Nehmen wir wieder ein Lichtteilchen. Wenn man in die Glockenkurve, die die Aufenthaltswahrscheinlichkeit beschreibt, einen Spiegel postiert, dann erhält man vor und hinter dem Spiegel eine Aufenthaltswahrscheinlichkeit für das Lichtteilchen.

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Das Lichtteilchen kann jetzt theoretisch auf beiden Seiten des Spiegels sein. Und um die Seiten zu wechseln, geht es durch den Spiegel durch. Das macht es in sehr seltenen Fällen. Und zwar indem es durch den Spiegel hindurchtunnelt. Das ist der Tunneleffekt. Das Lichtteilchen hört auf zu existieren, springt durch den Spiegel und beginnt seine Existenz wieder hinter dem Spiegel. Das Coole daran ist: Das ist kein mathematisches Modell, das kann man nicht nur berechnen, sondern das ist x-mal experimentell nachgewiesen. Auch schon mit größeren Objekten, etwa mit großen Molekülen. Quantenmechanik ist nämlich ein Konzept, das funktioniert, und nicht irgendein esoterisches Wischiwaschi. Und die Wissenschaft bekommt auch nicht vor Staunen den Mund nicht mehr zu, nur weil Teilchen über große Distanzen „springen“ können oder über viele Millionen Kilometer verschränkt bleiben. Ist halt so. Nur weil es in der Quantenphysik Vorgänge gibt, die ungewöhnlich erscheinen, heißt das nicht, dass man sie nicht genau beschreiben, experimentell überprüfen und für technischen Fortschritt verwenden kann. Wenn Ihnen aber wieder einmal wer mit Quantenmedizin und ähnlichem Unfug kommt, dann haben Sie jetzt zwei Möglichkeiten. Entweder Sie sagen umgehend: „Völliger Quatsch!“ Oder Sie verlangen, dass der Quantenmedizin-Fan Ihnen den Tunneleffekt erklärt, und sagen, falls er es überraschenderweise schafft: „Quantenmedizin ist trotzdem völliger Quatsch!“ Das können Sie von Ihrer Tagesverfassung abhängig machen.

Kann ein Mensch auch tunneln oder nur kleine Teilchen? Etwa durch eine Wand? Grundsätzlich könnte ein Mensch das, aber es wäre ein Generationenprojekt. Wenn Sie anfingen, jede Minute zehnmal gegen die Wand zu laufen, und ihre Kinder und Kindeskinder und so weiter den Betrieb übernähmen, so könnte es bis zum Ende unseres Universums vielleicht einmal klappen. Der Vorteil für die Kinder wäre: nie wieder Berufsberatungsmesse, nie wieder von Verwandten gefragt werden, ob man schon wisse, was man werden will. Der Nachteil: geringe Aufstiegschancen. Man kann natürlich die Wahrscheinlichkeit zu tunneln erhöhen, indem nicht ein großer Teil gegen eine dicke Wand läuft, sondern sehr viele kleine Teilchen gegen eine sehr dünne Wand. Wenn man unter diesen Voraussetzungen das Prinzip Präservativ betrachtet, in dem ja sehr viele, sehr kleine Teile auf eine sehr dünne Wand treffen, kann man dann sagen, dass man vor 2.000 Jahren zum Tunneleffekt noch Heiliger Geist gesagt hat? Eher nein. Einerseits ist der Heilige Geist erst viel später erfunden worden, andererseits hat es vor 2.000 Jahren noch keine Präservative im heutigen Sinn gegeben. Wenn man aber alle Geschlechtsverkehre ever zusammenrechnet, könnte es sich eventuell einmal im Rahmen der Menschheitsgeschichte ausgehen. Als Erklärung für den überraschten Partner oder die Partnerin, wenn nach dem geschützten Sex eine ungewollte Schwangerschaft zustande kommt, ist der Tunneleffekt vermutlich trotzdem nicht gut geeignet.

Aber er könnte naturwissenschaftlich sauber erklären, dass sich, zumindest theoretisch, der Froschkönig irgendwann einmal in einen Prinzen verwandeln könnte – zumindest wenn von einer Seite der Frosch gegen die Wand geworfen wird und von der anderen Seite ein Königssohn mit schönen, freundlichen Augen dagegenrennt.

Andre Geim, der Co-Erfinder des schwebenden Frosches, hat übrigens nicht nur mit Fröschen zusammengearbeitet, sondern auch einmal eine wissenschaftliche Arbeit gemeinsam mit seinem Hamster Tisha veröffentlicht. Detection of earth rotation with a diamagnetically levitating gyroscope nennt sich das im Fachmagazin Physica B publizierte Werk, in dem der Hamster als Co-Autor fungiert. Welche Rolle Geims Hamster Tisha bei den Experimenten gespielt hat, ist nicht bekannt. Wäre Geim so populär wie Richard Gere, hätte es ihm aber passieren können, dass ihm Ähnliches angedichtet wird wie dem Hollywoodschauspieler in der berühmten Hamster-Story (Auflösung folgt). Und gar nicht auszudenken, was passieren hätte können, wenn der Hamster nicht Tisha, sondern Tushy geheißen hätte … Doch sehen Sie selbst.

* Japanischen Frauen ist es angeblich häufig unangenehm, wenn bei ihrem Gang zur Toilette Geräusche ihrer Körperfunktionen zu hören sind. Aus diesem Grund betätigten sie permanent die Spülung und verschwendeten damit Unmengen an Wasser – bis in den 80er-Jahren Otohime eingeführt wurde. Ein Gerät, das das Geräusch der Wasserspülung nachahmt. Ins Deutsche übersetzte heißt Otohime Geräuschprinzessin.8

** Falls Sie ihn nicht schon kennen, wofür die Wahrscheinlichkeit bedeutend höher ist, als dass er Ihnen einmal passiert.