27
Schließlich war es Clarity, die aussprach, was alle dachten. »Die Einkerbung sieht aus, als habe sie die richtige Größe und Form, um einen Körper aufzunehmen, Flinx.« Mit zusammengepressten Lippen sah sie ihn an. »Ich möchte zwar nicht, dass du es bist, der herausfindet, ob sie dafür gedacht ist, aber ich weiß, dass du es tun musst.«
Er nickte langsam und sah an ihr vorbei. Tse-Mallory, Truzenzuzex, Sylzenzuzex - sie alle starrten ihn mit gleicher Intensität an. Niemand sagte ein Wort. Das mussten sie auch nicht. Sie warteten auf ihn.
Er umarmte Clarity, und das bewirkte, dass er nicht mehr gehen wollte. Als sie sich voneinander lösten, drehte er sich zu seinen Mentoren um, dem Menschen und dem Thranx. »Ich weiß nicht, was ich tun soll.« Er deutete auf das Objekt, das sie durch das Fenster deutlich erkennen konnten. »Ich weiß nicht einmal, ob es dazu gedacht ist, etwas zu tun, und falls ja, was genau es tun soll.«
»Erinnerst du dich daran, wie du zum ersten Mal im Krang auf der Bedienerplattform gelegen hast?«, meinte Tse-Mallory ermutigend zu seinem Freund. »Da wusstest du auch nicht, was dich erwartet.« Er zeigte auf die vor dem Schiff schwebende, bewegungslose Hemisphäre. »Ich sehe keinen Hinweis auf einen Hebel, eine Scheibe, eine Taste, einen Kopfhörer oder auch nur die über der Plattform ragenden Kuppeln, mit denen das Krang aktiviert wurde. Das hier ist offensichtlich kein Tar-Aiym-Gerät. Es wurde von einem Volk erschaffen, das den Tar-Aiym so weit voraus war, wie sie uns überlegen waren.« Der Soldat und Soziologe zuckte hilflos mit den Achseln. »Alles, was du tun kannst, Flinx, ist, da rauszugehen, dich so gut du kannst in diese Einkerbung zu quetschen und abzuwarten, was passiert.«
Flinx nickte. Zu dieser Schlussfolgerung war er ebenfalls gekommen. Aber es schadete nichts, sie sich von Tse-Mallory bestätigen zu lassen.
»Wir vergeuden Zeit, und je länger ich darüber nachdenke, desto weniger Lust habe ich, das wirklich durchzuziehen.«
Sie halfen ihm dabei, den Raumanzug anzuziehen. Innerhalb der Plasmablase gab es keine Atmosphäre, weder eine atembare noch sonst irgendeine. Soweit es die Instrumente der Teacher erkennen konnten, gab es neben der weinroten Hemisphäre absolut nichts in der Sphäre, was die unermesslichen Kräfte in Schach hielt. Sie waren umgeben von einem Vakuum, das so perfekt war, wie man es sich nur vorstellen konnte, und darin gab es nicht mal die leiseste Spur interstellaren Wasserstoffs. Außerhalb des Plasmabehälters tobte und kochte genug Energie, um die Elektronen aus ihren Orbits um die Zellkerne, die ihre Körper darstellten, zu reißen und die dadurch entstehenden Basispartikel dann in das subatomare Äquivalent von Staub zu verwandeln. Innerhalb des in der Blase befindlichen Schiffes war jedoch alles unfassbar normal.
Pip begleitete ihn natürlich. Pip ging fast überall mit ihm hin, ungeachtet der Umstände und der Gefahren. Die fliegende Schlange war ebenso ein Teil von ihm wie ein Arm oder ein Bein. Der Minidrache war von entscheidender Bedeutung für seinen Kontakt mit dem Krang und auch mit der Tar-Aiym-Waffenplattform gewesen. Niemand wusste, ob sie hier eine ähnliche Rolle spielen sollte oder konnte, aber das war für Flinx auch nicht weiter wichtig. Was zählte, war, dass er seine Freundin bei sich hatte. Im Raumanzug war jedenfalls genug Platz für sie.
Er fand es sehr beunruhigend, nur in einem Raumanzug durch ein räumliches Vakuum zu schweben, das reinweiß und nicht pechschwarz war. Während er von der Teacher wegtrieb, warf er nur gelegentlich einen Blick auf die geschwungenen, ihn umgebenden Energiewände, die die Vernichtung fern hielten. Doch hauptsächlich konzentrierte er sich auf die rötliche Hemisphäre, die in seinem Blickfeld zunehmend größer wurde.
Als er noch etwa eine Armlänge von dem Artefakt entfernt war, hielt er an und schwebte einmal komplett herum, um es von allen Seiten, von oben und von unten genau in Augenschein zu nehmen. Tse-Mallorys aus der Ferne getroffene Annahme erwies sich als korrekt: Er konnte nichts entdecken, was man zur Steuerung verwenden konnte, und es waren auch keinerlei andere Instrumente zu sehen. Da waren nur die drei Golddrähte, falls es sich dabei denn um Drähte handelte. Die Zukunft seiner Zivilisation, seiner Galaxie konnte von seiner Fähigkeit abhängen, mit diesem unglaublich alten Relikt auf irgendeine Weise kommunizieren zu können. Aber wie?
Es gibt nur einen Weg, um das herauszufinden, sagte er sich, ohne sich dabei großen Hoffnungen hinzugeben.
Geschickt bediente er die Düsen seines Anzugs so, dass er den schwebenden Drähten aus dem Weg ging, bewegte sich dann über den oberen Rand der Hemisphäre und ließ sich zu deren Mitte sinken. Vorsichtig schwebte er weiter hinab, bis er den Kontakt zu der halbmondförmigen Einbuchtung im Zentrum hergestellt hatte. Das Objekt schien eine leichte Anziehungskraft auszustrahlen. Er schaltete die Düsen aus und ließ sich davon anziehen, bis er darin auf dem Rücken lag. Da er sich in seinem Raumanzug befand, hatte er keine Möglichkeit, mehr über die Zusammensetzung des Materials um sich herum in Erfahrung zu bringen, als er durch bloßes Ansehen erkennen konnte. Er entspannte sich, so gut er konnte, und sah durch das reine Weiß seiner Umgebung zu dem schützenden Bogen der Plasmablase hinüber. Zumindest gab es eine Sache an seinem momentanen Zustand, über die er mit Sicherheit Bescheid wusste. Er wusste genau, wo er war.
Er war allein. Wieder einmal.
Abgesehen von Pip. Sie glitt an seiner linken Seite hinauf, streckte sich zwischen dem Innenfutter seines Raumanzugs und seiner Brust in die Länge, bis ihr smaragdfarbener Kopf an seinem Kinn lag. Er blickte zu ihr hinab. Erlaubten die Lehren der konvergenten Evolution die Anwesenheit einer fremdartigen Schlange im Garten Eden? Und wenn es das war, wo er sich gerade befand, wo war dann der Baum, wo der Apfel? Er war mit Sicherheit kein Adam, aber er wusste genau, wo sich Eva aufhielt. Sie befand sich auf der Teacher und wartete auf seine Rückkehr. Sie wartete darauf, dass er etwas tat - irgendetwas.
Er schloss die Augen, versuchte, sich zu konzentrieren, und er streckte sein Talent aus, wie er es schon so oft getan hatte. Minutenlang blieb er so liegen, eine halbe Stunde, eine Stunde und noch länger.
Nichts.
Er bekam keine Antwort. Es erschien kein wunderbares glänzendes Licht, keine donnernde fremdartige Musik war zu hören. Was immer das auch für ein Artefakt war, in dem er sich gerade befand, so schien es von der Bedienung her keine Ähnlichkeit mit dem Krang zu haben. Dieselbe Stille, die ihn schon beim ersten Hinlegen in der glattwandigen Einbuchtung begrüßt hatte, hallte noch immer in seinen Ohren. Als er sein Talent weiter ausstreckte, konnte er Clarity und die anderen an Bord der Teacher spüren, daher war er zuversichtlich, dass seine Fähigkeit auch wirklich funktionierte. Doch ansonsten war da nichts.
Da musste noch etwas anderes sein. Warum sonst der Eingangstunnel, warum die sie umschließende schützende Sphäre, warum das schwebende Relikt?
Versuch es noch mal, forderte er sich selbst auf. Schlaf ein. Du kannst das doch, oder nicht? Es ist friedlich, es ist tröstend. Du bist ohnehin erschöpft. Mach doch einfach ein Nickerchen. Das Schlimmste, was passieren kann, ist, dass du aufwachst und das Universum ist noch genau so, wie du es verlassen hast, aber du bist dann wenigstens ausgeruht und erfrischt. Wäre das an sich nicht auch schon ein erstrebenswertes Ziel?
Warum nicht?, dachte er. Es geschah ja sonst nichts. Tse-Mallory und Truzenzuzex würden ihn nur dafür schelten, dass er eine Gelegenheit ungenutzt hatte verstreichen lassen, aber Clarity würde es verstehen. Erneut schloss er die Augen und blendete die alles durchdringende weiße Strahlung aus.
So ruhig. So friedlich. Er spürte, wie sein Körper erschlaffte, als er sich zum ersten Mal seit Tagen entspannte. So viel hatte er erreicht und gelernt, und jetzt ließ sich damit vielleicht doch nichts erreichen. Seine Zeit zu schlafen, sich eine mentale Pause zu gönnen, war gekommen. Er hatte sich dieses Recht verdient.
Ein Stoß lief durch seinen ganzen Körper, als hätte ein böser Eindringling einen seiner Zehen gegen eine Energieübertragungsplatte gedrückt.
Pip und er waren nicht länger alleine.
An Bord der Teacher keuchte Clarity auf und deutete aus dem Fenster. »Seht doch. Oh, seht nur!«
Die Hemisphäre, in der Flinx lag, hatte sich verlängert und war zu einer soliden Sphäre geworden, die von innen heraus wie ein Rubin glühte. Von der neu gebildeten Kugel ging die purpurfarbene Strahlung etwa zehn Meter in alle Richtungen ab. Das ursprünglich durchsichtige Artefakt war nun getrübt, sodass man Flinx darin nicht mehr sehen konnte.
Etwas drückte ihren rechten Arm und bewirkte, dass sie sich umdrehte. Sylzenzuzex stand hinter ihr und hatte das weiche Fleisch des Menschen mit ihrer linken Echthand und Fußhand gepackt. Die Thranx konnte nicht lächeln, aber Clarity spürte, dass die Sicherheitsoffizierin dies zumindest innerlich tat.
»Du musst dir das nicht mit ansehen«, meinte Sylzenzuzex mit ernster Stimme. »Irgendetwas geschieht dort. Und so wie ich Flinx kenne, wird bald noch viel mehr geschehen. Doch wie es auch ausgehen wird, ob gut oder schlecht, so kannst du es durch dein Zusehen nicht beeinflussen.«
Clarity dachte einen Augenblick nach und nickte dann. »Ich gehe wieder in die Kabine. Unsere Kabine. Ihr könnt mir Bescheid sagen, wenn alles ... vorbei ist.«
Sylzenzuzex' Fühler wippten, und sie bedeutete ihr mit einer Echthand, dass sie verstanden hatte. »Wenn du gern Gesellschaft hättest, kann ich dich begleiten. In seltsamen Zeiten und unter schwierigen Bedingungen haben Angehörige meines Volkes gern jemanden an ihrer Seite. Das kommt vermutlich davon, dass wir unterirdisch und so dicht beieinander leben.«
Verständnisvoll nickend erwiderte Clarity: »Meine Spezies hat sich zwar nicht unter der Erde entwickelt, aber ich würde mich über deine Gesellschaft freuen, Syl.« Und so gingen die beiden zur Hauptkabine und überließen den Kontrollraum Tse-Mallory und Truzenzuzex. Die beiden Wissenschaftler waren derart vertieft in das, was sie vor sich sahen, dass sie nicht einmal mitbekamen, dass ihre weibliche Begleitung verschwunden war.
***
Nicht länger alleine, erkannte Flinx erschrocken. Überdies fühlte sich die Entität, die er in seinem Geist identifizieren konnte, irgendwie vertraut an.
ES IST SCHÖN, WIEDER BEI DIR ZU SEIN, FLINX-MENSCH, erklärte die Stimme aus seinen Träumen. ES IST GUT, DASS DIE ZEIT ENDLICH GEKOMMEN IST.
»Ich kenne dich«, dachte Flinx. »Du warst schon früher bei mir. Du hast mir mehrmals dabei geholfen, dass ich die Gefahr sehen konnte, die uns alle bedroht.«
UNS ALLE, wiederholte die Stimme. WIR SIND VETTERN, DEINE SPEZIES UND MEINE. WIR KÖNNEN UNS NICHT SO AUSSTRECKEN, WIE DU ES KANNST - ABER WIR KÖNNEN DRÜCKEN. WIR KÖNNEN VERSTÄRKEN. DAS HABEN WIR GETAN.
»Wer seid ihr?«, erkundigte er sich, nicht zum ersten Mal, aber jetzt vehementer als je zuvor.
Ein Bild nahm vor seinem inneren Auge Gestalt an. Das Bild einer Welt mit wenigen Menschen, aber vielen ... Vettern. Lange getrennt durch die materielle Evolution, aber nicht durch die Intelligenz, blieben sie unter sich und auf ihrer neuen Welt. Das Gefühl, das er empfing, die Emotionen, die übertragen wurden und ihn durchfluteten, umgaben ihn wie eine warme, schützende Decke.
Ich kenne diese Welt, erkannte er und verspürte auf einmal große Aufregung.
»Cachalot«, dachte er.
WIR SIND EINS MIT DIR, UM ZU HELFEN. WIR WERDEN WIE EIN KISSEN FÜR DEINEN VERSTAND SEIN. UND ICH WERDE DABEI HELFEN, DICH ZU LEITEN UND ZU FÜHREN.
Die Quelle der zweiten Präsenz war ihm sofort klar. Er musste gar nicht erst raten, da er erst vor Kurzem mit ihr kommuniziert hatte.
Das Tar-Aiym Krang.
Das Dreieck, jetzt fiel es ihm wieder ein. Damit er eine Chance hatte, das nahende Böse zu bekämpfen, wurde ein kooperatives Dreieck aus verschiedenen Geistern und Denkweisen benötigt. Auch wenn er selbst kein Teil des Dreiecks war, so sollte er doch der Auslöser, der Schlüssel für etwas viel Größeres sein.
Was und wo war das immer noch fehlende dritte Teil? Woraus bestand es, und welche Geister steckten dahinter? Falls es ein Tar-Aiym sein sollte, so gab es keine Hoffnung für sie. Peot, der letzte lebende Tar-Aiym, war vor gar nicht allzu langer Zeit in der Nähe der Welt Repler gestorben. Die Xunca? Sie waren fortgegangen. Was war dann der dritte und letzte Bestandteil des Dreiecks, und wo sollte man danach suchen?
Suche und du wirst finden, sagte er sich. Er streckte sich erneut aus, so kraftvoll, wie er nur konnte, zusammen mit den beiden Geistern, die sich mit dem seinen verschmolzen hatten. Er streckte sein Talent aus - und stellte den Kontakt her. Mit etwas, das so unerwartet und so durch und durch fremdartig wie nahe war. Es wartete auf ihn.
Es gab ein Relais. Auf seinem Schiff.
Während sein Talent gewachsen und reifer geworden war, hatte Flinx viele Arten des Verstandes kennengelernt. Die von Menschen und Thranx, AAnn und Quillp, Sakuntala und Tolianern. Den uralten Maschinenverstand, der das Krang war, und jetzt den Gruppenverstand der Cetacea von Cachalot. Aber noch nie hatte er etwas erlebt wie die bizarren kognitiven Prozesse, die nun in sein waches/schlafendes Bewusstsein eindrangen und die er sich nicht einmal im Traum hätte vorstellen können. Sie entsprangen einem vereinigten Bewusstsein, das eine ganze Welt umfasste und sich doch ebenso gut konzentrieren konnte wie der Geist eines einzigen Individuums. Es war erforderlich, dass Millionen, vielleicht sogar Milliarden einzelner Lebensformen zusammenkamen, um dieses Bewusstsein zu erschaffen, das sich so sehr von seinem und allen anderen, die er je kennengelernt hatte, unterschied wie das seine von dem eines Steins. Nur dass ein Stein kein Bewusstsein hatte.
Doch trotz allem, trotz der Fremdartigkeit, die ihm zwar deutlich bewusst war, aber auch außerhalb der gewöhnlichen Konzepte der Wahrnehmung lag, erkannte er es. Wie der besänftigende Gruppenverstand der Cetacea, wie der direkte Maschinenverstand des Krang war es schon früher bei ihm und ein Teil von ihm gewesen. Tatsächlich hatte er sich sogar schon zwischen seinen Bestandteilen aufgehalten.
Die Wale von Cachalot kamen voller Wärme zu ihm.
Das Krang kam mit seiner eisigen Klarheit.
Und die unübersetzbare, unerklärbare, den Globus umgebende Grünheit des Weltenverstandes von Midworld kam zu ihm mit ... Macht.
Das Dreieck war komplett. Wie die Xunca es replizieren konnten, wusste er nicht und konnte er auch nicht wissen, aber das war unwichtig. Er spürte die Energie durch sich hindurchfließen wie einen Sturzbach. Er konnte es zwar nicht sehen oder fühlen, aber er konnte durch andere - insbesondere durch die zuckende schlangenartige Gestalt, die auf seiner Brust lag - empfinden, dass sich draußen irgendetwas regte. Jenseits der Blase. Wie ein Zittern an einem klaren Wintermorgen arbeitete es sich durch das immense Gewebe des Großen Attraktors. Nur halb bei Bewusstsein lag Flinx da, geschützt von den kombinierten Geistern der Cetacea, des Krang und angetrieben von dem grünen Weltenverstand von Midworld, und stählte sich für das, was geschehen würde.
Da jedes Jota seines Wesens damit beschäftigt war und er sich mental vom restlichen Kosmos abgeschottet und isoliert hatte, war es nicht weiter überraschend, dass er das Eintreffen eines weiteren Schiffes nicht bemerkte.
Jene an Bord der Teacher taten das allerdings schon. Oder vielmehr entdeckte die Teacher, wie der Besucher im Schlund des Plasmatunnels erschien, und informierte Flinx' Freunde sofort darüber.
»Unmöglich!«, stieß Tse-Mallory aus, während er zusammen mit Truzenzuzex auf das sofort erkennbare Bild des Schiffes starrte, das in die Reichweite der Sensoren der Teacher gekommen war. »Niemand sonst weiß von dem Xunca-Terminal bei Senisran. Es hat nicht einmal existiert, bis Flinx es erneut aktiviert und zusammengesetzt hat.«
»Was bedeutet, dass dieses Schiff und seine Passagiere uns dicht auf den Fersen gewesen sein müssen.« Truzenzuzex konnte seine eigene Schlussfolgerung kaum glauben, und noch viel weniger das, was er mit eigenen Augen sah. »Aber das ergibt noch viel weniger Sinn. Niemand kann einem Schiff mit einem KK-Antrieb im Nullraum folgen oder dieses aufspüren. Das ist unmöglich.«
Tse-Mallory holte tief Luft. »Mein Freund, wir befinden uns an einem Ort, an dem unmöglich real geworden ist. Wie du beginne ich langsam, an meinen eigenen Sinnen zu zweifeln.« Er drehte sich zum nächsten Aufnahmegerät um. »Schiff, ist das wirklich ein anderes Schiff, das wir da sehen? Oder könnte es ein verzerrtes Duplikat von dir sein, eine optische Täuschung, die von etwas in unserer Umgebung erzeugt wird?«
»Es ist ein anderes Schiff.« Wie immer klang die Antwort der Teacher kalt und sicher. »Ein Transporter aus dem Commonwealth. Das Äußere und die Markierungen deuten auf ein kommerzielles Schiff mit fortschrittlichem Design hin.«
Die beiden Wissenschaftler sahen sich fragend an, bevor sich Tse-Mallory erneut an das Schiff wandte.
»Zerstöre es.«
»Das kann ich nicht tun.« Die KI des Schiffes klang beinahe mitfühlend, aber auch unnachgiebig. »Nur Flinx, mein Besitzer und Pilot, kann mir eine solche Anweisung geben. Das ist eine der zahlreichen Sicherheitsmaßnahmen, die auf seinen Befehl hin installiert worden sind.«
»Kann der Befehl nicht überschrieben werden, wenn er in Gefahr ist?«, fragte Truzenzuzex angespannt.
»Es gibt keinen Beweis dafür, dass der Neuankömmling eine Gefahr für ihn darstellt.«
Hilflos knirschte Tse-Mallory mit den Zähnen. Selbst eine sehr fortschrittliche KI konnte die Dinge verdammt wörtlich nehmen. »Warum sonst sollte uns dieses Schiff hierher gefolgt sein?«
»Ich denke, das werden wir bald herausfinden. Sie rufen uns jetzt. Ich werde die Transmission durchstellen.«
Ein Kommunikationshologramm erschien an der entsprechenden Stelle der vorderen Konsole. Das Bild, das sich dort bildete, zeigte einen Mann mittleren Alters. Er sah nicht besonders bedrohlich aus, fand Tse-Mallory. Doch das hatte nichts zu bedeuten.
»Schiff«, erklärte der Mann, »bereite dich darauf vor, Besucher zu empfangen.«
Tse-Mallory übernahm das Antworten. »Vielen Dank auch, aber wir sind im Moment sehr beschäftigt und haben keine Zeit für Besucher. Wer sind Sie? Wie haben Sie den Plasmatunnel entdeckt? Was wollen Sie hier?«
Als Antwort lächelte der Mann mit zusammengepressten Lippen. »Alle Fragen werden zur rechten Zeit beantwortet. Wenn Sie sich weigern, uns an Bord zu lassen, werden wir auf die leuchtende Sphäre feuern, die das Individuum Philip Lynx, uns besser als Flinx bekannt, enthält.«
Vor Schreck blieben Tse-Mallory die Worte weg. Das war doch Wahnsinn! Woher konnten sie wissen, dass sich Flinx in der leuchtenden roten Kugel befand? Er war unter der sanft pulsierenden, undurchsichtigen Oberfläche nicht zu erkennen, man sah nicht einmal, dass sich überhaupt jemand darin aufhielt.
»Schiff«, erklärte Truzenzuzex, »der Neuankömmling bedroht deinen Besitzer! Ich verlange erneut, dass du ihn vernichtest!«
»Das kann ich nicht.« Die Teacher klang fast schon traurig. »Die Bedrohung ist rein verbaler Natur. Außerdem hat der Besucher auf der anderen Seite der leuchtenden Kugel genau gegenüber von unserer Position angehalten. Würde ich jetzt meine Waffen in Richtung des Neuankömmlings abfeuern, ginge ich das große Risiko ein, dabei auch die Sphäre zu treffen. Ich stehe zu vielen logischen Widersprüchen und praktischen Schwierigkeiten gegenüber, um das zu tun, was Sie verlangen.«
»Dann frag Flinx! Informiere ihn über die veränderte Lage der Dinge und frage ihn, was du tun sollst.«
»Das kann ich nicht«, erwiderte das Schiff. »Als der Besucher aufgetaucht ist, habe ich genau das versucht. Er ist zwar direkt vor mir, aber ich kann ihn nicht erreichen.«
Die beiden Wissenschaftler beratschlagten sich nervös. »Wir werden es diesen Leuten gestatten müssen, an Bord zu kommen, s!!laksk«, erklärte Truzenzuzex. »Wir werden sie in ein Gespräch verwickeln. Was immer sie auch wollen, wir werden sie einfach so lange wie möglich beschäftigen und aufhalten.« Er deutete auf die glühende purpurrote Sphäre. »Es ist offensichtlich, dass es Flinx gelungen ist, einen Prozess von gewisser Bedeutsamkeit in Gang zu setzen. Wir dürfen nicht zulassen, dass er unterbrochen wird.«
»Flinx muss erfahren, was hier los ist«, insistierte Tse-Mallory.
»Du hast sein Schiff gehört, mein Freund.« Truzenzuzex' Fühler wackelten unruhig hin und her. »Wir können momentan keinen Kontakt zu ihm aufnehmen. Diese Besucher, wer immer sie auch sein mögen, wollen hierherkommen. Lassen wir sie herkommen. Solange sie hier sind, können wir reden. Und solange wir reden, tun sie nichts anderes.«
Tse-Mallory war nicht überzeugt. »Sie könnten uns umbringen.«
»Sicher könnten sie das.« Eint Truzenzuzex lehnte sich zurück, sodass er nur noch auf seinen vier Echtbeinen stand, und machte sich so groß, wie es seine Natur zuließ. »Was mit uns geschieht, ist unwichtig. Wir sind nichts. Der Prozess, den Flinx hoffentlich eingeleitet hat, ist alles. Je länger wir diese Leute beschäftigen können, desto mehr Zeit hat er, um ... etwas zu wecken.«
Tse-Mallory nickte langsam. »Tja, der Tod ist ein alter Bekannter.« Dann lächelte er den Thranx fast schon liebevoll an. »Fast so alt wie du, Käfer.«
Truzenzuzex stieß ein tirilierendes Lachen aus. »Ich werde die Einladung aussprechen. Auf das Universum, Weichhaut.«
Das Shuttle, das kurz darauf das neu eingetroffene Schiff verließ und zur Teacher flog, sah durch und durch gewöhnlich aus. Es wurde automatisch in die entsprechende Landebucht geleitet. Dann konnten die beiden Wissenschaftler nichts weiter tun als warten.
Nach wenigen Augenblicken trafen die Besucher auf der Brücke ein. Ein Dutzend Männer und Frauen, bewaffnet mit Neuronenwaffen, die nicht nur äußerst effektiv waren, sondern auch sicher im Inneren eines Schiffes eingesetzt werden konnten, ohne die Hülle in Gefahr zu bringen. Außerdem sah die Gruppe Tse-Mallorys Meinung nach arg zusammengewürfelt aus. Einige von ihnen bewegten sich mit der Leichtigkeit und Anmut von Individuen, die ein Kampftraining absolviert hatten, während andere unsicher wirkten und in zweifelhaftem körperlichen Zustand waren. Der Kontrollraum war fast schon überfüllt, was ihren Kampfvorteil zunichte machte. Mental ging er bereits ihre Optionen durch. Truzenzuzex tat zweifellos dasselbe. Sein Freund und er waren alt, aber in einem Kampf ist ein älterer erfahrener Soldat ein besserer Gefährte als ein junger und unerfahrener Zivilist.
Dann kam noch eine Person in den Raum, und er verwarf alles, woran er gedacht hatte.
Die Frau war groß und gutaussehend, mit kurz geschnittenem blonden Haar und rabenschwarzen Augen. Tse-Mallory hätte gesagt, dass diese Netzhäute ein Fenster in ihre Seele bildeten, nur dass er dort nicht die Existenz einer solchen spürte. Obwohl sie sich mit der tierischen Autorität eines Qwarm bewegte und eine kaum gedämpfte Grausamkeit von ihr ausging, gab es keinen anderen Hinweis darauf, dass sie ein Mitglied dieser mörderischen Gilde war. Ihre Aufmachung unterschied sich jedenfalls deutlich von der dieser professionellen Attentäter.
Jene, die vor ihr den Raum betreten hatten, machten ihr Platz. Dabei legten sie eine Ehrerbietung an den Tag, die weit über das hinausging, was man einem Anführer oder Oberhaupt zollte. Es dauerte einen Moment, bis Tse-Mallory die Reaktion, die er mit ansah, eingeordnet hatte.
Sie hatten Angst vor ihr.
Dann blieb sie stehen, während einer der bewaffneten, aber offensichtlich weniger bedrohlichen Männer vortrat und sich an die beiden Wissenschaftler wandte.
»Wir sind der Orden von Null«, erklärte er.
Tse-Mallorys Miene blieb verschlossen. »Ich kenne euch. Ihr seid die ultimativen Nihilisten.«
Die Lippen des Mannes verzogen sich zu einem Lächeln. »Ja, wir haben unseren Glauben.« Dann sah er an Mensch und Thranx vorbei und deutete auf die glühende rote Sphäre, die durch das Aussichtsfester jenseits der großen Scheibe des Caplis-Generators der Teacher zu sehen war. »Wir fordern, nein, verlangen, den Tod der Person, die sich momentan in der purpurfarbenen Kugel befindet.«
Truzenzuzex konnte die Unwissenheit nicht länger ertragen. »Woher wissen Sie überhaupt, dass er da drin, ist, sil!ak? Woher kennen Sie seinen Namen? Und wie ist es Ihnen gelungen, an diesen Ort zu gelangen?« Seine Deckflügel zitterten vor lauter unterdrückter Frustration. »Sie können diesem Schiff nicht den ganzen Weg aus den Tiefen des Blight gefolgt sein! Sie können es auch nicht in dem Moment, in dem wir den Übergang eingeleitet haben und in den Plusraum eingetreten sind, entdeckt haben. Das ist einfach nicht möglich!«
Bei seinen Worten trat die umwerfend gutaussehende Frau vor. Tse-Mallory bemerkte die Ehrfurcht, die der deutlich größere und stärkere Sprecher ausstrahlte, als er beiseite trat. Dem Soziologen fiel außerdem auf, und das stellte wohl die interessanteste Tatsache dar, dass sie als Einzige des Entertrupps nicht bewaffnet war.
»Das ist korrekt, Insekt.« Sie sprach die Beleidigung fast schon beiläufig aus, als wäre sie sich deren Bedeutung und ihrer möglichen Auswirkungen nicht bewusst. Truzenzuzex ignorierte sie jedoch. Seine Mitstreiter in dem von ihm auserwählten Fachgebiet hatten sich schon weitaus einfallsreichere Beschimpfungen ausgedacht. »Es ist unmöglich, einem Schiff durch den Plusraum zu folgen. Die offensichtliche Schlussfolgerung ist daher, dass wir Ihrem Schiff nicht gefolgt sind.«
Als keiner der Wissenschaftler darauf reagierte, lachte sie laut auf. Mit der richtigen Modulation könnte ihr Lachen ebenso attraktiv sein wie der Rest von ihr, dachte Tse-Mallory. Doch es klang kratzig und heiser, eher wie ein musikalisches Wiehern als wie ein Ausdruck der Freude.
»Wenn Sie dem Schiff nicht gefolgt sind ...?«, erkundigte er sich.
Obsidianfarbene Augen sahen direkt durch ihn hindurch. »Anscheinend fällt es mir nach unserer letzten Begegnung vor sechs Jahren zunehmend leichter, meinen Bruder ausfindig zu machen.«
Der Soziologe und der Philosoph waren verblüfft. Bei seinen Unterhaltungen mit ihnen hatte Flinx mehr als einmal beiläufig eine Halbschwester erwähnt. Er hatte ihnen erzählt, dass sie eine Adeptin sei wie er, die einzige andere Überlebende der genetischen Experimente der verbotenen und aufgelösten Meliorare-Society - ein Mädchen mit unbekannten Fähigkeiten. Nur dass die Person, die jetzt vor ihnen stand, kein Mädchen mehr war.
»Sie sind«, flüsterte Tse-Mallory, während er sie ungläubig anstarrte, »Mahnahmi.«
»Nicht dieselbe Mahnahmi, von der Ihnen Flinx erzählt hat.« Ihr Blick wanderte durch den Raum. »Ich bin älter und stärker. Mehr im Einklang mit mir selbst. Sie sind sich bestimmt bewusst, dass Flinx, als er älter wurde, eine größere Kontrolle über seine Fähigkeiten gewonnen hat. Ich bin jetzt zu Dingen in der Lage, die ich mir nicht einmal vorstellen konnte, als er und ich uns das letzte Mal ... begegnet sind. Das hier zum Beispiel.«
Auf einmal schien Tse-Mallorys Gehirn in einem Schraubstock zu stecken. Er griff sich an die Schläfe und taumelte. Neben ihm brach Truzenzuzex beinahe auf dem Boden zusammen. Die Fühler des Philosophen standen gerade und steif von seinem Schädel ab, und seinen zusammenfallenden Atemlöchern entwich ein stetiges hohes Pfeifen. Doch so schnell, wie er gekommen war, verschwand der Schmerz auch wieder.
Blinzelnd, um wieder klar sehen zu können, starrte Tse-Mallory sie an. Sie lächelte nicht und schien sich auch innerlich nicht zu amüsieren. Sie studierte die beiden einfach nur auf dieselbe Art und Weise, wie er und Tru ein Experiment beobachtet hätten.
»Vor sechs Jahren habe ich gerade erst gelernt, wie man das macht.« Sie sprach so ruhig, als hätte sie eben ein Tuch hervorgeholt, um einen Fleck wegzuwischen. »Doch jetzt bin ich viel besser darin.« Sie kam auf ihn zu. Trotzig blieb Tse-Mallory stehen, aber sie war auch gar nicht an einer körperlichen Auseinandersetzung interessiert, sondern ging einfach an ihm vorbei zum Aussichtsfenster, um die schwebende, leuchtend rote Sphäre anzustarren.
»Mein Bruder. Der Einzige, der so ist wie ich. Der Einzige, der mir Probleme machen oder Kummer bereiten kann. Mein Geist ist mit seinem verbunden. Er ist wie eine Krankheit, die ich nicht auskurieren kann. Seine andauernde Existenz verunreinigt mich, wenn ich bei wichtigen Treffen bin, macht sich in mir bemerkbar, wenn ich versuche, wichtige Entscheidungen zu treffen, weckt mich aus meinem Schlaf.« Sie drehte sich wieder zu den beiden Wissenschaftlern um, die ihr aufmerksam lauschten.
»Irgendwann nach unserem letzten Treffen erfuhr ich von diesen Leuten hier und von ihrer Organisation. Über diverse Wege und Kanäle informierte ich sie darüber, dass ich von einem Individuum Kenntnis habe, das möglicherweise, irgendwie in der Lage sein könnte, die nahende Apokalypse, die sie so sehr verehren, zu vereiteln. Zuerst wollten sie mir nicht glauben. Nichts Sterbliches könne in irgendeiner Weise die nahende Reinigung beeinflussen, haben sie mir versichert. Doch ich konnte ihnen gewisse Dinge zeigen, ihnen Informationen geben, die ihnen ansonsten nicht zur Verfügung gestanden hätten. Zwar waren nicht alle von ihnen davon überzeugt, dass er ihre Pläne durchkreuzen könnte, aber es gelang mir, genug Ordensmitglieder zu überreden, dass es nicht schaden könne, gewisse Vorsichtsmaßnahmen zu treffen.
Dummerweise hatten sie sich nicht angemessen vorbereitet, als sie versuchten, Flinx auf New Riviera auszuschalten - trotz all der Dinge, die ich ihnen gesagt und gezeigt hatte, trotz meiner Warnungen und Ermahnungen. Als ich dort eintraf und den Schlamassel beseitigen wollte, den sie angerichtet hatten, musste ich feststellen, dass er bereits zu einer Welt abgereist war, die zwar nicht Teil des AAnn-Imperiums ist, aber von ihnen dominiert wird.« Sie schien in sich zu gehen.
»Dort, auf einer Welt namens Jast, habe ich ihn völlig verloren. Es war ausgesprochen seltsam, fast so, als wäre er gestorben. Zum ersten Mal seit langer Zeit konnte ich seine Präsenz nicht mehr spüren. Obwohl sich sein offensichtliches Ableben nicht bestätigen ließ, reiste ich ab, da ich mich noch um andere Dinge zu kümmern hatte.
Erst ein Jahr später spürte ich seine Existenz erneut. Und ich kann Ihnen sagen, das hat mich wirklich erschüttert. Wie konnte ich nur so dumm gewesen sein? Ich hätte wissen müssen, dass ich nicht vom Tod meines Bruders ausgehen konnte, solange ich seine Leiche nicht gesehen und mich mit eigenen Augen von seinem Ableben überzeugt hatte. Sobald ich konnte, reiste ich ihm nach. Auf Repler habe ich ihn verpasst, ebenso auf Visaria und auf Gestalt. Und dann verlor ich ihn erneut, als er mit Ihnen im Blight verschwunden ist.« Jetzt lächelte sie wieder. »Aber als Sie wieder aufgetaucht waren, dachte ich, ich wäre bereit. Meine Freunde und ich flogen sofort ins Senisran-System, nur um dort erneut zu spüren, wie das Gefühl für Flinx' Existenz verschwand. Es war nichts mehr da, was ich von ihm empfangen konnte.
Doch anstelle einer Präsenz fand ich ein Gerät. Die Art von Mechanismus, für die mein Bruder eine bemerkenswerte und wiederholte Affinität entwickelt hat. Wir erkundeten es, wir flogen hinein, und es hat uns hierher gebracht.« Sie deutete durch das Fenster auf die gut ausgeleuchtete Sphäre. »In der Sekunde, in der wir hier aufgetaucht sind, erkannte ich sein Schiff - und spürte auch sofort wieder seine Präsenz.« Sie wandte sich von den beiden Wissenschaftlern ab und starrte erneut durch das Fenster auf die strahlende rote Kugel.
»Und jetzt wird es hier enden. Er wird hier enden. Und ich werde endlich frei sein von dem Ärgernis, das er repräsentiert. Von den letzten beiden Adepten, die die Meliorare produziert haben, wird nur einer überleben.«
Das konnte Tse-Mallory nicht unkommentiert lassen. »Wenn Sie sich mit diesen Leuten verbündet haben, dann wissen Sie sehr gut, woran sie glauben und was sie unterstützen. Das haben Sie selbst gesagt. Wenn die Monstrosität, die von außerhalb der Galaxie auf uns zurast, nicht aufgehalten wird, wird sie alles vernichten. Jede Welt, jede Sonne, jede Zivilisation. Die ganze galaktische Scheibe wird darin verschwinden, und danach wird sie noch viele weitere verschlucken.«
Sie neigte den Kopf leicht nach rechts und schien den bulligen Soziologen zu mustern. Ihr Tonfall war angsteinflößend, unbeschreiblich, durch und durch gleichgültig. »Ich weiß. Aber dann werde ich schon lange tot sein. Mein Leben wird jedoch glorreich hinter mir liegen, erfüllt von einzigartigem Ruhm und der Anhäufung persönlicher Macht. Eine kleine Entschädigung für all die Dinge, die mir die Meliorare angetan haben.« Sie kniff auf einmal die Augen zusammen. »Und für das, was ich durch gewisse Individuen erleiden musste. Ich werde nicht zulassen, dass Flinx oder sonst jemand diese Vergeltung gefährdet. Sie steht mir zu. Ich habe sie mir verdient.«
»Was ist mit der Zivilisation, dem Leben von mehreren hundert Milliarden weiterer intelligenter Individuen? Was haben sie verdient?«
Sie zuckte mit den Achseln. »Ein Einfachticket in die Hölle, soweit es mich betrifft. Sollen sie doch alle sterben. Soll die sogenannte Zivilisation doch zu Staub zerfallen. Mögen die Anhänger des Ordens die Apokalypse doch freudig begrüßen. Das alles bedeutet mir nichts und ist mir völlig egal.«
Sie ist so kaltblütig, dachte Tse-Mallory. Nachdem er zuvor gezwungen gewesen war, über eine Zerstörung galaktischen Ausmaßes nachzudenken, sah er sich jetzt mit einer Egozentrik vergleichbarer Größenordnung konfrontiert. Er konnte das alles kaum glauben. Aber als sie über die ultimativen Schrecken gesprochen hatte, die sie so beiläufig abtat, war sie nur ehrlich gewesen. Er konnte es in ihrer Stimme hören und in ihren Augen sehen.
Sie war so schwer verletzt worden, sie verspürte einen so tiefen und so unveränderlichen Zorn, dass sie wollte, dass das Universum vor die Hunde ging.
Im nächsten Augenblick sprang Truzenzuzex, dessen sechs Beine noch immer ausgesprochen kraftvoll waren, völlig unvermutet auf.
Mehrere Ordensmitglieder zückten ihre Waffen. Doch sie waren zu langsam. Trotz seines fortgeschrittenen Alters war der Philosoph erstaunlich schnell. Aber dummerweise nicht schneller als der Verstand. Etwas kam aus der Frau, die Mahnahmi genannt wurde, heraus - etwas, das ebenso giftig wie mächtig war. Es fing Truzenzuzex ein und warf ihn quer durch den Kontrollraum an die gegenüberliegende Wand. Als er zuckend, aber am Leben, dort am Boden lag, eilte Tse-Mallory zu ihm. Er versuchte gar nicht erst, einen Vorteil aus dem Angriff seines Freundes zu ziehen und eine ähnliche Attacke auf Flinx' Halbschwester zu starten. Der Soldat und Soziologe war tapfer, aber nicht töricht. Er hätte niemandem einen Gefallen getan - am wenigsten Flinx, der von all dem hier nichts ahnte -, wenn er ebenfalls verletzt wurde.
Truzenzuzex pfiff vor Schmerzen, doch er schien nicht lebensgefährlich verletzt zu sein. Ein Mensch, der auf diese Weise zur Seite geworfen wurde, hätte sich vermutlich einige Knochen gebrochen. Doch das chitinöse Exoskelett eines Thranx konnte deutlich mehr aushalten. Tse-Mallory sah über die Schulter hinweg zu der wunderschönen Deformation, die ein weiteres Produkt der zahlreichen biologischen Fehltritte der Meliorare war.
»Wenn Sie auf Flinx' Tod aus sind, wieso entern Sie dann dieses Schiff? Wenn Sie wissen, dass er sich in der roten Kugel befindet, warum haben Sie diese dann nicht einfach direkt nach Ihrer Ankunft hier zerstört?«
Ihre Zungenspitze berührte erst ihre Ober- und dann ihre Unterlippe. »Alles zu seiner Zeit, alter Mann. Zögert man den Tod heraus, kann man seine Wirkung sogar noch steigern. Teilt man das Ableben mit anderen, lässt es sich noch deutlich mehr genießen. Ich habe lange Zeit auf diesen Moment hingearbeitet. Versuchen Sie nicht, mir mein Vergnügen madig zu machen.« Sie deutete auf ihre Umgebung. »Ich kenne die, die das Schiff für ihn gebaut haben. Ich wollte es mit eigenen Augen sehen. Ich wollte sehen, welche Freunde er gefunden hat.« Sie sah dem zornigen Soziologen in die Augen. Muss sie denn niemals blinzeln?, fragte er sich verwirrt.
»Sie werden mit ansehen, wie er stirbt«, meinte Mahnahmi zufrieden. »Dann bringe ich Sie beide um. Und danach werde ich mir dieses Schiff aneignen. Sollte das nicht gelingen ...« Sie zuckte erneut mit den Achseln. »Allein dass ich es versucht habe, stellt mich schon zufrieden. Und was diesen erstaunlichen Ort angeht, wo immer wir uns auch befinden, was immer das hier auch sein mag, so wird er erneut in der Vergessenheit verschwinden, aus der mein Bruder ihn vorübergehend gerissen hat.«
Der noch immer neben Truzenzuzex hockende Tse-Mallory stand auf und sah sie mit einem ungläubigen Blick an. »Ihnen ist die Bedeutung dieser Umgebung überhaupt nicht bewusst, nicht wahr? Sie sind Flinx' Schiff gefolgt, ohne auch nur die leiseste Ahnung zu haben, wo Sie landen würden. Und während wir hier miteinander reden, wissen Sie immer noch nicht, wie weit Sie gereist sind oder welche Wunder Sie hier umgeben.«
»Ich weiß es nicht, und es ist mir auch völlig egal«, schoss sie zurück. »Wenn ich es nicht zu meinen Gunsten ausschlachten kann, dann ist es, soweit es mich betrifft, nichts weiter als eine weitere grandiose Torheit irgendwelcher Aliens. Und wie die meisten Torheiten wird auch diese hier eine sein, die man am besten gleich wieder vergisst.«
Sie hätte vermutlich noch weitergesprochen - nur dass das andauernde Geschwafel, dieser halb verrückte Vortrag, der sie beschäftigte und ihre volle Aufmerksamkeit beanspruchte, von zwei unerwarteten Eindringlingen unterbrochen wurde. Die Neuankömmlinge im Kontrollraum waren keine Mitglieder ihres Begleittrupps und hatten sich auch nicht dem Glauben oder den Zielen ihrer Anführerin verschrieben. Nachdem sie sich hastig, aber nichtsdestotrotz effektiv über die Lage der Dinge im Kontrollraum der Teacher informiert hatten, leiteten die Neuankömmlinge nun Schritte ein, um die Sache wieder in Ordnung zu bringen.