine gewisse Manövrierfähigkeit - nur einmal angenommen, wir wollten mit diesen Schiffen irgendwohin fliegen…« Er verstummte. Nun war Akki am Zug.

»Der Treibstoff reicht nicht aus, um die Oort'sche Wolke zu erreichen«, sagte Akki, »auch nicht, um den Fädenstrom zurückzuverfolgen und mit der Zerstörungseinrichtung der Schirme die Dichte der Ovoide zu verringern.«

Bemüht, sich seine Enttäuschung nicht anmerken zu lassen, zwang sich Jaxom zu einem Lächeln.

»Da ist ihm doch glatt wieder eine Möglichkeit eingefallen, auf die ich nicht gekommen bin.«

»Wer sind wir denn, daß wir Akki durchschauen wollen?« fragte Piemur, aber Jaxom entging die unterdrückte Wut in den Augen des Harfners nicht.

»Eines Tages…« Das war nur für Piemur bestimmt, und der nickte.

»Aber Akki, nun haben wir schon einmal eine Probe hier«, flehte Fandarel. »Warum analysierst du nicht die Zusammensetzung, und wir kopieren sie? Es müßte doch möglich sein, so viel Treibstoff herzustellen, daß wenigstens ein Schiff zur Oort'schen Wolke gelangen könnte.«

»Zu welchem Zweck?«

»Nun, um die Wolke zu sprengen! Um den Fädenorganismus an seinem Ursprung zu vernichten!«

Wieder legte Akki eine seiner typischen Pausen ein, und dann erschien plötzlich das Rubkat-System auf dem Bildschirm. Neben der Sonne wirkten die Satelliten klein und unbedeutend. Das Bild wechselte unvermittelt, die strahlende Sonne schrumpfte zu einem winzigen Lichtpunkt, die Planeten wurden so klein, daß sie nicht mehr zu erkennen waren, dann ergoß sich die Oort'sche Wolke wie brodelnder Nebel über den Schirm und löschte selbst die ferne Rubkat aus. Wie schon so oft bei solchen Demonstrationen erschien eine rote Linie und beschrieb die Bahn des Roten Sterns durch die Oort'sche Wolke und zurück ins System, wo sie innerhalb von Perns unauffälligerem Orbit um den Primärstern herumführte.

»Akki versteht es wirklich, uns die Flügel zu stutzen«, murmelte Piemur.

»Oh!« seufzte Fandarel resigniert. »Es ist wirklich schwierig, die gewaltigen Ausmaße der Wolke im Vergleich zu unserer kleinen, unbedeutenden Welt so recht zu würdigen.«

»Und was zerstören wir nun wirklich, um uns die Sporen vom Halse zu scharfen?« fragte F'lar.

»Die beste Möglichkeit, diese Bedrohung zu verringern, besteht darin, den Orbit des exzentrischen Planeten zu verändern, der die Sporen in Perns System bringt.«

»Und wann erklärst du uns, wie wir das erreichen können?«

»Es wird nicht mehr lange dauern, bis alle Forschungen abgeschlossen sind und die technischen Mittel zur Verfügung stehen.«

»Dann hilft es uns gar nichts, daß wir den Treibstoff gefunden haben?« F'lessan ließ enttäuscht den Kopf hängen, sein sonst so fröhliches Gesicht hatte sich verdüstert.

»Er könnte auf einem anderen Gebiet sehr wichtig werden, F'lessan. Es ist immer gut, mehrere Alternativen zu haben. Sie alle haben ausgezeichnete Arbeit geleistet.«

Für Akkis Verhältnisse war dies ein wahrhaft hohes Lob.

»Aber Sie dürfen nun nicht in Apathie versinken.«

»Was soll ich dann mit all den Treibstoffsäcken anfangen?« fragte F'lessan mutlos.

»Sie müssen nach Landing gebracht und dort sicher verwahrt werden.«

»Soll ich sie nicht umfüllen? Die Säcke sind schon alt.«

»Wenn sie zweitausendfünfhundertachtundzwanzig Jahre überdauert haben, werden sie auch noch ein weiteres Jahr halten.« Auf dem Bildschirm erschien ein Diagramm.

»Nach diesem Plan sind die Sprünge der Braunen und der Bronzedrachen in die Frachträume aller drei Schiffe durchzuführen. Den neuesten Werten nach ist inzwischen genügend Sauerstoff vorhanden, so daß alle Drachen mit ihren Reitern Erfahrungen in der Schwerelosigkeit sammeln können.«

»Wozu?« fragte F'lar.

»Für den Erfolg des Plans ist es unerläßlich, daß alle Drachen von Pern lernen, sich im freien Fall zu bewegen.«

Der Plan wurde an die Führer aller acht Weyr weitergegeben und löste bis auf wenige Ausnahmen - hauptsächlich Reiter älterer Drachen, denen selbst die Jagd allmählich Mühe bereitete - überall Jubel aus. Die Jungreiter waren hellauf begeistert, und die Ausbilder hatten alle Hände voll zu tun, um die Disziplin zu wahren.

Jeder Gruppe wurde jemand beigegeben, der bereits Erfahrung mit dem freien Fall gesammelt hatte; sogar Jancis, Piemur und Sharra wurden als Betreuer eingesetzt. Oft schlossen sich ganze Schwärme von Feuerechsen an, und obwohl deshalb manchmal Klagen kamen, war Akki sehr angetan von ihrem Interesse. Eine neue Welle der Begeisterung fegte durch alle Weyr und half, die typische Lethargie der Phasenmitte zu überwinden.

Drei Tage später wurde zwischen den Treibstoffsäcken Feuer gelegt, aber die Feuerechsen schlugen Alarm, und so entstand kein Schaden. Akki nahm die Nachricht von der nur knapp vermiedenen Katastrophe gelassen auf und teilte Lytol und D'ram, die völlig außer sich waren, nur nebenbei mit, der Treibstoff sei nicht brennbar. Allen fiel ein Stein vom Herzen, doch als Fandarel davon hörte, wollte er sofort wissen, wie denn ein solcher Treibstoff die gewünschte Wirkung erzielen könne. Daraufhin hielt ihm Akki einen ausführlichen Vortrag über die Bauweise sieben verschiedener Typen von Düsentriebwerken, von den einfachen Reaktionsmotoren, die sie im Unterricht kennengelernt hatten und die selbst dem Schmiedemeister nicht sehr sinnvoll erschienen, bis zu komplexeren Mehrphasensystemen.

Am gleichen Abend brachte Meister Moriltons Feuerechse die Schreckensbotschaft, jemand habe den gesamten Vorrat an Linsen zerstört, die seine Gildehalle für den Einbau in Mikroskope und Teleskope angelegt hatte. Monate harter und geduldiger Arbeit waren umsonst gewesen. Am nächsten Morgen stellte Meister Fandarel fest, daß jemand die für die Linsen bestimmten Metallgehäuse über Nacht ins Schmiedefeuer geworfen hatte, wo sie ausgeglüht waren.

Es war ein Glück, daß das Orientierungsprogramm für die Drachen so gut lief, sonst hätte die Moral einen neuen Tiefstand erreicht. Dann hatten Oldive und Sharra endlich einen Erfolg zu melden. Es war ihnen gelungen, die Hülle des Fädeneis mit einem Diamantschleifer zu durchtrennen.

»Viel klüger bin ich trotzdem nicht«, klagte Sharra, als sie an diesem Abend nach Hause kam.

»Es ist ein komplexer Organismus, und wir werden lange brauchen, um ihn zu analysieren. Wir müssen langsam vorgehen. Ich glaube, nur deshalb hat uns Akki beigebracht, Bakterienkulturen anzulegen. Ein gutes Training für diese Art von Untersuchung.«

»Wie sah das Ding denn nun aus - innen, meine ich?« fragte Jaxom.

»Ein heilloses Durcheinander.«

Sie runzelte ratlos die Stirn. Dann lachte sie abfällig.

»Ich weiß nicht, was ich erwartet hatte. Ich hatte mir eigentlich weiter keine Gedanken gemacht. Jedenfalls ist das Ovoid von mehreren Schichten aus schmutzigem, steinhartem Eis umgeben, in das die verschiedensten Steinchen, Körner und und irgendwelcher anderer Plunder eingebettet sind, weißlich, gelb, schwarz, grau… Ob das Gelbe wohl Helium sein könnte? Hast du die Vorlesungen über die Verflüssigung von Gasen gehört? Nein, das waren wohl Piemur und Jancis.

Jedenfalls gibt es Ringe, die das Ovoid ganz umschließen. Diese Ringe lassen sich von den anderen Substanzen lösen. Außerdem findet man Röhrchen und ganze Trauben blasiger Materie. Akki sagte, es handle sich um eine sehr wirre Lebensform.«

Jaxom lachte überrascht auf.

»Bei uns stiftet sie jedenfalls Verwirrung!«

»Kindskopf! So meint er das nicht. Aber wir sind heute nicht sehr weit gekommen, weil wir für die Arbeit bei drei Grad über dem absoluten Nullpunkt nicht die richtigen Werkzeuge haben.« Sie grinste. »Alle Instrumente, die wir mitgebracht hatten, wurden in der Kälte spröde und zerbröckelten uns unter den Fingern.«

»Metall? Spröde?«

»Dabei war es hochwertiger Schmiedestahl. Akki sagt, wir müssen mit Spezialglas arbeiten.«

»Glas, hm.« Jaxom erinnerte sich an die vielen Stunden, die Akki mit Meister Morilton verbracht hatte, und lachte. »Das war also der Grund. Aber wie konnte Akki schon damals wissen, daß wir ein Fädenei einfangen würden, wenn er nicht einmal ahnte, daß das überhaupt möglich war?«

»Ich fürchte, ich kann dir nicht ganz folgen, Jaxom.«

»Ich mir selbst wohl auch nicht, Liebste. Wer hier wohl die größeren Überraschungen erlebt? Akki oder wir?«

***

Am nächsten Morgen bat Sharra Jaxom um Erlaubnis, sich von Ruth zu Meister Oldive bringen zu lassen, um mit ihm zu besprechen, wen sie zu ihren Untersuchungen noch hinzuziehen sollten. Ruth war Sharra stets gern zu Diensten, und so konnte Jaxom getrost in Ruatha bleiben, um mit Brand eine längst überfällige Gerichtsverhandlung zu leiten.

Er hatte gerade seinen Platz im Großen Saal eingenommen, als er einen kurzen Blick auf Ruth erhaschte, der, mit Sharra auf dem Rücken, eben vom Boden abhob.

Das Geschirr, Ruth! Welches Geschirr hat Sharra genommen?

Von Ruth kam die Antwort: Sie ist nicht in Gefahr, doch in diesem Moment kreischten ihre beiden Feuerechsen so laut, daß Lamoth, der alte Bronzedrache auf Ruathas Höhen, erschrocken zu trompeten begann. Wie gelähmt beobachtete Jaxom, wie Ruth sich langsam herabsinken ließ. Sharra hielt sich krampfhaft an seinem Hals fest, Meer und Talla hatten ihre Krallen in die Schulterpolster ihrer Reitjacke geschlagen. Der breite Sattelgurt hing lose zwischen Ruths Beinen.

Am ganzen Körper zitternd, rannte Jaxom aus dem Großen Saal. Seine Würde, seine Pflichten waren vergessen. Er hatte seine Gefährtin wegen eines Vorfalls, den er schon fast vergessen hatte, nicht beunruhigen wollen, und das hätte sie um ein Haar das Leben gekostet. Seine Hände bebten noch immer, als Ruth vor ihm aufsetzte. Er half Sharra, den rutschenden Sattel zu verlassen, und schloß sie stürmisch in die Arme.

Ich hätte fragen sollen, welches Reitgeschirr sie genommen hatte, sagte Ruth zerknirscht, seine Haut war ganz grau vor Entsetzen. Ich hätte ihr sagen können, wo du das Geschirr versteckt hast, das du in letzter Zeit benützt.

»Es ist nicht deine Schuld, Ruth. Alles in Ordnung, Sharra? Du bist nicht verletzt? Als ich dich da hängen sah…« Die Stimme brach ihm, er drückte sein Gesicht in ihre Halsgrube und spürte, daß sie kaum weniger zitterte als er.

Sharra ließ sich nur zu gerne trösten, doch sobald ihr zu Bewußtsein kam, daß sie nicht allein waren, lachte sie verlegen und wollte sich aus seinen Armen lösen.

Er lockerte zwar seinen Griff, ließ sie aber nicht los. Wenn sie nicht so viel Reiterfahrung hätte… wenn Ruth kein so kluger Drache wäre…

»Ich dachte, du hast das Geschirr geflickt?« Sie sah ihm angstvoll in die Augen.

»Hatte ich ja!« Er konnte ihr nicht die Wahrheit sagen, nicht vor so vielen Ohren, und so nahe sie sich auch standen, sie merkte offenbar nicht, daß er nicht völlig offen war.

»Ich muß zu Oldive, Jaxom«, sagte sie, schwankend zwischen Pflichtgefühl und Angst. »Glaubst du, Ruth würde mir verzeihen, wenn ich mich von G'lanar auf Lamoth hinbringen ließe?«

»Du willst trotz allem fliegen?« fragte Jaxom erstaunt, doch insgeheim war er stolz auf seine tapfere Gefährtin, die sich nicht unterkriegen ließ.

»Das ist die beste Methode, Jaxom, um den Schock zu überwinden.« Sie beugte sich über seine Schulter, um Ruth die Nase zu streicheln. »Es war wirklich nicht deine Schuld, liebster Ruth. Bitte beruhige dich. Dieser Grauton steht dir gar nicht!«

Ich habe im Sprung gespürt, wie der Gurt nachgab, erklärte Ruth. Ich hätte sie fragen müssen, welches Geschirr sie genommen hatte. Ich hätte sie fragen müssen.

»Schon gut. Du hast Sharra das Leben gerettet«, wiederholte Jaxom. Er war seinem Drachen so dankbar wie noch nie. »Aber sie muß trotzdem in die Heilerhalle. Auf Lamoth, mit G'lanar.«

Ruth sah seinen Reiter an, und allmählich verblaßte das Orange der Panik in seinen Augen. Für einen von den Alten ist er ganz zuverlässig, räumte er schließlich widerwillig ein. Wenn nur Duluth und S'gar schon zurück wären.

»Du weißt, daß die beiden keine Kampfeinsätze mehr fliegen können. G'lanar vergreist zusehends, und Lamoth kann kaum noch sein Futter kauen, von Feuerstein ganz zu schweigen.« Jaxom dachte nicht weiter über Ruths Bemerkung nach, sondern rief den alten Drachen mit seinem Reiter herbei und bat sie taktvoll, Sharra zur Heilerhalle zu bringen. Dann nahm er seinem Drachen das zerrissene Reitgeschirr ab und rollte es auf, um es später zu untersuchen.

Er sah den dreien nach, bis Lamoth ins Dazwischen ging. Meer und Talla folgten ihnen ganz ruhig. Anschließend kehrte er in den Großen Saal zurück, wo Brand und die Unterverwalter dabei waren, alle Anwesenden wieder auf ihre Plätze zu scheuchen.

»Du hast es ihr nie gesagt?« flüsterte Brand ihm ins Ohr, als sie sich setzten.

»Jetzt werde ich es tun. Das war zu knapp.« Mit zitternden Fingern sammelte Jaxom die Papiere ein, die er im ersten Schreck überall verstreut hatte.

»Das kann man wohl sagen. Steht dieser… nun, dieser dreiste Anschlag auf dein Leben in irgendeinem Zusammenhang mit den jüngsten Vorfällen?«

»Wenn ich das nur wüßte.«

»Jetzt wirst du hoffentlich auch Benden ins Vertrauen ziehen?« Brand sah ihn mit unerbittlicher Strenge an.

»Versprochen.« Jaxom lächelte matt. »Weil mir nämlich klar ist, daß du es sonst tust.«

»Worauf du dich verlassen kannst.« Brand hob die Stimme: »Im ersten Fall geht es um den Vorwurf des Mißbrauchs burgeigener Vorräte…«

***

An diesem Abend erzählte Jaxom seiner Sharra in allen Einzelheiten von dem Vorfall auf Tillek und den Nachforschungen, die Brand in Gang gesetzt hatte - übrigens ohne jedes Ergebnis, denn Pell beteuerte, er sei ganz zufrieden damit, den gleichen Beruf auszuüben wie sein Vater. Niemand habe ihn auf seine Zugehörigkeit zum Geschlecht Ruatha angesprochen. Außerdem sei er bestenfalls ein Vetter zweiten Grades.

Nachdem Sharra ihm die Hölle heiß gemacht hatte, weil er ihr Sorgen hatte ›ersparen‹ wollen, gingen sie die Eintragungen im Gästebuch der Burg durch, fanden aber nichts, was irgendwie Verdacht hätte erregen können. Auch Ruth war ihnen keine Hilfe, denn wenn Jaxom zu Hause war, hielt er sich nicht ständig in seinem Weyr auf, sondern leistete meist dem Drachen Gesellschaft, der gerade auf den Höhen Wache hielt.

Sogar, wenn es der alte Lamoth ist, fügte er hinzu. Ich kratze ihn, wenn es ihn juckt; und dafür kratzt er mich.

Am nächsten Tag wurden Sharra und Jaxom in Landing zu einem Gedankenaustausch über die zunehmende Zerstörungswut erwartet.

»Wenn du nicht auspackst, was hier passiert ist, Jaxom, dann tue ich's.« Sharra war wild entschlossen.

»Dabei geht es doch um die Nachfolge, Sharrie«, wandte er ein. »Die Zerstörungen haben nichts damit zu tun.«

»Und woher willst du das wissen?« Sie umklammerte mit beiden Händen die Armlehnen ihres Sessels und starrte ihn vorwurfsvoll an. »Immerhin bist du bei sämtlichen Plänen Akkis der Anführer.«

»Ich? Der Anführer?« Jaxom war fassungslos.

»Ja, auch wenn du es nicht merkst.« Ihre Miene wurde sanfter. »Typisch für dich.« Ihr zärtliches Lächeln enthielt auch eine Spur Herablassung. »Es ist schon so, du kannst es mir glauben, und außerdem weiß es der ganze Planet.«

»Aber ich… ich…«

»Ach, nun reg dich nicht auf, Jax. Ich finde es liebenswert, daß du dich nicht aufblähst vor lauter Wichtigkeit, und allen Leuten mit deinem übersteigerten Selbstbewußtsein auf die Nerven fällst.«

»Wer tut das denn?« Jaxom ließ rasch alle seine Mitarbeiter Revue passieren.

»Niemand, aber du hättest allen Grund dazu.« Sie setzte sich auf seinen Schoß, legte ihm einen Arm um den Hals und strich ihm die Sorgenfalten aus der Stirn. »Und deshalb könntest du durchaus eine Zielscheibe für Andersdenkende sein. Jedenfalls kannst du dich nicht vor der Tatsache verstecken, daß die Unzufriedenheit mit Akkis viel zu langfristig angelegtem Projekt immer weiter zunimmt.«

Jaxom seufzte, denn auch das hätte er gerne heruntergespielt. »Ich bin mir dessen nur allzu bewußt. Ja, eigentlich empfinde ich es als Erleichterung, daß sie jetzt endlich aus ihren Löchern gekrochen sind.«

Sharra erstarrte in seinen Armen. »Du weißt, wer es ist?«

Er schüttelte den Kopf. »Sebell weiß, wer wahrscheinlich mit im Spiel ist, aber keiner seiner Harfner konnte bisher auch nur einen einzigen Beweis beibringen. Und ohne wirklich hieb- und stichfeste Beweise kann man keinen Burgherrn unter Anklage stellen.«

Sie gab ihm leise recht und legte ihren Kopf auf seine Schulter. »Aber du paßt gut auf dich auf, nicht wahr, Jax?« flüsterte sie dann ängstlich.

Er drückte sie an sich. »Besser als du auf dich. Wie oft habe ich dir gesagt, daß man sein Reitgeschirr überprüft, ehe man es anlegt?« fragte er. Ihre Entrüstung quittierte er mit einem Grinsen.

***

Als man sich am nächsten Tag in Landing versammelt hatte, übernahm Akki das Kommando und ließ als erstes das Gebäude räumen. Nur die ausdrücklich Geladenen durften bleiben.

»Zwar richten sich die Angriffe ohne Zweifel gegen die neue Technologie, die Sie entwickeln«, begann Akki, »dennoch ist es bisher nicht gelungen, das Hauptziel Ihrer Bemühungen ernstlich zu gefährden.«

»Bisher«, wiederholte Robinton bedrückt.

»Ich bin nicht dieser Ansicht« sagte Sharra und musterte Jaxom mit festem Blick. Als er zögerte, fuhr sie fort: »Jemand versucht, Jaxom umzubringen.«

Als sich der Aufruhr gelegt hatte, berichtete Jaxom ausführlich und präzise, was geschehen war.

»Das ist beunruhigend.« Akkis Stimme übertönte das Durcheinander von Fragen. »Bietet Ihnen der weiße Drache keinen Schutz vor solchen Anschlägen? Kann er sie nicht verhindern?«

»Nun regt euch doch nicht so auf.« Jaxom haßte es, soviel Wirbel zu machen, obwohl er gerne die Gewähr gehabt hätte, daß Sharra nicht weiter bedroht würde. »Ruth hat sofort reagiert, als der Gurt riß, und damit hat er Sharra das Leben gerettet. Ich hatte das Reitgeschirr offen aufgehängt und die Riemen, die ich tatsächlich verwende, versteckt. Es war nur…«

»Ich sollte mir keine Sorgen machen«, sagte Sharra bissig. »Brand versucht festzustellen, wer Gelegenheit gehabt hätte, das Leder anzuritzen. Es war sehr geschickt gemacht, der Täter wußte genau, welche Belastung ein Reitriemen aushalten muß.«

»Ein Drachenreiter?« Lessa schnappte fast die Stimme über, und draußen auf den Höhen trompetete die Hälfte der Drachen erschrocken los. »Auf ganz Pern gibt es keinen Drachenreiter, der Jaxom oder Ruth in Gefahr bringen würde!« Sie funkelte den jungen Baron an, als sei alles ganz allein seine Schuld. Er gab den Blick unerschrocken zurück.

»Außerdem könnte kein Drachenreiter so etwas ohne Wissen seines Drachen tun«, erklärte F'lar mit Nachdruck.

»Es wäre doch nichts gewonnen« - Lessa stockte -, »wenn man Jaxom beiseite schaffte.«

»Könnte es sein, daß der Anschlag gegen mich gerichtet war, weil ich an der Untersuchung des Sporenexemplars beteiligt bin?« fragte Sharra.

Jaxom schüttelte den Kopf. »Wie denn? Wer konnte wissen, daß du dich von Ruth zur Heilerhalle fliegen lassen wolltest?«

»Da im allgemeinen nur Jaxom auf Ruth reitet«, schaltete Akki sich ruhig ein, »muß man wohl annehmen, daß er das Ziel war. Weitere Anschläge auf sein Leben dürfen nicht erfolgen.«

»Meer und Talla haben ihre Anweisungen«, sagte Sharra energisch.

»Und was ist mit Ruth?« wollte Lessa wissen und verstummte erschrocken, als alle in Landing versammelten Drachen ein schrilles Trompetenkonzert anstimmten. Soviel Kampfbereitschaft hatte sie nicht erwartet. »Offenbar fühlen sich alle Drachen auf Pern angesprochen!« Sie beugte sich zu Sharra und legte ihr die Hand auf den Arm. »Immerhin sind wir jetzt gewarnt.« Sie wandte sich Jaxom zu und musterte ihn mit stummem Tadel. »Wir hätten viel früher verständigt werden müssen, junger Mann!«

»Es bestand aber doch gar keine Gefahr«, protestierte Jaxom. »Ich bin sehr vorsichtig gewesen.«

»Sie wären gut beraten, Ihre Wachsamkeit noch zu verstärken, Jaxom. Außerdem müssen unverzüglich geeignete Sicherheitsmaßnahmen eingeleitet werden, um weitere Zerstörungen in all den Gildehallen zu verhindern, die irgendwelche Spezialaufträge übernommen haben«, sagte Akki streng. »Durch die jüngsten Vorfälle wird zwar die Fertigstellung verschiedener nützlicher Dinge verzögert, aber zum Glück haben die Unruhestifter die wahre Bedeutung anderer wichtiger Projekte nicht erkannt: die Raumhelme, die Sauerstofftanks und die zusätzlichen Raumanzüge sind für den Erfolg unserer Bemühungen unentbehrlich.«

»Die Arbeiten an diesen Dingen sind auf mehrere Gildehallen verteilt und werden an verschiedenen Orten ausgeführt«, sagte Fandarel erleichtert. Doch dann schüttelte er den Kopf, und seine Miene verdüsterte sich. »Es will mir einfach nicht in den Kopf, daß Angehörige meiner Gildehalle mutwillig die Arbeit ihrer Kameraden zerstören konnten.«

»Ihre Gesellschaft basiert auf Vertrauen«, warf Akki ein, »und es ist traurig, mitansehen zu müssen, wie dieses Vertrauen enttäuscht wird.«

»So ist es.« Tiefe Niedergeschlagenheit klang aus Fandarels Stimme. Doch dann richtete er sich auf. »Wir werden vorsichtig sein. F'lar, könnten Sie noch ein paar Reiter für zusätzliche Wachen entbehren?«

»Wachwhere wären effektiver«, behauptete Lytol, der sich bisher nicht an der Diskussion beteiligt hatte. Er war bei Jaxoms Bericht unter seiner südlichen Bräune totenbleich geworden. »Sie wären äußerst effektiv, außerdem bin ich der Ansicht, daß die Weyr im Moment nicht noch mehr belastet werden sollten.«

»Wachwhere und Feuerechsen«, ergänzte Fandarel. »Viele der betroffenen Gildemeister haben Feuerechsen, und wenn man ihnen sagt, daß sie wachsam sein müssen, dann sind sie es auch.«

»Mein Bruder Toric hatte große Erfolge mit jungen Katzen«, warf Sharra ein. »Untertags muß man sie natürlich einsperren, denn sie sind bösartig.«

»Tun Sie alles, was zu Ihrem Schutz nötig ist, aber lassen Sie nicht zu, daß die Produktion der wichtigen Dinge darunter leidet«, faßte Akki zusammen. »Morgen werden die Drachen, die zum Übungsflug auf die Yokohama eingeteilt sind, die Treibstoffsäcke hinaufschaffen. Meister Fandarel, Sie sorgen dafür, daß die Säcke in den Haupttank geleert werden. Damit wäre ein Sicherheitsproblem aus der Welt geschafft.«

»Ich wünschte, wir könnten alles auf die Yokohama verfrachten, was gefährdet ist!« sagte F'lar. »Wäre das nicht möglich?« fragte er Akki.

»Leider nein, aus verschiedenen Gründen. Immerhin sollten bestimmte Dinge sofort nach ihrer Fertigstellung tatsächlich auf der Yokohama in Sicherheit gebracht werden.«

»Gibt es denn eine Garantie, daß sie dort auch wirklich in Sicherheit sind?« fragte Lytol, ohne die zornigen, bestürzten, ungläubigen oder besorgten Blicke der anderen zu beachten.

»Diese Anlage kann die Yokohama wirksamer und mit weniger Aufwand überwachen, als Sie bei Ihren einzelnen Burgen, Gildehallen und Weyrn dazu in der Lage sind«, erklärte Akki.

»Und der Wächter bewacht sich selbst!« fügte Lytol leise hinzu.

»Q.E.D.«, sagte Akki.

»Ku eh deh?« fragte Piemur.

»Was zu beweisen war.«