3. Perpetuum mobile
Mr. Tepples las die Notiz, die er dem Aktenordner beigeheftet fand. Es handelte sich um ein vorgedrucktes Formular, und nur wenige Worte waren von dem Beamten hineingeschrieben worden.
Mr. K. G. Tepples
Sonderabteilung
Dieser Antrag wird hiermit an Ihr Büro weitergeleitet, da er sich mit einer Perpetuum-mobile-Maschine befaßt.
Klassifizierungsabteilung
Patentamt der Vereinigten
Staaten
(Unleserliche Initialen)
Der Erfinder war ein Bursche namens Miller. Mr. Tepples hatte noch nie von ihm gehört. Das Interessante daran war, der Anwalt war Quentin Thomas. Gut, gut, der große Quentin Thomas! Und wie, Mr. Thomas, konnte dieser Miller Sie beschwatzen, eine Perpetuum-mobile-Maschine zu übernehmen? Oder tun Sie es des Geldes wegen? Aufgrund der Theorie, wenn Sie die Beute nicht kassieren, wird es eine skrupellosere Person tun?
Er stieß seinen Stuhl zurück, verschränkte die Finger hinter seinem Rücken und begann mit einer visuellen Tour durch sein kleines Büro. Sein Blick verharrte auf der Erfindung unter dem Glaskasten auf dem Sekretär. Einer seiner ersten Siege. Eine Uhr, die sich selbst aufzog. Der Erfinder war vor Scham im Boden versunken, als Tepples den zweiten Motor gefunden hatte. Wirklich, eine Infragestellung seiner Intelligenz! An der Wand hinter der Uhr hingen ein paar eingerahmte Patente – bei allen handelte es sich um verschiedene Perpetuum-mobile-Maschinen (er nannte sie „Permos“), die in den vergangenen Jahren irgendwie durchgegangen waren. Mehr nicht. All das hatte aufgehört, als der Dienststellenleiter ihm diesen speziellen Job gegeben hatte.
Daneben war ein Bild des berühmten, hinter einem Wachstuch verborgenen „Schwungrades“ des Kanzleirats Orffyreus (1680-1745), das im Schloß des Landgrafen von Hessen-Kassel vorgeführt worden war. Es hatte sich acht Tage lang ununterbrochen gedreht, augenscheinlich aus eigener Kraft. Wonach der Landgraf, von Neugier übermannt, einen Teil des Wachstuchs abgerissen hatte und ein Zwerg herausgerannt kam.
Daneben war die Fotografie eines Wasserrades, das seinen eigenen Mühlbach antrieb, und daneben wiederum ein Stich von Congreves ewigem Förderband. Und dann ein Fließband der Flüssigluftmaschine: Verdampfende, flüssige Luft treibt eine Pumpe, die Arbeit verrichten kann und zusätzlich noch mehr Luft verflüssigt.
Mr. Tepples kicherte in sich hinein. Sie haben die Wahl, Mr. Miller, Mr. Thomas. Welche dieser klassischen Vorlagen wollen Sie duplizieren? Oder wollen Sie gar mit der Tradition brechen?
Er wandte sich seinem Schreibtisch zu. Es würde sich wieder als vollkommene Zeitverschwendung herausstellen. Er nahm ein Blatt Papier von einem Stapel und kritzelte frisch drauflos. Es war das „Formular 21“. Das beschriebene Blatt legte er in das Fach für abzuschickende Post.
Quentin Thomas, Esq.
Ausstellungsdatum 25. 9. 2023
S.N. 123 456, Ablage am 1. Juli 2023
Maschine und zugehörige Energiequelle.
Carlton Miller
Sehr geehrter Herr,
Ihr Antrag ist bei uns eingegangen.
Bei der fraglichen Erfindung scheint es sich um einen Perpetuum-mobile-Mechanismus zu handeln. Das Patentamt kümmert sich nicht um derartige Mechanismen. 35 USC 101, Handbuch der Patentprüfungsprozeduren 706.03 (S).
Sollten Sie trotzdem weiterhin auf Ihrem Antrag bestehen, so wird eine Demonstration der Erfindung verlangt. Kom. Notiz 30. Jan. 1918; siehe auch Ex parte Payne, 1904 CD. 42.
Hochachtungsvoll
G. K. Tepples, Prüfer Telefon 557-1111
Richten Sie alle Anfragen an den Patentbeauftragten, Washington D.C.
Formular 21
Der Anwalt lächelte grimmig. Er hatte nichts anderes erwartet. Und er mußte auch nicht erst den riesigen Loseblatthefter öffnen, um zu wissen, was Abschnitt 706.03 (S) bedeutete. Er hatte Carl Miller das alles schon zuvor erklärt. „Carl, das Patentamt wird sich das alles ansehen und dann deine Erfindung als Perpetuum-mobile-Maschine klassifizieren. Was bedeutet, etwa drei Monate nach Eingang des Antrags wird man mir das Amt Formular 21 zusenden. Und dann müssen wir dein kleines Spielzeugauto nehmen und es dem Untersucher vorführen.“
„Ich bin bereit.“
Also war jetzt die Zeit gekommen. Er rief Miller an.
„Denise, mein Liebling“, sagte Miller, „ich muß nach Washington. Geschäfte beim Patentamt.“
Sie saß an der Frisierkommode in ihrem Schlafzimmer und bürstete ihr langes, dunkles Haar. Sie betrachtete sein Bild im Spiegel, ohne sich umzudrehen und ohne mit Kämmen innezuhalten. „Oh, wirklich? Wie lange?“
„Zwei oder drei Tage. Ich werde im Americana in Arlington absteigen.“
„Wozu mußt du denn drei Tage im Patentamt verbringen?“ Ihre Stimme klang nachdenklich, fast barsch.
„Gespräche mit den Leuten dort über meinen Motor. Ich muß ein Modell mitnehmen. Vielleicht sogar demonstrieren. Quentin Thomas trifft alle Vorbereitungen.“
„Aber du wirst spätestens am Freitag zurück sein?“
„Wahrscheinlich.“
„Frühestens Donnerstag?“
„Ja.“
„Ruf mich an, wenn du deine Pläne ändern solltest.“
„Natürlich.“