8. Ein Exmissionsverfahren
Während er mit der U-Bahn zu diesem fatalen Zimmer (jetzt sein eigenes!) fuhr, kämpfte er mit einem Gefühl der Verwirrung.
Was vor ein paar Wochen als neugieriger, wenn auch skeptischer Besuch bei einem alten Freund begonnen hatte, war mittlerweile eine alptraumhafte Farce geworden, ein Sturm und Drang zwischen Himmel und Hölle, bei dem die Ewigkeit auf dem Spiel stand, möglicherweise sogar seine eigene.
Aber sogar sämtliche gültigen Werte waren verkehrt und verdreht. Es hätte einen Sinn ergeben, wäre sein Klient in der Hölle gewesen und hätte heraus gewollt. Aber der Idiot wollte bleiben.
Warum konnte er niemals einen einfachen, sinnvollen Fall bekommen?
Das dachte er, als er bereits die undurchdringliche Dunkelheit des Labors betrat.
Er schaltete das Licht ein.
Der Rahmen des H-TEK stand immer noch bedrohlich im Zimmer an der Nordwand.
Quentin Thomas bemerkte, daß er zitterte. Er ballte die Fäuste, ging hinüber zum Hauptschalter der großen Maschine und schaltete sie ein. Dann nahm er seinen roten Verteidigertalar aus seinem Aktenköfferchen und zog ihn über. Wenigstens konnte er sich passend anziehen. Er sah zum Wandschirm der Uhr: drei Uhr siebenundfünfzig in der Frühe. Er schaltete sein bewußtes Denken ab und wartete. Es dauerte drei Minuten, bis der Hitzerahmen aktiviert war.
Punkt vier Uhr holte er ein letztes Mal tief Atem und schritt durch den Rahmen.
Er befand sich in einem Gerichtssaal. Zu seinem nicht unerheblichen Erstaunen war es ein eher gewöhnlicher Gerichtssaal. Die Richterbank (noch unbesetzt), ein Zeugenstand, zwei Tische für die rivalisierenden Parteien, die Geschworenenbank (aber keine Geschworenen). Ein kleiner Unterschied: keine Plätze für die Öffentlichkeit. Es war warm, hart an der Grenze zur Unbehaglichkeit. Bald würde er zu schwitzen anfangen. Was hatte er erwartet? Flammen? Den Geruch von brennendem Schwefel? Nichts davon.
Nun, wo war sein Klient?
Als wollte er diese Frage beantworten, tauchte auch schon Carlton Miller auf und gesellte sich zum Verteidigungstisch bei der Geschworenenbank. Der Gesichtsausdruck des Mannes (entschied Quentin Thomas) rechtfertigte die Reise. Der Anwalt eilte hinüber und schüttelte dem Erfinder die Hand.
„Danke, Quent“, sagte Miller. „Ich bin dir sehr verbunden.“
„Ich tat es für dich“, entgegnete der Anwalt. „Ich bin nicht sicher, ob ich es für einen anderen auch getan hätte.“ Sie nahmen Platz. „Du wirkst solide genug. Bist du wirklich real?“
„Ja und nein. Darum kümmert sich Mr. Jones. Außergewöhnliche Situation. Hauptsächlich deinetwegen, nehme ich an.“
„Da wir gerade vom Teufel sprechen, wo …“
„Pssst!“ sagte Miller nervös. „Hier unten mußt du deine Worte auf die Goldwaage legen.“
„Ah, natürlich. Nun denn, wo ist denn dieser Mr. Jones?“
Eine Gestalt materialisierte vor der Richterbank. Das Wesen schien etwa mannsgroß zu sein. Aber es war ganz offensichtlich kein Mensch. Sein Gesicht war schuppig, der Mund hatte harte Kanten. Es trug eine lange, purpurrote Tunika. Klauen ragten aus den Ärmeln heraus, und unter dem Saum konnte man einen Schwanz erkennen.
„Alles aufstehen“, proklamierte der Neuankömmling. „Dieses ehrbare Gericht ist hiermit zusammengetreten. Den Vorsitz führt Ihre Erhabene Majestät, Richter Jones. Alle, die hier versammelt sind, werden um ihre Aufmerksamkeit gebeten.“
„Ich schätze, das ist der Gerichtsdiener“, wisperte Quentin Thomas.
„Hä? Aber nein, Quent, das ist Mr. Jones.“
„Aber …“
Der „Gerichtsdiener“ verschwand.
Eine sitzende Gestalt erschien hinter der Richterbank. Es war dieselbe Kreatur, jetzt war sie in eine Richterrobe gekleidet.
„Du siehst“, flüsterte Carlton Miller, „es ist immer noch Mr. Jones. Er ist auch der Richter.“
Hm, dachte der Anwalt. Ich habe das Gefühl, als würde das noch zu einer ganzen Reihe von Verwirrungen führen. Welche anderen Rollen wird Richter Jones wohl noch spielen?
Der Richter blätterte ein paar Papiere auf seinem Tisch durch. „Der zu verhandelnde Fall“, sagte er, „ist Jones gegen Miller. Exmission. Der Angeklagte hat zu beweisen, warum er nicht vertrieben werden sollte. Die Verteidigung hat das Wort.“
Die Stimme klang sanft und wunderbar moduliert. Fast Oxfordenglisch, dachte Thomas.
Der Anwalt erhob sich. „Euer Ehren“, begann er langsam. „Quentin Thomas, Anwalt des Angeklagten Carlton Miller. Dürfte ich dem Gericht ein paar einleitende Fragen stellen?“
Der Richter sah auf ihn herab. Flammen züngelten hinter seinen Augen, die harten Linien seines Mundes schienen fast zu lächeln. „Innerhalb eines vernünftigen Rahmens, ja, Mr. Thomas.“
„Wenn es uns nicht gelingen sollte, Gründe für das Verbleiben des Angeklagten zusammenzutragen, hat das Gericht dann tatsächlich die Macht, meinen Klienten zu vertreiben?“
„Diese Macht hat das Gericht, Mr. Thomas.“
„Und dürfen wir weiterhin davon ausgehen, Euer Ehren, daß dieses Gericht, sollte es sich dafür entscheiden, dem Angeklagten freien Zugang und Aufenthalt, ohne zeitliche Begrenzung, zum brennenden Meer gewähren kann, auf immer und ewig?“
„Davon dürfen Sie ausgehen, Verteidiger“, sagte Richter Jones.
Der Anwalt schwieg einen Augenblick. Er wollte Mr. Jones noch eine weitere Frage stellen. Er wollte „für die Aufzeichnung“ eindeutig klarstellen, wer Richter Jones war. „Wer …“
„Fragen Sie nicht“, bat ihn der Richter ernst.
Thomas war verblüfft. Konnte der Richter ihre Gedanken lesen? Und wenn er das konnte, was kam noch alles dazu? Kannte er bereits den Ausgang dieser Verhandlung? Und wenn ja, warum ließ er es dann überhaupt durchführen? Sein Verstand raste. Es war vergeblich, solche Gedanken überhaupt zu haben. Er mußte einem Klienten helfen – wenn er konnte.
„Sind damit Ihre einleitenden Fragen erledigt, Mr. Thomas?“
„Ja, Euer Ehren.“
„Haben Sie ein Eröffnungsplädoyer parat?“
„Das habe ich, Euer Ehren.“
„Bitte fahren Sie fort.“
„Euer Ehren, in einer Nacht im vergangenen Juli nahm der Angeklagte ein Gewehr und erschoß kaltblütig seine Frau und deren Liebhaber, seinen Geschäftspartner Mr. Higgins. Und dann trat der Erfinder durch den Rahmen seiner H-TEK-Maschine. Und so kam er hier an, in … äh … in …“ Thomas suchte nach Worten.
„Wollen Sie sagen ‚in der Hölle’, Mr. Thomas?“ fragte der Richter sanft.
„Nun, ja, Euer Ehren. Mr. Miller fand sich hier in der … äh … Hölle wieder. Und er möchte hierbleiben.“
„Ein sehr ungewöhnlicher Wunsch“, murmelte Richter Jones.
„Ja, Euer Ehren. Aber das ist noch nicht alles. Er möchte den alleinigen Zugang zum Meeresufer.“
„Er mag keine Gesellschaft?“
„Nein, Euer Ehren, das mag er nicht. Er möchte, daß Mr. Higgins verschwindet. Er empfindet Mr. Higgins’ Anwesenheit als ungerechte und grausame Strafe, die weit über das Strafmaß für Mr. Millers Verbrechen hinausgeht.“
„Er hat nicht das Gefühl, daß Mr. Higgins’ Anwesenheit seine Einsamkeit lindert?“
„Nein, Euer Ehren, ganz im Gegenteil.“
Richter Jones blickte über den goldenen Rand seiner Brille. Schließlich verharrte er bei einem der Dokumente. „Ich muß Ihnen mitteilen, Mr. Thomas, daß wir die Anwesenheit Mr. Millers hier bereits sehr sorgfältig überdacht haben, natürlich ex parte. Bisher konnten Sie nichts Neues vorbringen, das nicht bereits in den Aufzeichnungen zu finden wäre. Kurz gesagt, sein Dossier enthält eine Ausbürgerung, und ich sehe keinen Grund, weshalb wir ihn nicht augenblicklich hinauswerfen sollten.“
„Wenn Euer Ehren gestatten“, sagte Quentin Thomas höflich, „bin ich der Meinung, Euer Ehren übersehen dabei einige grundlegende Gesetzespunkte.“
„Oh, in der Tat, Mr. Thomas? Wollen Sie dann bitte damit fortfahren, das Hohe Gericht zu erleuchten?“
„Nicht erleuchten, Euer Ehren, sagen wir lieber, ich werde mich bemühen, die Erinnerung des Gerichts etwas aufzufrischen.“
Der scharfkantige Mund öffnete sich zu einem Gähnen. „Wie auch immer, Mr. Thomas, bitte fahren Sie fort.“
„Zunächst einmal kann eine Ausbürgerung nur vom tatsächlichen Besitzer des in Frage stehenden Territoriums gefordert werden. Ich wage darauf hinzuweisen, Euer Ehren, daß in den Aufzeichnungen nichts darüber zu lesen steht, wer der tatsächliche Besitzer des Meeresufers ist oder daß dieses Verfahren von ihm angestrebt wurde. Wollen Euer Ehren das bitte als Tatsache zur Kenntnis nehmen?“
Richter Jones blinzelte dem Anwalt zu. Die Goldrandbrille de- und rematerialisierte ein paarmal. Die Flammen in seinen Augen loderten auf, erloschen dann aber wieder, als er die Dokumente vor sich durchblätterte.
„Euer Ehren …?“ beharrte Thomas.
„Ja, ich vermute, Sie haben recht, sowohl was das Gesetz wie auch was die Fakten anbelangt. Vielen Dank, daß Sie mir das wieder ins Gedächtnis riefen.“ Er klopfte mit seinem Hammer auf den Tisch. „Ich rufe jetzt den ersten Zeugen auf, nämlich mich selbst.“ Er schritt gemächlich vom Richterstuhl in den Zeugenstand. Die schwarze Richterrobe wurde blau.
„Euer Ehren!“ protestierte Quentin Thomas. „Ich muß Einspruch erheben.“
„Tatsächlich, Mr. Thomas? Weswegen?“
„In erster Linie, weil ich noch nicht mit meinem Eröffnungsplädoyer fertig war. Zum zweiten, weil eine solche Anhörung auf der Basis bereits existierender Dokumente durchgeführt werden muß. Neue Aspekte dürfen nicht willkürlich eingeführt werden. Und schließlich kann kein Richter in einem Fall gleichzeitig Zeuge sein!“
„Abgelehnt“, widersprach Richter Jones milde. „Im Verlauf dieses Verfahrens werden Sie verschiedene Unterschiede zwischen unserer Gerichtsbarkeit und der in Ihrem Heimatland finden.
In Ihren Gerichten hat man gern viele Handelnde, eine verwirrende Parade von Anwälten und Zeugen, wie dramatis personae in einem Schauspiel. Die armen Betroffenen werden durch derartig viele Gesichter doch sicher verwirrt und haben bestimmt Schwierigkeiten, so viele Charaktere auseinanderzuhalten. Unsere Prozedur hier ist dagegen einfacher: Ein Gesicht für alle Rollen. Der Verteidiger muß sich nicht andauernd fragen: ‚Wer ist denn das nun schon wieder?’ Diesen geistigen Streß ersparen wir ihm. Er wird immer wissen, daß ich es bin.“
„Sehr aufmerksam“, murmelte Quentin Thomas.
„Wir sind froh, daß Sie mit uns übereinstimmen. Darf ich jetzt mit meiner Aussage fortfahren?“
Der Anwalt setzte sich achselzuckend. Schließlich bedeutete das nichts. Nichts war real. Mit einer Ausnahme: Für seine Klienten war alles verdammt real, und er hatte zugestimmt, seinen Fall mit all seinem handwerklichen Geschick zu vertreten.
„Da dies nun aus der Welt geschafft ist“, fuhr Richter Jones fort, „wollen wir einige Tatsachen für die Aufzeichnungen festhalten. Dieser Ort gehört mir. Ich erhebe Besitzanspruch. Ich habe ihn Mr. Miller niemals überlassen. Er kam sozusagen durch das Hintertürchen hereingeschlichen. Das sind die Hintergrundfakten.“ Er rutschte in seinem Stuhl hin und her. „Aber das Allerschlimmste ist, daß Mr. Miller die nötigen persönlichen Qualifizierungen für eine dauernde Anwesenheit hier fehlen. Sein sogenanntes Verbrechen ist im Grunde genommen gar keines. Er hat lediglich Haus und Herd verteidigt. Er paßt nicht zur restlichen Gruppe. Er stellt gewissermaßen eine dissonante Note dar. Er erzeugt Unruhe und Disharmonie. Er macht die gute Nachbarschaft zunichte.“ Er sah zum Angeklagten hinüber. „Nichts Persönliches, Mr. Miller. Aber so ist das nun mal. Tut mir leid.“ Er stand auf.
„Einen Augenblick, Euer Ehren“, sagte Quentin Thomas. „Dürfte ich ein paar Fragen stellen?“
„Was meinen Sie damit?“
„Ich würde Sie auch noch gerne vernehmen.“
„Ach so. Nun gut, aber vergeuden Sie nicht zuviel Zeit.“
„Ich werde versuchen, mich kurz zu fassen. Sie sagen, dieser Ort ‚gehört’ Ihnen. Haben Sie einen Vertrag, in dem Ihre Besitzansprüche festgesetzt sind?“
„Nein, natürlich nicht.“
„Haben Sie irgendein Anrecht auf den Titel des Herrschers hier?“
„Nichts Schriftliches.“
„Wer war der vorherige Besitzer?“
„Irrelevant.“
„Wer wählt Ihre Pächter aus?“
„Sie und ich. Wir haben ein Übereinkommen.“
„Angenommen, Sie haben bei dieser Verhandlung Erfolg, wie würden Sie Mr. Miller hinausschaffen?“
„Da habe ich meine Methoden. Sie würden sie wahrscheinlich für merkwürdig halten – daher möchte ich mich augenblicklich nicht darüber auslassen.“
„Keine weiteren Fragen“, sagte Quentin Thomas. Er setzte sich.
Richter-Zeuge Jones stand auf und schritt vom Zeugenstand in den Gerichtssaal. „Ich habe noch einen weiteren Zeugen.“ Seine Robe wechselte von blau nach grün. „Ich bin jetzt der Staatsanwalt. Als Zeugen der Anklage rufe ich Mr. Cauchon.“
Ein Mann in verblichenem Baumwolldrillich und mit steifem Hut materialisierte im Zeugenstand.
„Name, Aufenthaltsort, Beruf“, sagte Richter-Staatsanwalt Jones.
„Pierre Cauchon, hier, Chefingenieur des Heizungswesens.“
„Sind Sie vertraut mit der Maschine des Angeklagten, diesem H-TEK?“
„Ja, Sir.“
„Würden Sie vorhersehen, Mr. Cauchon, daß Terra bald mit der Massenherstellung solcher Maschinen beginnt?“
Quentin Thomas sprang auf. „Einspruch! Das ist eine beeinflussende Frage! Sie drängen den Zeugen zu der Antwort, die Sie hören wollen!“
Richter-Staatsanwalt Jones lächelte sanft. „Ich weiß. Er arbeitet für mich.“ Er wandte sich wieder an den Zeugen. „Ihre Antwort, Mr. Cauchon?“
„Wenn niemand etwas dagegen unternimmt“, antwortete Mr. Cauchon, „dann werden diese Motoren bald die Hauptenergiequelle auf Terra sein.“
„Und wenn das geschieht, was für einen Effekt wird das hier haben?“ fragte der Richter-Staatsanwalt.
„Hier werden wir einen ungeheuren und andauernden Hitzeschwund bekommen. Die lokalen Temperaturen werden mit einer geschätzten Rate von etwa einem halben Grad Fahrenheit jährlich fallen. In einigen Jahrhunderten werden wir dann eine Temperaturnivellierung bei etwa achtzig bis fünfundachtzig Grad Fahrenheit haben, was in etwa einem milden Sommertag auf der Erde entspricht.“
„Keine weiteren Fragen.“ Der Richter-Staatsanwalt trat beiseite. „Ihr Zeuge, Mr. Thomas.“
Der Anwalt erhob sich. „Mr. Cauchon, was qualifiziert Sie als Chefingenieur des Heizungswesens? Bitte nennen Sie uns Ihre Referenzen.“
„Selbstverständlich, Mr. Thomas. Früher war ich Bischof von Beauvais. In dieser Funktion erwarb ich mir beachtenswerte Kenntnisse in der Kunst des Heizens und Verbrennens.“ Er faltete mit einer Geste unverhohlenen Stolzes die Arme über der Brust. „Im Jahre 1431 verbrannte ich Jeanne d’Arc.“
„Danke, Euer Ehrwürden. Keine weiteren Fragen mehr.“
„Sie können sich entfernen, Bischof“, sagte der Richter-Staatsanwalt. Nachdem der Geistliche verschwunden war, sagte die grüngekleidete Gestalt: „Ich rufe den Angeklagten, Mr. Carlton Miller.“
Der Erfinder sah seinen Anwalt nervös an. „Muß ich wirklich aussagen?“
„Ich fürchte, ja. Beantworte Jones’ Fragen so gut du kannst.“
„Na gut, wenn du meinst.“ Miller stand auf und trat in den Zeugenstand.
„Nennen Sie Ihren Namen, Aufenthaltsort und Ihren Beruf“, verlangte Richter-Staatsanwalt Jones.
„Carlton Miller. Ich lebe hier, wie auch immer Sie es nennen wollen. Erfinder.“
„Hat Sie jemand hierher eingeladen?“
„Nein.“
„Wie sind Sie hergekommen?“
„Ich schritt durch den Hitzerahmen meiner Energiemaschine, und da war ich. Oder bin ich.“
„Sie schritten vorsätzlich hindurch?“
„Ja, aber ich wußte nicht, wo …“
„Streichen Sie alles nach Ja’ als unwesentlich.“ Die grüngekleidete Gestalt dachte einen Augenblick nach, dann fuhr sie fort: „Gehört Ihnen dieser Ort, Mr. Miller?“
„Nein, natürlich nicht.“
„Und Sie haben keinen Mietvertrag, keine Aufenthaltserlaubnis.“
„Wahrscheinlich nicht.“
„Keine Wahrscheinlichkeiten, Mr. Miller. Ja oder nein.“
„Nein.“
„Keine weiteren Fragen. Mr. Thomas, Ihr Zeuge.“
Quentin Thomas fühlte sich benommen. Er unterdrückte den Wunsch, den Kopf zu schütteln, um seine Gedanken wieder zu klären. Er sagte: „Seit Sie hier sind, Mr. Miller – haben Sie da mit irgend jemandem ein Wort gesprochen?“
„Kein einziges Wort.“
„Nichts, sagen wir mal Beleidigendes?“
„Überhaupt nichts.“
„Haben Sie irgend jemandem irgend etwas getan?“
„Nein. Ich habe niemanden gesehen, mit Ausnahme von Victor Higgins. Und der ist bekannt.“
„Ich erhebe Einspruch gegen diese Art der Fragestellung“, sagte Richter-Staatsanwalt Jones. „Vollkommen irrelevant.“
„Ich wollte nur aufzeigen, daß nichts, was mein Klient hier getan hat, seine Ausbürgerung rechtfertigen kann“, widersprach Thomas.
Der Richter-Staatsanwalt verschwand, worauf der schwarzgekleidete Richter wieder erschien. „Ich gebe dem Einspruch des Staatsanwaltes statt.“
„Sie sprechen jetzt als Gericht?“
„Natürlich.“
Der Anwalt wandte sich wieder an den Zeugen. „Mr. Miller, wie lange sind Sie bereits hier?“
„Das weiß ich nicht. Manchmal erscheint es mir wie hundert Jahre, manchmal scheint es auch erst gestern gewesen zu sein.“
„Könnten es einundzwanzig Jahre sein?“
„Mit Leichtigkeit.“
„Keine weiteren Fragen.“
„Sie können sich wieder entfernen, Mr. Miller.“ Richter Jones sah zu Quentin Thomas. „War das dann alles, Mr. Thomas?“
„Ich würde gerne einen Zeugen für meinen Klienten aufrufen, Euer Ehren.“
„An wen haben Sie dabei gedacht?“
„An Sie, Euer Ehren.“
„Mich?“
„Sie.“
„Und was für Fragen wollen Sie mir stellen?“
„Nun ein paar. Zuerst: Erklären Sie mit vernünftigen Worten, weshalb Sie Carlton Millers Wunsch nicht anerkennen wollen, allein ans Ufer zu gehen und der Meeressymphonie zu lauschen? Zweitens: Wenn Sie sich gegen uns entscheiden sollten – wie, wenn überhaupt, sieht dann die Berufungsinstanz aus?“
Die Wangen des Richters wurden flammend rot. „Das ist eine geradezu unglaubliche Impertinenz, Mr. Thomas! Sie berufen ein Gericht als Zeugen!“
„Darf ich Euer Ehren daran erinnern, daß Euer Ehren bereits Zeuge sind – der Anklage.“
„Schweigen Sie, Mr. Thomas! Sonst werde ich Sie in Gewahrsam nehmen müssen!“
„Und wie würde dieses Gewahrsam aussehen, Euer Ehren? Würden Sie mich hierbehalten?“
„Vielleicht. Vielleicht nicht. Im Grunde genommen, Mr. Thomas, wären Sie kein großer Fang. Wir haben bereits Hunderte von Anwälten hier. Was nicht heißen soll, wir könnten keinen Platz mehr für einen weiteren schaffen.“
„Greifen Sie hier den Ereignissen nicht etwas vor, Euer Ehren? Ich bin noch nicht tot.“
„Eine untergeordnete, technische Angelegenheit, Mr. Thomas.“ Richter Jones rieb sich sein schuppiges Kinn mit gekrümmten Nägeln. „Jedenfalls lehne ich es ab, als Ihr Zeuge berufen zu werden. Das wäre doch gar zu verletzend. Und ich weigere mich, Ihre Fragen vom Richterstuhl aus zu beantworten.“
Quentin Thomas schwieg.
„Daher, Mr. Thomas, können wir jetzt, wie ich glaube, zur abschließenden Bestandsaufnahme kommen. Ich verzichte für die Anklage auf dieses Privileg. Wollen Sie das Schlußwort haben, Mr. Thomas?“
Der Anwalt seufzte. Wahnsinn. Aber was hatte er schon zu verlieren? „Euer Ehren, im Verlauf dieses Verfahrens fungierten Sie als Kläger, Gerichtsdiener, Richter, Staatsanwalt und Zeuge. Ich habe keine Einwände gegen Ihr Auftreten als Gerichtsdiener. Aber was die anderen Rollen anbelangt, da habe ich bestimmte Vorbehalte.
Zunächst einmal zur Anklage. Dieser Fall hat die Natur eines Exmissionsverfahrens. Sie versuchen, Mr. Miller von hier zu verbannen. Aber können Sie das rechtlich durchführen? Es ist für ein Exmissionsverfahren von vitaler Bedeutung, daß der Kläger seine Ansprüche selbst in ordnungsgemäßer Weise nachweisen kann. Der Kläger muß seine Besitzesrechte nachweisen, indem er die Gültigkeit seiner eigenen Ansprüche nachweist und nicht die Ungültigkeit der des Angeklagten.“
Richter Jones gähnte. „Lassen Sie sich nicht stören, Mr. Thomas.“
„Weiterhin“, fuhr der Anwalt unbeeindruckt fort, „haben Sie darauf bestanden, als Zeuge in Ihrem eigenen Fall aufzutreten. Das allein rechtfertigt eine Aussetzung des Verfahrens. Wenn Sie schon Zeuge werden wollen, dann müssen Sie einen anderen – unparteiischen – Richter finden.“
„Es steht keiner zur Verfügung, Mr. Thomas. Nächster Punkt?“
„Derselbe Einspruch gilt auch für Ihre Position als Staatsanwalt.“
„Notiert. Noch mehr?“
„Zu keiner Zeit während dieser Verhandlung, die auf eine Verbannung Mr. Millers hinauslaufen soll, kam er in den Vorzug, Geschworene zu haben.“
„Aber ich habe die Funktion von Richter und Geschworenen einfach vereint. Ich war der Prüfer der Tatsachen. Das wird auch im amerikanischen Rechtssystem so gehandhabt.“
„Nur wenn beide Parteien damit einverstanden sind, auf die Anwesenheit von Geschworenen zu verzichten.“
„Oh, nun gut, Sie sollen Ihre Geschworenen bekommen.“
„Aber – die Verhandlung ist vorbei“, protestierte Quentin Thomas.
„Die Geschworenen können nur dann rechtmäßig entscheiden, wenn sie von Anfang an alle Aussagen gehört haben.“
„Eine Forderung, die mit Leichtigkeit erfüllt werden kann, Mr. Thomas. Ich werde Geschworene einberufen und ihnen einen kurzen Abriß der bisherigen Ereignisse vermitteln.“
„Großer Gott!“ flüsterte Quentin Thomas.
„Eh? Was?“ fragte Richter Jones streng. „Achten Sie auf Ihre Worte, Mr. Thomas.“
„Tut mir leid“, sagte der Anwalt. „Nun denn, wo sind meine Geschworenen?“
„Ich werde Ihnen vier gute, aufrichtige Männer als Geschworene geben.“ Während er sprach, materialisierten vier Gestalten auf der Geschworenenbank.
„Mir stehen aber zwölf zu.“
„Ich bitte Sie, Mr. Thomas. Geschworene darf man doch nicht nach Zahlen bewerten. Es gibt keinerlei konstitutionelle Verankerungen, denen zufolge es genau zwölf Geschworene sein müssen.“
„Ich verstehe. Wer sind die vier?“
„Einen haben Sie bereits kennengelernt. Pierre Cauchon.“
„Der ebenfalls ein Zeuge ist“, kommentierte Quentin Thomas.
„Ich setze meine Leute eben effizient ein. Der nächste ist Ayatollah Chomeini aus dem Iran.“
„Gleichermaßen unakzeptierbar, Euer Ehren. Der Ayatollah war früher einmal Ölminister. Er ist völlig voreingenommen in Sachen Öl.“
„Soll ich fortfahren, Mr. Thomas, oder wollen Sie die Geschworenen ablehnen?“
„Bitte fahren Sie fort.“
„Der nächste ist Mr. John Lewis.“
„Der frühere Chef der Vereinigten Minengesellschaften? Ebenfalls völlig voreingenommen. Kohle.“ Er fügte noch grimmig hinzu: „Wie wär’s mit einem weiteren? Jemandem, der die Kernenergie repräsentiert?“
Richter Jones bedachte ihn mit einem argwöhnischen Blick, doch dann lächelte er. „Ausgezeichneter Vorschlag, Mr. Thomas. Tatsächlich biete ich Ihnen noch Mr. Martin Birnheim …“
„Der Vorsitzende der Amerikanischen Kernenergiebehörde“, endete Quentin Thomas. „Und nun noch eine Frage für die Aufzeichnungen, Euer Ehren.“
„Selbstverständlich, Mr. Thomas.“
„Ist es die Meinung des Gerichts, daß jeder dieser Männer neutral ist und der Erfindung meines Klienten unvoreingenommen gegenübersteht? Daß Mr. Chomeini zum Beispiel sich überhaupt nicht darum schert, ob Mr. Millers Erfindung das Öl als Energiequelle völlig bedeutungslos macht?“
„Nein, Mr. Thomas, der Meinung bin ich nicht. Ganz im Gegenteil. Jeder der vier Geschworenen ist außerordentlich gegen die Erfindung Ihres Klienten eingestellt. Vielleicht hätte ich Sie zuvor auf einige kleine Unterschiede zwischen Ihrem und unserem Geschworenensystem aufmerksam machen sollen. Sie bestehen auf Desinteresse. Wir dagegen achten sehr stark darauf, daß alle Geschworenen ein vitales Interesse an dem Fall haben.“
Quentin Thomas fuhr sich mit der Hand über die Stirn. „Ich verstehe. Also ist mein Klient jetzt keinesfalls besser dran als zuvor.“
„Stimmt.“
„Wahrscheinlich schlechter.“
Richter Jones hielt seine schuppigen Handflächen in offener Frustration in die Höhe. „Aber es war doch Ihre Idee, Mr. Thomas.“
„Die Verteidigung verzichtet auf Geschworene. Wir akzeptieren, daß die Verhandlung ohne Geschworene durchgeführt wird.“
„Nicht so hastig, Mr. Thomas. Ich hatte einige Mühe, diese feinen Herren hier herbeizuschaffen. Ich verzichte nicht auf Geschworene. Ich berufe den Ayatollah Chomeini zum Vorsitzenden der Geschworenen.“ Er wandte sich an die vier stehenden Gestalten. „Meine Herren, haben Sie Ihre Meinung gebildet? Mr. Chomeini?“
„Euer Ehren“, sagte die Gestalt in der weißen Robe mit dem Turban, „wir sind zu einer Meinung gekommen.“
„Und wie sieht die aus?“
„Der Angeklagte Mr. Miller ist schuldig des illegalen Eindringens und der Unterwanderung der Moral dieses Ortes. Weiterhin ist er der Destruktion unserer Energieversorgung schuldig. Er muß an diesen anderen Ort verbannt werden. Aber das ist noch nicht alles.“ Der Ayatollah musterte Quentin Thomas aus kohleschwarzen Augen. „Dieser Anwalt hier muß hierbleiben, als Geisel und Garant für die ewige Verbannung des Angeklagten.“
Quentin Thomas war zu verblüfft, um entsetzt zu sein. „Ich? Eine Geisel?“ Seine rote Robe flatterte.
„Ja. Eine Geisel“, bekräftigte Richter Jones. „Eine brillante Lösung. Ich schließe mich voll und ganz der Meinung der Geschworenen an.“
In der Zwischenzeit hatte Quentin Thomas einen Augenblick Zeit zum Nachdenken gehabt und entspannte sich ein wenig. „Mit allem gebührenden Respekt vor Euer Ehren, aber ich frage mich, ob Sie und der Ayatollah wirklich alle Aspekte der Geiselfrage überdacht haben.“
„Wovon sprechen Sie, Mr. Thomas?“
„Davon: Mr. Millers Patentantrag für das H-TEK-Verfahren wurde vom Patentamt anerkannt, und ich habe die anfälligen Gebühren bezahlt. Es wird jetzt automatisch dem Verfügungsstapel des Patentamtes beigefügt werden.“
„Ist das von Bedeutung?“
„Ja. Wenn das Patent erst einmal in der Abteilung verfügbarer neuer Erfindungen ist, dann wird es mit ziemlicher Sicherheit in der Official Gazette veröffentlicht werden. Dort wird es der breiten Öffentlichkeit zugänglich sein. Innerhalb weniger Monate werden Tausende von Energiemaschinen zur Verfügung stehen und ihre Arbeit beginnen – Maschinen, deren Hitzerahmen alle mit diesem Ort hier verbunden sind und die Ihre Energie absaugen.“
„Kommen Sie zur Sache, Mr. Thomas.“
„Sogleich. Wenn ich zurückgehen könnte, dann könnte ich die offizielle Maschinerie stoppen. Ich könnte das Patent abwürgen. Wenn ich nicht zurückgehe, dann wird das Patent rechtskräftig, und, um den Bischof zu zitieren, die Hölle wird eines Tages zufrieren.“
„Sie sprechen sehr überzeugend, Mr. Thomas. Sowohl für Ihren Klienten als auch für sich selbst.“
„Danke, Euer Ehren.“
„Unter diesen Umständen werde ich dem Ersuchen der Geschworenen keinerlei Bedeutung beimessen“, sagte der Richter. „Und nun werde ich, Kraft des Gerichts, die Geschworenen entlassen. Habe ich Ihr Einverständnis, Mr. Thomas?“
„Das haben Sie, Euer Ehren.“
„Ich bin darüber sehr froh. Meine Herren Geschworenen, wir bedanken uns für Ihre geistige Mithilfe. Sie sind hiermit entlassen.“
„Und was nun, Mr. Thomas?“ fragte der Richter.
Der Anwalt hatte nachgedacht. Beim Schachspiel ist Angriff die beste Verteidigung. War das hier ein Schachspiel? Wir werden sehen. Er sagte: „Mit Erlaubnis des Gerichts werde ich mich jetzt daranmachen, Carlton Miller zum alleinigen Besitzberechtigten an der Küste des Meeres zu machen.“
„Sie sind eine sehr interessante Person, Mr. Thomas“, sagte Richter Jones. „Geben Sie niemals auf? Nein, beantworten Sie das nicht. Ich will Sie nicht entmutigen. Wenn es nach Ihnen ginge, würden Sie den Spieß umdrehen, nicht wahr? Sie würden den armen Mr. Higgins hinauswerfen lassen.“
„Das würde ich, Euer Ehren.“
„Aber in diesem Fall müßten Sie nachweisen, daß Mr. Higgins der rechtmäßige Besitzer ist, nicht wahr? Sie wollen ja nicht mal meine Besitzansprüche gelten lassen, Mr. Thomas. Wie kann denn Mr. Miller einen Anspruch haben und ich nicht?“
„Zuwiderlaufende Besitzrechte, Euer Ehren. Mr. Miller verfügt nach allen rechtlichen Zeitmaßstäben lange genug über das Ufer, daß es in seinen Besitz übergegangen sein könnte.“
„Das sind einundzwanzig Jahre, nicht wahr?“ fragte Richter Jones. „Wie wollen Sie diese Zeitspanne messen?“
Die Mundwinkel des Anwalts zuckten. „Euer Ehren hat eine exakte Zeitmessung hier durch das Fehlen einer Sonne unmöglich gemacht. Daher obliegt der Beweis einer verstrichenen Zeitspanne einzig und allein dem Gericht. Und wenn das Gericht nicht unwiderlegbar beweisen kann, daß keine einundzwanzig Jahre vergangen sind, gilt diese Zeitspanne rechtlich als überschritten.“
„Interessant“, murmelte der Richter interessiert. „Andererseits starb Mr. Higgins einige Sekunden, bevor Mr. Miller durch den Rahmen kam, und nicht einundzwanzig Jahre danach.“
„Zugegeben, Euer Ehren. Aber der Zeitpunkt, an dem Sie sich entschlossen, Mr. Higgins am Ufer zu materialisieren, hat überhaupt nichts mit einem Intervall von einundzwanzig Jahren zu tun. Denn es liegt in der Natur der Zeit hier unten, daß jeder Augenblick eine Ewigkeit ist.“
„Ich verstehe Ihre Position, Mr. Thomas. Bitte fahren Sie fort.“
„Ja, Euer Ehren. Darf ich das Gericht nochmals daran erinnern, daß mein Klient einen kaltblütigen Doppelmord begangen hat, ein entsetzliches Verbrechen. Daher sollte er dazu verurteilt werden, ewig an diesem Ort der Qualen verbleiben zu müssen.“
„Aber er erlebt hier keine Qualen, Mr. Thomas. Ganz im Gegenteil, es scheint ihm hier ausgesprochen gut zu gefallen. Ein solches Verhalten schadet unserem Ruf.“
„Ist die Qual das Problem, Euer Ehren? Diesbezüglich können wir uns vielleicht auf einen Kompromiß einigen, nach dem mein Klient – sagen wir, einmal täglich – leiden muß.“
„Werden Sie nicht unvernünftig, Mr. Thomas. Haben Sie sonst noch etwas zu sagen?“
„Nein, Euer Ehren. Wir erwarten Ihr Urteil.“
„Eine interessante Situation, Mr. Thomas. Wir werden Mr. Miller ausweisen müssen, daran besteht überhaupt kein Zweifel. Die Frage ist nur, wohin – und gleichzeitig, wannhin. Zurück nach Terra? Oder ist er tot und muß … äh, an den anderen Ort? Aber vergessen wir Mr. Miller vorerst, und wenden wir uns Ihrer Zukunft zu, Mr. Thomas. Wie Sie so überzeugend dargelegt haben: Wenn Sie hierbleiben, dann wird Mr. Millers Patent der Öffentlichkeit zugänglich werden. Und uns wird man damit verdammt bald die Wärme entziehen. Wir würden als Institution verschwinden. Wir würden ganz einfach die Wärmeeinheiten verlieren, die wir für ein reibungsloses Funktionieren benötigen. Was traurig wäre. Daher können wir Sie nicht hierbehalten. Andererseits: Senden wir Sie zurück, dann gibt es auch nichts, was dieses Patent aufhalten könnte. Tatsächlich könnten Sie dort oben ja ein vitales Interesse an den Tag legen, eine möglichst schnelle Verbreitung zu gewährleisten. Damit würden wir unseren Untergang nur noch beschleunigen.“
„Nein, Euer Ehren. Wenn ich all dies täte, dann würde auch das Schwefelmeer verschwinden, und das wäre den Interessen meines Klienten vollkommen entgegengesetzt. Man könnte mich unehrenhaft meines Amtes entheben.“
Richter Jones brach in ein höllisches Gelächter aus. „Sind Sie tatsächlich so ehrbar, Mr. Thomas? Für ein Lizenzeinkommen von mehreren Milliarden Dollar würde manch einer gerne seinen Anwaltsjob an den Nagel hängen. Oder Schlimmeres anstellen.“ Der Richter beugte sich über den Tisch und preßte seine Schuppenfinger gegeneinander. „Ich kann Sie nicht behalten. Ich kann Sie nicht gehen lassen. Aber es gibt eine Lösung, mit der wir uns auch gleichzeitig das Problem Mr. Miller vom Halse schaffen können.“
„Ich verstehe nicht.“
„Natürlich nicht. Und das werden Sie auch niemals. Guten Tag zusammen, Gentlemen.“
„Aber Euer Ehren? Das Urteil? Ihre Entscheidung?“ Seine rote Robe flatterte unsicher.
Aber er schleuderte seine Worte der Luft entgegen. Richter Jones war verschwunden.
Quentin Thomas betrachtete das ängstliche Gesicht seines Klienten. Aber auch dieses Gesicht begann zu verblassen.
Er war allein im Gerichtssaal.
Und dann begann auch der Saal zu verschwinden.
Und er mit ihm.